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Über das Selbstverständnis der EKD als Kirche [1]

Dr. Karl Richard Ziegert
Nansteinstraße 12, 67065 Ludwigshafen

Der pfälzische Kirchenpräsident Christian Schad hat in seiner UEK-Presseerklärung vom 8.11.2014 schon früh festgestellt, dass „die EKD selbst Kirche und nicht nur ein Kirchenbund“ sei und die Legitimität dieses Anspruchs der EKD, „die Kirche“ oder, wie es seit 1945 schon hieß: die „Gesamtkirche“ aller Landeskirchen zu sein, mit dem Hinweis auf die „Leuenberger Konkordie Reformatorischer Kirchen“ vom 16. März 1973 unterstrichen. Dies war eine kirchenpolitische Unterstützung der EKD, wie sicher auch beabsichtigt: Es geht um die schon 1934 versuchte Fixierung der nationalen „Einheit“ [2]der Landeskirchen, die „einen bereits in der Grundordnung der EKD angelegten Gedanken konkretisiert“ [3]. Das letztere ist richtig gesehen: Es geht um „die Leitung der deutschen evangelischen Christenheit“, die die EKD nun endgültig zuerkannt haben will[4]. Natürlich „spricht kirchenrechtlich nichts dagegen, die Organisationsstrukturen des Protestantismus zu ändern – sofern dies aus guten Gründen für das Leben der Kirche geschieht (…und) sofern gewahrt bleibt, dass entsprechend dem Aufbauprinzip der Kirche von der Gemeinde als Gemeinschaft des Glaubens her auch die in einer Kirchengemeinschaft verbundenen Kirchen selbständige, von den Glaubenden als Kirchenmitgliedern verwaltete Steuerungsbefugnis behalten“ [5]. Doch dass der EKD-Beschluss, „Kirche“ und genau nicht nur ein „Kirchenbund“ zu sein, diese Selbständigkeit erhalten wird, ist zu bezweifeln. Um hier zu sachgerechten Einschätzungen kommen zu können, wird dieser Beschluss, frei nach Goethe: „das Gesetz, nach dem diese Kirchenorganisation angetreten ist“, nun in seinen genauen historischen und kirchenpolitischen Zusammenhang gestellt: „Die Gestalt einer kulturellen Erscheinung wird am ehesten aus dem Wissen darüber, wie sie geworden ist, was sie ist, und wie sie sich von anderen unterscheidet, deutlich.“ [6]

I. Was will oder wozu dient die Kirchwerdung der EKD?

Thies Gundlach und seine Mitstreiter für die „Kirchwerdung“ der EKD fordern eine „einheitliche evangelische Kirche von Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen“. Zu dieser Einheitlichkeit soll ein „Mentalitätswandel“ verhelfen, der schon voraus als die „Wiederentdeckung der eigenen Religion“ gelobt und kritikfrei gestellt wird. Was hier genau „wiederentdeckt“ werden soll, wird nicht gesagt. Doch der sächsische Landesbischof Rentzing „kennt die EKD lange genug, um zu wissen, dass diese Änderung der Grundordnung erst der Anfang“ ist, wie er sagt: „Man weiß, dass es Personen gibt, auch maßgebliche, die sich noch ganz anderes wünschen. Aber auch das passiert leider nur verdeckt.“ [7] Von diesen „Wünschen“ inzwischen bekannt ist, dass die EKD in allen Landeskirchen „einen Abbau von 50 % der Kirchengemeinden für notwendig (hält) und die meisten Gemeinden künftig mit Prädikanten ohne ein theologisches Studium zu besetzen gedenkt“ [8]. Eine solche System-Entscheidung erzeugt, wie auch Rentzing kritisiert, gravierende und voraussehbar irreversible Veränderungen: „Es geht um Umschichtungen von unten nach oben. Verlierer sind die Gemeinden und der Pfarrdienst… Die Gemeinden werden zu Filialen der Kirche.“ [9] Das letztere streitet hier inzwischen auch niemand mehr ab. Weshalb dies nicht nur toleriert, sondern auch so gewollt wird, macht Thies Gundlachs Kommentierung der verschlechterten Ergebnisse der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (V. KMU) der EKD von 2012 noch einmal deutlich: „Dennoch können die seinerzeit (2006) entfalteten zwölf Leuchtfeuer heute manchen Reformerfolg beleuchten: Die organisatorische Flexibilisierung kirchlicher Strukturen ist in Gestalt von Kooperationen und Zusammenlegungen, von abgestimmten Profilierungen und Konzentrationen der Kräfte vorangekommen. Die Kampagnenfähigkeitder evangelischen Kirche hat deutlich gewonnen.“ [10] Gemeint ist hier natürlich: die politische Kampagnenfähigkeit der EKD.

Wer in Gundlachs amtlichem Kommentar den „argen Realitätsverlust“ der EKD-Nomenklatura kritisiert, hat eine Sicht von außen, die die EKD nicht stört. Die Reformer der EKD täuschen und tricksen mit voller Absicht, um ihre Politik der zentralen Kirchwerdung durchzusetzen: Fast zwei Jahre lang hat die EKD die Veröffentlichung dieser fünften Kirchenmitgliedschaftsstudie (V. KMU) zurückgehalten. Herbert Dieckmann hat im Deutschen Pfarrerblatt vom März 2016 die Gründe dieser „Geheimniskrämerei“ herausgearbeitet: Die EKD gibt selektierte Großstadtverhältnisse für das kirchliche Ganze aus und behandelt das weite Feld der Kirchengemeinden als „marginalisierte Restbestände des volkskirchlichen Christentums“. „Diese gezielte Gemeinde- und Pastorenausblendung“ beseitigt jede Wahrnehmung der Pfarrerschaft als kirchlich zentrale Schlüsselpersonen, so Dieckmanns Vorwurf: Die EKD ignoriert, dass „die Ortsgemeinden eindeutig die Basis der Arbeit der evangelischen Kirche (sind)“ und „die mit Abstand wichtigste Drehscheibe der Kirchenmitgliedschaft“ [11].

Dass bei der EKD niemand mehr sehen will, dass diese „Auslassung der gottesdienstlichen und seelsorgerlichen Interaktionsebene aus dem Begriff der Kirche zu Gunsten der mehr oder weniger ausschließlichen Formen des Engagements ein folgenschwerer Fehler“ [12] ist, darf nicht verwundern. Man muss begreifen, dass hier eine schon lange zurückliegende Systementscheidung ihre voraussehbare Wirkung entfalten konnte: Das „System Pfarramt“ ist im Systemdenken der EKD heute durch das „System Kirche“ ersetzt, wie im Folgenden erläutert wird. Kirchenpolitisch und teilweise auch schon kirchenrechtlich auf Kiel gelegt wurde dieses „System Kirche“ ab dem Jahre 1918 mit der in der Weimarer Republik nun gegebenen Unabhängigkeit von staatlicher Kirchenaufsicht. Jetzt wird aus dem Behördenchef der Kirchenverwaltung ein „Kirchenführer“ und auch tendenziell schon bald eine institutionelle „geistliche Autorität“. Schon die neuen Titel zeigen es an: Was früher ein (im Begriff weltlicher) Konsistorialrat war, ist jetzt ein (im Begriff geistlicher) Oberkirchenrat und Kirchenpräsident usw.. Für diese Entwicklung gab es freilich schon einen jahrzehntelangen Vorlauf, in dem sich das Bewusstsein ausbreitete, dass die „Kirchwerdung“ des Protestantismus immer noch ausstehe. Man will wie der Katholizismus anerkannt und sogar noch mehr als dieser „Kirche“ sein. Denn es geht hier auch immer um religiöse Machtgefühle, die sich geradezu automatisch mit politischen Einstellungen und Zielen verbinden. Die „Führung der Kirche“ ist dann nicht nur für die Wahrheit des Glaubens zuständig, sondern auch für die damit konfessionell, gemeint: mentalitätsartig mit dem kulturellen Habitus verschweißten politischen „Wahrheiten“. Wenn es jetzt heißt: „Die Kirche spricht“, dann stellt sich „die Kirchenführung“ mit ihrer religiösen Autorität in die ethisch-politische Verantwortung für die Mitgestaltung der öffentlichen Strukturen. Dieser „autoritative“ Habitus verändert sofort das kirchliche Binnenklima: Die Kirchenführung hat, wie sie sich nun selbst sieht, plötzlich auch die Aufgabe, die „Wirksamkeitsmängel im gesellschaftlich-politischen Bereich“ abzustellen [13], d.h. die Pfarrerschaft auf ihre politische Linie zu bringen, wie es das wohl von Wolfgang Huber stammende „Begrich-Theorem“ vorspricht: „Im Jahre 2030 ist die evangelische Kirche in der öffentlichen Wahrnehmung dadurch stark, dass sie gemeinsame Themen und Positionen vorgibt, die in die Gesellschaft hineingezogen und vertreten werden.“ [14]

Diese These ist der die gesamte Kirchenpolitik erhellende Leitsatz der EKD-Reformschrift von 2006. Er stellt die eminente Bedeutung der Ideologie des „Öffentlichkeitsauftrags der Kirche“ ins Licht, die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer entschiedener „der Verschmelzung von Kirche und Staat Tür und Tor geöffnet“ hat, und die nun „die wechselseitige Instrumentalisierung beider Institutionen um des gemeinsamen Zieles willen“ [15] gar nicht mehr abstellen kann. Das im 20. Jahrhundert schon am Anfang „dominierende Politikinteresse“ (A. Angenendt) der EKD „vermengt“ zwar nach dem Urteil des für die Reformation so bedeutsamen Schlusskapitels XXVIII in der CA „in unangemessener Weise die Vollmacht der Bischöfe mit der weltlichen Machtausübung“. Aber an dieser „religiösen Anomalie des Protestantismus“ hat sich die Institutionspolitik der EKD seit ihren Anfängen schon konsequent ausgerichtet. Wenn in der FAZ zu lesen ist: Die EKD ist heute auch so etwas wie die „Hauskapelle des grünen Juste-Milieus“ [16] – aktuell vielleicht schon genauer: des „schwarz-grünen Juste-Milieus“ –, dann ist dies nicht unrichtig zugespitzt. Der Weingartener Theologe Joachim Kunstmann sagt es im Aprilheft 2016 von „Politik und Kultur“ ähnlich: „Diese EKD ist in nichts mehr protestantisch. Medienkompatibel und in gesellschaftspolitischer Korrektheit beschäftigt sie sich mit Randgruppen und mit ethischen Fragen, nicht aber mit Religion… Mitten im drastischsten Bedeutungsschwund, den das Christentum seit Beginn seiner Geschichte erlebt, entzieht sie sich konsequent jeder Selbstkritik, (um) sich 2017 zu einer feierlichen Selbstbestätigung (zu rüsten), die etwas Gespenstisches an sich hat.“ [17]

Kunstmann hat richtig gesehen: Die Selbsteinsetzung der EKD in eine politische Letztzuständigkeit [18] erhält ihre Überzeugung, Recht und Macht zu haben, am Ende nur dadurch, „dass sich eine gespenstische Doppelbelichtung entwickelt, bei der Denkvorgänge und Wahrnehmungen die Plätze tauschen können“ [19]. Ein aufgeklärtes Bewusstsein hat freilich schon immer gewusst, dass der gewaltsame Versuch, gesellschaftliche Erhabenheit zu erringen, immer misslingt: Er transformiert sich im Endstadium für den Beobachter solcher Aufführungen stets zum Lächerlichen. Er erzeugt dann auch kirchenintern, wie Karl Heinz Bohrer so treffend sagt, mit systemischer Unausweichlichkeit eine „Hysterie der sozialen Konformität“ [20], die alle kritische Wahrnehmung abwehrt. In der Tat: Sind rationale Interventionen nicht mehr möglich, läuft ein Automatismus ab, wie ihn Paul Watzlawick als typische System-Krankheit diagnostiziert: „Der von ihr Befallene wähnt sich im Besitz der Wahrheit und damit nicht nur des Schlüssels, sondern auch der moralischen Verpflichtung zur Beseitigung allen Übels der Welt.“ Watzlawick erinnert aber auch daran, dass es bei einem solchen „politischen Utopie-Syndrom keine andere Heilung mehr gibt als die Auflösung des befallenen Systems durch seinen Zusammenbruch“ [21]. Was er beschreibt, erinnert unmittelbar an das, was in den 1930er Jahren Friedrich Glum bei der Beobachtung des „gespenstisch Unaufhaltsamen“ der in Deutschland laufenden religiösen Aufladung der Politik als eine „Rolltreppe“ beschrieben hat, „von der es kein Abspringen mehr gibt“ [22]. Die Analogie ist nicht weit hergeholt: Sie erklärt das Unausweichliche der kommenden Katastrophe. Seitdem dieses „System Kirche“ mit seinem „Öffentlichkeitsanspruch“ in den 1960er Jahren richtig in Gang gekommen ist, sind rationale Interventionen nicht mehr möglich. Jetzt werden die System-Ressourcen immer zuerst an die Spitze transportiert, während die Gemeinden sich selbst versorgen müssen, wie dies im katholischen Feld ja schon Normalität ist.

II. Die Entfernung vom reformatorischen Kirchendenken

Die Strukturreformen in der seit Februar 2008 tätigen „Steuerungsgruppe Reformprozess“ sollen „einen hohen Grad an Geschlossenheit und Verbindlichkeit erreichen“, so die Arbeitsanweisung der EKD. In diesem Sinn haben sie in der EKD-Synode die textliche Änderung der Grundordnung durchsetzen können: „Sie (die EKD) ist als Gemeinschaft ihrer Gliedkirchen Kirche.“ „Endlich“, sagen sie, steht das Wörtlein „ist“ in Bezug auf das Kirche-sein der EKD in der Grundordnung [23], obwohl die EKD ja schon in ihrer ersten Grundordnung von 1948 so heißt und sich schon von Anfang an als die übergreifende „Gesamtkirche“ der Landeskirchen verstanden hat, was schon damals auch eine rechtsverbindliche Formulierung war. Deshalb soll und darf das vollendet werden, was das berühmt-berüchtigte Vietinghoff’sche „Zerreißpapier“ [24] fordert: mit der „Kirchwerdung“ der EKD den deutschen Protestantismus zu einer organisatorisch einheitlichen und dann auch politisch schlagkräftigen Religionsorganisation umzuformen. Vietinghoff verlangt dazu ultimativ, dass die EKD sich den neuzeitlichen Bedingungen erfolgreicher Kommunikation anpasst und dies auch um den Preis der Entfremdung von ihrer reformatorischen Ursprungskultur. Diese Entfremdung ist unvermeidlich, auch weil die Kirchenelite „normaler“ Nutznießer ihres neuen Religionsmanagements sein will: Erfolg soll belohnt werden. Niemand muss sich in dieser Welt umsonst anstrengen, auch in der Kirche nicht. Deshalb hat die EKD auch mit dem das „Evangelische München-Programm“ anführenden Ex-McKinsey-Manager Peter Barrenstein im Kirchenamt der EKD eine Stabsstelle für „Führen und Leiten“ eingerichtet und wirbt von dort aus mit Barrenstein inzwischen auch für „die Bezahlung der Pfarrerschaft nach Leistung“ [25], so wie es die „Diakoniker“ den „Dogmatikern“ in der EKD mit der seit 1980 laufenden Kommerzialisierung der Diakonie in ihren gGmbHs mit freier Gehältervereinbarung „nach Leistungsanforderung“ ja auch schon erfolgreich vorgemacht haben. Die neue Planstelle eines hauptamtlichen Militärbischofs für die Bundeswehr, die die EKD gegen den Widerstand des Verteidigungsministeriums in diesem Rang unbedingt neu einrichten wollte, muss sie zwar nun selbst bezahlen, aber sie tut dies dann auch: natürlich standesgemäß nach B 7.

Was auf dem Reißbrett der EKD gedanklich entworfen wird und wurde, ist nicht nur ein technischer Systemwechsel. Es ist auch „eine ekklesiologische Revolution, in der die Unterscheidung zwischen Kirche und Welt aufgehoben werden soll“, eine Revolution, die die EKD eben auch als politische Heilsanstalt versteht: als „Kirche, die der Vortrupp der Verbesserung der Welt ist“. Manchen ist dieses Mantra des Theologen Johannes Hoekendijk noch in lebendiger Erinnerung, der in den 1960er Jahren beim ÖRK auch den Leitsatz prägte: „Das Kommen Christi ist ein säkulares Ereignis.“ [26] Aber das alles begann schon viel früher. Schon 1945 starteten die EKD-Kirchenführer als die „höchsten Personen“ nicht nur der „EKD-Gesamtkirche“, sondern auch der ganzen Gesellschaft. In dieser Rolle legitimiert sahen sie sich durch das Kirchenverständnis von Barmen 1934/35. Und hier hieß es dann auch genau so: „Die Entscheidungen auch über die politischen und sozialen Fragen fallen in der höheren Ebene des Glaubens… Wir in der Kirche sind schuld, dass es in der Welt so aussieht.“ [27]

Um das ganze Ausmaß dieses in den Protestantismus mit Macht eingetragenen neuen, „anderen Geistes“ zu begreifen, müssen wir seine langfristigen strukturellen Verläufe betrachten. Sie haben in einem Zeitraum von fast 200 Jahren Zug um Zug ein klerikales All-Kompetenz-Bewusstsein aufgebaut, das nach Paul Tillichs heute noch interessanter Analyse von 1934 (!): „Der totale Staat und der Anspruch der Kirchen“ mit der neuen Selbständigkeit ab 1918 nun genau „die mittelalterliche Forderung erhebt, dass jede politische Hierarchie sich der geistlich-priesterlichen zu unterwerfen hat“ [28]. Es ist nicht zu leugnen, dass ein Jahr später der die „Entschließung von Barmen“ von 1934 umsetzende, „Arbeitsplan für die praktische Ausgestaltung des Öffentlichkeitsauftrags“ diese „mittelalterliche Forderung“ völlig anfechtungslos erneuert: Dieser „Arbeitsplan“ führt freilich nur praktisch aus, was Karl Barths kleine, von den Reformern in der EKD gerne verschwiegene Schrift vom Dezember 1933 „Die Kirche Jesu Christi“ grundsätzlich verlangt: „dass die Kirche gegenüber Staat und Gesellschaft der übergeordnete, der überlegene Bereich ist, dass die eigentlichen Entscheidungen auch über Staat und Gesellschaft nicht in Staat und Gesellschaft, sondern in der Kirche fallen“ [29]. Solche in der Tat irrationale klerikale Selbstüberschätzung kennzeichnet in den Jahren von 1919 bis 1934 die gesamte Propaganda für die Kirchwerdung und den damit immer auch verbundenen „Öffentlichkeitsanspruch“ des Protestantismus. Wer sich hier wundert, muss nur die Vielzahl theologischer Programmschriften zum Thema Kirche in den Jahren von 1918 bis 1946 durchmustern: Sie allesamt sind Ausdruck eines kirchlich-politischen Integralismus, der das Kirchenverständnis im Protestantismus nun geradezu klerikal entfesselt. Und diese „Entfesselung“ ist hier auch ganz wörtlich zu verstehen: Die Grundbestimmungen der CA, besonders in den Artt. VII (Kirche) und XXVIII (Zwei-Reiche-Lehre, Politik) werden historisiert. An ihre Stelle tritt dann das Kirche-Denken von Barmen. Hans Asmussen (1898-1968), der „Architekt der Kirchwerdung“ der EKD, hat diese Wende des Protestantismus im Jahre 1934 dann auch den „großen Wechsel“ genannt und alles dafür getan, dass dieser Wechsel zum neuen Selbstverständnis „als Kirche“ damals gelingen konnte. Es ist zutreffend zu sagen: „Barmen 1934“ war im Kern seiner Bedeutung der Schlussstein einer unerhörten kirchenpolitischen und literarischen Kampagne für die Kirchwerdung des Protestantismus seit 1918. Die damals verabschiedete „Entschließung von Barmen“ ist die theologische Rechtfertigung und politische Investitur eines neuen klerikalen Systems im Protestantismus, über das bis heute freilich innerkirchlich nicht offen gesprochen wird. Denn der Anspruch der Kirche, nicht nur eine geistliche Leitung, sondern auch die alles entscheidende politische Letztinstanz zu sein, verführt dazu, alles Bedenkliche zu ignorieren, das schon damals viele ausgesprochen haben, und das der Philosoph Jacob Taubes im Jahre 1983 dem sich damals immer deutlicher exaltierenden kirchlich-politischen Treiben der EKD-Nomenklatura noch einmal mahnend ins Stammbuch geschrieben hat: „Thomas Hobbes hat den rein politischen Sinn jedes geistlichen Entscheidungsanspruchs erkannt. Die geistliche Gewalt ist nicht weniger politisch als die Weltliche. Deshalb muss auch sie durch den Engpass des Souveräns hindurch.“ [30]

Doch das von sich selbst berauschte politische Kirchenverständnis hat sich von aller vernünftigen Wahrnehmung auch der eigenen Möglichkeiten längst emanzipiert. Die EKD benutzt sogar in völlig widersinniger Weise die „Leuenberger Konkordie“ vom 16. März 1973 als wohlfeiles kirchenpolitisches Sprungbrett zu einer EKD als Kirche. Eilert Herms warnt hier, was er selten tut, grell und laut: Die gedankliche Voraussetzung der „Leuenberger Konkordie“ ist doch die, dass die Christenheit in der Geschichte immer nur existiert hat als „eine Vielzahl von Kirchen vor Ort – in Partikularkirchen, die durch ihren Grund verbunden und aneinander gewiesen, aber in diesem Aneinandergewiesensein dennoch im Verhältnis zueinander selbständig sind“ [31]. Herms sieht hier die EKD am ideologischen Scheideweg: „Werden die alten Bekenntnisse nicht mehr als Grundlagen der Ordnung geachtet, treten de facto neue an ihre Stelle.“ [32] Aber genau das ist hier passiert: Die Leuenberger Konkordie, die die reformatorischen Bekenntnisse wie die CA nicht antastet, wird überhaupt nicht ernst genommen. Ihre Zitierung ist lediglich Mittel zum Zweck, um die neue Kirchenordnung zu installieren, die der EKD das Kirche-Sein erlaubt.Bischof Rentzings Ahnung lag schon richtig: Diese neue Grundordnung einer „EKD als Kirche“ will und wird die Landeskirchen am Ende zu einer Art Diözesen der EKD machen. Die Erhebung des Ratsvorsitzenden der EKD in den symbolischen Rang eines EKD-(Erz)Bischofs samt entsprechender Besoldungshöhe ist nur noch eine Frage der Zeit und wird dann eine pure Selbstverständlichkeit sein – wie schon 1933.

Schon lange verstehen die Strategen der EKD ihr Kirchenamt in Hannover als die gesamtkirchliche Steuerungszentrale, die plant und anweist, wie ihre nun mit wenigen Ausnahmen schon bundesweit geltenden Pfarrdienst- und Disziplinargesetze zeigen. [33]Der frühere Finanzchef der EKD, Oberkirchenrat Begrich, erklärte das neue EKD-Selbstverständnis am 16. Mai 2014 in Bochum beim „Zukunftsforum“ der EKD völlig ungeniert: „Kirchliche Verwaltungen haben sich in den letzten Jahren erkennbar weiterentwickelt. Es geht darum, nicht mehr (nur) zu verwalten, sondern (auch inhaltlich) zu steuern.“ [34] Es ist völlig klar: „Das kirchliche Leitungshandeln ist darauf ausgerichtet, alles kirchliche Handeln gesamtkirchlichen Zielen unterzuordnen.“ [35] Die Auswirkungen dieser Systementscheidung listet die Soziologin Maren Lehmann noch einmal nüchtern auf: Die EKD-Kirchenwelt „stellt die Entscheidungen, die sie [für ihre Existenz als Kirche, KRZ] voraussetzt, in Frage, und sie stellt die Begegnungen, aus denen sie besteht, in Frage (…) Sie diskreditiert schließlich die Elementarstrukturen ihrer selbst, die [menschlichen bzw. kirchengemeindlichen, KRZ] Begegnungen zugunsten ihrer formalen, vermeintlich komplexen und unwahrscheinlichen Seite – und zu Lasten ihrer einfachen, vermeintlich selbstverständlichen Seite. Sie beginnt, sich auf Organisierbarkeit zu konzentrieren und die Begegnung unter Anwesenden zunächst zu vergessen. Später, wenn sich herausstellt, wie unnachgiebig und hartnäckig diese elementare interaktive Seite jede organisationale Anstrengung unterläuft, wird sie ihr notorisch misstrauen – obwohl diese Subversion, da die Interaktion die andere Seite der Organisation in derselben elementaren Form ist, völlig unvermeidlich ist (…) Es ist genau dieses Problem, das dazu führt, dass die Kirche sich aus der Gesellschaft ‚wegvariiert‘ bzw. ‚hinausvariiert‘.“ [36]

Die EKD hat zur Neutralisierung aller substantiellen Kritik an ihrer Kirchenpolitik das Kunstwort „Kirchesein“ erfunden. 

