Zu Bernhard Bonkhoffs Artikel “Pfalz”

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4. Aufl. der RGG, Bd. 6 (2003), 1186-1189

Friedhelm Hans
Horststraße 99,76829 Landau

Michael Landgrafs Rezension in den „Blättern für pfälzische Kirchengeschichte” 70 (2003), 296f., entstand kurz nach dem Erscheinen des Lexikonartikels; sie ließ schon eine vornehme Distanz zu Bonkhoffs Ausführungen spüren. Bonkhoff verteilt seine Noten über die beiden letzten Jahrhunderte pfälzischer Kirchengeschichte „souverän”. Er weiß zu berichten von den Ursünden der rationalistisch gefärbten Union – kein Gedanke aber, daß es ohne den Rationalismus die pfälzische Kirchenunion kaum gegeben hätte (1186). Man liest die Namen der positiven „Helden” Rust, Ebrard, Prinz und Schiller (1187); deren Kontrahenten aber, z.T. namhafte Repräsentanten der Bildungsschicht, bleiben namenlos wie selbst die Väter der Union. Die Unbenannten sind bloß „die Liberalen“, von Bonkhoff durchweg abwertend gemeint, ein Schimpfwort. Die gedeihliche Entwicklung, die die kirchlichen Verhältnisse nach Ebrards Abgang bestimmt hat und zur anstandslosen Einführung des Gesangbuchs von 1905, aber auch zur Einmütigkeit in der Reorganisation von 1920 geführt hat, bleibt unbekannt. Beim Thema Kirchenverfassung fehlt der Hinweis auf das kontinuierlich gewachsene presbyterial-synodale System. Dafür erfährt der Leser ausführlich, daß 1920 die Amtsbezeichnungen gewechselt haben.

Diehls Bischofszeit fällt in ein mildes Licht, während die liberale und pfarrbrüderliche Opposition wiederum namenlos bleiben. Im Abschnitt über die Nachkriegszeit nennt Bonkhoff ausnahmsweise eine von ihm negativ bewertete Gruppe wie die KTA beim Namen neben der unter seiner Führung völlig bedeutungslos gewordenen Gruppe „Bibel und Bekenntnis”. Daneben bleibt die lange Zeit führende Gruppe „Arbeitskreis Offene Kirche” namen- und geschichtslos. Falsch ist Bonkhoffs Angabe, daß die Begrenzung der Amtszeit des Kirchenpräsidenten in die Zeit des Kirchenpräsidenten Heinrich Kron fiel; Kron wurde 1975 schon auf Zeit gewählt. Ansonsten gärt die Verfassungsreform der 1970er Jahre bei Bonkhoff in einem Topf mit der im Gemeindeleben vergessenen Limaerklärung und der Judentumsnovelle von 1995: Er verkennt, daß einem Einzelgesetz ein anderer Stellenwert beizumessen ist als der Gesamtreform und daß verschiedene Generationen an der Novellierung der Kirchenverfassung beteiligt waren.

Der Gipfel kommt gegen Ende des Beitrags. Bonkhoff zeichnet mit dem „Rückbau der kirchlichen Präsenz” ein Bild des Zerfalls und läßt dazu im Kontrast die „zahlreichen” Freikirchen und die Stadtmission als heilversprechende Perspektive am Horizont aufleuchten. Der Ausblick mag die persönliche Verfassung Bonkhoffs erhellen. Aber in einen historisch-wissenschaftlichen Aufsatz gehört derlei Orakeln nicht hinein. Bonkhoffs Kirchensicht favorisiert das Konventikel und verläßt damit den reformatorischen Ansatz der Verkündigung des Evangeliums zum Wohle des Gemeinwesens (Lk. 2,10). Letztlich schmäht Bonkhoff jeden von evangelischer Verantwortung getragenen Dienst in Pfarramt und Gemeinde.

Wenn der Raum in einem Lexikonartikel auch knapp bemessen ist und die Redaktion den Rotstift ansetzt, entschuldigt nichts die Einseitigkeit im Endprodukt. Bonkhoff bietet eine Verzeichnung der Pfälzischen Landeskirche und ihrer Geschichte, wofür die „Pfalz” jetzt unter seinem Namen in der RGG steht. Bonkhoff zeichnet unsere Kirche und ihre Geschichte mit düsteren Farben. Er läßt in der trüben Perspektive seiner Geschichtsschau vieles nicht gelten. Eine objektive Darstellung hätte u.a. verwiesen auf den Evangelischen Frauenbund, die Innere Mission und das Hilfswerk, die Jugendarbeit und Bildungsangebote in Kirchengemeinden und die Akademie: sie fehlen ausnahmslos. Auf die Ursachen der aktuellen kirchlichen Finanznot geht Bonkhoff nicht ein, dazu gehören etwa die Ausgaben im Kindergartenwesen, der zwischenkirchliche Finanzausgleich und die bezüglich der Mitglieder zu geringe Zahl der Beitragszahler.

Unter den fünf Literaturverweisen nennt Bonkhoff viermal sich selbst. Außer ihm sind offenbar kaum pfälzische Historiker vorhanden, wie es nach Bonkhoffs Darstellung vor Napoleons Organischen Artikeln keine Geschichte der Evangelischen in der Pfalz gegeben hat – außer 44 blaßbleibenden ehemaligen Territorien. Zu kritisieren ist nicht nur die Darstellung Bonkhoffs, sondern nicht weniger die RGG-Redaktion im Verlag J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) in Tübingen, die eine ausgesprochen einseitige Darstellung wie Bonkhoffs Pfalz-Artikel passieren ließ.Darum sei diese Einschätzung einem größeren Publikum bekanntgegeben, in der Hoffnung – bitte überprüfen – ob nicht auch die anderen kirchengeschichtlichen Artikel in der RGGso willkürlich und parteiisch abgefaßt sind.

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