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Friedhelm Hans
Horststraße 99, 76829 Landau

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

vielleicht haben Sie den Beitrag von Herbert Dieckmann im „Deutschen Pfarrerblatt“ H. 12 (2014), 682-687 schon zur Kenntnis genommen, wenn nicht: die Lektüre lohnt. Cum grano salis gelten die Beobachtungen des Verfassers ebenso für die Pfalz. Dieckmann unterstreicht auf der Basis der Kirchenmitgliedschaftsumfrage die zentrale Bedeutung der örtlichen Pfarrperson und die Schlüsselrolle der Kirchengemeinde. Bei ihrem Reformansatz übergehen Kirchenleitungen diese Erkenntnisse. Das geschieht gegen die wiederholt bestätigten Ergebnisse aus allen bisherigen Kirchenmitgliedschaftsumfragen. Mit ihrem Deutungsmonopol relativieren die Umkrempelaktivisten das hohe Ansehen der kirchlichen Instanzen vor Ort.

Der Autor tritt vier Relativierungsversuchen des Stellenwerts pastoraler Tätigkeit entgegen:

Pastorenkirche,

1.    angebliche gleichwertige Bedeutung von anderen Mitarbeitern,

2.    angeblich geringe Bedeutung pastoraler Seelsorge und ihr Stellenwert im Zuge derreligiösen Sozialisation.

3.    Der Beitrag enthält höchst interessante Aspekte zum Thema Sparzwang, der dieGemeinden klein hält, während andernorts ohne relevanten Effekt im kirchlichen AlltagGeld verbraucht wird: Frage, was kommt davon in der Gemeinde an (eineaußergemeindliche Dienststelle in Landau zählt 17 mitarbeitende Personen, ein kleinerVatikan)?

4.    Die innerkirchliche Herabsetzung des pastoralen Wirkens geht mit einer – sagen wir espfälzisch – Ideologie der Regionalisierung einher; soweit Dieckmann.

Zugleich darf man fragen, was sich die Verantwortlichen bei der Bildung des nordpfälzischen Mammutdekanates gedacht hat, künftig das größte der Pfälzischen Landeskirche, siehe „Die Rheinpfalz“ vom 19.12.2014. Die kleinen Dekanate zahlen Fersengeld und die Kirchenkasse zahlt bald viel Kilometergeld. Mancher wird ob des bombastischen Namens „Protestantischer Kirchenbezirk an Alsenz und Lauter“ nicht ohne Schmunzeln nach dem Atlas greifen, um anschließend über die relative Bedeutungslosigkeit der Formel den Kopf zu schütteln. Speyer und Kaiserslautern sind in unserer Kirche ein Begriff, auch Homburg, Frankenthal und Kirchheimbolanden, aber Alsenz und Lauter? Erneut weicht die Kirchenverwaltung von der jeher üblichen und praktischen Namensgebung nach dem größten Ort bzw. dem Sitz des Dekanates ab. Reformatorisch ist das Verfahren nicht – die Benennung der Kirchengemeinden und ihrer Bezirke nach dem Ort genügt in der Regel.

Die Reformation hat den schlichten Gebrauch der Ortsnamen für die Benennung ihrer Körperschaften und bei der Datierung das gewöhnliche Kalenderdatum eingeführt; Orts- und Datumsangaben haben Angaben nach Weiheplätzen bzw. nach dem Heiligenkalender abgelöst. Für manche Orte ist die Einführung dieser Praxis sogar der eindeutige Hinweis auf die Einführung der Reformation. Vielleicht soll die neue Namensgebung aber auch ein bisschen französisch-revolutionär klingen und gleichzeitig das Gerangel um Dekanatssitz und -benennung abmildern. Pfälzisch-kirchlich ist die Namensgebung jedenfalls nicht. Außerdem wird die sog. „mittlere Ebene“ nicht gestärkt, wie das verschiedentlich gefordert und programmiert wurde. Ohnehin versteht man unter mittlerer Ebene in der EKD viel umfassendere Gebilde wie z. B. eine Prälatur in Württemberg. Mittlere Ebene ist von daher betrachtet für unsere Landeskirche ein überflüssiges und recht bedacht ein teures Unterfangen.