Sie suggeriert mit dieser sprachlichen Spreizung des Kirchenbegriffs, dass sie das typisch protestantische Kirchenverständnis nicht wirklich preisgegeben habe, das „Kirche anders, mehr pneumatologisch und nicht so sehr in Institutionen, auch nicht in der apostolischen Nachfolge“ begreift [37]. Sie kann ja die „Confessio Augustana“ (CA), den reformatorischen Grundtext von 1530, nicht ungeschehen machen: In der CA ist Kirche nichts anderes als die „congregatio sanctorum“, in deren Zentrum „der Glaube als subjektiver Akt“ steht [38]. Es ist oder besser: es war einmal unabweisbarer reformatorischer Konsens, dass die Kirche „ihren ekklesialen Charakter nicht über eine Uniformierung der Gesinnung gewinnt“ [39], wie der einstige Kirchenamtspräsident der EKD Heinz Brunotte die reformatorische Identität ja auch richtig erfasst hatte: „Die Rechtsinstitution Kirche ist nicht mehr heilsnotwendig.“ [40] Insofern ist die Reformation auch die Bewegung zur Abschaffung der Institution Kirche gewesen. Denn Reformation heißt Verzicht auf den institutionellen Kirchenbegriff und damit auch Verzicht auf jede Verklammerung von Religion und Politik [41]. Dieses (Nicht-)Kirchenverständnis der Reformation mit dem neuen Klerikalismus von Barmen erfolgreich überschreiben zu können war eine jahrzehntelange kirchenpolitische Schwerstarbeit: Soziologisch war das Priestertum aller Gläubigen zu eliminieren (was die institutionelle Klerikalisierung inzwischen besorgt hat) und theologisch die Auflösung der protestantischen Gewissensreligion (was die ständigen politischen Weisungen der Kirchenelite und die massenhaften politischen Predigten immer noch besorgen). Man muss leider anerkennen, dass diese Revolution gelungen ist. Denn niemals haben Luther und die Reformatoren den Begriff des Priestertums auf die Amtsträger angewendet, sondern nur auf den Laien, d.h. auf die Kirchenmitglieder insgesamt. Aber das wurde schon bald nach 1900 vollkommen anders gesehen, wie Heinz Brunotte erinnert: Spätestens seit 1918 denkt man auch in einigen Kirchenverfassungen plötzlich ganz offen „vom Geistlichen Amt aus“ oder „von der Landeskirche aus“: Das von der Staatsaufsicht emanzipierte Konsistorium will nun qua Institution „Kirche“ sein und „denkt Kirche von oben nach unten“. 

Als seit April 1949 amtierender Präsident der EKD-Kirchenkanzlei hat Brunotte schon während des „Dritten Reiches“ der Kirchenkanzlei der DEK als Oberkirchenrat angehört und kennt deshalb auch die menschlich fragwürdigen Begleitinteressen gerade dieses neuen Kirche-Denkens. Brunotte betonte deshalb bei seinen Auftritten bei Tagungen usw. immer wieder als sein „ceterum censeo“: „Die EKD ist keine Kirche [42]. Umsonst. Die EKD-Kirchenführer treten nach 1945 einer nach dem anderen in den Bannkreis des hierarchischen Kirche-Denkens und sie verkünden dann auch einer nach dem anderen das kirchenpolitische Mantra der EKD: „Es ist unser ureigenster Auftrag, uns in diese Welt einzumischen und ethische Richtungsanzeigen vorzunehmen“ [43]. Ein solcher Satz ist der Reformation Luthers in nichts anschlussrational zu machen. Denn der Begriff der Kirche und damit auch der Begriff der „Kirchenleitung“ gehört, reformatorisch gedacht, zu den Adiaphora, zu den weltlichen Dingen, die man so oder so handhaben kann und einfach nur vernünftig regelt. „Die Kirche“ ist in ihren weltlich-institutionellen Perspektiven für die Reformation nur eine „res circa sacra“, keine „res in sacra“. Wer den Kirchenbegriff wie die EKD aber nun mit der ausdrücklichen Berufung auf „Barmen“ dogmatisch hochzieht und die „Kirchwerdung“ zur religiös-institutionellen Hauptsache macht, kann nicht mehr deutlich machen, wie er dann die Differenz von Glauben und Glaubensgemeinschaft schützen will. Der Hallenser Theologe Jörg Dierken hebt hier jedenfalls protestantisch-konsequent die rote Kelle: „Nicht die Kirche, sondern der Glaube vergegenwärtigt das Heil“ [44]. Es kann keine protestantische Definition von Kirche geben, in der nicht die Nicht-Institutionalisierbarkeit des Glaubens deutlich gemacht ist. Aber niemand in der EKD hört hier noch zu.

Um den neuen Klerikalismus in seiner kirchenpolitischen Genese und Durchschlagskraft verstehen zu können, müssen wir freilich noch weiter zurückgehen als 1918. Schon im Jahre 1909 warnte der allein in der Pfalz mit über 18.000 Mitgliedern [45] einst bedeutende Protestantenverein vor dem neuen gefährlichen Kirche-Denken: Wer als Protestant „Kirche“ sagt, schließt sich mit dem zusammen, „dass die Rücksicht auf die Gesamtkirche oberster Gesichtspunkt werde und gar in die religiöse Wahrheit hineinregiere. Sofort tritt jene unnatürliche Verzerrung ein, die uns zumutet, etwas für wahr zu halten, weil es die Kirche lehrt“ [46]. Die „Unterordnung an sich evangelischer, ja protestantischer Gedanken und Handlungen unter den Kirchenbegriff macht sie alle katholisch“ [47]. Solche Warnung war kein erratisches Ereignis: Schon im Jahre 1896 verurteilte der große Kirchenhistoriker Adolf von Harnack in seiner Schrift „Zur gegenwärtigen Lage des Protestantismus“ die inzwischen spürbare Konjunktur des Kirchenbegriffs als Abwendung von den Grundlagen der Reformation. Harnacks kirchenpolitischer Kassandra-Ruf von 1896 sieht diese Abwendung eindeutig „im Zusammenhang mit der fortschreitende(n) Katholisierung unserer protestantischen Landeskirchen“ und beklagt: „Der evangelische Kirchenbegriff ist nahezu verschwunden“. „Immer heißt es: Die Kirche spricht, die Kirche verlangt, – diese Wendungen werden wie dem Staate, so Andersdenkenden gegenüber gebraucht, als handle es sich um die Stimme Gottes gegenüber der Welt.“ [48] Harnack wendet sich hier mutig auch gegen den mit Parolen wie „Ein Reich, ein Gott, ein Glaube“ [49] penetrant ökumenelnden Kaiser: „Dass wir Evangelische mit diesem katholischen Kirchenbegriff, der die Kirche des Glaubens und die empirische Kirche identifiziert, allmählich auch die Folgen des katholischen Kirchenbegriffs mit bekommen – den Fanatismus, die Herrschsucht, die Ungeduld, die Verfolgungssucht, die kirchliche Uniform, die kirchliche Polizei, liegt auf der Hand und kündigt sich schon an.“ „Gehorsam“, sagt Harnack im Jahre 1896 (!), „wird künftig das Hauptwort sein“ [50].

Dass der Gebrauch des Kirchenbegriffs so gefährlich ist, hängt daran, dass mit ihm das Leitbild des pfarramtlichen Handelns untrennbar verknüpft ist. Denn mit der Erhebung der EKD-Zentrale zu einem protestantischen Vatikan, in dem Ordnung und Glaube, Organisation und Botschaft zusammen verwaltet und gesteuert werden, ist der Weg in eine klerikale Funktionalisierung und Monopolisierung des religiösen Lebens eröffnet und damit auch der endgültige Abschied von der Reformation. Es war der schon genannte Hans Asmussen, der zur Förderung der von ihm so engagiert betriebenen Kirchwerdung der EKD durch viele Initiativen auch beim Vatikan selbst – die Gründung des dortigen „Sekretariats für die Einheit der Christen“ geht auf seine Anregung zurück – die „ökumenische Schummelei“ (Karl Dienst) kräftig angeschoben hat, die zwar immer als „ökumenischer Eifer“ der EKD-Granden verklärt wird, aber zusammen mit der katholischen Bischofsriege im Grunde nichts anderes als kirchenpolitische Flankensicherung für die Anerkennung einer politischen Letztzuständigkeit der Kirche(n) in der Öffentlichkeit betreibt. Denn die auf diese Weise mit unwissendem Beifall der Pfarrerschaft und der politischen Klasse nicht minder besorgte gegenseitige Anerkennung als Kirche hilft, das geistige Hindernis unsichtbar zu machen, „dass es in der Tradition des Protestantismus überhaupt kein Institutionenverständnis gibt, das von einer Kirche zu sprechen berechtigt“ [51]. Henning Ritter zeigt hier auch in der FAZ auf die von der EKD diesbezüglich überschrittene „Rote Linie“: „Die Legitimation der evangelischen Kirche, zu politischen Fragen Stellung zu nehmen und auf die Kirchenmitglieder einzuwirken, (kann) nicht unumstritten sein, sobald es um mehr geht als um intellektuelle Handreichungen.“[52] Und es geht in diesen politischen Stellungnahmen ja tatsächlich um „mehr“, um viel mehr: um die Lufthoheit der Kirche über die Kultur. Das Ökumene-Engagement der EKD-Granden hat keinen anderen Zweck als „die Konsolidierung institutioneller Religiosität durch innerkirchliche Ökumene“. Das kirchenpolitisch so drängend und erhaben präsentierte Bekenntnis zur Ökumene hat die immer noch erwartete theologische Kritik unwirksam zu machen, „dass protestantische Theoretiker von Schleiermacher über Ritschl bis hin zu Troeltsch das protestantische Christentum als eine individuelle und eigenständige Gestalt der christlichen Religion aufgefasst und ihr ein eigenes, auf die Freiheit des Individuums bezogenes Profil zugewiesen haben“ [53].

Die Angst der EKD ist begründet: Die Wiederbelebung reformatorischer Grundsätze, die auf die individuelle Glaubensauffassung und die religiöse Gewissensbildung zielen, wäre das Ende aller Kirchwerdung. Deshalb kann die EKD-Elite nicht mehr öffentlich dafür einstehen, dass die Reformation „ein neuartiges, geisthaftes, überinstitutionelles Verständnis der Kirche und ihrer Einheit ausgearbeitet“ hat, für das „die mittelalterlichen Träume von der weltlich-politischen papstkirchlichen Universalintegration ausgeträumt“[54] sind. Kurz gesagt: Die Reformation wird nicht zuletzt auch mit Hilfe des Ökumene-Engagements still und leise rückabgewickelt. Denn der Anspruch „Kirche“ zu sein, ist ein unzweideutig weltlicher Machtanspruch, der zur Reformation nicht passt. Helmut Schelsky bringt diese Lage auf den Punkt: „Geschichtlich gesehen findet mit diesem neuen Herrschaftsanspruch und dieser neuen Klassenbildung ein rückläufiger Prozess, eine ‚Reprimitivisierung‘ gegenüber der zumindest seit der Aufklärung vor sich gehenden Entmachtung religiös-klerikaler Herrschaftspositionen statt.“ [55] Schelsky sagt es direkt: „Das neue Mittelalter fängt im Westen an“ [56], und dieses „neue Mittelalter“ bringt mit dem religiös-politischen Integralismus der EKD nun auch den mittelalterlichen Kirchenbegriff wieder voll und ganz in den Protestantismus zurück.

III. Die lange Vorgeschichte der Kirchwerdung der EKD

Die Ausgangslage vor dem „großen Wechsel“ des reformatorischen Kirchensystems dokumentiert das 1794 eingeführte Preußische Allgemeine Landrecht. Es hält an einem rechtlichen Verständnis von Kirchen als „Religionsgesellschaften“ fest, das von den örtlichen Kirchengemeinden als „fast unabhängige(n) Einzelgemeinden“ [57] ausgeht. Alles, was darüber hinausgeht, ist nur ein auf Wahlakte gegründetes System von Ausschüssen und Synoden, aber keine „Kirche als Institution“. Danach beginnt es bald anders zu werden, Schritt für Schritt. Um 1830 zeigt sich schon deutlich die „Erosion des evangelische(n) Kirchenbegriff(s)“ im Zusammenhang mit der immer stärkeren „Resakralisierung der Pfarrerrolle“ und der sich nun überall ausbreitenden „Remystifizierung der Ordination“ [58], die nun bald flächendeckend wie eine Priesterweihe gefeiert wird. Zug um Zug wird der innerkirchliche Sprachgebrauch „klerikaler“ und betont die „geistliche“ Selbständigkeit der Kirche gegenüber dem Staat: eine bizarre Entwicklung: das übersteigerte Amtsverständnis kann sich nur noch in säkularisierten Ausdrucksformen präsentieren. Die im Jahre 1846 gegründete „Berliner Evangelische Konferenz“ wird nun schon „von 26 deutschen Kirchenregierungen beschickt“. 1852 folgt die „Eisenacher Konferenz deutscher evangelischer Kirchenregierungen“. Das sind neue Dinge: Kirchenregierungen verstehen sich als selbständige kirchliche Institutionen, die dem säkularen „Kirchenregiment“ der staatlichen Konsistorien als tendenziell richtigere, weil „geistliche Institutionen“ gegenüber gestellt werden. Hatte vor 1830 etwa „das bis dahin dominierende spätrationalistische Amtsverständnis (…) meist die Nähe und Verwandtschaft von evangelischem Bekenntnis, wissenschaftlicher Bildung und bürgerlicher Kultur betont“, zeichnete sich ein Pfarrer „nach dieser Auffassung vor allem durch Allgemeinbildung und theologische Schulung aus“, so wird das Amt gegenüber den Laien jetzt immer stärker als geistliche Erhabenheit und soziale Weisungs-Kompetenz betont. „Große Teile der Pfarrerschaft orientierten sich nun an einem klerikalen Sonderethos. Diese Geistlichen sahen sich nicht mehr in erster Linie als Teil des gebildeten Bürgertums, sondern als Vertreter eines geistlichen Standes, der jenseits der bürgerlichen Gesellschaft und der bürgerlichen Berufswelt angesiedelt war. So wurde letztlich die gesamte Pfarrerschaft in Kleidung, Sprache, geselligem Umgang und Auftreten, in Lebensstil und Sozialverhalten, auf eine soziale Distanz verpflichtet, die sie nicht nur nach unten abgrenzte, sondern auch aus dem Bürgertum herauslöste.“ [59]

Eine interessante Studie zur rechtlichen Verfassung des Protestantismus von Julius Stahl aus dem Jahre 1862 zeigt noch einmal das geistige Aufbäumen gegen die nun überall schon in Gang gekommene Klerikalisierung: Zug um Zug löst sich der im Protestantismus gültige Begriff von Kirche auf: der auch von Stahl noch verteidigte Begriff der Kirchengemeinde. Wie Stahl sagt: Bisher war Grundsatz, dass „der Begriff der „Kirchenregierung nur der Gemeinde zukomme“ [60]. Dies wird nun anders. „Kirchenregierung“ heißt jetzt auch „Kirchenführung“ und diese Kirchenführung wird Zug um Zug immer zentraler, hierarchischer verstanden. Viele haben damals die sich einschleichenden Veränderungen bemerkt: „Sollte etwa ein Synhedrium von der Geistlichkeit ein unumschränktes Ruder des Kirchenschiffs führen? Davor behüt‘ uns lieber Herre Gott“ [61], wetterte Julius Stahl 1862. Was er damit auch ganz konkret angreift, das ist das diesem „Synhedrium“ nun gewährte kirchliche Gutachtenrecht bei Berufungen von Theologieprofessoren durch die von der nun schon vorhandenen Riege der Verkirchlicher besorgte Kabinettsordre König Friedrich Wilhelms IV. vom 5. Februar 1855 in Preußen. Jetzt war die Konsistorialverwaltung plötzlich als eine Art geistliche Kontroll-Instanz [62] gegenüber der Pfarrerschaft und den Universitäts-Theologen angesehen. Die Klerikalisierung des Protestantismus hatte einen ersten institutionellen Haftpunkt, der in tragischer Weise nicht mehr zu beseitigen war: Die protestantischen „Kirchenführungen“ der Landeskirchen haben in Preußen „die gleichen Rechte wie die katholische Kirche verlangt“ – und auch erhalten.

Die strenge Wissenschaftlichkeit und die absolute Freiheit der Forschung, die bisher die protestantische Theologie gerade im Unterschied zum Mainstream katholischer Theologie kennzeichnete, wurden damit auf die lange Sicht deutlich eingeschränkt. Es beginnt damit, dass jetzt jeder neue Privatdozent oder Ordinarius in der Theologischen Fakultät nicht nur den zur Abwehr „demokratischer Naturen“ in Staat und Kirche aufgestellten „Bekenntnisrekurs von 1848“ unterschreiben, sondern auch in seinen Publikationen Rücksicht nehmen muss auf „die Meinung der Kirchenführung“. Die bisher fraglose Integration der Theologischen Fakultäten in die Wissenschaftskultur wird aufgeweicht: Wer als Theologe „frei forschen“ will, darf dies künftig nur tun, wenn seine „kirchliche Bindung“ sicher erwiesen ist. Die nochmalige kategoriale Verschärfung dieser Regelungen nach 1945 wird der später eine bedeutende Rolle in der Ökumene einnehmende Heidelberger Theologe Edmund Schlink ganz offen aus ihren autoritären kirchlichen Zwecksetzungen rechtfertigen: Jetzt endlich sind, wie Schlink aufatmet, diejenigen, „die nicht an die Bibel glauben“, aus dem „Lehramt“ (sic!) verbannt [63]. Ohne positives Voraus-Plazet der Kirche hinsichtlich einwandfreier Lehre und Bekenntnis des Kandidaten wird es künftig gar nicht mehr möglich sein, eine Berufungsliste zu erstellen, geschweige denn einen theologischen Lehrstuhl zu besetzen.

Klerikalisierung der Kirche und politische Homogenisierung der Gesellschaft gehen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nun immer spürbarer Hand in Hand: als Professoren berufen werden möglichst nur kirchlich und politisch „Zuverlässige“. Was Schleiermacher „als die ‚eigentlich positive Aufgabe‘ eines evangelischen Kirchenregiments bezeichnet: auf dem Gebiete der Theologie – und zwar für Professoren wie Pfarrer gleichermaßen – die Freiheit der Untersuchung zu erhalten und dem keinen Vorschub zu tun, dass unter dem Vorwand, die Einheit der Lehre hervor zu bringen, die Freiheit der Untersuchung gehemmt werde im Werden der Lehre“ [64], oder noch deutlicher: dass „nur durch eine von dem Machteinfluss der Kirche freie theologische Wissenschaft … die heilige Schrift in ihrer Wahrheit erkannt, die kirchliche Überlieferung von ihrem Irrtum geläutert, das christliche Gewissen zu einer in sich selbst gegründeten Gewissheit geführt werden“ [65]kann – all das wird nun mit dem neuen protestantischen Klerikalismus überschrieben – und so weit wie möglich ausgelöscht: Jetzt soll niemand in der Kirche gegenüber den Autoritäten mehr „kritisch sein“ dürfen.

Zug um Zug baut sich nun das neue Kirchenbewusstsein auf. Schon 1864 thematisierten maßgebliche Kräfte in der Preußischen Generalsynode die „Vorbereitung einer nationalen Einheit der Kirche“. Und schon 1867 legte der Göttinger Kirchenrechtler R.W. Dove einen ausgearbeiteten Plan zum „Bau einer deutschen evangelischen Reichskirche“ vor. Viele akademische Stimmen nahmen die Parole auf: „Es muss in unseren Tagen eine Homogenität zwischen unsern staatlichen und kirchlichen Zuständen eintreten“. Ganz selbstverständlich ist in den Jahren ab 1870, dass „in direkter Analogie zum politischen Geschehen eine nationale Zusammenfassung des Protestantismus gefordert wurde“ [66]: Die Kirche gilt nun nicht nur in Preußen „als Grundlage des Staatslebens“ [67].

Was sich dann zwischen 1870 und 1914 als Auseinandersetzung um die „Einheit der Kirche“ in der protestantischen Kirchenwelt abspielt, ist ein heute völlig vergessener Kulturkampf. Bis tief in die Gemeinden wirkte die gewaltbegleitete Agitation von zahlreichen Kämpfern für die „Vereinheitlichung der (protestantischen) Kirche“ in einer seit 1890 emporwachsenden Vielzahl von „Bekenntnis- oder Gesinnungsgruppen“ [68], die dann auch den Zusammenschluss der kirchlichen Einheitsbewegung mit dem politischen Totalitarismus „und vice versa“ [69] verstärken. Ihre sich fortlaufend radikalisierende Anhängerschaft agiert in der Öffentlichkeit mit einer rigiden „Religionswächter-Mentalität“, die in Leserbriefen, politischen und kirchlichen Eingaben und Demonstrationen gegen Theologieprofessoren und liberale Pfarrer umstandslos zu „Heil oder Unheil“ ruft, denn „Christentum ist eine Sache des Volkes“ [70], der sich ein Einzelner fraglos unterordnen muss. Immer geht es um Glauben und Politik in einem. Es ist heute kaum noch bekannt, wie menschlich grausam und blutig diese Agitationen für die Einheit von Kirche und Gesellschaft gewesen sind, die einen totalitären kirchlich-politischen Moralismus vervielfältigten, der an vielen Orten auch in menschlich fürchterliche Gewaltakte ausartete. Exemplarisch zeigt dies die „Landeskirchliche Versammlung“ in Münster am 8. Mai 1905: Die Vereinigung mehrerer Gruppen von „Verteidigern des Christentums“ propagierte in frappierender Ähnlichkeit mit den Aktivitäten der norditalienischen, einst „Canossa“ kirchenpolitisch mit vorbereitenden „Pataria“-Bewegung (ab 1056) nun den „Vernichtungskrieg innerhalb der Kirche gegen die wissenschaftlichen Theologen“ (sic!)[71], um deren „zersetzende Kritik“ zu beenden [72].

Ein signifikanter Erfolg dieser Agitationen war an der Jahreswende 1909/1910 die Verabschiedung des „Kirchengesetz(es), betreffend das Verfahren bei Beanstandung der Lehre von Geistlichen“, regelmäßig das „Preußische Irrlehrgesetz“ genannt [73], da nun „dies Gesetz jedem Preßpiraten und Agitator die Aussicht lässt, durch geschickte und lärmende Mache ein Lehrverfahren herbeizuführen“ [74] – wie bei hunderten von Pfarrern und Kandidaten der Theologie geschehen, die durch die öffentliche Hetze gegen ihre „Liberalität“ oder „Wissenschaftlichkeit“ ihre Stelle verloren haben oder denen die Anstellung verweigert wurde [75]. Neu war ab 1910, dass die Einheitlichkeit der kirchlichen Meinung nun mit dem Mittel des Mehrheitsbeschlusses erzwungen wird: „Die streitige Grenze zwischen Lehrordnung und Lehrfreiheit wird in Zukunft durch ein Spruchkollegium in formell bindender Weise festgestellt“, das seinen „richtenden Entscheid“ durch Mehrheitsbeschluss findet, was seinen problematischen Charakter auch dann nicht verliert, wenn wie hier eine Mehrheit von wenigstens zwei Dritteln gefordert wird. Der Protestantismus wird damit in die Entwicklung eingewiesen, eine gesellschaftliche Stimmungsreligion zu sein, die die Politisierung des Religiösen verstärkt wie nun umgekehrt auch die Herrschaft des gesellschaftlichen Mainstreams in der Kirche. Das was im Protestantismus in reformatorischer Absicht immer freigehalten werden muss, das wird jetzt scheinbar klerikal-kirchlich gesichert, in Wahrheit aber von säkularen und politischen Interessen besetzt: „das Zentrum der geistlichen Kommunikation, der Glaube und das Wort [76]. Die konstitutive Offenheit der protestantischen Glaubenskommunikation wird mit dem Irrlehregesetz definitiv beendet – und damit ist der Protestantismus in Preußen jedenfalls ab 1910 kirchenamtlich und im gesamtkirchlichen Klima tendenziell schon nicht mehr er selbst.

Immer drängender haben in jenen Kampfjahren von 1890 bis 1910 die „Verkirchlicher“ vom Staat dann auch die Zuständigkeit für die damals universitären, also ebenfalls der „zersetzenden wissenschaftlichen Kritik“ ausgesetzten Predigerseminare verlangt – und bekommen. Damit können sie das immer noch dominant wissenschaftliche Bildungsverständnis der Theologischen Fakultäten durch Kontrastprogramme untergraben, die an den um 1900 gegründeten „Kirchlichen Hochschulen“ nun auch direkt religiös wie politisch tendenziell totalitäre Orientierungen multiplizieren. Otto Baumgarten beschreibt den Protestantismus im Jahre 1903 als eine „einseitig gewordene evangelische Kirche, die direkt katholischen Anschauungen von klerikal abgeschlossener Erziehung der Kirchendiener huldigt“ [77].

