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Reformation und Freiheit

Fünf Thesen für das Menno-Forum in Hamburg am 19. September 2015 im Hinblickauf das Reformationsjubiläum 2017 Prof. Dr. Hans-Jürgen GoertzHexentwiete 42b, 22559 Hamburg 1.    Wenn heute landauf und landab über die Reformation gesprochen wird, geschieht dasnicht, um unserer Zeit ein wissenschaftlich korrektes  Bild von der Reformation zuvermitteln. Soweit geht die Liebe zur Geschichte in Kirche und Gesellschaft nicht. Beidesuchen gewöhnlich nach einer  „usable past“ – wenn überhaupt – einer Vergangenheit, diezu ihnen passt, nicht unbedingt auch stimmt. Und dafür gibt es einen guten Grund:Vergangenheit ist nicht nur eine Zeit, die  war, sie ist auch eine Zeit, aus der noch waswerden kann. Das führt zur ersten These: Keine Kirche hat ihre Reformation hinter sich,alle Kirchen haben ihre Reformation vor sich. „Ecclesia semper reformanda“ (die Kirchemuss  immer reformiert werden) ist übrigens ein Slogan der Reformationszeit und ruft unsauf, recht vorsichtig mit dem Begriff der Reformation  umzugehen. Niemand hatte undniemand hat die „Reformation“ im Griff – weder Martin Luther noch die Täufer, die meinten,sie hätten eine von  Luther halbherzig eingeleitete Reformation zu ihrer Vollendung geführt. Nichts davon ist vollendet, alle Kirchen arbeiten daran und warten immer  noch darauf. 2.    Auffälligerweise entspricht dem theologischen Konzept der  unfertigen Reformation diehistorische Situation. Als Graf Mirabeau 1789  die berühmte Rede vor derNationalversammlung in Paris gegen das  Ancien Régime hielt, wusste niemand, dass balddanach die Französische  Revolution ausbrechen würde. Genau so verhielt es sich mit demAnschlag  der Thesen gegen den Ablass, mit denen der junge Professor an der Wittenberger Universität zum Streit über den Handel mit dem Ablass …
Roland Wagner

Tauferinnerung bei der Bestattung

Ein Impuls aus der Diaspora Roland WagnerJosefstaler Straße 7, 66386 St. Ingbert Leider habe ich es versäumt, bei der Umfrage zur Bestattungspraxis anlässlich der anstehenden…