Wer die Geschichte der Dekanatsbildungen in der Pfalz ein wenig kennt, erinnert sich, dass der Kirchenbezirk Kaiserslautern nach dem Krieg um des Ausgleichs zweier Personen willen in Stadt- und Landdekanat aufgeteilt worden ist, das zuerst die Namen Kaiserslautern I und Kaiserslautern II getragen hat. Sachentscheidungen waren von jeher auch Personenentscheidungen! Nunmehr gelangen Gemeinden des früheren Kirchenbezirks Kaiserslautern in direkte Beziehung mit den Gemeinden der Pfarrei Odenbach am Glan (unterhalb der Lauter). Von Otterbach mit seinem Verwaltungsamtssitz geht es 30 Kilometer nach Odenbach, auch die Entfernung von Bosenbach nach Gaugrehweiler mit 43 Kilometer kann sich sehen lassen – davon nicht einmal sieben Kilometer über eine Bundesstraße. Die Strecken beanspruchen zusätzlich viel Zeit, mit dem Fahrrad geht da beim besten Willen nichts mehr, der öffentliche Nahverkehr entfällt. Nur bei der Parkplatzsuche hat man im Nordwesten vielleicht ein bisschen mehr Glück als in den größeren Städten.

Der Stelleninhaber des neuen Gebildes kann seiner alten Rolle als primus inter pares gewiss nicht mehr gerecht werden. Presbyterien und Pfarrerschaft werden es noch schwerer haben, einen persönlichen Bezug aufzubauen. Nur wer glaubt, in der Kirche wäre ein persönlicher Umgangsstil von untergeordneter Bedeutung, wird frohlocken. Im Übrigen wird die leitende Persönlichkeit samt dem Bezirkskirchenrat reichlich mit Sitzungs- und Entscheidungsstoff ausgestattet sein, da sich nicht nur orts- und lebensfremde Entscheidungen häufen und Kirchenverwaltung immer seelenloser und technischer wird. Auf landeskirchlicher Ebene wird das schrumpfende Häuflein der Pfarrkollegen mit Dekanatsfunktion immer weniger die Zeit finden, um etwas vom Erscheinungsbild von Kirche in ihren Bezirken in die Gremien der Landeskirche einzubringen. Das Regieren wird am Domplatz sicherlich nicht schwerer.

Nach seinem Amtsantritt als Personaldezernent hat Werner Schramm das heiße Eisen der regionalen Neugliederung erstmals umfassend aufgegriffen. Dabei hat er sich die Finger verbrannt und das Thema rasch in die Versenkung geschickt. Die Studentenschaft unkte damals in den Rundbriefen von „Obermauschel“ und „Lauterreden“ – vor allem weil die Vorteile einer funktionierenden kleinen Einheit stets zumeist überwiegen. Inzwischen hat der Zusammenlegungsdruck von Pfarreien und Gemeinden eine neue Situation geschaffen, das ist zu berücksichtigen. Insofern hat die Neugliederung einen Sinn. Doch leider gibt es hierfür kein Gesamtkonzept, das Werner Schramm immerhin vorgelegt und offen zur Diskussion gestellt hat. Wenn es ein Gesamtkonzept gibt, kommt es bedauerlicherweise erst brockenweise zum Vorschein. Vielleicht gehört das zum Kalkül – protestantisch und reiflich ausdiskutiert ist das Verfahren auf gesamtpfälzischer Basis jedenfalls nicht. Wenn man zum Vergleich bedenkt, mit wieviel Aufwand an Papier und Geld neue Agenden und Gesangbücher durch die Bezirkssynoden gehen, wundert man sich über den flotten Stil dieser Entscheidung. Die Auswirkung der nur regional diskutierten Entscheidung auf die anderen Kirchenbezirke und das Bedeutungsverhältnis von Kirchenbezirken zu den landeskirchlichen Gremien fiel jedenfalls nicht ins Gewicht.