Nach der Verselbständigung der Landeskirchen 1918 war nun sofort und überall das von Stahl 1862 schon verschreckt erwartete „Geistliche Synhedrium“ in ausufernder Funktion tätig. Jetzt zeigte sich, dass die sich mit der damals schon gut hundert Jahre anlaufenden Klerikalisierung des Protestantismus ergebende soziale Entfremdung von Kirche und Gesellschaft überhaupt kein religiöser Rückzug von der Welt war, sondern eine schon überall kirchlich internalisierte Selbsterhebung des neuen protestantischen Klerus über die Gesellschaft. Jetzt tauchen auch überall die neuen Leitbegriffe auf vom „Führer- und Wächteramt der Kirche“ und vom „Öffentlichkeitsanspruch der Kirche“. Die „Kirchwerdung der Kirche“ ist am Ende des 19. Jahrhunderts im öffentlichen Bewusstsein schon keine Frage mehr. Theologischer Widerstand, in vielen Eingaben und Schriften reichlich vorhanden, läuft ins Leere. Die öffentliche Meinung, die seit der Aufklärung „als eine Kontrolle der Herrschaft zugunsten der Beherrschten verstanden worden war, wird jetzt zum Instrument der Herrschaft selbst“ [78]. In den zwölf Jahren von 1918 bis 1930 hat diese nun auch im Staatsrecht und Staatskirchenrecht sich strukturidentisch verblüffend parallel in totalitäre Richtung entwickelnde Geisteslage dann das reformatorische Kirchenverständnis mit Dutzenden (!) von Schriften zur Kirchenfrage geradezu im Sturm hinweggefegt, wie auch Martin Schian im Jahre 1931 in seiner Schrift „Ecclesiam habemus“ erinnert [79]. Das Ergebnis kann nicht überraschen: „Religion ist nun Volkssache“, wie 1934 der Dresdner Oberkirchenrat Walter Grundmann in seiner mit einem weihevollen Vorwort von Landesbischof Coch versehenen Schrift: „Totale Kirche im totalen Staat“ erläutern wird: „Im totalen Staat lebt dementsprechend die Tendenz zu einer Nationalreligion und einer Nationalkirche.“ Hier „gibt es nicht die Geistesfreiheit im liberalistischen Sinne“, sondern hier gibt es nun nur noch dies: „Die Antwort auf das Bemühen des totalen Staates um eine Volksreligion kann nur sein: Totale Kirche im totalen Staat.“ [80]

Entscheidende theologisch-politische Programmschriften waren damals nicht nur Karl Barths „Römerbrief“ von 1919, sondern auch viele ähnliche andere wie z.B. Gogartens „Wider die Ächtung der Autorität“ von 1930, die nun den Ort der Kirche „nicht mehr außerhalb der wirklichen gesellschaftlichen Aufgabe“ beschreiben wollen. Alle diese Autoritären „lehnen den Idealismus und Liberalismus ab und setzen an seine Stelle ein Sichbeugen unter offenbarte Bindung, Forderung und Autorität“ [81]. Rudolf Köhler nennt die diesbezüglichen Deklamationen besonders Karl Barths schon 1925 „doppelte Buchführung“, „theologischen Expressionismus“ und „nicht ganz unberechtigt religiösen Bolschewismus“ [82], also eine scheinreligiöse Verkleidung totalitärer Staatlichkeit. Dieses harte Urteil hat damit zu tun, dass die Akteure der „Kirchwerdung“ ebenso wie die Anerkennung ihres kirchlichen Monopols durch den Staat auch „vice versa“ eine kulturelle „Parteilichkeit“ [83] der Kirche fordern, die „im Namen Gottes und seiner Kirche“ politische Gewaltmaßnahmen grundsätzlich bejaht. Die sich verkirchlichende Kirche konvertiert zur Gewalt: Sie unterstützt und benutzt die Kultur der staatlichen Gleichschaltung zur Gleichschaltung auch innerhalb der Kircheninstitution. Sie bindet sich damit unwiderruflich an die politische Macht und positioniert sich offen als die religiöse Ergänzung der herrschenden Staatsideologie. Literarische Warnungen wie die von Otto Baumgarten: Die Gefährdung der Wahrhaftigkeit durch die Kirche aus dem Jahre 1925 [84], um nur diese zu nennen, bleiben wirkungslos. Von nun an gibt es auch im Protestantismus eine „Meinung der Kirche, die mit dem Gewicht der göttlichen Offenbarung beschwert wird“ [85].

Es war vor allem Karl Barths „Römerbrief“ von 1919, der den theologischen Grundstein für die nun folgende Konjunktur eines kirchlich-politischen Anspruch auf die Weltgestaltung „im Namen Christi“ legte, ein Anspruch, den auch der Heidelberger Theologe Martin Dibelius im Jahre 1925 als „Bruch im Verständnis des Protestantismus“ rigide verurteilt: „Der Protestantismus … kann Kulturfaktor, darf aber nicht Kulturbasis sein, weil jede partikular protestantische Kultur seinem eigenen Weltverhältnis widersprechen würde“ [86]. Doch auch das war schon Rufen im Wald: Niemand konnte den seit 1918 machtvoll anrollenden Systemwechsel des kirchlichen Feldes noch einmal aufhalten. Dass dann auch tatsächlich die mit Karl Barths theologischer Agitation aufgerüstete „Totalpolitisierung von Theologie und Kirche, die durchaus als Totalitarismus zu verstehen“ [87] ist, siegen würde, war eigentlich nur eine Frage der Zeit. Der dann folgende sogenannte „Kirchenkampf“ im Protestantismus der Jahre 1932 bis 1934 wäre – vermutlich nur wenig später – auch ohne den politischen Kontext des Hitlerismus in Gang gekommen, eine in „Kirche ohne Bildung“ von 1998 schon entfaltete These des Autors, der auch Karl Dienst ausdrücklich zugestimmt hat.

Der eigentliche „Architekt der Kirchwerdung“ [88] der EKD war jedoch unstreitig der Hamburger Theologe Hans Asmussen. Asmussen erntet 1934 die Früchte der seit 1918 heißlaufenden Propaganda für die „Kirchwerdung“. Der Gestaltgewinn des christlichen Glaubens verlangt für ihn unausweichlich die Vereinheitlichung im „Kirchesein“, wie sie dann auch 1934 in den Beschlüssen der „Bekenntnissynode“ von Barmen gefeiert wird: Mit ihrer „Entschließung von Barmen“ ist jetzt, ab 1934, der Protestantismus endlich auch im theologischen Bewusstsein eine „Kirche“. Und Asmussen zieht für den im historischen „Kairos“ dieses Jahres 1934 nun durchgesetzten „Wechsel“ des Protestantismus in das „System Kirche“ sogar selbst die historische Parallele zu „jenem Wechsel im 4. Jahrhundert“, in dem „Kreuz und Reich endlich beieinander“ [89] sind: Die von ihm einstimmig bewerkstelligte „Entschließung von Barmen“ ist genau betrachtet „das Manifest des neuen Mittelalters“ geworden: Die „Kirchwerdung“ des Protestantismus, sagt Asmussen, folgt dem Muster der Vereinheitlichung des Christentums im 4. Jahrhundert[90], die der Beginn des Mittelalters war. Und deshalb ist diese 1934 vollendete „Kirchwerdung“ dann auch mit jener „Wiederentdeckung der eigenen Religion“ identisch, die Gundlach mit der Kirchwerdung der EKD heute meint und die Asmussen schon in Barmen gefeiert hat als „Beginn dieses Ineinander, Füreinander und Gegeneinander des religiösen Symboles und der politischen Kraft, der aus dem todeswürdigen Ordnungsstörer den Herren und Begründer dieser Ordnung machte“, als innere und äußere Wieder-Auferstehung des mittelalterlichen, vom politischen Augustinismus geprägten Christentums. Es ist nicht zu leugnen: „Asmussen und mit ihm die Bekennende Kirche“ verstand den Erfolg des Nationalsozialismus „als einen von Gott geschenkten Kairos, eine göttlich gnädige Heimsuchung mit dem Angebot, Kirche zu werden“ [91].

Dass dieser „Kairos der Kirchwerdung“ dann auch ein Geschäft mit dem totalen Staat zum gegenseitigen Nutzen sein musste, ein Geschäft, das dem Nationalsozialismus die Tür zur kirchlichen Toleranz eines totalitären staatlichen Gewalthabitus geöffnet hat, hat Asmussen nicht nur in Kauf genommen, sondern auch politisch gerechtfertigt und persönlich gewollt: „Wenn die staatliche Gewalt keine Autorität hat, so ist sie selber schuld. Sie hat von Gott das Recht, sich mit Macht Respekt zu verschaffen und die Pflicht, durch Leistung Autorität zu erwerben. Die Untertanen haben keine Ursache, sich über eine schwache Obrigkeit zu freuen… Wir verwerfen die Lehre, dass der Staat auf einem ‚Gesellschaftsvertrag‘ beruhe. Wer so redet, weiß nicht, dass Gott durch den Staat über uns verfügt hat“ [92]. In einer so totalitären Perspektive ist dann auch die Todesstrafe zur Demonstration der Autorität absolut notwendig: Das „Schwert der Obrigkeit“ soll und muss geradezu „flutschen“, wie Asmussen sagen kann [93]. Schon 1932 schreibt Asmussen: „Wie wir zu Gott stehen, so wollen wir auch zur Obrigkeit stehen. Die Revolution hat ihren tiefsten Grund darin, dass man schon Jahrzehnte vorher gegenüber Gott naseweis zu sein gelernt hatte … Aus dieser Naseweisheit gegenüber Gott folgt mit zwingender Notwendigkeit die demokratische Pest, diese fluchhaft schwärmerische Verwechslung von Gesetz und Evangelium, welche Autorität und Respekt verpönt und womöglich Vertrauen verordnet oder gar darum bittet, anstatt Respekt zu befehlen.“ [94]Es sagt alles, dass Asmussens Nachkommentar zur Barmer Entschließung von 1934 den programmatischen Titel hatte: „Kreuz und Reich“. Diese Schrift war die literarische Nachfeier der in Barmen erlebten Einstimmigkeit in diesem für ihn persönlich auch so unerhört wichtigen Projekt der „Kirchwerdung“ des Protestantismus, für Asmussen die „Offenbarung von Barmen“, „dass Kreuz und Reich jetzt endlich beieinander sind“ [95].

IV. Die Parallele zur Kirchwerdung im vierten Jahrhundert

Um das Unerhörte dieses 1934 in Barmen besiegelten schicksalhaften „Wechsels“ des Protestantismus in die „Kirchwerdung“ begreifen zu können, ist eine historische Reprise hilfreich, die Asmussens legitimatorischem Hinweis auf die Kirchwerdung des Christentums im 4. Jahrhundert noch einmal genauer nachgeht: Asmussen rechtfertigt sich tatsächlich mit dem Argument, der in Barmen 1934 nun durchgesetzte „Wechsel“ des Protestantismus in das „System Kirche“ folge nur genau dem Muster der Kirchwerdung der christlichen Gemeinden im 4. Jahrhundert, in dem dann am Ende eben auch „Kreuz und Reich endlich beieinander“ [96] sind. Der 1933 „von Gott geschenkte Kairos, Kirche zu werden“ wiederhole nur noch einmal den Prozess der Kirchwerdung der christlichen Gemeinden, den der im Jahre 250/51 zur Hochform auflaufenden „Kirchenvater“ Cyprian (200-258) begonnen und den der politische Augustinismus 150 Jahre später dann vollendet hat. Die geistige Verankerung in dieser Kirchwerdung und gleichzeitigen Politisierung des Christentums im 4. Jahrhundert erklärt auch die von Asmussen ganz selbstverständlich angenommene strukturelle Nähe dieses „Kirche-Denkens“ zum Faschismus: Der Geist und die Praxis der staatlichen Ordnung ermöglichen die binnenkirchliche Gleichschaltung, die ohne diese Unterstützung damals wohl nicht zustande gekommen wäre. Niemand denkt mehr daran, dass diese „Einheit“ auch der „Bekennenden Kirche“ 1934 das Ende der protestantischen Freiheit ist, die einmal die Freiheit des Selbstdenkens auch in der Kirche war.

Wir müssen zugeben: Asmussen hat die historische Parallele der Kirchwerdung von 1934 mit der Kirchwerdung im 4. Jahrhundert mit Recht gezogen. Sie begann mit Cyprian von Karthago. Cyprian war der erste christliche Theologe, von dem sich ein Traktat „Über die Einheit der katholischen Kirche“ aus dem Jahre 251 erhalten hat. Er verlangte, alles zu tun, was „die Einheitlichkeit der Kirche sichert“: „Vielheit zerstört die Kirche“. Deshalb muss „der Schutz der moralischen Einheit der Mitglieder der verschiedenen Ortskirchen“ auch durch die „moralische Einheit der Bischöfe [97] gesichert werden. Der gesellschaftliche Auftritt der Kirche muss ihre „moralische Einheit“ auch nach außen demonstrieren. Da die Bischöfe „die Schlüsselgewalt“ haben über Kirche und Welt, wie auch Asmussen noch einmal ausdrücklich bejaht, können und müssen sie mit ihrem Eintreten für eine moralische Verfassung der politischen Verhältnisse natürlich zuallererst auch die soziologischen Verhältnisse der Kirche „über den Glauben hinaus“ einheitlich halten. Diese politisch-organisatorische „Einheitsarbeit“ ist sozusagen die Voraussetzung der Kirchwerdung überhaupt. Ihr folgt ganz automatisch die Übernahme der staatlichen Verwaltungshierarchie und Besoldungsordnung durch die Kirche „und vice versa“ die Übernahme der kirchlich-ethischen Weisungen, politischen Urteile und Ketzerkriterien durch die staatliche Verwaltung, die durch ihre Koordination mit „der Kirche“ ein unkritisierbares Format politisch-moralischer Autorität erreicht.

Die Parallele ist in der Tat verblüffend: Was im 4. Jahrhundert geschah, das wiederholt sich in der Vorgeschichte der Kirchwerdung des Protestantismus in Barmen 1934. Wer sich die damals verabschiedete „Entschließung von Barmen“ in allen fünf „Erklärungen“ und ihren von Asmussen stammenden Rahmentexten noch einmal genau ansieht, entdeckt eben auch darin exakt dieses cyprianische Bemühen um die „moralische Einheit“ im konkret benannten politischen Engagement der vielen Vorschläge und Bestimmungen „zur praktischen Arbeit“ und zum „Öffentlichkeitsauftrag“, die der „moralischen Einheit“ von Kirche und Gesellschaft dienen sollen.

Asmussen selbst hat sich gegenüber seinen katholischen Gesprächspartnern auch im Vatikan stets betont auf die Dynamik und geschichtliche Logik der Kirchwerdung des Christentums im vierten Jahrhundert als der Blaupause der heutigen ökumenischen Aufgaben berufen: Dieses 4. Jahrhundert war das Jahrhundert der Verklammerung von Kirche und Staat und das 20. Jahrhundert soll nun erneut „das Jahrhundert der Kirche“ sein. Die christlichen Bischöfe – auch die protestantischen – sollen und wollen im Vollsinn des Wortes „Bischöfe“ sein: politisch anerkannte, wie auch im kirchlichen Binnenverhältnis für jeden Durchgriff ermächtigte, im Stand entsprechend höchstbezahlte religiöse Monopol-Beamte, und sie werden es auch: Mit der immer dichteren kommunikativen Koordination von Kirche und kaiserlicher Staatsgewalt im Laufe des 4. Jahrhunderts werden die Bischöfe regional und in den Metropolen auch reichsweit wirkende Politiker mit Verwaltungskompetenzen. Ihre „Militanz und Gewaltbereitschaft“ ist bald ebenso berüchtigt wie gefürchtet – auch vom Kaiser selbst. Doch mit der Politisierung der christlichen Religionsausübung „verändert sich der Glaube selbst und die kirchlichen Strukturen, die ihn stützen, auf rasante Weise“ [98]. Nun zieht „politische Skrupellosigkeit“ in den Kirchenbetrieb ein, wie Hans von Campenhausen das „neue System Kirche“ des 4. Jahrhunderts zusammenfasst. Die Bischöfe nennen sich nun immer ungenierter „Stellvertreter Gottes“ und sie führen sich auch so auf. „Sie beanspruchen eine Brückenfunktion zwischen Himmel und Erde“ und sie sind es, die nun allen Obrigkeiten „die theologischen Begründungen liefern, wie die gottgefällige politische Ordnung auszusehen habe“ [99]. Auch Hans Lietzmann hat in seiner berühmten „Geschichte der Alten Kirche“ dieses 4. Jahrhundert „die Zeit des entscheidenden Strukturwandels für die christliche Kirche“ [100] genannt: „Die Kirche wurde zu einem wesentlichen Element des öffentlichen Lebens“. Sie verlangte, dass „auch der Kaiser in seiner politischen Tätigkeit an die göttlichen Gebote gebunden war“. Dafür hat er sich bei den Bischöfen die „Auskunft über den Willen des Höchsten“ abzuholen – eine für die Antike „ungeheuerliche Forderung“, die aber nun das allgemeine Denken tiefgreifend bestimmen sollte [101]. Manfred Clauss spricht von der nun immer massiver wirkenden „Tendenz, den Kirchenbegriff zu erhöhen, gegen alle Realität unermüdlich ein Ideal zu preisen“ [102], ein Ideal, das seinen geistlichen wie weltlichen Machtanspruch nicht mehr in Frage stellen ließ [103].

Dieser am Ende des 4. Jahrhunderts sich darstellende politische Habitus der Kirche ist das definitive Ende der römischen Säkularität geworden wie jeder anderen Säkularität dann auch. Die Kirchwerdung des Christentums ist der kategoriale Beginn des „Mittelalters“, literarisch greifbar in der nun das ideologische Einheitsformat für Kirche und Staat mit theologischen Argumenten fixierenden Schrift Augustins „De diversis quaestionibus ad Simplicianum“ aus dem Jahre 397 [104].

Diese Schrift Augustins, inhaltlich ein philologisch höchst fragwürdiger Kommentar zum Römerbrief, liefert die Legitimationsbasis für das Selbstverständnis der mit dem Staat verklammerten „Monopol-Kirche“. Sie rechtfertigt die Beseitigung nicht nur des noch vorhandenen Heidnisch-Religiösen, sondern auch der Pluralität von Gemeinden und christlichen Partikularkirchen zugunsten der „Kirche der Einheit“ – gemeint ist damit natürlich die Einheit des Reiches. Dieser „Auftrag“ rechtfertigt deshalb auch den politischen Habitus der Bischöfe: Weil die höchsten Personen der Kirche über die geistliche Wahrheit verfügen, verfügen sie auch über die weltliche Wahrheit und fungieren selbstredend als politische Oberinstanz. Kurt Flasch erfasst den Kern dieser Schrift Augustins von 397 als die Legitimierung des „großen Wechsels“ in der Geschichte des Christentums am Ende des 4. Jahrhunderts. Die von Augustin nun gerechtfertigte „Indienstnahme staatlicher, also militärischer Gewalt für die Kirche (stellt) einen Bruch mit der altchristlichen Auffassung dar“ [105]. Sie leugnet die Realität des Bösen gerade auch in der Kirche und erzeugt dadurch „eine neue Weise, Gott zu denken“, denn sie „impliziert eine Lehre vom Menschen, welche die Gewaltanwendung rechtfertigt, ja zum Bestandteil des Autoritätsverhältnisses macht. Es geht nicht ohne Schläge. Das werden sich hinfort Imperatoren, Bischöfe, Väter und Ehegatten vom Bischof von Hippo bestätigen lassen. Die irdischen Abbilder ahmen durch gutgemeinte Gewaltanwendung ihr Urbild nach“ [106]. Es ist nicht übertrieben zu sagen: Diese Schrift von 397 ist die Grundlage der politischen Theologie des Mittelalters, wie Flasch sagt: Augustins „Römerbrief“ wurde „die Lebensmacht des Mittelalters“ [107]. Der Dienst der Kirche heißt nun in einem Satz zusammengefasst: „Homines cogere ad bonum“, die Kirche hat die Menschen auch mit Gewalt zum Guten zu bekehren. Über die Folgen dieser Veränderung des christlichen Denkens im 4. Jahrhundert schreibt der Kirchenhistoriker Eusebius: „die Christen haben sich wie Gottlose benommen: In unserer Blindheit gaben wir uns nicht die geringste Mühe, die Güte und Gnade Gottes zu bewahren“ [108]. Im Jahre 1103 wird Siegebert von Gembloux dem Papst deshalb vorwerfen: „Welches Fenster des Übeltuns hast Du dadurch den Menschen geöffnet!“ [109].

Diese instrumentelle Inanspruchnahme der staatlichen Gewalt durch die Kirche ist das soziologische Hauptmerkmal der nun aufkommenden mittelalterlichen Religions- und Lebenspraxis. Der plakative Startpunkt des damit nun strukturell eröffneten „Übeltuns“ war der Mord an dem Bischof Priscillian von Avila, der auf Verlangen der Kirche, d.h. der großen Mehrheit der Bischöfe, darunter alle Bischöfe der großen Städte, im Jahre 394 in Trier wegen „Ketzerei“ enthauptet wurde. Wenn dieses „Mittelalter“ in der Kirchwerdung des Protestantismus von Barmen nun wieder aufersteht, dann wird fraglos auch die mittelalterliche Gewaltpraxis in der Kirche ebenfalls wieder auferstehen.

Dieses Exempel der Ermordung Priscillians, der ersten Hinrichtung eines sich ausdrücklich gegen die Koordination der Kirche mit der Staatsmacht wendenden und deshalb der „Ketzerei“ verdächtigten Bischofs in Trier im Jahre 394 erzeugte einen auch in der Neuzeit nachwirkenden Typenzwang kirchlicher Gewaltpraxis, die mit einer „Kirchwerdung“ auch des Protestantismus systemlogisch einrastet, wie sie nach 1945 noch einmal machtvoll in Gang gekommen ist. Herausragende Beispiele sind hier die intrigante Beseitigung des Mainzer Theologieprofessors Wilhelm Boudriot im Jahre 1948 durch die seit 1945 nun systembeherrschende Riege der „Kirche von Barmen“. Der frühere Pfarrer der Französisch-Reformierten Gemeinde Offenbach/Mainz, Dr. Wilhelm Boudriot (1892-1948), gerade Theologieprofessor an der neugegründeten Universität Mainz geworden [110], ein erklärter Gegner Hitlers wie Karl Barths ebenso, starb 1948 durch einen Herzinfarkt [111], der fraglos seiner intriganten Verfolgung durch Karl Barth und dessen agitatorischer Helferriege zu verdanken war. Auch die noch zu schreibende Biographie des liberalen Marburger Theologen Theodor Siegfried liefert menschlich abgründige Illustrationen der politischen Vernichtung von Gegnern der „Kirchwerdung“ des Protestantismus. Siegfried gehörte zu den wenigen Theologieprofessoren, die auch nach 1945 unerschrocken ihre schon in den 1920er Jahren geäußerte Kritik wiederholten, dass Karl Barth, Hans Asmussen, Martin Niemöller und die ganze Korona der „Verkirchlicher“ von Barmen „einen heteronomen, autoritären und dezisionistischen Denkstil kultivierten, der dem Antiliberalismus bzw. Totalitarismus der Nationalsozialisten strukturell verwandt sei“ [112]. Konsequent charakterisiert Siegfried die Theologie auch der neuen EKD von Treysa 1945 als „denjenigen Typus von Bekenntnistheologie (…), der sich jene Verfemung von Humanität, Sozialethik und politischer Ethik zu eigen machte, welcher auf Grund solcher theologischen Voraussetzungen an Juden- und Kommunistenverfolgungen keinen Anstoß nahm, weil sie nicht den Raum der Kirche betrafen und weil denn doch das Ganze des Lebens schlechthin unter Gericht und Gnade falle, (und der) kräftig und prinzipiell und existenziell den Antihumanismus förderte“. Ganz selbstverständlich formulierte Siegfried im Personalfragebogen des „Entnazifizierungsverfahrens“ am 18. Juli 1945: „Wie meine Großväter und meine Eltern habe ich nur eine Leitlinie gekannt: Liberalismus, Kampf gegen politische und klerikale Bevormundung. Darum galt mein Kampf dem Nationalsozialismus und der Bekenntniskirche mit gleicher Leidenschaft.“ [113]

Asmussen hat nach 1945 „Kreuz und Reich“ wie auch einige seiner einschlägigen Aufsätze vor und nach Barmen aus seinem Literaturverzeichnis ebenso still verschwinden lassen wie Niemöller seine literarische Proskynese vor Hitlers totalem Staat von 1937[114]. Man muss dies alles so ausführlich in Erinnerung rufen, damit der Umfang der Geschichtsfälschung erkennbar wird, die der Mythus von einem angeblichen „Kirchenkampf gegen den Nationalsozialismus“ bis heute in Kirche und Gesellschaft erzeugt hat: Auch der immer als so betont fromm gehandelte Karl Heim, das einflussreiche Haupt der dezidiert kirchlichen „Jungreformatoren“, schreibt im Jahr 1933: „Unser Volk ruft nach der Kirche … Unsere Staatsmänner sehen heute wieder deutlich, dass der Staat der Kirche bedarf als der Kraftquelle, aus der ihm innerste Kräfte der Hingabe zufließen.“ [115] Die auch von Karl Heim gesuchte Koordination mit dem Nationalsozialismus war umfassend. Ganz im totalitären Fahrwasser forderte Heim: „Die unbedingte Unterwerfung unter die absolute Macht können wir dadurch ausdrücken, dass wir ihre Befehle ohne jede Begründung mitteilen.“ [116] Es ist nicht zu leugnen: Die theologischen Häupter des protestantischen Kirche-Denkens selbst sorgen in den Jahren von 1920 bis 1933 dafür, dass „eine Macht sich nicht mehr legitimieren muss“, wie Nikolai Berdiajew im Jahre 1923 die Wende zur „neuen Barbarisierung“ [117] zusammenfasst. Erstmals nennt Berdiajew in diesem Jahr den überall einrastenden totalitären Kollektivismus „das neue Mittelalter“, das nun von allen rigoros jene „Einreihung“ verlangt, die dann auch Karl Barths Intimus Eduard Thurneysen noch einmal religiös überhöht: Der Einzelne hat zu hören, hat sich „gefangen nehmen zu lassen“ und ganz einfach „zu gehorchen“ [118]. Die Überprüfung der Dogmen, sei es historisch-relativierend im Blick auf ihre Genese oder philosophisch im Blick auf die Vernünftigkeit der Wahrheits-Behauptungen, steht dem Einzelnen nicht zu. „Das tauglichste Mittel zur Sicherstellung der objektiven Wahrheit, die sicherste Gewährleistung des Zusammenhangs im Erkennen, die unbefangenste kritische Norm, die konsequenteste Begründung aller Erkenntnisse wird auf allen Gebieten der Wissenschaft die Wahrheit selbst sein, die … uns gegeben ist.“ [119] Deshalb kann die Kirche in göttlicher Vollmacht das „Wächter- und Führeramt der Kirche als Organ der Wahrheit (ausüben), die heute, jetzt, hier Wahrheit ist“ [120]. Der Glaube des Einzelnen ist, wie Thurneysen es ganz ernst behauptet, ein im Ganzen der Kirche „verhafteter Glaube“. Und das „Führer- und Wächteramt der Kirche“, wie es auch Karl Barth zuweilen so nennt, wird dann in Verkehrung der reformatorischen Grundlage „sine verbo, sed vi humana“ die ganze Gesellschaft mit verhaften, damit „Kreuz und Reich endlich beieinander“ [121] sind.