Okko Herlyn, „Was ist eigentlich evangelisch?“

Paul Gerhard SchoenbornDellbusch 298, 42279 Wuppertal Okko Herlyn, „Was ist eigentlich evangelisch?“ Neukirchener-Aussaat-Verlag, Neukirchen-Vluyn 2015, 191 Seiten,14,99 Euro, ISBN 978-7615-6241-3 (Print), ISBN 978-7615-6242-0 (E-Book) Das Cover der Printausgabe des Werkes hat eine Bauchbinde. Auf der ist zu lesen:„Theologie als Lesegenuss, geht das? Okko Herlyn liefert den Beweis.“ „Oha, eine starkeAnpreisung!“ dachte ich. Aber es war nicht zuviel versprochen. Ich habe Okko Herlynsneuestes Buch: „Was ist eigentlich evangelisch?“ in einem Zug durchgelesen. Der Autor,pensionierter Theologieprofessor aus Bochum, als Emeritus noch immer gefragter Predigerund Referent und nicht zuletzt Maßstäbe setzender Kirchenkabarettist, versteht seinHandwerk. Er holt seine Leser in jedem Kapitel durch Alltagserfahrungen ab: durch Erörternvon einfach so dahingesagten Redensarten, durch kleine Berichte von Gesprächen, die ergeführte hat: mit Bodo an der Theke, mit einer jungen Katholikin beim RegensburgerKatholikentags 2014, mit dem, was er beim Trampen oder in einem Traugespräch zu hörenbekam. Wenn er dann zu seinen theologischen Informationen kommt, fällt seine Fähigkeit zurElementarisierung auf. Jeder Gutwillige kann ihn verstehen, und darauf kommt es ihm auchan. Er verwendet eine klare und verständliche Begrifflichkeit, grenzt sich ohne Aggressivitätgegen andere Positionen ab, formuliert niemals „churchy“ oder wie man früher gesagt hätte:er vermeidet durchweg die „Sprache Kanaans“. Im Gegenteil, er verwendet unverkrampftAlltagssprache bei der Entwicklung theologischer Gedanken. So kommt Okko Herlyn leicht ins Einvernehmen den Adressaten des Buches: Menschen, dieMitglieder evangelischer Gemeinden sind, mögen es aktive Mitarbeiter oder „treueKirchenferne“ sein. Die Erfahrung zeigt, dass sehr viele, die sich als evangelische Christenverstehen, ihre Probleme damit haben, sich selbst oder anderen klarzumachen, was dasdenn bedeutet, Protestant zu sein und auf Formularen als eigene Konfession „evangelisch“ anzugeben. Ihnen will das Werk Orientierung geben, wenn die Frage auftaucht: „Was istdenn  nun eigentlich evangelisch?“ Das Werk enthält siebzehn gut gegliederte Kapitel. Im ersten Kapitel wird ausführlich geklärt,was das Wort „Evangelium – evangelisch“ beinhaltet. Die weiteren fünf Kapitel handeln vonden reformatorischen Grundüberzeugungen: allein die Schrift – sola scriptura; allein Christus– solus Chrisus; allein aus Gnade – sola gratia; allein durch Glauben – sola fide. Okko Herlyn legt deutlich und bis zum Ende des Buchs das größte Gewicht auf dasreformatorische „sola scriptura“. Evangelisch sein heißt zuerst und vor allem: sich orientierenam Wort Gottes. Aus ihm folgt alles weitere, es bestimmt und stützt alles andere.„‚Evangelisch’ kommt von ‚Evangelium’. Insofern kann man evangelisch grundsätzlich nur imHören der biblischen Botschaft sein. Deshalb steht in einem evangelischen Gottesdienstunbedingt die Predigt, d.h. die Auslegung eines biblischen Textes im Mittelpunkt. Äußerlichdrückt sich das so aus, dass wir in vielen evangelischen Kirchen als Blickfang nicht das Kreuzoder irgendeine künstlerische Darstellung vorfinden, sondern eine aufgeschlagene Bibelvorne auf dem Altar bzw. auf dem Abendmahlstisch. Sie erinnert an den reformatorischenGrundsatz ‚sola scriptura’. Allein die Schrift. Evangelisch sein geht nicht ohne dasAufschlagen der Bibel“ (S. 21). Okko Herlyn kommt immer wieder darauf zurück, sowohl alsGrundsatz, sozusagen als cantus firmus, als auch indem er die Klärung von Einzelfragen vombiblischen Befund her vornimmt. Er erwähnt, wenn es notwendig ist, Differenzen unter denprotestantischen Konfessionen, betont aber durchweg das reformatorisch Gemeinsame undVerbindende. Gelegentlich werden Abgrenzungen zur römisch-katholischen Lehrevorgenommen. Vorrangig aber ist für Okko Herlyn das „sola scriptura“. Von der reformatorischen Grunderkenntnis, dass der Mensch allein durch Gottes gnädigeZuwendung in Christus, sola gratia, gerechtfertigt werde, behaupte man heute oft – so OkkoHerlyn –, sie sage den Menschen der Gegenwart nichts mehr. Denn sie sei wohl dieerlösende Antwort auf Probleme der Menschen zur Zeit Luthers gewesen, aber das geltenicht mehr für uns heute. Okko Herlyn hält dagegen: „Aber Vorsicht! Nur weil uns einebestimmte Begrifflichkeit fremd geworden ist, muss die damit gemeinte Sache noch langenicht erledigt sein. In der Sache hat das ‚sola gratia’ eine erstaunliche Aktualität“ (S. 44). Luther war von Angst umgetrieben, dem fordernden Gott nicht zu genügen, die nach seinemVerständnis von Gott geforderten Werke nicht leisten zu können. Davon befreite ihn dieBotschaft des Evangeliums von Jesus Christus: Wenn du an Jesus Christus glaubst, bist du,so wie du bist, Gott recht. Du bist von Gott geliebt und angenommen, ohne dass dubestimmte Vorleistungen erfüllen musst, die dich total überfordern. Okko Herlyn verweist aufdie mancherlei „Götter“, die reichlich Opfer und zwanghafte Leistung von den Menschen derGegenwart fordern, ferner auf den Druck, den Ansprüche der Selbstinszenierung undSelbstoptimierung auf sie ausüben – und welche befreiende Wirkung von der Botschaftausgeht, angenommen zu sein, ohne etwas leisten und vorweisen zu müssen: „Es ist eintiefes, , befreiendes Aufatmen, das von dieser reformatorischen Erkenntnis über dieJahrhunderte hinweg noch  zu uns herüberweht … ‚Sola gratia – allein aus Gnade’ – was füreine wichtige, befreiende Botschaft, die da der christlichen Gemeinde anvertraut ist, geradeheute, in Zeiten, in denen die Parolen von einem auf Deubel-komm-raus ‚gelingenden Leben’,die Parolen von ‚Hauptsache Spaß’, ‚Hauptasche gesund’, ‚Hauptsache Erfolg’ inzwischen zuTyrannen geworden sind, unter denen Menschen zusehends leiden, auch wenn ihre Keep-smiling-Masken etwas anderes weismachen wollen“ (S. 44f). „Sola fide“, allein der Glaube „meint die vertrauensvolle Annahme des Evangeliums“ (S, 52).Daran schließen sich mancherlei Fragen an, etwa die nach „Glauben und Verstehen (KapitelVII), nach „nüchterner Frömmigkeit“ (Kapitel VIII), nach dem evangeliumsgemäßenVerständnis des Gebets (Kapitel IX) und dem Tun des Gerechten (Kapitel X). Spannend undlehrreich sind die drei Kapitel, die sich mit dem Gottesdienst (Kapitel XI), Taufe undAbendmahl (Kapitel XII) und der Kirchenmusik (Kapitel XIII) befassen. Drei weitere Kapitelloten aus, was „allgemeines Priestertum der Gläubigen“ (Kapitel XIV), „Kirche von unten“ – Gemeindeleitung von der Basis her (Kapitel XV) und „Kirche für andere“ (Kapitel XVI) inevangelischem Sinn ausmacht. Das Werk endet mit einer Zugabe – wie meist seine Auftritte als Kirchenkabarettist.„Evangelium und Humor“ (S. 183ff) ist ein Essay, der es in sich hat. Man erwartet aufgeräumtHeiteres, kriegt aber zunächst Saures. Und das ist auch verständlich. Denn wenn das gilt,was nach Okko Herlyn „eigentlich evangelisch“ ist und die kirchliche Wirklichkeit prägensollte, dann ergeben sich in Hinblick auf die real existierenden evangelischen Kirchen undGemeinden erhebliche Dissonanzen:…

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