Ich bin gespannt, welchem Kirchenbezirk in Zukunft Landau angehört. Nach der vorgelegten Methode heißt mein künftiger Kirchenbezirk vielleicht „Zwischen Rehbach und Erlenbach“ oder „An Wieslauter und Hainbach“ bzw. „Vom Oberrhein zur Haardt“. Als Dienstsitz ließe sich die Rietburg ausbauen. Ein Lift ist schon in Betrieb und bei der Aussicht hat man je nach Wetterlage die meist pfarrsitzlosen Kirchtürme gut im Blick. Das nächste Dekanat ließe sich abzirkeln „Vom Frankenthaler Kanal zum Isenachweier“ oder anderstopographisch: „Von der Mückenwiese (Elmstein) zum Kühkopf  (Altrhein)“. Dieser Kirchenbezirk böte in verkehrstechnischer Hinsicht die meisten Vorteile; für die Ansiedlung des Dekanatssitzes neben dem Großmarkt auf der Dannstadter Höhe spräche die Mitbenutzung des eigenen Autobahnanschlusses am Großmarkt. Die am nahegelegenen Rastplatz noch zu errichtende Autobahnkirche sollte für künftige Pfarrkonferenzen groß genug ausgelegt werden, um das künftig immer mehr und weiter fahrende Kirchenvolk mit dem angemessenen Kirchenkomfort auszustatten.

Abschließend einige Vorschläge zur Benennung künftiger Dekanate bzw. Kirchenbezirke:

Ab dem Buß- und Bettag 2016 existieren in der Pfälzischen Landeskirche außer den genannten folgende Dekanate:

1.    „Dekanat Bruch und Blies“ oder „Kirchenbezirk vom Gollenstein zur Draisinenabfahrt“;

2.    „Dekanat Kurpfalzjäger“ oder „Kirchenbezirk Johann Casimir und Johannes Willing“;

3.    „Dekanat Queich und Höh“ oder „Kirchenbezirk links und rechts der halbgebautenAutobahn“.

Gemeinden, die sich in den oben beschriebenen Gebilden nicht wiederempfinden, sei die Eingliederung in eine benachbarte Landeskirche empfohlen: weltoffen, weitsichtig und moderne Grenzen überschreitend. Die alte kurpfälzische Verwandtschaft im Norden (Meisenheim und Birkenfeld) und im Süden (das einst kurpfälzische Selz samt den einst zweibrückischen Schwedendörfern) macht‘s theologisch ohne Umstände möglich. Oder man wähle gleich die große Lösung. Dies hieße, man schaffe ein Gebilde in Anlehnung an die alte Kurpfalz mit Zentrum in Mannheim und Heidelberg – und selbst die einst in Kriegszeiten eingebrachte Lösung über die lothringische Grenze hinweg bis jenseits der Mosel würde eine verwaltungsmäßig bewährte Option revitalisieren. Verwalten und einteilen lässt sich bekanntlich jedes Gebiet nach Belieben. Die Politik macht es vor: Die Wahlkreisordnung bringt schließlich auch Annweiler und Pirmasens zusammen (nur der politische Länderproporz verbietet es, das Bliestal anzurühren).

Vom Höhenzug westlich über Bad Herrenalb blickt seit mehr als einem Jahr ein Kollege auf die Pfalz. Er will aus Württemberg ins Linksrheinische wechseln. Vielleicht findet sich nach dieser Lektüre ein Tauschpartner, um aus einer Entwicklung auszuscheren, nach der sich die Kirche der pfälzischen Union von 1818 in ein Gebilde der bürokratischen Konfusion von 2015ff. wandelt.

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