Für diese Auferstehung des Mittelalters in der Kirchwerdung von Barmen systementscheidend wirksam war hier aber nicht nur der publizistische Krieg des Anti-Lutheraners Karl Barth, der sich seit 1909 definitiv und mit wachsender Deutlichkeit von Luthers Zwei-Reiche-Lehre absetzte, weil er als Theologe „regieren will“ [122], wie er ja schon 1927 an seinen Freund Thurneysen schreibt. Auch die akademischen Häupter des deutschen Luthertums haben mit Verve an der Auflösung der reformatorischen Grundlagen mitgewirkt und die „Kirchwerdung“ mit Macht befördert. Insbesondere ist hier an die von dem Lutheraner Emanuel Hirsch fast zeitgleich mit der „Entschließung von Barmen“ verfasste „Denkschrift der Reichskirchenregierung über das grundsätzliche Verhältnis von evangelischem Christentum und politischer Bewegung“ vom Juli 1934 zu erinnern: Wie ein politischer Zwilling Karl Barths (und wie ein etwas intellektuellerer theologischer Abklatsch der Entschließung von Barmen) wendet sich diese Denkschrift und ihr Hauptautor Hirsch gegen Art. XXVIII der CA und damit gegen die Zwei-Reiche-Lehre Luthers, weil diese Lehre die Verbindung und Verknüpfung der politischen und der religiösen Ordnung in das Format eines „lebendigen und dynamischen Gleichklangs“ verhindert [123].

Man kann hier hin- und herspringen, wie man will. Für die Entwicklung des EKD-Protestantismus in den 1920er und 1930er Jahren maßgebende Theologen aller Couleur haben exakt dasselbe gefordert: dass eine „Zusammengehörigkeit und Einheit des Politischen und Religiösen“ zu besorgen ist, in der die Kirche sich in Koordination mit der Staatsmacht „als öffentliche, mit Volk, Bewegung und Staat verbundene Ordnungs- und Erziehungsmacht“ [124] aufführt. Die geistigen Repräsentanten der gegensätzlichen politischen Flügel der protestantischen Theologie zeigen dieselbe Verwandtschaft im totalitären Denken: Beide, der radikalsozialistische (in der Schweiz: kommunistische) „Theologe und Politiker“ Karl Barth wie auch der den Nationalsozialismus verteidigende Theologe Emanuel Hirsch beschreiben Luthers Zwei-Reiche-Lehre mit exakt demselben Negativ-Prädikat: „entartete Theologie“ [125], weil sie ihre Forderung einer leitenden Mitwirkung der Kirche im politischen Feld und ihren „christlichen“ Lobpreis der politischen Gewaltpraxis von Hitler durch Emanuel Hirsch oder von Stalin durch Karl Barth theologisch unmöglich macht. Auch wenn dann Karl Barth in der zweiten Auflage seines „Römerbriefs“ von 1922 eine gewisse „Umakzentuierung“ vorgenommen hat, die die Bedeutung des Politischen für die Kirche nun „in einer enthobenen Radikalität (artikuliert), die jeder bestimmten Negation der Herrschaftsverhältnisse den Boden entzieht“ [126], so ist damit die Kirche in keiner Weise „aus der ideologischen Reproduktion der Herrschaftsverhältnisse zurückgezogen“ [127]. Der klerikale Steuerungsanspruch hat nur einen neuen Namen. Er heißt jetzt: die „Übersäkularität“ der Kirche, die sich aber auch wieder „ums Ganze“ kümmert und zu kümmern hat. Was sich darunter verbirgt, ist aber das bekannte mittelalterliche Amalgam von Politik und Religion, die nun mit neuzeitlichen Zutaten zu einem „ethischen Christentum“ zusammengerührt wird, das idealtypisch schon zu allen Formen totalitärer „Volksherrschaft“ gehört, in der Staat und Gesellschaft in eins zusammenfallen: „Genau so [als ‚ethische Weltanschauung’] charakterisierte sogar Joseph Goebbels die nationalsozialistische Einparteienherrschaft mit ihrer Massenakklamation des Volksführerwillens, und Goebbels meinte das nicht zynisch, sondern ideologiefromm.“ [128]

V. Neugründung und finale Kirchwerdung der EKD 1945

Nach dem Kriegsende hat dann die am 21. Juli 1945 kurz nach dem Beginn der Konferenz von Potsdam (17. Juli bis 2. August 1945) vom State Departement in Washington genehmigte erste „Konferenz der evangelischen Kirchenführer“ im hessischen Treysa vom 27. bis 31. August 1945 die drei damals noch vorhandenen kirchenpolitischen Gruppen einig werden lassen: Das von Bischof Wurm (Stuttgart) repräsentierte „Kirchliche Einigungswerk“, der von Bischof Meiser (München) repräsentierte „Lutherrat“ und der von Martin Niemöller (Frankfurt) repräsentierte „Bruderrat der Bekennenden Kirche“ tragen eine neue gemeinsame Kirchenverfassung mit und regeln die entsprechenden Personalien. Die Vereinbarung, die die Verfassung der DEK von 1933 in neuer Form als „Evangelische Kirche in Deutschland“ wiederherstellte, war dabei nicht der in den Veröffentlichungen dazu stets betonte wesentliche Akt [129]. Viel entscheidender war für die Zukunft der EKD die in Treysa mit alliiertem Einverständnis erfolgende Umdeutung des „Kirchenkampfes“ von 1932 bis 1934 zum „Widerstand gegen den Nationalsozialismus“: eine glatte Systemlüge, durch die nun auch eine groteske Selbstüberschätzung des Kirchlichen zur Wirkung kam. Einmütig wird in Treysa das „Wort zur Verantwortung der Kirche für das öffentliche Leben“ verabschiedet: eine politische Erklärung, die diese EKD „als Gesamtkirche“ aller Landeskirchen präsentiert und sofort in jene erhabene politische Position einrücken lässt, die mit dem neuen politischen „Öffentlichkeitsauftrag“ in Barmen 1934 schon vorgezeichnet wurde. Ausdrücklich erklärt diese „Konvention von Treysa“ in Ziffer 3: „Es besteht Übereinstimmung darin, dass die EKD auf dem Boden der in Barmen getroffenen Entscheidungen steht.“ [130] Diese Bezugnahme auf die ganze Barmer Entschließung rechtfertigt noch einmal die politische Selbstermächtigung, dass diese Kirchenelite sich im August 1945 in Treysa zum „öffentlichen Anwalt und Bewährungshelfer der Deutschen“ (sic!) ernennen kann und damit den „Anfang jener bedeutenden Tradition öffentlicher Worte (setzt), mit denen die Kirche Wegweisung und politisch-gesellschaftliche Impulse zugleich geben wollte“ [131]. Diese Anmaßung ist in nichts zu relativieren: Sie versteht sich als künftig gültiges kirchliches „Weisungsrecht gegenüber der Politik“ [132]. Damit feiert der mittelalterliche Traum der kirchlichen Herrschaft über die Gesellschaft nun inmitten des Protestantismus seine Auferstehung: Denn im Bild und in der Rolle des „Anwalts“ und „Bewährungshelfers“ ist 1945 der Theologe ja nicht wirklich Partner einer gemeinsamen Suche nach dem Guten, sondern der faktisch einzig zugelassene „politische Betreuer“ und „Führer zur gewußten Wahrheit“. Dies illustriert dann auch schon der erste Satz dieser ersten „Kundgebung der Kirchenkonferenz der EKD“ in Treysa, August 1945. 

Diese Kirchenversammlung erklärt als zentrales kirchliches Programm für die Zukunft, „dass nur da, wo die Grundsätze christlicher Lebensordnung sich im öffentlichen Leben auswirken, die politische Gemeinschaft vor der Gefahr dämonischer Entartung bewahrt bleibt. Aus dieser Erkenntnis erwächst den evangelischen Kirchen Deutschlands die große und schwere Aufgabe, weit stärker als bisher auf die Gestaltung des öffentlichen Lebens und insbesondere der politischen Gemeinschaft einzuwirken … Es ist deshalb notwendig, bei dem neu zu schaffenden Rat der EKD einen ständigen Ausschuss zu schaffen, der unter enger Zusammenarbeit von erfahrenen und sachkundigen Laien und Theologen und Kirchenmännern diese Fragen grundsätzlich klärt, zu neu auftauchenden Problemen des öffentlichen Lebens in Gutachten und Ratschlägen sowohl für die Führer der deutschen Gesamtkirche wie für die einzelnen Landeskirchen fortlaufend Stellung nimmt, und so auch die öffentlichen Erklärungen der Kirchenführer vorbereiten hilft… Allgemeines Ziel muss sein (…) die Wahrung christlicher Lebensordnung in allen Bereichen des öffentlichen Lebens durchzusetzen.“ [133]

Mit dieser Selbstermächtigung des EKD-Führungszirkels zur Führung der „Gesamtkirche“ des deutschen Protestantismus waren alle die weiteren „Worte“ und „Denkschriften“ schon ins Auge gefasst, die als Weisungen der Kirche das gesellschaftliche Leben „ohne Verzicht auf Parteilichkeit und politisches Profil“ [134] bestimmen wollten. Das Selbstverständnis der EKD wird im August 1945 in Treysa in ausdrücklicher Kontinuität mit den Beschlüssen von Barmen 1934 und Bad Oeynhausen 1935 festgestellt als die göttliche Beauftragung dieser in Barmen konstituierten „Gesamt-Kirche“ für das Durchsetzen der auch für die Politik maßgeblichen göttlichen Grundsätze. Im Tages-Protokoll der Kirchenführer-Versammlung von Treysa vom 22.8.1945 ist denn auch genau so zu lesen: „Verkündigung heute ist eine politische Aufgabe“ [135]. Völlig richtig erfasste der Hamburger Theologe Erwin Gross 1949 das, was hier entschieden wurde, als eine „Verwandlung der Substanz der evangelischen Kirche“ [136].

Dieser neue protestantische Klerikalismus von Barmen und Treysa sieht sich dann freilich nicht nur theologisch, sondern auch rechtlich in der vollen Kontinuität mit der „Reichskirche“ von 1933: Der „Kirchenbund“ von 1922, die DEK von 1933 und die EKD von 1945 sind staatskirchenrechtlich dasselbe, wie es das Schreiben des Rates der EKD an den Alliierten Kontrollrat vom 31. Januar 1946 und dann abschließend noch einmal die Grundordnung der EKD vom 13. Juli 1948 in Artikel 35, Absatz 1 feststellt [137]: „Die alten Kirchenverfassungen und die Reichskirchenverfassung von 1933 sind also für uns nicht nur juristisch-formal, sondern auch noch kirchlich materiell verpflichtendes Recht.“ [138]Deshalb besteht ab August 1945 die Evangelische Kirche „als Reichskirche“ in neuem Gewand fort. Sie übernimmt die vorherigen Rechtsverhältnisse und kann diese deshalb auch souverän umgestalten, wie Brunotte referiert: „Die Deutsche Evangelische Kirche ist also nicht als ohne weiteres erloschen anzusehen, sondern sie besteht rechtlich und tatsächlich fort, obwohl ihre Organe sämtlich nicht mehr gemäß ihrer Verfassung besetzt sind.“ Interessant ist hier: „Das Reichsgesetz über die Verfassung der DEK vom 14. Juli 1933 (RGB / ReichsGesetzBlatt Band I, 1933, S. 471) gehörte nicht zu den ‚nationalsozialistischen Grundgesetzen‘, die durch das Besatzungsgesetz Nr. 1 getroffen wurden. Es ist erst sehr viel später durch die Besatzungsmächte (Gesetz Nr. 49 des Alliierten Kontrollrats vom 20. März 1947) aufgehoben worden. Im Jahre 1945 war es noch in Kraft. Die Kirche hatte auch gar kein besonderes Interesse daran, eine Aufhebung des Reichsgesetzes durch die Besatzungsmacht zu betreiben.“ [139] Dazu gehörten dann auch ganz irdische Interessen und Begierden: Niemöller als „Leiter des Kirchlichen Außenamtes“ wie Asmussen als „Leiter der Kirchenkanzlei“ der EKD genehmigten sich unmittelbar nach der Versammlung in Treysa „gegenseitig selbst“ unter Berufung auf diese rechtliche Fortführung der Reichskirche von 1933 in der neuen Form von 1945 eine Besoldung nach „B 7“. Den Protagonisten der Verkirchlichung in der EKD schreibt Brunotte deshalb noch einmal ins Stammbuch: „Es scheint, als ob wir alle noch ein wenig von dem Gift eines politisch gescheiterten Totalitätsanspruchs in uns haben, der eine äußerlich gesehene Einheit, um nicht zu sagen Uniformität wollte, und die wahre Einheit umso sicherer zerstörte, je mehr er sie zu begründen meinte.“ [140] Es war umsonst. Die neue Grundordnung der EKD wurde am 9.-13. Juli 1948 auf der Wartburg einstimmig verabschiedet und tatsächlich: „Der Begriff Kirche blieb in der neuen Bezeichnung bestehen. Er war ja schon 1933 auf keinen ernsten Widerstand gestoßen. Zwar war im Jahre 1922 nur dies durchzusetzen, dass der neue Zusammenschluss ein Kirchenbund ist. Doch offenbar überwog ab 1933 dann auch bei den Lutheranern das Gefühl, man müsse dem Wunsch von Staat und Partei nach größerer Einheit nachkommen. Mit theologischen und kirchlichen Erwägungen hatte das nichts mehr zu tun“ [141], wie Brunotte richtig sagt. Nur mit der Gier nach Macht.

VI. Der Gestaltgewinn des kirchlich-politischen Integralismus

Mit der 1945 erneuerten Kirchwerdung integral verbunden war der „Öffentlichkeitsanspruch“ – ein geistiger Treibsatz, der nun unaufhaltsam die Abwendung von der Reformation und die innerkirchliche Akzeptanz eines „neuen Mittelalters“ einleitet, wie es auch der Staatsrechtler Helmut Quaritsch im Jahre 1962 (!) an die Adresse der EKD sagt: „Dieser politische Hoheitsanspruch der Kirche ist die wohl problematischste Erscheinung der staatskirchenrechtlichen Lehre der Gegenwart… Wörtlich und ernst genommen führt sie in ein neues Mittelalter.“ [142] Doch das alles war schon lange ernst zu nehmen: Schon 1951 hatte das geistige Haupt der protestantischen Staatsrechtslehre nach 1945, Rudolf Smend, das politisch-religiöse Wollen der EKD in seinem Start-Aufsatz für die neue „Zeitschrift für Evangelisches Kirchenrecht“ 1951 mit seinem seit seiner Verfassungslehre („Verfassung und Verfassungsrecht“) von 1928 kontinuierlich publizierten, immer einflussreicher werdenden „Integralismus“ auf strukturell „mittelalterliche“ Begriffe gebracht: „Mag man den Anspruch auf das Ganze solcher Wirksamkeit als den ‚Öffentlichkeitsanspruch‘ der Kirche bezeichnen, oder wie sonst auch immer: jedenfalls ist kraft ihres Auftrages und ihres damit gegebenen Wesens die Anerkennung eben dieses Anspruchs das Erste, was sie heute vom Staate fordern muss.“ [143] Und das Merkwürdige geschieht: Der neue Staat der „Bundesrepublik“ gehorcht dem „integralen“, das Staatsleben dirigierenden kollektiven Moralismus der EKD. Der „Loccumer Vertrag“ von 1955 schreibt diesen „Öffentlichkeitsanspruch“ staatskirchenrechtlich fest, mit dem sich die EKD-Kirchenführer zum nun ungehinderten „Führer und Wächter“ einer gesellschaftlichen Homogenität aufwerfen können [144], die die Freiheitsrechte des Einzelnen immer und überall den gesellschaftlichen Kollektivinteressen unterordnen wird.

Quaritsch hatte begriffen, was hier mit diesem scheinbar „modernen“ gesellschaftlichen Integralismus gewollt wird: eine über allen demokratischen Irrungen und Parteilichkeiten stehende unabhängige Herrschaftsstruktur zu etablieren, die mit der Letztzuständigkeit für alle relevanten Gesellschaftsregeln ein Wert-, Güter- und Kultursystem propagiert und mit der Judikative des Bundesverfassungsgerichts sichert, das eine scheinbar „objektive Wertordnung“ gesellschaftlich am Leben hält. Die Botschaft, die (deutsche) Gesellschaft benötige für den Erhalt ihrer moralischen Integrität, ihrer kulturellen Einheitlichkeit und Funktionsfähigkeit eine die Herstellung des gesellschaftlichen Konsenses künftig immer sicher garantierende „Einheitskraft“ – als die sich nach 1945 zuvörderst natürlich die EKD-Nomenklatura verstand –, war von ihrer ganz technisch-neutral wirkenden Anwendung im Führersystem des Nationalsozialismus „durch geringfügige Verschiebungen auf eine genuin demokratische, konsensstiftende Staatslehre umzustellen“ [145], wie es auch geschah: Die Mehrheit der deutschen Staatsrechtslehrer folgte nach 1945 „der von der Smend-Schule in den fünfziger Jahren vorgegebenen Richtung“ [146], die einen normativen gesellschaftlichen Kollektivismus befeuerte. Nicht wenige haben Rudolf Smend sogar „als eine Art ‚Hausgott‘ des Bundesverfassungsgerichts“ [147] betrachtet. Wie auch immer: Das neue, „mit der Kirche koordinierte“ bundesdeutsche Gesellschaftsformat nahm immer spürbarer die Lebensstruktur des neuen Mittelalters an. Von Anfang an sicherte die EKD den Paternalismus einer für eine kritische Sicht durchaus vom freiheitlichen Staatsverständnis abweichenden Unterwerfung unter einen für Recht, Politik, soziale Ordnung und Kultur nun zuständigen Vatikan der „Wertentscheider“, der ganz mittelalterlich nicht mehr kritisierbar ist, weil er die Qualität „einer höheren Machtquelle“ [148] hat, wie es Rudolf Smend dann auch selbst so statuiert. Quaritsch irrte 1962 nur in einem: Das Selbstverständnis der die neue politische Klasse der höchsten Wertentscheider 1945 anführen wollenden EKD-Elite führt nicht in das neue Mittelalter, es hat mindestens schon seit 1918 unaufhaltsam in seinen theologischen, philosophischen, rechts- und machtpolitischen Verschiebungen in das „neue Mittelalter“ geführt und den Protestantismus dann ab 1945 in kaum mehr korrigierbarer Weise in die Sackgasse des politischen Moralismus abbiegen lassen.

Der geistige Druck jener Jahre kann in seiner Ungeheuerlichkeit kaum ermessen werden: Der ja nicht nur von Rudolf Smend, sondern auch von vielen anderen Philosophen, Juristen und Theologen im 20. Jahrhundert übernommene und weiter verbreitete Integralismus spiegelt den in diesen Jahren eingerasteten Common sense, dass „die Frage nach dem Guten ganz ohne die primitiver oder geläuterter, phantastischer oder nüchtern gefasste Vorstellung von einem Wirklichwerden des Guten in der Geschichte nicht im Ernst gestellt werden kann“ [149]. Die Rolle der EKD und ihres Vorläufers DEK verändert sich in diesen Jahrzehnten genau so wie es schon Augustin ab 397 sagte: Die Kirchenelite will und wird nun (mit)regieren [150] und dafür muss sie politisch Nützliches im Gewand der religiösen Ethik liefern und sie tut dies auch.

Kategorial geht es dabei immer um „Überpersönliches“, „Volkhaftes“, „Kollektives“, „Staatsnotwendiges“, um Dinge also, die für jeden Totalitarismus irgendwie anschlussrational zu machen sind und deren dann immer integralistisch, also mit religiöser Rechtfertigung begründete Herrschaftsstruktur sogar ganz demokratisch aussehen kann. Denn das Objekt wie das Ausmaß der kollektiven Gehorsamspflichten ist immer mit der herrschenden Meinung und dem aktuellen kulturellen Trend in der Öffentlichkeit verbunden. Der so wenn schon nicht mit der „Reich Gottes-Vision“, aber doch frei nach Rudolf Smend mit dem rational ja nicht wirklich fassbaren „Geist des Staates“ identifizierte, sich am Ende auf alle gesellschaftlichen Beziehungen erstreckende geistige Kollektivismus stellt sich immer sanft dar, bevor er auch mit extremer Sanktionshärte Menschen bedrohen kann. Schwierigkeiten hat nur, wer den geforderten Gehorsam verweigert. Und gehorcht werden muss, denn es gibt „Vorgegebenes“, das aus dem Normalbürger diskursiv unzugänglichen sozialen Zielvorstellungen besteht, die einfach anzuerkennen sind: Es gibt eine in Staat und Kirche institutionell kondensierte überpositive Wertordnung, deren Auslegung nicht Sache des Einzelnen sein kann und darf. Über den politischen wie menschlichen Preis dieser Gleichschaltung wird kein Diskurs zugelassen. Das Recht des Einzelnen hängt letztlich eben immer von der Gnade der „Wertentscheider“ ab, die, ob im „Führer- und Wächteramt“ der EKD oder im Rechts-Vatikan des Bundesverfassungsgerichtes, ein Kirchen- und Staatsverständnis pflegen, „dessen vornehmliche Elemente der Weimarer Staatsrechtslehre entstammen, die aber partiell auch die nationalsozialistische Auffassung vom Recht geprägt hat“ [151].

Wer genau hinsieht, erkennt, dass es in diesem unerhört verbreitet antiliberalen, antidemokratischen, im Grunde schon von Anfang an totalitären Kollektivdenken des 20. Jahrhunderts überhaupt keine klaren Konzepte und rationalen Entscheidungen mehr gibt, nur eine wolkige, immer auch von persönlichen Zufälligkeiten abhängige Machtpraxis, die auf die aktuelle öffentliche Meinung ein gewisses Maß an Rücksicht nimmt und nehmen muss. Diese öffentliche Meinung begrenzt die dem so oder so gefüllten Integralismus inhärente Willkür immer auch in gewisser Weise – jedenfalls eine Zeitlang. Immer aber setzt sich am Ende die kollektive Ordnung durch und normiert auch das Wirken der in sie integrierten „vierten Gewalt“, die die allgemein-religiöse bzw. staatsmoralische Grundierung fortwährend nachjustiert. Sie besorgen dann auch die Integration der Kirche „in das Staatsganze“, die ihrerseits mit der Verwandlung ihres religiösen Fundus in „Volksrechte“, „Grundrechte“ oder „Menschenrechte“ die weltanschauliche Überhöhung der Kollektivrechte gegenüber dem Recht und der Existenz des Einzelnen sichern hilft, genau wie es Smend sich vorstellt: Die Öffentliche Meinung besteht aus dem und verbreitet das, was das „wesensmäßige Ineinander individuellen und überindividuellen Lebens“ [152] bestimmt und den „normativen Ideengehalt bedeutet, der ein Volk einig macht“ [153]. Was hier von Smend und vielen anderen in den 1920er Jahren auch geistig zusammengerührt wird, schützt nicht zuerst den Einzelnen, sondern eine unklar bleibende, willkürlich ausgedachte, allein dem Machtwillen und der politischen Phantasie entsprungene perfekte Homogenität einer staatlichen Ordnung, in die der Einzelne sich einzufügen hat: Das Integrationsverlangen des Staates wird blanko sakrosankt gestellt. Der Staat – und dies meint hier fraglos auch den „totalen Staat“ – hat das fundamentale, wie ein religiöses Dogma zu achtende Recht, sich selbst und seine „Einheit“ weit höher zu achten als jedes Recht des Einzelnen. Damit wird nicht nur das Leben der Einzelnen, sondern auch das in vielen korporativen Feldern sich entwickelnde Eigenleben der Gesellschaft dem Gesetz der „sozialen Gemeinschaft“ unterstellt, das freilich nur das Arkanum der „höchsten Personen“ auslegen und sanktionieren darf.

Schnell hat in den Jahren nach 1920 in Deutschland überall diese neue, die Priorität des Gemeinschaftlichen armierende „Wertphilosophie“ den das bürgerliche Recht mit seinem nicht relativierbaren Freiheitsverständnis prägenden alten Kantischen Idealismus verdrängt und damit auch die darauf beruhenden Ordnungsvorstellungen aufgelöst. Auch die besten, durchaus bemüht-komplexen Versuche dieser neuen „objektiven“ Wertphilosophie z.B. von Max Scheler und Nicolai Hartmann sind genau betrachtet nichts anderes als die Hochglanzfassaden eines in der Sprachform noch ein wenig idealistisch angehauchten neuen deutschen totalen Volks-Utilitarismus, der gerade in seiner exzessiven Parteinahme für das Allgemeingültige und seiner Rechtfertigung des Kollektiv-Verbindlichen dem Subjektivismus seiner behauptet kollektiv wahren Wertsetzungen nicht entrinnt. Man mag zu Carl Schmitt stehen wie man will, hier hat er einfach nur Recht, wenn er sagt: „Die Geltung der Werte beruht auf Setzungen“ [154], die in sich eine „immanente Aggressivität“ [155] enthalten: „Der Geltungsdrang des Wertes ist unwiderstehlich und der Streit der Werter, Abwerter, Aufwerter und Verwerter unvermeidlich… Der höhere Wert hat das Recht und die Pflicht, den niederen Wert sich zu unterwerfen, und der Wert als solcher vernichtet mit Recht den Unwert als solchen.“[156]

Es waren neben Smend viele Akteure mit vielen, unterschiedlichen totalitären Konzepten, die hier zusammen mit dem neuen Wertdenken in den 1920er Jahren politischen Einfluss erringen konnten und jenen von dem Rostocker Historiker Egon Flaig zutreffend benannten geistigen „Kulturbruch“ erzeugten, den 1923 Berdiajew erstmals als die Eröffnung des „neuen Mittelalters“ benannt hatte. In allen geisteswissenschaftlichen Fakultäten, die Theologen eingeschlossen, wird nun am Ersatz der personalen Verpflichtung auf Verantwortung und Wissenschaftlichkeit durch die kollektiv verpflichtende Absolutheit politischer Wertsetzungen „gebastelt“: „Da die Verbindlichkeiten nicht mehr über den Streit entlang von Wahrheitsregeln herstellbar sind, müssen neue, ganz anders geartete Verbindlichkeiten moralisch erzwungen werden. Daher die pestartige Virulenz der Political Correctness und des Gutmenschentums mit seiner spezifischen Intelligenz. Die moralischen Diffamierungen müssen folglich immer mehr zunehmen“ [157] – und in ihrem Kielwasser zwangsläufig dann auch der, wie es Smend ganz harmlos sagen kann, für die „Herstellung der Lebenswirklichkeit des Staates“ [158] nötige politische Gewalteinsatz. Widerstand darf und muss gewaltsam überwunden werden, so wie es die Eindimensionalität all dieser Lehren von der materiellen Einheit und geistigen Geschlossenheit der Gesellschaft rechtfertigen. Eine geistige Regression breitet sich aus, die dann auch keine substantiellen christlich-theologischen Einreden mehr zulässt. Denkarbeit ist hier nur noch als affirmative Binnenorientierung möglich, die sich der agitatorischen Eigenlogik unterwirft und jeden umstandslos zum geistigen Sklaven macht, der hier mit irgendwelchen Anerkennungsbedürfnissen dabei sein will.

Der mit diesem Wertdenken seit 1928 unaufhaltsam ansteigende, bis in die 1970er Jahre reichende Einfluss des protestantischen Staatsrechtlers Rudolf Smend auch auf die Kirchwerdung der EKD ist überhaupt nicht zu unterschätzen. Smend hat sich zwar nie den Nationalsozialisten angedient, ist aber eben auch in seiner sprachlich davon immer etwas abgehobenen, aber eben deshalb auch wolkig und in den Inhalten unbestimmt bleibenden staatskirchenrechtlichen Diktion von einem politischen Einheitsdenkengeleitet, das ideologische Gegensätze in sich selbst nicht mehr zulässt und so dem Staatsdenken des Nationalsozialismus auch problemlos anschlussrational ist. Man kann ohne Verlust von Genauigkeit sagen: Smends Staatsdenken liefert eine Art totalitäre Leerformel, die auch dem „schon vor 1933“ vorhandenen, nun unentrinnbar mit einem autoritären Staatsverständnis gekoppelten Selbstverständnis innerhalb der Kirche hilft, „fatale entmündigende Politisierungstendenzen“ für ebenso normal wie christlich zu halten und so nichts mehr dagegen unternehmen zu können, dass sich die EKD in das Format des „politisierten Christentums“ [159] vollständig transformieren kann.

Schon lange vor Hitler, schon in den ersten Jahren nach dem Ersten Weltkrieg hat sich die protestantische Kirchenelite von wenigen Ausnahmen abgesehen darauf eingelassen, ihrem eigenen kirchlichen Wirken eine staatstragende Integrationsfunktion zu- und überzuordnen, die das religiöse Rollenverständnis der Kirche dann klar dominiert. Es waren nicht nur solche ultrareformierten Theologen wie Karl Barth (1886-1968) mit seinem ab 1919 sensationell schnell wachsenden kirchlichen Anhang, auch einflussreiche lutherische Theologen wie Friedrich Brunstäd (1883-1944) bedienen mit ihrem starken politischen Engagement (mit Brunstäds führender Rolle in der DNVP) die Idee eines totalitären Kulturstaats und vollziehen ohne Bedenken die im Hauptstrom der Weimarer Zeit von vielen verfolgte „kulturtheologische Überhöhung des Staates zum Supersubjekt materialer Wertintegration“ [160] mit. „Von der ungeheuren Politisierung der Theologie zwischen 1918 und 1934 kann man sich einen Eindruck verschaffen, wenn man nur die zahlreichen politischen Titel der theologischen Literatur von damals mit den spärlichen von heute vergleicht. Es gab damals viele Theologen, deren Opus zu zwei Dritteln politische Themen behandelte.“ [161] Es dauert dann nur zwölf Jahre, bis praktisch allen Theologen und Ideologen klar war, dass als neues politisches Ziel ab etwa 1930/31 nur noch ein überkonfessioneller „christlicher Kulturstaat“ in Frage kommt – freilich noch restlos ohne Demokratie gedacht [162]. Zwar wissen auch Staatsrechtler wie Rudolf Smend um die „protestantische Herkunft“ des Demokratiegedankens, lehnen ihn aber nichtsdestoweniger umstandslos als „Säkularisat“ ab: Ihr Staatsdenken ist geschlossen und braucht deshalb religiöse Verklärung. Es kommt systemlogisch ohne Metaphysik nicht aus und macht deshalb die Kirche ganz mechanisch zur Funktion der Staatseinheit. In diesem geistigen Formdenken hat der Großteil der protestantischen Intelligenz auch Hitler zunächst als eine Art „deutschen Cromwell“ verstehen wollen, der die staatliche Einheit der Deutschen wiederherstellen und ihre kulturelle Gemeinschaftlichkeit im Auftrag Gottes heilen kann und soll.

In diese Auseinandersetzung um „den Vorrang des Ganzen“ usw. ist dann auch der später hochmythologisierte sogenannte „Kirchenkampf“ der Jahre 1932 bis 1938 einzuordnen. Dieser „Kirchenkampf“ hatte in nichts mit einer Gegnerschaft gegen den Hitlerismus zu tun, im Gegenteil: Er war der banale innerkirchliche Krieg zweier religionspolitischer Rivalen um das Rollenmonopol, auf der politischen Bühne der einzig legitime Vertreter der Kirche nach innen und außen zu sein, vor allem eben auch der einzig anerkannte kirchliche Partner des Staates. Dieser Kampf hätte auch unter einem 1933 weiter regierenden Reichskanzler von Papen keine geringere Heftigkeit als unter dem Reichskanzler Hitler gehabt. „Barmen 1934“ wäre so oder so gekommen: Der Protestantismus will endlich „Kirche“ sein und dies meint eine machtvolle, politisch anerkannte, mit dem Staatshandeln koordinativ auf höchster Ebene verbundene, zentralistisch-klerikal verfasste Kirchen-Institution. Wer hier widerstrebt, ist „der Feind“. Kurt Nowak fasst diese ja schon seit 1919 laufende Entwicklung innerhalb der protestantischen Kirchenwelt etwas abstrakt, aber treffend zusammen: „Die Kategorien Diskurs und Kompromiss treten zurück und machen einem monologisch geführten Kampf der ‚Weltanschauungsgemeinden‘ Platz, die nur noch innerhalb ihrer eigenen Normen- und Wertwelt diskursfähig sind. Der Andersdenkende ist nicht mehr Partner in einem Diskurs, sondern Feind, weil Kompromiss und Diskurs als Einschränkung, damit aber als Bedrohung der eigenen Identität erlebt werden.“ [163] Mit solchem Machtdenken ist freilich genau der religiöse Sündenfall eingetreten, der den in der Reformation mit der Freiheit eines Christenmenschen verbundenen christlichen Glauben wieder zu einem regressiven, mittelalterlichen Ordnungsglauben macht. Das sich nun wieder selbst verkirchlichende protestantische Christentum wird in diesen schicksalhaften Jahren von 1918 bis 1934 zum Haupt-Propagandisten einer integralen politischen Vision, die die Einheit der Gesellschaft garantieren soll: Christlicher Glaube wird dem Glauben an den Wert und das Heil der vereinheitlichten Gesellschaft anschlussrational gemacht. Dieses politische Heil kann nach Karl Barth [164] ein marxistisch-leninistischer Universalismus oder auch ein nationalistischer Sozialismus sein. Die jeweilige ideologische Farbe spielt für das in jedem Fall staatsintegrative Engagement der Kirchenelite überhaupt keine Rolle [165]. Für die EKD geht es „als Kirche“ um die politische Anerkennung ihrer religiös-moralischen Führungsrolle, die dann auch mit höchstem theologischen Einsatz durchzusetzen versucht wird. Und wie dies bei allen Widerständen zuletzt immer funktioniert, führt im Jahre 1966 der EKD-Ratsvorsitzende Kurt Scharf geradezu klassisch vor. Scharf erklärt den kirchlichen Wahrheitsanspruch der, wie sie der große „Kirchenkämpfer“ und „Chefpädagoge der EKD“ Oskar Hammelsbeck immer genannt hat, „höchsten Personen“ in der EKD wie folgt: „Wir sprechen nicht im Namen der Christen… Wir reden viel anspruchsvoller: wir reden im Namen Gottes“ [166]. Man kann diesen ganz einfach nur Hybris zu nennenden Autoritäts- und Lenkungsanspruch nicht durch den Hinweis auf die damalige Zeitlage entschuldigen. Denn auch 37 Jahre später sagt der andere EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber praktisch dasselbe, um ebenso wie Kurt Scharf die ultimative Legitimation seines gesellschaftlichen Sprechens auszudrücken: „Die Kirche ist nicht ein politischer Akteur unter anderen, sondern mischt sich um Gottes willen politisch ein“ [167].

VII. Der aktuelle Kampf um das Selbstverständnis der EKD

Wer sich mit den Strukturreformen der EKD beschäftigt, erkennt einen über viele Jahrzehnte abgelaufenen Prozess fortschreitender Selbstmythologisierung ihrer Kirchenelite. Die dadurch in der Führungselite entstandene „Unfähigkeit zu einer wirklichkeitsadäquaten Analyse der eigenen Organisation“ ist durch Überzeugungsarbeit auch nicht mehr zu beseitigen, wie das Reformpapier der EKD 2006 „Kirche der Freiheit“ endgültig deutlich machte: „In einer Art Flucht nach vorne hofft man, mit der Reform der Gesellschaft die Reform der Kirche durchführen zu können.“ [168] Diesen „Rückzug der kirchlichen Institutionen in die Theorie“ haben Günter Bormann und Sigrid Heischkeil freilich schon im Jahre 1971 umfänglich und genau beschrieben: als Rückzug der Kirchenelite aus der Realität des Pfarrberufs in den Kirchengemeinden in die Ideologie des gesellschaftsethischen Herrschaftsanspruchs der Kircheninstitution, der von der Pfarrerschaft nun auch, wie sie sagen, eine „adaptive Strategie“ erfordert, bei der es „nicht mehr möglich ist, ohne handfeste Illegalitäten“ auszukommen. Wer hier nicht zur Führungsriege gehört, muss in den verordneten Maßnahmen mitschwimmen und ansonsten zum nun verordneten neuen Zentralismus schweigen. Als ganz typisch für die in den 1970er Jahren erneut aufflammende „religiös-ideologische Überhöhung der Kirchenstrukturreformen“ registrieren die Autoren die nun überall auftauchende penetrant zweckhafte Frömmelei: „dass auch eine Abhandlung wie die von (Yorick) Spiegel über die Kirche als bürokratische Organisation sofort von der bruderschaftlichen Christokratiehandelt (sic!) und von dieser direkt auf den Dienstcharakter und die Vorbildlichkeit der kirchlichen Ordnung schließt, auch wenn die Realität ganz anders ist“ [169]. Diese gesuchte, künstliche Frömmelei ist aber heute Standard geworden. Alle landeskirchlichen Strategiepapiere zeigen sie in gröbster Manier: Bibelzitate werden bedenkenlos und völlig willkürlich eingesetzt, um der laufenden kirchlichen Machtarbeit den Anschein göttlicher oder zumindest „biblischer“ Legitimation zu geben, wie schon 1934/1935 in „Barmen“ vorgeführt: „Mischen wir ein paar Bibelzitate hinein!“

Eine Nicht-Ratifizierung der geforderten Namensänderung in der Grundordnung der EKD durch eine einzelne Landeskirche wird am Bestreben der EKD, „Kirche“ zu sein und ihre „Kirchwerdung“ auch weiter auszubauen, nichts ändern. Das Problem wird damit nicht beseitigt, dass die EKD an die Stelle der geistlichen Gemeinschaft der Kirchen, die die Kirchlichkeit der Landeskirchen nicht antastet, genau wie der römische Katholizismus schon längst einen „wolkigen und zerstörerischen Inklusivismus” [170] gesetzt hat, den sie dann über die Genfer Ökumene als eine Art „zweite UNO“ (Ernst Lange) auch weltweit zu vertreiben versucht. In Deutschland war es hier Wolfgang Huber, der in den vergangenen Jahrzehnten wohl am perfektesten von allen EKD-Ratsvorsitzenden die Verschmelzung politischer Interessen mit der Verkündigung der Kirche betrieben hat. Wie wenige beherrscht er die rhetorische Technik, jedes gesellschaftliche Thema durch die seinen Gesprächspartner immer überraschende, zuweilen auch überrumpelnde Überordnung eines vorgeblich noch höheren moralischen Gutes in seiner politischen Geltung zu begrenzen, obwohl dieses „moralische Gut“ in Wahrheit kein höheres Recht als die angesprochene Sache selbst beanspruchen kann. Hubers Methode der moralischen Umverpackung politischer Objekte [171] stellt die geforderte Unterordnung unter die Weisungen der selbsternannten höchstmoralischen Kümmerer dieser Gesellschaft harmlos, die die Freiheit der Bürger mit politischen Sollvorgaben sanktionieren nach der Devise: „Wir zwingen die Bürger nicht nur, wir beraten sie auch.“ [172] Dieses Freiheitsverständnis der EKD erklärt der zu den „Grünen“ gehörende Baden-Württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann knapp und klar: „Freiheit bedeutet, dass wir das tun können, was wir sollen.“ [173] Aber wer legt fest, was wir sollen? Nein: „Diese Art Freiheit ist keine Freiheit“ [174], aber sie passt in sehr viele Predigten der EKD-Kirchenführerriege. Wer nur die Wahl der Mittel hat, Ziele erfüllen zu müssen, die er selbst nicht gesetzt hat, hat in Wahrheit keine gesellschaftliche Freiheit mehr, über sein Handeln bestimmen zu können. Wenn das die Freiheit der Bürger regulierende moralische Sollen nur von solchen festgestellt werden kann und darf, die in dieser Gesellschaft nach der Diktion der EKD von 1945/46 „die höchsten Personen“ sind, dann ist damit wieder „der geistige Nährboden [da], aus dem Diktatoren ihre Rechtfertigungen für Zwangsmaßnahmen und Gewaltanwendungen beziehen, die sie mit dem Ziel in die Welt setzen, Menschen in angeblicher Übereinstimmung mit ihren objektiven Interessen zu ihrem Glück zu zwingen“ [175]. „Cogere ad bonum“ hatte dies auch schon Augustin genannt.

Weil die EKD sich „als Kirche“ zugleich auch als die oberste Instanz der Gesellschaft versteht, muss sie nun ganz einfach eine „stark auf Erfolg orientierte Kirchenpolitik“ (Clemens Vollnhals) betreiben und dafür ihre Strukturen ständig weiter aufrüsten, was nur auf Kosten der Gemeinden stattfinden kann. Die negativen Folgen interessieren nicht, weil es das unverzichtbare Kern-Anliegen der Kirche ist, wie Wolfgang Huber behauptet, „gelingende Sozialität, eine Sozialität, die keine Grenzen und keine Abgrenzungen kennt“[176], politisch zumindest zeichenhaft zu verwirklichen. Und Huber begründet diese Weltliches und Geistliches zusammenziehende „Theologie“ genau wie Karl Barth 1922 als die Verwirklichung von nichts anderem als dem Gedanken des „Reiches Gottes“ selbst. Als Heidelberger Theologe ist man schon ziemlich verblüfft über diese Reinkarnation des schon über 150 Jahre alten – theologisch fraglos grundfalschen – Leitsatzes von Richard Rothe: „Das Christentum ist wesentlich ein politisches Prinzip und eine politische Kraft“[177]. Aber Huber wiederholt diese „Theologie“ anfechtungsfrei und in aparter Identität des Ortes schon 1969/70 bei seinen Vertretungen für Heinz Eduard Tödt an Richard Rothes Katheder in der Alten Aula der Universität Heidelberg: Es kann nicht angehen, „den Frieden Gottes vom Frieden der Welt, die Gabe, die die Menschen von Gott empfangen, von der Aufgabe des Handelns zu trennen“ [178]. Deshalb ist die politisch handelnde Kirche für Huber auch die allein „wahre Kirche“ [179]. Eine solche Kirchenauffassung ist dann die selbstverständliche Transformation des Kirchlichen in den Begriff der Institution, in der sich „schwesterliches und brüderliches Miteinanderleben in exemplarischer Weise verwirklicht [180]. Man beachte: Huber spricht hierbei nur im Indikativ Präsens: „In der christlichen Gemeinde verwirklicht sich …“ [181]. Wer so Wunsch und Wirklichkeit in eins zusammenzieht und sich damit klerikal nach oben arbeitet, der muss folgerichtig dann auch Luther im Irrtum sehen mit dessen „These von der Verborgenheit der Kirche“ [182], im O-Ton Luthers: „abscondita est ecclesia, latent sancti“ [183].

Huber und viele andere Theologen in den Planungsgruppen, Kammern und sonstigen Gremien der EKD begründen dieses politisierende „kirchliche“ Selbstbewusstsein immer mit demselben Hinweis: Die Bestimmung der Kirche in der Confessio Augustana Art. VII („satis est…“) ist „nicht ausreichend“. Die Reformation muss durch die Barmer Theologie-Thesen „ergänzt“ werden. Erst die III. Barmer These (der Erklärung Nr. 2) habe endlich „ergänzt, was dem deutschen Protestantismus seit der Reformation gefehlt habe: eine evangelische Definition der Kirche“ [184]. Mit dieser „Ergänzung durch Barmen“, die nun „die Ordnung der Kirche einer evangeliumsgemäßen Begründung zuführt“ [185] (Christine Axt-Piscalar), also nicht nur als Vernunftaufgabe betrachtet, sondern zu einer „res in sacra“ macht, sieht sich die EKD mit dem Projekt ihrer vollständigen Kirche-Werdung kirchenpolitisch gerechtfertigt und in einer inneren Einheit und Überzeugungsklarheit endlich angekommen. Sie fürchtet deshalb auch keinen theologischen Einspruch mehr. Es gibt keine Diskussion mehr darüber, dass diese EKD-Kirchenorganisation genau betrachtet nur „ein klerikales Kollektiv neben den politischen Kollektiven“ ist. Niemand von Einfluss spricht in der Kirchenöffentlichkeit darüber, dass die EKD „durch ihre Klerikalisierung nur der Säkularisierung unserer Kirchenwelt den Weg bereitet“, so schon 1949 der Hamburger Theologe Erwin Gross [186].

Unausweichlich hat diese Klerikalisierung und in ihrer Folge auch diese Säkularisierung der protestantischen Kirchenwelt die protestantische Religion in eine weltanschaulich aufgerüstete ethisch-politische Bewegung umgeformt, die heute als „das protestantische Christentum“ verstanden wird: ein fatales Missverständnis. Denn wer dem Menschen nicht nur die Verantwortung, sondern auch die geistige Herrschaft über Heil oder Nicht-Heil der Welt in die Hand gibt, der muss am Ende unausweichlich mit dem christlichen Gottesbegriff brechen. Und so ist hier denn auch geschehen: Diese EKD versteht sich tatsächlich als „die Fortsetzung des Staates mit religiösen Mitteln“, wie es Wolfgang Huber als Ratsvorsitzender der EKD am 8. Dezember 2005 im Interview mit Matthias Drobinski in der „Süddeutschen Zeitung“ tatsächlich drucken lässt. Sie ist damit genau jene „andere Kirche“, die nicht wie die Reformation „sine vi humana, sed verbo“, sondern mit einer politischen, gewaltgetränkten, mittelalterlichen Religionsauffassung „einen ferngerückten und vollständig undurchsichtigen Gott hervorbringt, gegen dessen Willkür als legitimer Ausweg nur die Selbstermächtigung des Menschen“ [187] übrig bleibt.

Es gibt heute kaum einen EKD-Theologen, der nicht auch mit „Barmen III“ die Kirchwerdung der EKD verteidigt und dann genau so wie Huber textet: „Die Spannung zwischen der Verborgenheit und Sichtbarkeit der Kirche … ist nicht ontologisch aufzulösen, sondern eschatologisch wahrzunehmen.“ [188] So ähnlich hatte es freilich schon Jürgen Moltmann in seiner „Theologie der Hoffnung“ von 1964 gesagt: dass die Kirche „von vornherein Gott in der Welt, das Jenseitige im Diesseits, das Universale im Konkreten und das Eschatologische im Geschichtlichen begreifen [189] kann und darf. „Für den Theologen geht es nicht darum, die Welt, die Geschichte und das Menschsein nur anders zu interpretieren, sondern sie in der Erwartung göttlicher Veränderung zu verändern.“ [190] Mit dieser politischen Mentalitätsänderung hat die EKD-Nomenklatura die kirchliche Institution zum Sakramentsverwalter der politischen Rechtfertigung gemacht. Ihre Protagonisten treten deshalb nun auch persönlich in der Öffentlichkeit, in den Medien, immer häufiger mit schwarz oder auch mit papalem Weiß unterlegter „Kalkleiste“ auf, um die eigene Person mitsamt ihren politischen Statements dann auch noch mit den Textilien sichtbar zu sakralisieren und damit auch kirchliches Selbstbewusstsein zu demonstrieren und politische Würde und erhabene Aufmerksamkeit einzufordern: Die EKD ist das „Gleichnis der in Christus geschehenen Versöhnung und des in Christus verheißenen Reiches Gottes“, dieser Kirche „ist wesenhaft eigentümlich, von dieser weltlichen Vollkommenheit und Verheißung herzukommen und ihr entgegenzugehen“ [191]. Genauso hatte es auch „der leitende Bischof“ des DDR-Kirchenbundes Albrecht Schönherr immer gesagt: „Auf ihrem Weg mit Christus erfährt die Gemeinde Jesu Christi, dass ihr Herr ihr immer schon weit voraus ist und dort wirkt, wo sie es selber nicht erwartet.“ [192] Hier noch irgendwelche Fragen zu stellen, erübrigt sich. Denn niemand wird hier Antworten geben. Denn diejenigen, die hier antworten sollten oder könnten, sind ja alle schon „mit Christus weit voraus“.

Man muss es so sagen: Wer bejaht, dass die protestantische Religion als eine weltanschaulich aufgerüstete ethisch-politische Bewegung zu verstehen ist, die dem Menschen die Verantwortung für das Heilsein der Welt in die Hand gibt, der hat dann, auch wenn er es nicht zugibt, ganz konsequent mit dem immer dem Einzelnen unverbrüchlich nahen christlichen Gottesbegriff gebrochen. An seine Stelle rückt, genau wie schon bei Augustins „Römerbrief“ von 397, nun eine durch und durch gewaltgetränkte – im Wortsinn mittelalterliche – Religionsauffassung, die „einen ferngerückten und vollständig undurchsichtigen Gott hervorbringt, gegen dessen Willkür als legitimer Ausweg nur die Selbstermächtigung des Menschen“ [193] übrig bleibt. Diese Selbstermächtigung der Kirchenelite führt dann auch zuweilen zu Akten menschlich bizarrer Selbstverhebung, als sei die Gegenwart Gottes durch die kirchlichen Anweisungen herstellbar: „Gott wohnt da, wo wir ihn hereinlassen“ [194]. Solche für einen gläubigen Christen nicht fassbare Selbstermächtigung des „Kirchenführers“ ist im Kreis jener Mentalität freilich „normal“, die dann auch Äußerungen wie diese als zutreffend empfindet: „Die Kirche wagt es, von sich selbst als dem Zeichen der zukünftigen Einheit der Menschheit zu sprechen.“ [195]

Alle solche klerikale Anmaßung – wie soll man es anders nennen? – endet mit logischer Unerbittlichkeit irgendwann auch in der Rechtfertigung von politischen Gewaltakten, wie der berüchtigte Düsseldorfer Kirchentag von 1973 zeigte. Für ein protestantisches Bewusstsein sind Vorstellungen von perfekter Gesellschaft bisher immer nur jenseits von Geschichte und Gegenwart denkbar. Nun aber soll „das Verlangen der Menschheit nach Gemeinschaft“ [196] das eine und einzige ethische Objekt des kirchlichen Wirkens sein und werden, das nach unbedingter „Erfüllung“ verlangt. Wenn Bischof Huber z.B. am 10. November 2005 zum Abschluss der EKD-Synode in Berlin als den grundsätzlich ersten Satz der Kirche, der ihr Selbstverständnis erklärt, formuliert: „Kirche soll sich in Politik einmischen“ [197], dann zielt der dabei gebrauchte Begriff von Kirche nicht mehr wirklich auf den Glauben des Einzelnen, sondern nur noch auf politische Äußerungen und Handlungen der Kirchen-Institution, die die volle Loyalität des Einzelnen mit der EKD erwartet. Wenn Michael Inacker urteilt: „Der Öffentlichkeitsanspruch der Kirche ist so stark, dass er trotz seiner Nichterfüllung auf die Kirche ausstrahlt“ [198], dann ist dies richtig gesehen: Denn der Öffentlichkeitsanspruch funktioniert in Wahrheit nicht. „Noch nicht“, sagt die EKD: Aber er wird bald funktionieren, „spätestens im Jahre 2030“. Deshalb wird die Infrastruktur für das politische Engagement fortwährend aufgesattelt und alles an Umschichtungen in den Haushalten vorgenommen, was möglich ist, um mit publizistischen Maßnahmen und ethischen und politischen Kampagnen endlich jene repräsentative Höhe und „Leuchtkraft“ der kirchlichen Orte zu erreichen, die von der Öffentlichkeit nicht mehr übersehen werden kann. Aber alle Investitionen der Kirche in ihren „Öffentlichkeitsauftrag“ werden nie genug sein. Alles, was hier getan wird, ist wie eine Schraube, die immer fester angezogen wird, bis sie irgendwann überdreht – wie seinerzeit in der Reformation. 

An diesen Grund der Reformation – das Überdrehen des weltlichen Anspruchs der Kirche – denkt in der EKD niemand. Die in Treysa 1945 mit dem Bekenntnis zur „Entschließung von Barmen“ noch einmal dogmatisierte „Verschränkung von Ordnung und Botschaft der Kirche“ will in und mit dieser Kirchenorganisation zwar „eschatologisch“, aber damit eben doch „innerhalb der Geschichte“ die „Sichtbarkeit des Heils“ erreichen: Die EKD will damit genau das sein, was die dritte „Barmer These“ sagt: eine Kirche mit einem Selbstverständnis, das „die Einheit von Botschaft und Ordnung“ behauptet und damit „einer triumphalistischen Ekklesiologie gleichkomme“, wie Jörg Dierken gegen Wolfgang Hubers Leugnung aufmerksam macht [199].

VIII. Machtvolle Kirche – die EKD und das neue Mittelalter

Mit Wolfgang Hubers ideologischer Professionalität ist die EKD-Elite unübersehbar in ihrer neuen gesellschaftlichen Führungsrolle angekommen: „als planende, als Zukunft schaffende, nicht nur als zur Ergebung in das dem Menschen Zukommende aufrufende Gemeinschaft, weniger als Refugium denn als Projektgruppe“ [200]. Diese Beschreibung des Selbstverständnisses der EKD als Kerntruppe eines weltweiten politischen Heilsprojekts, die Ernst Lange aus der im Rückblick wohl auch historisch zu nennenden Sitzung der Kommission des ÖRK „Glauben und Kirchenverfassung“ 1971 in Löwen/Belgien mitgenommen hat, motivierte den schon erwähnten „fürchterlichen“ Düsseldorfer Kirchentag zwei Jahre später dann zu den dort verabschiedeten visionären Forderungen eines christlichen Totalitarismus, der als Vortrupp einer Welt-Einheitsgesellschaft politisch agieren soll. Doch auch diese vom ÖRK zugelieferten religiösen Rechtfertigungen für ein unübersehbar überspanntes moralistisches Gesellschaftsbewusstsein haben die unaufhebbare Labilität der Verbindlichkeit solcher „Glaubensäußerungen“ nicht aufheben können. Die einzige „Lösung“ dieser Visionen ist der Einsatz von Gewalt: Gewalt „heilt“ alle Unsicherheit und Widersprüchlichkeit. Und weil bei allen solchen Kreuzzügen für politische Visionen nichts mehr vernünftig analysiert und kein vernünftiger Kompromiss vereinbart werden kann, wird Gewalteinsatz dann auch selbstverständlich, ja sie wird von der EKD-Elite geradezu geheiligt „als ein letztes Mittel, wenn alle anderen Wege aussichtslos erscheinen, bei denen propagiert, die sich nicht dem gewaltfreien, aber dem gewaltlosen Kampf verschrieben haben“ [201] (sic!). Was hier der Unterschied zwischen „gewaltfrei“ und „gewaltlos“ sein soll, bleibt rätselhaft, aber dieses täuschende Sprachspiel erlaubt dann auch im Auditorium eines Kirchentags die alle Fragen beruhigende Feststellung: „Hier können auch, als ultima ratio, Menschen verletzt werden oder zu Tode kommen. Da Menschen sterben, wird man schuldig. Aber es erhebt sich die Frage, ob nicht die größere Schuld bei denen liegt, die weiterhin Menschen unter Gewaltsystemen leiden und sterben lassen. Welche Schuld eher verantwortet werden kann, das ist hier das ethische Problem.“ [202]

Wir dürfen nicht vergessen, dass dieses den Gewalteinsatz legitimierende „weltliche“ Kirchenverständnis nicht erst 1971 in Löwen sanktioniert wird. Die Rechtfertigung einer revolutionär-gewaltsamen Erlösung der Welt vom Bösen ist schon ökumenischer Ur-Konsens: Schon 1937 hatte sich die Ökumenische Konferenz von „Life and Work“ in Oxford entschieden vom „Modernismus“ abgesetzt, weil seine Vertreter viel zu sehr das Geschichtliche betonen und alles Dogmatische, den Segen undiskutierbarer Ordnungen, viel zu sehr relativieren: Diesem verderblich liberalen „Modernismus“ wird als dem geistigen Verursacher der modernen Ich-Unkultur die Schuld an der gegenwärtigen politischen Krise gegeben [203]. Nur wenige Theologen haben die enorme Bedeutung des ideologischen Persilscheins von Oxford 1937 für die Imprägnierung der protestantischen Theologie in ganz Europa mit dem Konzept eines christlich-politischen Moral-Totalitarismus ausreichend gewürdigt, dem damals in Oxford die versammelte protestantische Theologenelite ausdrücklich zustimmte [204]. Es ist offensichtlich immer wieder wichtig daran zu erinnern: Das Thema Ökumene ist so harmlos nicht. Schon seit 1925 hat die Entwicklung der Ökumene auch das politische Ziel der „Erneuerung und Einheit der Menschheit [205], das dann auch das Studiendokument der ÖRK-Kommission „Faith and Order“ aus dem Jahre 1971 „Einheit der Kirche – Einheit der Menschheit“ in Löwen für das Selbstverständnis der EKD-Kirche als „ihre Funktion für die Einung der Menschheit“ [206] beschrieben hat. Es bringt die damit verbundene Selbstüberschätzung der Kirche geradezu manisch auf den die kirchliche Realität völlig überziehenden Begriff: „Die Kirche wagt es, von sich selbst als dem Zeichen der zukünftigen Einheit der Menschheit zu sprechen“ [207]. Ernst Lange kommentiert diese 1971 nun wirklich nicht mehr übersehbare Revolution im Kirchenverständnis viel zu harmlos: „Es wird nicht geleugnet, dass damit eine Akzentverschiebung eingetreten ist.“ Was hier aber „den Akzent verschiebt“, ist der geistige Mechanismus einer seit den Anfängen der Ökumene in den 1920er Jahren europaweit auch schon auf dem totalitären Gleis laufenden „Logik des ökumenischen Prozesses“, die Glaube und politisches Engagement in eins zusammenzieht.

Es hat freilich auch nach 1971 noch einige Jahre gedauert, bis dieses Selbstverständnis der Kirche als „Zeichen der zukünftigen Einheit“ auch innerkirchlich selbstverständlich wurde. Niemand innerhalb der EKD stellt heute in Frage, dass „das Verlangen der Menschheit nach Gemeinschaft“ [208] das eine und einzige ethische Objekt des kirchlichen Wirkens sein und werden soll. Ernst Lange hat 1971 noch zugeben können, was die EKD heute abstreitet: Den Heilsauftrag der Kirche in dieser unmittelbaren Form zu einer säkularen Heilshoffnung für die ganze Welt zu machen, ist hochgefährlich, weil es sofort auch den Missbrauch der Religion in irreversibler Weise in Gang setzt [209]. Ernst Lange, der selbst immer an der Weiterentwicklung dieser politischen Füllung und Bestimmung des kirchlichen Auftrags mitgearbeitet hat, versucht sich damit vor dem Urteil der Geschichte zu entschuldigen: „Wir sind der Frage ausgewichen, ob die ‚Einheit der Menschheit‘ nur eine eschatologische Größe ist.“ [210] Denn er muss zugeben, dass bei diesem Projekt „Einung der Menschheit“ völlig unklar bleibt, welches Verständnis des Menschen hinter dieser Vorstellung steht, und dass gleichzeitig in Blick auf die Frage nach dem diese Unklarheiten fortwährend weiter vervielfältigenden Selbstverständnis der Kirche „immer noch alles offen“ geblieben ist und die Feststellungen der neuen Perspektiven für die Bestimmung der Kirche als „Modell für die Einheit der Menschheit“ jedenfalls 1971 „über ein amateurhaftes Niveau weithin nicht hinaus kamen“ [211].

Wiederum war es Wolfgang Huber, der hier nicht mehr amateurhaft agierte und die Widersprüche dieser neuen „Welt-Einheits-Theologie“ durch die von seinem Lehrer Tödt übernommene Theologisierung des Handlungsbegriffs überdeckt. Es erscheint nun bei Huber und seinen Adepten in der EKD immer derselbe wohlbekannte, anmaßende „kirchliche“ Ton, der mit moralischen Container-Begriffen operiert, um sich durch die begriffliche Unübersteigbarkeit des ethisch-politischen Anspruchs schon von vornherein unangreifbar zu machen. Hubers 1971 zu den Beschlüssen von Löwen veröffentlichte These drückt dies so aus: „Aus der Frage nach den Möglichkeiten und Wegen gegenwärtigen Handelns ergibt sich die Rückfrage nach den Dimensionen des Glaubens, die alles Handeln der Menschen radikal transzendieren“. [212] Still wechselt Huber hier das Subjekt des Glaubens aus: Beim Handeln darf es zwar „der Einzelne“ sein, der das Richtige tun soll, das dann aber auch so schon niemals ausreichend ist und deshalb auch durch den Glauben an das große Ganze der Vollendung der Einheit der Menschheit „radikal transzendiert werden muss“. Denn der Glaube des Einzelnen zählt überhaupt nicht. Träger des Glaubens ist immer das Kollektiv, das die religiöse Wahrheit hat. Nur „die Kirche“ kann alles persönliche Glauben „radikal transzendieren“, um „das Ziel des Glaubens“ zu verwirklichen: die neue Gesellschaft, die neue Welt, der Einzelne niemals. Es sind solche Sätze, mit denen Huber die politischen Visionen rechtfertigt, die das ethisch-religiöse Soll der Einzelnen vorzeichnen und dafür im Namen Gottes Gehorsam verlangen.

Alles, was sich hier seit 1919 in der fortschreitenden kulturellen Landnahme der „Verkirchlicher“ und dann noch einmal ab 1934 in der Riege der „Religionswächter von Barmen“ entwickelt hat [213], spiegelt sich wieder im kirchlichen Selbstverständnis vom August 1945 in Treysa und in allen das Selbstverständnis der EKD betreffenden Texten danach. Es ist, zusammengefasst, die mit der Qualifizierung „mittelalterlich“ genau erfasste Selbstermächtigung der Kirchenelite zum „Führer- und Wächteramt der Gesellschaft“, das nun im Namen der Kirche die politische Letzt-Steuerung des Gemeinwesens übernimmt. Leise schleichen sich die EKD-Theologen aus den „Einengungen“ der reformatorischen Theologie. Jetzt heißt es: „Die Normen, an denen menschliches Handeln geprüft wird, bilden sich vielmehr in geschichtlichen Prozessen. Sie gelten nicht mehr als unverfügbar, sondern wandern in den Bereich menschlicher Verfügungsgewalt ein.“ [214] Man staunt dann schon, wie schnell das Unverfügbare des christlichen Glaubens hier preisgegeben wird. Kein innerkirchliches Korrektiv, keine Synode greift mehr verbal ein, um diese Selbstsakralisierung der Kirchenelite wieder auf den Boden der Wirklichkeit herunterzuholen. Keine Evangelische Akademie schlägt Alarm. Keine Theologische Fakultät erhebt mehr gemeinsam Einspruch angesichts des damit riskierten Verlustes des christlichen Gottesgedankens. Keine Leitstimme aus der politischen Klasse stellt sich öffentlich der menschlichen Hybris dieser Kirchenführerriege entgegen. Keine kritische Öffentlichkeit ist in den Zeitungen und Feuilletons mehr aktiv, die bei der EKD nun schon sehr vertraute „instrumentelle Nutzung nationalsozialistischer Vergangenheit zu Zwecken der Erringung eines politischen Vorteils durch moralische Selbstprivilegierung mittels politisch-moralischer Delegitimierung des Gegners“ [215] zu entlarven und zu verhindern, wie der Philosoph Hermann Lübbe scharf, aber genau treffend urteilt.

Es gehört zu den Lebenslügen der EKD, dass sie seit 1945 den Kirchenkampf-Mythus als Ausweis für die Behauptung benutzt, die (evangelische) Kirchenelite könne das verhindern, was sie in Wahrheit selbst mit erzeugt hat [216] – mit bis heute anhaltendem Erfolg. Mit dem Märtyrerbonus ihres angeblichen Widerstandes gegen den Hitlerismus erhebt die EKD-Kirchenelite bei vielen ihr einen politischen Profit versprechenden Gelegenheiten moralpolitische Forderungen, mit denen „der politische Verband mit hohen ethischen Erwartungen belastet (wird)“ [217]. Es sind natürlich immer viel zu hohe ethische Erwartungen, die in ihrer wohl wissend überzogenen Moralität die Richterfunktion der Kirchenelite über die Gesellschaft stabil halten sollen, dabei aber auch ein gefährliches, destruktives Potential aktivieren, wie der Heidelberger Theologe Klaus Tanner erinnert: „Ein Verständnis politischer Ordnung, das weniger unter Bezugnahme auf positives Recht und gegebene Verfassung als vielmehr durch Beschwörung ethischer Kulturziele geprägt ist, steht aber in der Gefahr, die gegebene Rechtsordnung zu delegitimieren. Der Ruf nach wahrer Volksherrschaft beinhaltet immer auch die totalitäre Versuchung… Hinter der moralisierenden Vorordnung der Legitimität vor die Legalität steht letztlich ein monistisches Kulturverständnis, das Differenzen und Dissens nicht mehr zulässt.“ [218]

Sagen wir es noch etwas kantiger: Der ethische Idealismus einer vorgeblich unter Menschen immer und überall erzeugbaren Gemeinschaftlichkeit ist eine lediglich mythisierte Humanität, ein totalitäres ethisches Objekt, das sich jeder rationalen Erörterung entzieht. Die von der EKD dazu mit publizistischem Mammut-Einsatz wie ihrer Massen-Zeitung Chrismon  und mit aufwendigen „Leuchtturm“-Events aufgezogene Begeisterungsautomatik soll die ganze Kirche zu einer perfekten gesellschaftsmoralischen Dienstleistungsmaschine machen, um „die ganze Stadt, ja die ganze Gesellschaft mit der kirchlichen Botschaft von der Liebe Gottes“ zu verändern. Solche frömmelnde Hybris hat die alte pastorale Bescheidenheit heute vollkommen verdrängt, dass man in Sachen des christlichen Glaubens niemals gleichzeitig säen und ernten kann, und der pastorale Dienst und der Glaube der maßgeblichen Glieder der Kirche in einem niemals so direkt säkular verwertbaren Zusammenhang steht, wie dies die EKD vormacht [219].

Die ideologische Gefangenschaft der EKD-Nomenklatura ist, wie Watzlawick sagt, eine System-Krankheit, die nicht mehr heilbar ist ohne die (Selbst-)Zerstörung dieses Systems, die offenkundig auch schon im Gange ist, wie die unaufhaltsam sinkenden Mitgliederzahlen zeigen. Mit der neuen zentralen Verwaltung und Steuerung der EKD-Kirchenwelt sollen Kirche und Glaube nun angeblich endlich erfolgreich gemanagt werden. Die Arbeitsziele der Pfarrerschaft sind deshalb hyperidealistisch formuliert und damit für alle Interventionen der Kirchenleitung geöffnet: Nie wird ein Einsatz ausreichend sein, nie wird ein Ziel endgültig sein. Immer ist die vorgesetzte Instanz in der Lage, Leistungsdefizite festzustellen und willkürliche Sanktionen zu setzen. Denn es ist niemals möglich, den nun gewollten Zustand der „Gemeinschaft zwischen Menschen verschiedenster Herkunft und Prägung“ in perfekter Weise herstellen zu können, auch wenn die EKD-Ideologie dies behauptet. Den damit hergestellten kirchlichen Selbstbetrug geradezu perfekt macht aber die Behauptung, dass diese Art „Wahrnehmung des christlichen Auftrags“ behauptet, auch noch sicher überprüfen zu können, inwieweit „das Evangelium den Mitgliedern nahegebracht worden ist“: „Es wurden Fragebögen entwickelt, die eine Messung dieser Wirkungen auf Teilnehmer an kirchlichen Veranstaltungen ermöglichen. Die Gemeinden können auf dieser Grundlage nachvollziehen, in welchem Ausmaß die Angebote zur Erreichung kirchlicher Ziele beitragen.“ [220] Diese „kirchlichen Ziele“ sind aber nicht definiert. Natürlich sind sie vorhanden. Aber sie werden nicht offengelegt, weil sie variabel der Interessenlage der Kirchenführungen folgende und deshalb anfechtbare politische Ziele sind.

Niemand in der EKD wagt derzeit, diese Grundsatzdiskussion offen zu führen. Die Systemfrage ist absolut tabu. Der die Anfänge der DEK von 1933 wie auch der neuen EKD von 1945 als Amtschef über Jahrzehnte mit verfolgende Heinz Brunotte umschreibt sie so: „Das noch immer ungeklärte Problem der EKD von heute tritt 1934 in Barmen in die Erscheinung.“ [221] Und dieses „ungeklärte Problem“ heißt, dass diese EKD „in einer überraschend einheitlichen Überzeugung über das rechte Verhältnis von Kirche und Staat gründet“ [222]. Was hier „überraschend“ ist, ist dies: Die EKD sucht seit 1945 mit ihrem „Kirche und Gesellschaft“ verschweißenden „Öffentlichkeitsauftrag“ genau das zu verwirklichen, was schon 1933ff in der festen Verbindung von „Kreuz und Reich“ gesucht wurde. Brunotte hat aufrichtig auf diesen Ruinpunkt gezeigt: Das religiös aufgeladene Staatsverständnis der „Entschließung von Barmen“ von 1934, in dem „Kreuz und Reich nun endlich beieinander“ sind, ist das tabuisierte, hochproblematische geistige Fundament des Selbstverständnisses der EKD: ein religiös-totalitäres, durch und durch mittelalterliches Selbstverständnis, das nichts Reformatorisches mehr an sich hat.

Es verwundert deshalb nicht, dass die geistige Grundlage dieses Kirchenverständnisses, die „Entschließung von Barmen“ aus dem Jahre 1934, heute nirgends vollständig und genau zitiert wird. Ihr breiter literarischer Vorlauf bis zu ihrem Durchbruch in der öffentlichen Meinung, den das von Martin Schian schon 1931 veröffentlichte kleine Buch „Ecclesiam habemus“ dokumentiert, wird ebenso vergessen gemacht wie ihr politischer Nachhall in den Beschlüssen der Folgekonferenzen von Barmen und ihrer ersten, völlig misslungenen politischen Denkschrift von 1936 [223]. Bis heute gibt es keine einzige textkritische Ausgabe dieser aus reformatorischer Sicht nur abzulehnenden „Entschließung von Barmen“, nur entlegen publizierte kleinere, um fast alle brisanten Aussagen amputierte Text-Teile, die für sich freilich immer noch schlimm genug sind: Das Stenogramm der gesamten Verhandlungen und Textproduktionen von Barmen ist mit Ausnahme der „Erklärung Nr. 2“ bis heute nicht transkribiert, weil niemand in der EKD dies will. Keine Theologische Fakultät hat hier Forschungsgelder für die vollständige wissenschaftliche Aufarbeitung des Kontextes und der Genese dieser „Entschließung von Barmen“ und vor allem für eine endlich zu liefernde kommentierte Textausgabe beantragt, weil jeder Universitätstheologe weiß, was ihm blüht, wenn er hier die Gräber öffnen will: er wird abgeschaltet.

Man hätte aus der 1945 restlos gescheiterten Katastrophengeschichte von „Barmen“ lernen können, dass alles, was die „Einheit von Kreuz und Reich“ oder etwas ähnlich gesellschaftlich Erhabenes wie die von der EKD bis zum ÖRK beworbenen Visionen der „Einheit der Menschheit“ bewerkstelligen soll, sich bei kritischer Beleuchtung als bloße Projektion menschlicher Heilsbedürfnisse erweist, die ihrer politischen Funktionalisierbarkeit niemals entrinnen. Der Traum der Kirche von der übersäkularen Lenkung von Kultur und Gesellschaft endet immer, wie das heute verheimlichte katastrophale Schicksal der ersten „Denkschrift“ der Ecclesia Barmensis von 1936 so exemplarisch zeigt, in der Beherrschung der Kirche durch die säkulare Kultur und im Verlust ihrer religiösen Klarheit und Wahrheit. Frank Schirrmacher hat in der FAZ im Jahre 1994 diesen anhaltenden Selbstbetrug der EKD scharf, aber genau auf die Begriffe gebracht: „Sie [die kirchlichen Akteure] reden von Moral und meinen die Macht, sie reden von der Sache und meinen sich selbst. Ihre Mischung aus moralischer Anmaßung und eschatologischem Sendungsbewusstsein ist eine der erfolgreichsten Imagekampagnen der Gegenwart. Einiges ist gewonnen, wenn man sie als das sieht, was sie sind: Sie sind die Restauration.“ [224] Sagen wir es im Blick auf die heutige Situation der EKD noch konkreter: Sie sind die klerikale Restauration und die ideologische Vorhut des neuen Mittelalters. Was die EKD-Elite wirklich leistet, besteht vor allem darin, die „Maschinerie“ der Kirche so einzusetzen und umzubauen, dass sie immer nur für sie und nicht gegen sie arbeitet.

IX. Hat der reformatorische Pfarrberuf noch eine Zukunft?

Was soll die Pfarrerschaft angesichts dieser Lage noch machen können? Bormann/Heischkeil haben 1971 schon den soziologischen Rat gegeben: Mitschwimmen und die für das persönliche Überleben im Pfarrberuf und das Erreichen des Pensionsalters notwendigen „handfesten Illegalitäten“ organisieren. Ihre Studie sieht schon 1971 die EKD und die ihrer Philosophie folgenden Landeskirchen „als Kirche“ so übermächtig durchklerikalisiert, dass etwas anderes als stille Subversion der kirchlichen Organisationsreformen nicht mehr möglich ist. Diese Diagnose hat erstaunlichen Anhalt an der heutigen kirchlichen Wirklichkeit, aber sie blendet dabei alles Theologische aus. Deshalb wird hier einiges anders gesehen.

Wer heute gegen die „Kirchwerdung“ der EKD stimmt, dem droht innerkirchlich natürlich auch die Abschaltung und nicht wenige stehen hier in Systemzwängen, aus denen sie nicht aussteigen können: sie wollen, aber können nicht. Dies muss angenommen werden: Niemand darf angesichts der Lage zum innerkirchlichen Märtyrertum gedrängt werden. Aber wer immer kann, sollte hier die rote Karte heben: Der Beschluss, dass die EKD nun endgültig „Kirche“ sein soll, ist ein unübersehbarer Depotbeschluss, der weitere harte Zentralisierungen dieser „Kirche“ und den endgültigen Souveränitätsverlust jeder zustimmenden Landeskirche erzeugen wird. Deshalb ist Widerstand nicht nur bei der Kirchen-Titulatur der EKD angesagt: die Systemfrage insgesamt sollte neu auf die Tagesordnung gesetzt – und neu entschieden werden. Das Klerikal-System der EKD muss vollständig erfasst – und ersetzt werden. Die Option der Rückkehr zu einem System von Kirchengemeinden, das der Reformation wieder anschlussrational ist, ist dann wieder eine reale Möglichkeit: Wir müssen nur für eine wieder deutlicher reformatorische „Kirche“ kämpfen wollen. Und mit diesem Kampf anfangen heißt, drei Baustellen einzurichten, auf deren Bautafeln derselbe Hinweis steht: Hier findet der Wiederaufbau der Reformation statt.

Die erste Baustelle hat die Aufgabe, die Theologie vom Barmen-Klerikalismus zu befreien. An der Universität und in der Arbeit aller akademischen Einrichtungen auch der Kirche ist der systembeherrschende politische Klerikalismus von Barmen zum Thema zu machen und damit auch der gesamte, von der EKD bis in die Theologischen Fakultäten aufgezogene zerstörerische politische Inklusivismus und Welteinheits-Wahn der EKD-Eliten rückhaltlos aufzuklären, den der heutige Ratsvorsitzende der EKD Bedford-Strohm anfechtungslos fortschreibt: „Unsere Vision ist die einer Gesellschaft, in der Menschen unterschiedlicher religiöser und kultureller Prägung friedlich und tolerant miteinander leben.“ Das diese Vision verwirklichende Evangelium hat den „theologischen“ Inhalt, dass „die Menschenrechte die Herzen der Menschen erreichen“ [225] usw.. Wie der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm sagt: „Menschenliebe, Toleranz und Friedfertigkeit sind unsere Zukunft.“ Doch er hat dabei das Entscheidende vergessen, dass der Glaube an Gott den Christen ein realistisches Verhältnis zur Wirklichkeit eröffnet, das die Widerständigkeit des Bösen auch innerhalb der Kirche nicht unterschlägt und dann auch nicht vergisst, dass unsere Zukunft nicht in unserer Macht steht, sondern in den Händen Gottes.

Eine schonungslose historische und systematische Ideologiekritik hat die umfängliche Auflösung des reformatorischen Kirchenverständnisses und die politische Banalisierung des christlichen Gottesverständnisses offenzulegen und zu zeigen, wie der in „Barmen“ begründete und dann in den Anfängen der EKD erneuerte „Öffentlichkeitsauftrag“, „dessen Art und Ausmaß noch bis weit in die 1950er Jahre hinein umstritten blieb“ [226], eine totalitäre Vereinheitlichungsdynamik für Kirche und Gesellschaft erzeugt hat. Die ständige Behauptung der EKD: „Die Erkenntnisse des Kirchenkampfes über Wesen, Auftrag und Ordnung der Kirche (sind) zur Auswirkung zu bringen“ [227], dient erwiesenermaßen dazu, die reformatorisch nicht begründbare „Kirchwerdung“ der EKD und die Selbsteinsetzung der „Führer der deutschen Gesamtkirche“ (sic!) in das gesellschaftsmoralische Wächteramt nach innen und außen unkritisierbar zu halten. Denn dieses „Führer- und Wächteramt“ der EKD versteht sich gerade nicht als bescheidene Clearinginstitution einer „Kirchengemeinschaft“, wie es der frühere Leiter des Konfessionskundlichen Instituts der EKD Reinhard Frieling zögernd zugibt [228], sondern als autoritative „Führung der Kirche“. Es ist traurig, aber wahr: Auch ein so bedeutender Theologe wie Frieling weicht am Ende jeder wirklichen Systemkritik aus und akzeptiert die Kirchenpolitik der EKD ohne Abschlag: „Die EKD theologisch als Kirche zu werten, ist konfessionell verantwortbar, weil dadurch das Evangelium in Deutschland klarer bezeugt werden kann.“ [229] Solche unbelegbaren Behauptungen gehören zum Arsenal der Verharmlosungsrhetorik aller EKD-Funktionsträger, die den damit geforderten landeskirchlichen Souveränitätsverzicht den Synoden als eine „nichttheologische Frage“ verkaufen wollen, was aber nicht zutrifft. Denn mit diesem Souveränitätsverzicht findet eine kategoriale Verschiebung des Glaubensverständnisses vom Einzelnen zur Institution hin statt. Frieling wiegelt zwar ab: „Es geht nicht um die Imperialität einer zentralistischen Großkirche – das widerspräche radikal dem evangelischen Kirchenverständnis –, sondern um Subsidiarität, d.h. um die gegenseitige Hilfe der unteren und oberen geographischen Ebenen in der Kirche Jesu Christi, und hier in der EKD.“ [230] Doch Frielings Verteidigung ist unehrlich. Sie verhunzt und vernebelt nicht nur schon sprachlich den Begriff der „Subsidiarität“. Sie entspricht auch in keiner Weise der Wirklichkeit der Kirchengemeinden und des Pfarrberufs: Hier von „Subsidiarität“ zu sprechen (die bedeutet, dass alles, was an der Basis getan werden kann, keine übergeordnete Handlungsebene übernehmen darf) ist eine willkürliche politische Schutzbehauptung, wie wir an der 2006 in „Kirche der Freiheit“ präsentierten merkwürdigen „Subsidiarität von oben“ sehen können. Gut zwanzig Jahre theologische Aufklärungs-Arbeit werden nötig sein, um den noch vorhandenen Rest der protestantischen Religionskultur dem Geist und dem Wirken der Reformation wieder anschlussfähig machen zu können.

Die zweite Baustelle hat die Aufgabe, die Freiheit der Kirchengemeinden wiederherzustellen. Die Finanzverteilung der Landeskirchen ist dafür schnell und rigide umzustellen: ein zu erwartender harter Kampf, denn für die Kirchenleitungen zählt einzig ihre „politische Relevanz“ und was dafür organisatorisch mobil gemacht werden kann. Ihre über Jahrzehnte hin trickreich abgeschirmte Umschichtung der Kirchenfinanzen und der Stellenpläne, weg von den Gemeinden, hin zu Funktions- und Verwaltungsstellen, hat aus einst 40% Kirchensteueranteil für die Gemeinden eine Rumpffinanzierung von nur noch knapp 7% gemacht, die die Gemeinden mit zynischer Unerbittlichkeit sterben lässt. Martin Henninger hat 2011 erstmals im Pfälzischen Pfarrerblatt auf den nur noch realen 8% Kirchensteuer-Anteil der Gemeinden aufmerksam gemacht. Zwei Jahre danach konnten anlässlich der Aufhebung der 1.000-Seelen Pfarrei Ludwigshafen-Niederfeld beim Nachrechnen nur noch knapp 7% Kirchensteuerrückfluss festgestellt werden: Eine 1.000-Seelen-Gemeinde erhält nur rd. 14.000 Euro von über 200.000 Euro aus ihrem Kirchensteueraufkommen (im EKD-Durchschnitt pro Kirchenmitglied auf das Jahr 2012 bezogen rund 200 Euro, für 2014 schon 220 Euro). Sie hat aber dann schon keine Pfarrstelle mehr. Die gibt es erst ab 1.800 Mitglieder, in Baden sogar erst ab 2.800 Mitglieder. Einer 5.300-Seelen Gemeinde mit zwei Pfarrstellen wie Ludwigshafen-Gartenstadt, die jährlich mehr als eine Million Euro Kirchensteuern aufbringt, verbleiben (bezogen auf das Jahr 2013) nur noch 96.570 Euro abzüglich unerhört hoher 20.030 Euro Verwaltungsumlage für das örtliche Verwaltungsamt und einiger weiterer kleinerer Umlagen, also am Ende nur rund 75.000 Euro, das sind 7% ihres Kirchensteueraufkommens. Damit kann man auch in großen Gemeinden nirgends mehr solide Kirchengemeinde-Arbeit betreiben, also keine Kirche mit Gemeinderäumen unterhalten und auch mit dem Mindest-Aufwand ohne private Spenden kein Pfarramt führen. Hier Verantwortung wahrnehmen heißt, entschlossen und schnell eine gründliche Umschichtung der kirchlichen Finanzen und Stellenpläne zugunsten der Kirchengemeinden vorzunehmen, denen ab 1.000 Mitgliedern auch eine Pfarrstelle zu gewähren ist. Denn schon eine 1.000-Seelen-Gemeinde mit einem Kirchensteueraufkommens von jährlich mehr als 220.000 Euro Kirchensteuer könnte damit bequem ihre Kirche unterhalten und einen Pfarrer besolden. Im Klartext: Die ständige Rede von sinkenden Kirchensteuereinnahmen ist eine Propagandalüge, denn die Kirchensteuereinnahmen steigen immer noch. Von 1967 bis 1970 haben die Kirchensteuereinahmen sich erstmalig geradezu verdoppelt, von 1970 bis 1990 sich dann noch einmal verdreifacht und sind zwischen 2005 und 2012 dann noch einmal um rund 30% gewachsen trotz 10% Mitgliederverlust. Das Jahr 2015 hat dann nun schon zum vierten Mal in Folge Rekordeinnahmen der Kirchensteuer gebracht, was die Lage der Gemeinden nicht verbessert hat: „Kirche muss in Schwerpunkten denken, nicht mehr in Gemeinden“, so lautet das zynische Bekenntnis der Ludwigshafener Dekanin Kohlstruck zur gültigen Kirchenphilosophie in der Speyerer Kirchenzeitung vom 23. März 2014. Und ihr Zweibrücker Kollege Butz sekundiert: Es „könne aufgrund von Ressourcen- und Personalmangel sowie sinkender Gottesdienstbesucherzahlen künftig nicht mehr jede Woche in jedem Ort ein Gottesdienst organisiert werden“. Stattdessen wird nun „mit weniger, aber attraktiveren Gottesdiensten versucht, mehr Menschen zu erreichen“, so die epd-Meldung in der „Rheinpfalz“ vom 16. April 2016, die die Öffentlichkeit kalt belügt, weil es einen „Ressourcen- und Personalmangel“ gar nicht gibt. Was es gibt, das ist der selbstverschuldete „Leutemangel“ und dies im Wortsinn fortlaufend mehr.

Um die religiöse Kultur der Kirchengemeinden und des Pfarrberufs zu retten, muss den Gemeinden wieder die Steuerungsbefugnis über ihre Existenz zurückgegeben werden. Und diese Steuerungsbefugnis ist umfassend zu verstehen: Nicht nur das Feld der Reformierten, auch Luther selbst hat am Anfang jedenfalls für richtig gehalten, dass jede Gemeinde sogar ihr eigenes Bekenntnis haben kann [231]. Wie immer die Spielräume hier gestaltet werden: Unabdingbar ist, die kirchlichen Apparate schnell und rigide zurückzubauen, was konkret bedeutet: Der Apparat des LKR schmilzt schnellstmöglich um mindestens 60%, der „Dschungel“ seiner Dienststellen und Werke übergemeindlicher Zuarbeit mitsamt den eingegangenen EKD-Engagements ist um mindestens zwei Drittel zu lichten, das Diakonische Werk um mindestens drei Viertel des jeweiligen finanziellen Gesamtaufwandes. Die hohe Reduzierung gerade im diakonischen Feld hat ihren Grund in der unerhörten Aufblähung der diakonischen Arbeit, die die Leistungskraft der Gemeinden vielfach übersteigt. So kann und darf es nicht bleiben: Die Diakonie muss in Gestalt und Umfang der Lebenswirklichkeit der Gemeinden entsprechen. Sie darf nicht die Gemeinden ausbeuten, damit die Kirchenleitung mit diakonischen Engagements politische Lorbeeren einfahren kann. Es wird dazu viel Geschrei geben, dem man dann mit ruhiger Darlegung der reformatorischen Prinzipien begegnen kann. Aber es muss geschnitten werden, und es wird am Ende vielleicht auch wieder 20 Jahre dauern, bis das Ziel einigermaßen erreicht ist, das Leben der Kirchengemeinden wieder ganz selbstverständlich in Gang zu bringen. Wenn wir das Ruder nicht herumwerfen und die Kultur der Kirchengemeinden bis hin zur Selbstverwaltung auch ihrer Finanzen, die den Kern der Ehrenamtlichkeit immer ausgemacht hat, nicht sehr bald wieder herstellen können, ist diese Kirche bald nur noch die Fassade ihrer „obersten Behörde“, wie sich der LKR so gerne erhaben tituliert. Der endgültige Zusammenbruch kommt dann schnell und überaus schmerzhaft, weil die nach dem Beginn des Abstiegs sinkenden Einnahmen dann für gar nichts mehr reichen. Wir brauchen nur nüchtern zu rechnen: 1968 hatte die Stadt Ludwigshafen/Rhein 105.000 Protestanten, das waren 70%, am 30.06.2016 sind es nur noch 37.640 und 22% der Einwohner. Unaufhaltsam gehen jeden Monat rd. 100 Mitglieder verloren, darunter über die Hälfte Austritte. Es läuft wie ein Reißverschluss: Es hört einfach nicht mehr auf. Was steht am Ende dieser Entwicklung? Max Weber hatte es vorausgesagt: „die völlige Säkularisierung im Sinne der totalen Verflüchtigung der Religion“ [232].

Die dritte Baustelle hat die Aufgabe, die Selbstbestimmung im Pfarrberuf wiederherzustellen. Die interne Strukturierung der Berufsarbeit der Pfarrerschaft hat das genuin reformatorische, nichtklerikale Kirchenbewusstsein wieder zur Grundlage zu nehmen, das Schleiermacher die „geistige Gemeinschaft der Pfarrerschaft“ genannt hat. Gemeint ist damit das unverzichtbare, eine verantwortliche Amtsführung auch organisatorisch gestaltende Moment umfänglicher Selbstbestimmung und Selbstverpflichtung. Diese pfarrdienstliche Selbstbestimmung „verdient Achtung und Respekt, und zwar auch dann noch, wenn Psychopathologie oder Ethik auch andere Erklärungen an die Hand geben“ [233]. Es gibt keinen wirklichen Pfarrberuf ohne diese erratische Freiheit des Dienstes. Eine gewisse Portion Missbrauch und zuweilen auch störende „Kollateralschäden“ dieser Freiheit des Pfarrberufs sind unvermeidlich, fallen aber gegenüber dem Sinn und Nutzen dieser Selbstbestimmung nicht ins Gewicht. Die Kollegenschaft hat immer schon auch aus exzentrischen und religiös teilweise absonderlichen, aber immerhin religiös engagierten Persönlichkeiten bestanden. Dies war kein Schaden: Die oft großen theologischen Differenzen halten das Gespräch in Sachen Glauben und Religion lebendig, wenn dabei wirklich ernst genommen wird: „Die Rücksicht auf das gemeinsame Ganze … kann nur auf dem Grunde der Selbstbestimmung als subjektive Leistung erwartet werden. Loyalitätsverhältnisse lassen sich nicht von außen und nicht als fremde Maßnahme begründen.“ [234]

Es wird Schwerstarbeit sein, die heutige, bei allen theologischen Differenzen früher undenkbare Entsolidarisierung des Pfarrberufs (Heike Schmoll nennt es so treffend „distanzierte Kollegialität auf Dekanatsebene“ [235]) wieder zurückzudrängen. Aber dies kann gelingen, wenn die strukturellen Voraussetzungen dafür wieder vorhanden sind: allen Gemeinden ab 1.000 Mitgliedern nicht nur einen „feste(n) Bestand an Gemeindepfarrstellen“ mit der Infrastruktur für einen regelmäßigen Gottesdienst, sondern auch eine ebenso solide wie im Grundzug egalitär besoldete Pfarrerschaft zur Verfügung zu stellen, die „keine Karriere, nicht einmal eine Beförderung im Laufe der Berufslaufbahn“ braucht – und dann natürlich auch „keinen Stellenneid, keine unfreiwilligen Versetzungen und Umsetzungen, keine Weisungsgebundenheit, keine Hierarchiestruktur“ [236]. Dass dann auch eine seit vierzig Jahren abgeschaffte, ebenso egalitäre wie solide Regelung der Dienstwohnungsfrage mit der heute so einfachen Übernahme der überaus gerechten staatlichen Dienstwohnungsregelung hergestellt wird, ist eine Selbstverständlichkeit.

Die andere strukturelle Voraussetzung für einen funktionierenden reformatorischen Pfarrberuf ist die Wiederbelebung der Kultur religiös-gemeinschaftlicher Verständigung, die der Typus des „Pfarrkonvents“ als die horizontale reformatorische Alternative zur vertikalen katholischen Kirchenhierarchie noch einmal wie eine Sicherungskopie für das Leben der Kirchengemeinden wiederholt. Denn der Pfarrkonvent macht idealtypisch „Kirche als Gemeinschaft von individuell differierendem Glauben“ [237] deutlich: Jedes seiner Mitglieder glaubt anders – und deshalb ist ein Pfarrkonvent auch „Kirchengemeinschaft“ in elementarer Form. Loyalität wird hier erzeugt durch nichts anderes als „durch die Erfahrung der Loyalität der anderen. Loyalität dem Ganzen der Gemeinschaft gegenüber schließt vor allem die Loyalität dem Diskurs gegenüber ein.“ Wer diese „Logik der Freiheit“, diesen Verzicht auf die gewaltsame Durchsetzung von Meinungen einmal als soziale Realität miterlebt hat, wird andere Botschaften nicht mehr glauben: Die konstitutive Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft im Pfarrberuf erzeugt in restlos ausreichender Weise das, was mit dem „Kirche-Sein“ gesucht wird, wenn nur seine normativen Bestandteile vorhanden sind: „Selbstbestimmung und Loyalität“ [238] – und sinnvollerweise eine Kollegenschaft aus zehn bis 20 Personen, die ihre universitäre theologische Kompetenz und die Erfahrungen aus ihren praktischen Tätigkeiten in dieser Gemeinschaftlichkeit in regelmäßiger Bemühung untereinander fruchtbar werden lassen.

Auch wenn sich die Weltverhältnisse seit Luthers Zeiten geändert haben: der reformatorische Pfarrberuf hatte und hat immer noch etwas von „Lennacker“ an sich: von einem religiösen Gewissen und einer klaren Lebenshaltung, die nach einem offenen akademisch-kritischen Theologiestudium den Pfarrberuf als Verantwortung für Predigt und Seelsorge für diese bestimmte Gemeinde übernommen hat und dafür auch überhaupt kein erhabenes „Kirchesein“ [239] braucht. Wer mit der Überzeugungskraft des Wortes amtiert – „sine vi humana sed verbo“, wie es in CA XXVIII heißt –, also ohne autoritative Kirchenführung, ohne „Lehrzucht“, ohne „Jahresgespräche mit Zielvereinbarungen“, ohne Leistungsbewertung, ohne Zwang zum Stellenwechsel, aber eben immer noch mit persönlichem „Pflichtgefühl, Luxusverzicht und Selbstdisziplin“ (Joachim Gauck), der kann und wird zum EKD-Programm in „Kirche der Freiheit“ und zur organisatorischen Hybris des „Evangelischen München-Programm(s)“ ganz einfach nur Nein sagen: Pfarrer sind keine Manager und Gläubige keine Kunden. In soziologischer Diktion ausgedrückt heißt die Korrektur dieses Unsinns: „Religiöse Motivationen können nur in gemeinschaftlichen, nicht in gesellschaftlichen Sozialbeziehungen tradiert werden“, wie Hartmann Tyrell [240] die Dinge noch einmal quasi von außen richtig stellt. Und Gemeinschaften sind immer kleine soziale Einheiten, in denen miteinander gesprochen wird und Vertrauen und Loyalität entstehen kann – weil man sich kennt oder sogar in seelischen Ausnahmesituationen besonders gut kennengelernt hat. Insofern ist nach wie vor das einzig sinnvolle Gliederungsprinzip religiöser Organisation, das Religionsmissbrauch und die Selbstbedienung der kirchlichen Nomenklatura im großen Stil vermeiden kann, das Territorialprinzip: ein vernünftig gegliedertes Nebeneinander, das kein verfügendes Übereinander braucht, wie Tyrell sagt: „Jede Einzelgemeinde ist Kirche so gut wie jede andere. Die Kirche: das ist nicht die Institution, sondern das sind die vielen Kirchen, die vielen Ortsgemeinden. Überall stößt der Gläubige dann wieder auf seine Kirche – dies auch im umfassenden und überlokalen Gemeinschaftssinn“ [241] – und damit auch auf einen spürbar reformatorisch geprägten Gottesdienst, dessen „System“ er kennt und in dem er eine auf die eigene Seelenverfassung zielende gute Predigt erwarten kann.

Am Ende dieser Ausführungen ist noch einmal an ihren Anfang zurückzukehren: Weil es im Pfarrberuf zuerst und zuletzt immer um diese Frage nach Gott geht, muss die Suggestion vollständig entsorgt werden, als ginge es in irgendeiner Wichtigkeit um die weltliche Erhabenheit der Kirchenleitung und ihrer Verwaltungszentrale und dann darum, deren „ethische Weisungen“ und politische Äußerungen als das Ergebnis einer höheren theologischen Einsicht und Erkenntnis anzunehmen. Wer als Repräsentant einer Landeskirche aufgestellt ist, hat Schutzschild und weltliches Hilfsinstrument der Pfarrer- und Gemeinde-Kirche zu sein, damit das gottesdienstliche Leben der Gemeinden so unbehelligt wie möglich stattfinden kann, und das ist eigentlich auch schon alles. Kirchenpräsidenten und Bischöfe haben keine Autorität für sich. Sie können Ratschläge geben, aber keine „ethischen Weisungen“ erteilen. Auch als „Kirchenführer“ entrinnen sie mit ihren verbalen Autoritätsaufführungen nicht dem Dilemma, dass sie die Objekte ihrer gesellschaftspolitischen Äußerungen nur aus den vorhandenen gesellschaftlichen Interessen auswählen können, in denen sie selbst stecken. Es ist eine theologische Absurdität, wenn die EKD-Granden heute in der deutschen Öffentlichkeit als die selbsternannte „spirituelle und moralische Avantgarde“ der politisch richtigen Weltgestaltung auftreten. Man muss es hier auch dem gegenwärtigen EKD-Ratsvorsitzenden deutlich ins Stammbuch schreiben: Mit solcher Selbstgerechtigkeit ist dann immer vergessen, was bei Luthers Tischrede Nr. 624 noch auf den richtigen Begriff gebracht ist: „Das Leben ist böse bei uns wie bei den anderen auch. Aber von der Lehre, vom Wort des Glaubens zu handeln, das heißt der Gans an den Kragen gegriffen.“ Sagen wir es so: Die christliche Kirche ist kein von Gott eingesetztes oberstes Machtzentrum der Gesellschaft. Sie ist auch keine Agentur zur Weltrettung: Die christlichen Gemeinden sind die Welt der christlichen Gottesdienst-Gemeinden. Und das ist auch genug. Alles Weitere ergibt sich von selbst. Was die in der EKD-Kirchenwelt so hochgestellte Verantwortung für die Weltgestaltung betrifft, so gilt immer noch die Mahnung Luthers: „Satis est ad Cesarem ut habeat Rationem“ [242]. Das war und ist eine heute noch unüberbietbar geniale Klarstellung. „Alles, was sich mit der Vernunft erkennen und bewältigen lässt, d.h. alle irdischen Dinge, auch da, wo sie sich in der Kirche finden“ sind der politischenAutorität und Handlungsmaxime untergeordnet. Die „Aufgabe des geistlichen Regiments“ ist eine andere: „das Evangelium in der Welt zu verwalten, aber nicht mit dem Evangelium die Welt zu regieren“ [243].

X. Der Wiedergewinn der Disziplin – eine Nachbetrachtung

Nicht ohne Grund hat in einer großen Landeskirche ein Superintendent jüngst die Einführung des Numerus clausus für das Theologiestudium gefordert: nicht das erste Kriterium, aber eben auch ein wichtiges. Es ist etwas dran, dass der Pfarrberuf im eigentlichen Sinn nicht nur ein Weltanschauungsberuf ist, der die Identität von Person und Sache schon irgendwie voraussetzt. Er ist auch ein geistiger Prestigeberuf, der an die Ausübenden entsprechend hohe intellektuelle Anforderungen stellt. Und hier ist im Leistungsniveau der Theologischen Prüfungen in den letzten Jahrzehnten doch einiges weggerutscht. Fast alle Landeskirchen haben an der deutlich ansteigenden „Entintellektualisierung dieser Berufsrolle“ mitgewirkt: „Theologie spielt im Selbstverständnis vieler Pfarrer so gut wie keine Rolle mehr“ (F. W. Graf). „Nur die wenigsten noch sehen ihre Kernaufgabe in der Verkündigung auf der Grundlage kompetenter Schriftauslegung“ (Heike Schmoll). Dies ist wohl richtig gesehen. Theologisches spielt innerkirchlich überhaupt keine normative Rolle mehr, auch in den Pfarrkonventen leider nicht mehr. Das für die Pfarrerschaft und die religiöse Integrität und Stimmstärke ihrer Berufsausübung elementar Wichtigste: „Unser Kommunikationsverhalten und seine Voraussetzungen und Beschädigungen“ [244], ist eigentlich nirgends mehr ein Thema. Doch wer wundert sich? Wenn Theologen durch ehrenamtliche Lektoren für grundsätzlich ersetzbar gehalten werden, dann geht das Wertbewusstsein verloren für die Bedeutung der Theologie, ohne die der christliche Glaube nicht in einer geistig anspruchsvollen Kommunikation des Alltags zur Wirkung kommen und in der Gottesdienstkultur dann auch ohne Verfälschung durch Dritteffekte dargestellt werden kann. Dazu gehört auch eine feste Verankerung in den christlichen Gottesdienst- und Festtags-Traditionen, deren Wiederbelebung viele Möglichkeiten erschließt. Der Pfarrberuf und das Gemeindeleben muss überhaupt nicht „in“ sein, um mit irgendwelchen Mätzchen Leute beeindrucken zu können. Es genügt, als akademisch-fachlich versierte Theologen intellektuell auf der Höhe der Zeit denken und sprechen zu können, über die Zeitlage gut informiert zu sein, den Menschen zweckfrei zuhören zu können, in allem menschlich integer zu sein und im eigenen praktischen Tun die gottesdienstliche Tradition des Christentums glaubwürdig lebendig zu halten, so mühevoll das immer auch ist, wenn man es ernst nimmt. In der Kapelle des mit drei evangelischen Krankenhauspfarrerinnen und einer Diakonin bestückten Klinikseelsorge des Uniklinikums Mannheim hängt seit Ostern 2016 ein Zettel: „Die evang. Gottesdienste wurden wegen seltener Besuche eingestellt.“ Dies hätte nicht sein müssen, wenn man sich wirklich Mühe gegeben hätte. Aber wir werden solchen Zetteln an unseren Kirchen wohl bald öfter begegnen.

Viele gute Möglichkeiten zur Kommunikation des christlichen Glaubens werden von der Pfarrerschaft bedauerlicherweise selbst nicht mehr genutzt. Das meiste von dem, was wir heute in den kirchlichen Kolumnen der Zeitungen lesen, ist oberflächliches moralisches Geschreibsel oder an die Mentalität des EKD-Mainstreams angepasste politische Agitation. Das Grund-Thema des Glaubens, „Gott und die Seele“, gibt es dort nur noch selten. Auch auf vielen Kanzeln ist schon lange die Ehrfurcht vor Gott verloren gegangen: Man kann nicht in einer Kirche einen sogenannten „Wasserball“ mit großer Tanzkapelle, „Walzer live von der Orgel“ und Super-Büffet vor dem Altar veranstalten und damit „Werbung für die Taufe“ machen wollen („Lust auf Taufe“ – angeblich). Oder Tony Marshall vor dem Altar „Schöne Maid, hast Du heut für mich Zeit“ singen lassen. Oder einen „Tangogottesdienst“ oder einen „Gottesdienst mit Tanzeinlagen“ veranstalten, um den Gottesdienst ganz sicher zu einem „Erlebnis“ zu machen z.B. durch den präsentierten „impulsiven Cha-Cha-Cha, leidenschaftlichen Tango und sinnlichen Rumba auf dem schmalem Mittelgang zwischen den Bankreihen“, und dies dann auch noch „nach der unvergesslichen Melodie von Alberto Dominguez‘ Perfidia“ [245] – wobei dieser Musiktitel solche abgründigen Unternehmungen unfreiwillig sehr zutreffend charakterisiert.

Bei all solchen nicht nur in dieser Landeskirche inzwischen schon flächendeckend vorhandenen Absurditäten, mit solcherart „attraktiven Events“ ein unmittelbar wirksames Verhältnis zwischen kirchlichem Tun und gesellschaftlicher Anerkennung erzeugen zu wollen, ist ein manipulativer Bezug zur Wirklichkeit unabdingbar. Im eigentlichen Sinn religiös ist dann fast nichts mehr. Viel wichtiger als das Ausbaldowern (so muss man es schon nennen) solcher religiös immer fragwürdig bleibender „Events“ wäre die ernste Beschäftigung mit der Tatsache, dass es auch in Deutschland trotz der schon nicht mehr überall noch nominellen Mehrheit von Katholiken und Protestanten in der Bevölkerung eine „entchristlichte, gleichgültige, mitunter feindliche öffentliche Meinung“ [246] gibt, die fortlaufend wächst und mit publizistischer Intervention und dem inzwischen riesigen öffentlichen Werbeeinsatz der Kirche mit „Chrismon“ etc. auch gar nicht mehr umzudrehen ist. Es muss sehr nachdenklich machen, dass am 20.04.2016 im WDR erstmals eine provozierend harte Sendung zum Thema „Kirchensteuer“ lief, die eine einzige Botschaft hatte: die baldmöglichste Abschaffung der Kirchensteuer. Hier ist, wie schon beim 68. Deutschen Juristentag 2010 in Berlin mit der erstmalig in diesem Auditorium (!) substantiell untermauerten Kritik an der „uferlosen Kirchenautonomie“ im öffentlichen Klima etwas passiert, das für die Kirche Gefahr im Verzug bedeutet, aber von der Kirchenelite vollkommen verdrängt wird [247].

Auch mit der Einschaltquote messbare Massenunterhaltungen wie von der EKD gesponserte TV-Pfarrer-Serien sind hier nur zum Teil hilfreich, oft geradezu kontraproduktiv, wenn und weil in ihnen das Religiöse, Glaubensmäßige verkaspert und verharmlost wird. Was wir wirklich brauchen, das ist eine sich mit ganzem Ernst mit den Menschen beschäftigende Seelsorge-Kirche in der Fläche, die dazu gehörende Pfarrerschaft und die dazu gehörende Wertschätzung der kleinen Kirchengemeinden mit ihren kleinen Gottesdiensten selbstredend auch. Und das alles ist nicht leicht wieder aufzubauen. Es wird mindestens zwei Jahrzehnte dauern, bis wir wieder etwas „sehen“ von der „Kirche der Reformation“. Denn die Systemfrage im Feld der EKD-Kirchen heute anzupacken, bedeutet fraglos, sich in eine langwierige, mühevolle, mitunter bitter polarisierende Kampfsituation zu begeben. Denn dieses heute herrschende System der „EKD als politische Kirche“ kann nicht durch einzelne Maßnahmen abgemildert oder verbessert werden. Wer das reformatorische System des Pfarrberufs wieder zurückgewinnen will, muss mit dieser klerikalen anderen, „evangelischen Definition von Kirche“ der EKD brechen. Er geht dann zwar einen wohl noch längere Zeit schweren Weg, gewinnt aber auch wieder die innere Einigkeit mit dem Theologenberuf und eine gewiss auch wieder mehr Freude an der so unendlich wichtigen, in allen Hinsichten menschlich lohnenswerten Arbeit im Pfarrberuf.

[1] Erweiterte Fassung des Vortrages bei der Klausurtagung des Vorstandes und des Verwaltungsrats des Vereins Pfälzischer Pfarrerinnen und Pfarrer am 23. Mai 2016 in Bad Dürkheim.

[2] Vgl. Carl Heinz Ratschow: Theologische Erklärung zur gegenwärtigen Lage der Deutschen Evangelischen Kirche, Barmen-Gemarke 29.-31. Mai 1934, in: Ders.: Von den Wandlungen Gottes, Berlin 1986, 78-101, 78f.

[3] Evang. Kirche der Pfalz: Synodalvorlage 01, 3. Tagung der 12. Landessynode 2. Juni 2016, 4.

[4] Bei Ratschow aaO. 80.

[5] Jörg Dierken: Konfessionsbündische Unübersichtlichkeit oder unevangelische Zentralisierung? Überlegungen zum Begriff der Kirche und des Kirchenrechts anlässlich der Organisationsdebatte im deutschen Protestantismus, in: ZEE 47. 2003, 136-152, 146.

[6] Rainer Wahl: Lüth und die Folgen, in: Thomas Henne /Arne Riedlinger: Das Lüth-Urteil in (rechts-) historischer Sicht, Berlin 2005, 371-400, 383.

[7] Zit. bei Reinhard Bingener: Alles in Luther, FAZ 14.10.2015, 3.

[8] Christoph Bergner: 25 Jahre Reform in der EKHN. Eine kleine Bilanz, in: DtPfbl 2012, 510-513, 511. Dazu auch Heike Schmoll: Tabubruch, in: FAZ 06.07.2006, 1.

[9] Bergner aaO. 512.

[10] Thies Gundlach: Erste Überlegungen zu den Ergebnissen der V. KMU, Hannover, März 2014, 128-132, 128.

[11] Herbert Dieckmann: „KMU-Schock“ für alle „Gemeinde-Verächter“, in: DtPfbl 116. 2016, 163ff.

[12] Maren Lehmann: Ordnung und Wirklichkeit: Die Kirche der Gesellschaft, in: epd-Dok. 33/2005, 18-22, 22.

[13] Friedrich Hauschildt: Das Vietinghoff’sche „Zerreißpapier“. Versuch einer kritischen Rekonstruktion, in: Solo Verbo, 2008, 622-632, 632.

[14] Hier zitiert nach Theodor Strohm: Zeitzeuge der Zeitschrift für Evangelische Ethik von 1970 bis 2003, in: ZEE 52. Jahrgang, Sonderheft 50 Jahre ZEE, 29-35, 35.

[15] Pedro Barceló: Das Römische Reich im religiösen Wandel der Spätantike, Regensburg 2013, 59

[16] Uwe Schramm: Bitte nicht immer im Talar und von der Kanzel, in: FAZ 30.03.2016, 12.

[17] Joachim Kunstmann: Eine etablierte Harmoniekirche erinnert sich an ihren Aufbruch, in: Politik und Kultur, Ausgabe 02/2016, 14.

[18] Hans-Thies Lehmann: Das Erhabene ist das Unheimliche, in: Merkur 487/488, 1989, 751-764,756.

[19] Lehmann aaO..

[20] Karl-Heinz Bohrer: Am Ende des Erhabenen, in: Merkur 487/488, 1989, 736-750.

[21] Paul Watzlawick / John H. Weakland / Richard Fisch: Lösungen, Bern 1992, 73 (alle Zitate).

[22] So der Roman „Die Rolltreppe“ von Friedrich Viga, Pseudonym für Friedrich Glum (1891-1974), Wiesbaden 1930; zum Kontext von Glums „Rolltreppe“ s. bei Hans-Christof Kraus: Ein Roman über George und Kantorowicz, FAZ 18.8.2010, N 4.

[23] So in Zeitzeichen 2015, Heft 12, 19.

[24] Veröffentlicht in: Eckart von Vietinghoff: Kirchliche Zukunftsperspektiven. Folgerungen für die Kulturarbeit, in: Kultur gestalten in einer „schlanken“ Kirche, 2002, 37-47, 43. Es ist geradezu tragisch, dass die akademische Theologie in ihrem Schwergewicht Eilert Herms (cf. Eilert Herms: Die Form folgt der Sache, in: VELKD-Texte Nr. 119/2003, 38-56, bes. 48ff) sich zu einer unnachsichtig-gründlichen Kritik dieses überall ja auch zur Kenntnis genommenen Vietinghoff‘schen Reformpapiers nicht durchringen kann. Auch Herms bleibt in höflicher Distanz, aber outet das politische Konzept dieser Leute nicht. Dass hier ein ideologischer Krieg stattfindet gegen die reformatorische Religion, wird mit Schweigen übergangen: Auch Eilert Herms will es einfach nicht glauben.

[25]   Vgl. Deutsches Pfarrerblatt 115. 2015, 31.

[26] Friedemann Walldorf: Missionarische Bemühungen im Kontext gesellschaftlicher Veränderungen in Deutschland von 1945 bis 2000, in: Evangelikale Missiologie, 23. 2007, 38-53, 39 (alle Zitate). Mit genau dieser Losung operierte freilich schon der DCSV 1933ff unter Eberhard Müller!

[27] Im „Arbeitsplan der Bekennenden Kirche“ vom 19. Juli 1935 findet sich erstmals der gemäß der Barmer Entschließung nun praktisch ausgeführte „Öffentlichkeitsanspruch“ der Kirche, der den Einzelnen primär „als Glied in einem öffentlichen Bereich“ anspricht und dem völkischen Kollektiv verpflichtet sieht. Der „Arbeitsplan“ samt dem erhellenden Protokoll im Bestand des EZA Berlin Nr. 50/450, beide Zitate auf Protokollseite 3.

[28]   Tillich: „Der totale Staat und der Anspruch der Kirchen“, in: Ges. Werke Bd. X, Stuttgart 1968, 121-145, 136.

[29] Karl Barth: Die Kirche Jesu Christi, München 1933, Vorwort 8 (Hervorhebungen im Original). Typisch für die politische Zensur der eigenen Geschichte der EKD ist die wissende Auslassung genau dieser, die theologisch-politische Richtungsnahme der EKD ausweisenden Schrift von Karl Barth in Günter Brakelmanns „Kalendarium der politischen und kirchlichen Ereignisse 1930-1934 (Günter Brakelmann: Evangelische Kirche im Entscheidungsjahr 1933/1934: Der Weg nach Barmen, Münster 2010, 249). 

[30] Jacob Taubes: Statt einer Einleitung: Leviathan als sterblicher Gott, in: Jacob Taubes (Hg.): Religionstheorie und Politische Theologie Bd. 1: Der Fürst dieser Welt. Carl Schmitt und die Folgen, München 1983, 9-15, 14.

[31] Eilert Herms: Die Leuenberger Konkordie ist kein Unionsbekenntnis, VELKD-Texte Nr. 111/2002, 71-77, 73.

[32] Herms aaO. 75.

[33] Karle: Wozu Pfarrerinnen und Pfarrer, wenn doch alle Priester sind?, in: Deutsches Pfarrerblatt 2009, 5.

[34] Evangelische Kirche in Deutschland: Informieren, transformieren, reformieren. Zukunftsforum vom 15.-17. Mai 2014 im Ruhrgebiet, Programm, 80. Vgl. dazu Reinhard Bingener: Endlich Luther bei die Fische?, FAZ 19.05.2014, 4.

[35] Karle, aaO.. 

[36] Maren Lehmann: Leutemangel. Mitgliedschaft und Begegnung als Formen der Kirche. In: Jan Hermelink und Gerhard Wegner (Hg.): Paradoxien kirchlicher Organisation, Würzburg 2008, 123-144, 137.

[37] Karl Dienst: Das Ende der „ökumenischen Schummeleien“?, in: Zeitwende, 72. 2001, 1-6, 5.

[38] Dierken, aaO. 138.

[39] Dierken aaO. 139.

[40] Brunotte: Grundsatzfragen zu einer evang.-luth. Kirchenverfassung, in: ZevKR 8. 1961/62, 137-156, 138f.

[41] So Luther, WA 11, 408-416.

[42] Bei Kristian Buchna: Ein klerikales Jahrzehnt? Kirche, Konfession und Politik in der BRD während der 1950er Jahre, Baden-Baden 2014, 67f. Die Hervorhebung „ist keine Kirche“ imitiert den O-Ton Brunottes.

[43] So auch Christian Schad: „Überlebensfrage für unsere Kirche“, Interview in der „Rheinpfalz“ 21.11.2014.

[44] Dierken aaO. 139.

[45] „Das waren fast 6 % der damals rund 322.000 pfälzischen Protestanten“, die in fast 200 Kirchengemeinden als Verein tätig waren, vgl. dazu bei Hans Fenske: Rationalismus und Orthodoxie. Zu den Kämpfen in der pfälzischen Landeskirche im 19. Jahrhundert, Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, 132. 1984, 239-269, 256f.

[46] Dietrich Graue: Protestantismus, in: Protestantenblatt Nr. 38, 1909, 899-904, 900.

[47] Graue aaO..

48 Adolf von Harnack: Zur gegenwärtigen Lage des Protestantismus, Harnack, Beiheft zur CW Nr. 25, 1896, 11.

[49] Eine solche Äußerung von Kaiser Wilhelm II. fand z.B. am 18. Januar 1896 bei der 25-jährigen Jubelfeier der Neugründung des Deutschen Reiches im Berliner Schloss statt „das Haupt mit dem Adlerhelm bedeckt, vom roten Samtmantel umwallt“ (bei Pflugk-Harttung: Deutsche Gedenkhalle, Berlin 1925, 393).

50 Harnack, aaO. 12 (alle Zitate).

[51] Henning Ritter aaO..

[52] Henning Ritter: In die Ökumene vernarrt: Der deutsche Protestantismus, in: FAZ 05.03.2004, 39.

[53] Arnulf von Scheliha: Schleiermacher wäre dagegen, in: FAZ 28.11.97.

[54] Martin Ohst: Ökumene jetzt? – Zu einem Aufruf, in: SZ 07.09.2012.

[55] Schelsky, Helmut: Die Arbeit tun die anderen, Opladen 1975, 15f.

[56] Schelsky aaO. 134.

[57] Friedrich Michael Schiele: Die kirchliche Einigung des Evangelischen Deutschland, Tübingen 1908, 22.

[58] Oliver Janz: Evangelische Pfarrer und Bürgertum in Westfalen 1850-1914, in: Jahrbuch der Gesellschaft für Niedersächs. Kirchengeschichte, 93. 1995, 61-82, hier 66f.

[59] Janz aaO..

[60] Julius Stahl: Die Kirchenverfassung nach Lehre und Recht der Protestanten, 2. Aufl. Erlangen 1862, VI.

[61] Stahl, aaO. 26.

[62] Vgl. dazu Axel von Campenhausen/ Joachim E. Christoph: Zur Konfessionalität einer Theologischen Fakultät. Gutachtliche Stellungnahme zur Berufung eines Baptisten als Professor an die Evangelisch-theologische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, in: ZevKR 41, 1996, 159-171.

[63] Edmund Schlink: Der Ertrag des Kirchenkampfes, 1947, 14; vgl. dazu auch Andreas Leipold: Die Funktionalität einer Volkskirchen-Ekklesiologie in Deutschland nach 1945, Theol. Diss. Heidelberg 1994, 95.

[64] Vgl. J. E. Websky: Das positive Christentum  des Protestantenvereins, 1882, 28.

[65] Zit. bei Websky aaO. 29.

[66] Ernst Bammel: Die Oktoberversammlung des Jahres 1871, in: Und fragten nach Jesus, FS Ernst Barnikol z. 70., Berlin 1974, 251-267, 254ff (alle Zitate).

[67] Bammel aaO. 254.

[68] Helmut Schelsky: Die Arbeit tun die anderen, Opladen 1975, 117.

[69] Nipperdey: Religion und Gesellschaft: Deutschland um 1900, HZ 1988, 597.

[70] Ernst Koch: Christentum als Sache des Volkes?, Heinrich Weinel, der Erste Weltkrieg und der Plan einer deutschen Reichskirche, in: Jb. d. Niedersächs. Gesellschaft für Kirchengeschichte, 93. 1995, 47-60.

[71] Rade / Schiele: An die Freunde, 26. August 1906, Sp. 141f (Nachdruck 1993, 71).

[72] Dazu ausführlich bei Karl Richard Ziegert: Kirche ohne Bildung, 2. Aufl. Frankfurt 1998.

[73] Vgl. den kritischen Kommentar von Foerster: Eine Anklage auf Irrlehre wider die preußische Landeskirche, in: CW 1910, 362-372, ebenso dazu Curtius: Über Majoritätsentscheidungen in Lehrfragen, CW 1910, 517-520.

[74] Erich Foerster: Eine Anklage auf Irrlehre wider die preußische Landeskirche , in: CW 1910, 362-372, 371.

75 So schildert die Lage die Chronik der Christlichen Welt, 1906, Sp. 5

[76] Dierken aaO. 144.

[77] Otto Baumgarten: Kirchliche Chronik für Juli 1903, in: Monatsschrift f. d. kirchl. Praxis, 1903, 294. 

[78] Schelsky aaO. 37.

[79] Vgl. bei Martin Schian: Ecclesiam habemus, Berlin 1931, 13f.

[80] Walter Grundmann: Totale Kirche im totalen Staat, Dresden 1934, 15, 20, 22.

[81] Friedrich Delekat zit. bei Emil Fuchs: Glaube und Kulturverantwortlichkeit, in: Zeitschrift für Religion und Sozialismus, 1931, 397-407, hier 397.

[82] Rudolf Köhler: Kritik der Theologie der Krisis. Eine Auseinandersetzung mit Karl Barth, Friedrich Gogarten, Emil Brunner und Eduard Thurneysen, 1925, 23.

[83] Vgl. bei Ernst Feil: „Politische Religion“ und „Politische Theologie“. Zur Problematik ihrer Instrumentalisierung, in: Joachim Mehlhausen (Hg.): …und über Barmen hinaus. Studien zur kirchlichen Zeitgeschichte, Göttingen 1995, 11-39. 33, bes. Anm. 108. Vgl. auch dazu bei Michail Ryklin: Kommunismus als Religion, Frankfurt 2008, 20ff.

[84] Otto Baumgarten: Die Gefährdung der Wahrhaftigkeit durch die Kirche, Gotha 1925, bes. 45ff.

[85] Baumgarten aaO. 52.

[86] Martin Dibelius bei F.W. Graf: Der Protestantismus, Ausgabe Bonn 2007, 105.

[87] F.W. Graf: Der Weimarer Barth – ein linker Liberaler?, in: Evang. Theologie, 47. 1987, 555-566, 559.

[88] Wolfgang Lehmann: Ein Architekt der Kirchwerdung: Hans Asmussen, in: Anzeiger 1/1994, 12-14.

[89] Asmussen: Kreuz und Reich, 13, 7f.

[90] Hans Asmussen: Kreuz und Reich, Berlin 1933, 7f, 13f.

[91] Lehmann: Ein Architekt der Kirchwerdung: Hans Asmussen, 13 (beide Zitate).

[92] Das Altonaer Bekenntnis vom 11. Januar 1933, Artikel 3, abgedruckt bei Hans Asmussen: Politik und Christentum, Hamburg 1933, 184f.

[93] Asmussen: Politik und Christentum, 164.

94 Hans Asmussen: Das vierte Gebot und die Politik, in: Deutsches Volkstum, 14. 1932, 1001ff. Vgl. dazu Kurt Nowak: Evangelische Kirche und Weimarer Republik, 1988, 225ff.

[95] Hans Asmussen: Kreuz und Reich, Berlin 1934, 7ff.

[96] Asmussen: Kreuz und Reich, Berlin 1934, 3, 7f.

[97] Michel Clévenot: Die Christen und die Staatsmacht, Paris 1981, deutsch Freiburg (Schweiz) 1988, 153.

[98] Pedro Barceló: Das Römische Reich im religiösen Wandel der Spätantike, Regensburg 2013, 11ff, 159.

[99] Barceló aaO. 161.

[100] Lietzmann: Geschichte der Alten Kirche, Berlin 1975, 4./5. Aufl., Band IV, 89.

[101] Lietzmann, aaO. IV. 69.

[102] Manfred Clauss: Ein neuer Gott für die Alte Welt, Berlin 2015, 155.

[103] Clauss aaO. 20.

[104] Vgl. dazu die Textausgabe von Kurt Flasch: Logik des Schreckens. Augustinus von Hippo: Die Gnadenlehre von 397, Lateinisch-Deutsch, erklärt und mit eine Nachwort von Kurt Flasch, Mainz 1990, 2.Aufl. 1995.

[105] Bei Flasch aaO. 127.

[106] Bei Flasch aaO. 116f.

[107] Bei Flasch aaO. 137.

[108] Nachwort von Manfred Clauss bei Barcelo aaO. 183. Das Euseb-Zitat in Eusebius: H.E. 8, 1,8.

[109] Bei Althoff: Selig sind, die Verfolgung ausüben. Päpste und Gewalt im Hochmittelalter, Darmstadt 2013, 184f.

[110] Zum Fall Boudriot ausführlich: Karl Dienst: Der andere Kirchenkampf: Wilhelm Boudriot – Deutschnationale – Karl Barth, Berlin 2007. 

[111] Zit. Bei Karl Dienst: Der Fall Wilhelm Boudriot. Eine Kritik an Karl Barth und ihre Folgen, in: Jahrbuch der Hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung, 41. 1990, 87-110.

[112] Graf: „Die Aufgabe des Freien Protestantismus“. Ein unbekanntes Memorandum Theodor Siegfrieds aus dem Jahre 1946, 508.

[113] Graf aaO. 508 (alle Siegfried-Zitate).

[114] Niemöller, Martin und Dibelius, Otto: Wir rufen Deutschland zu Gott, Berlin 1937. Vgl. dazu bei Karl Richard Ziegert: Zivilreligion, München 2013, bes. 160-163.

[115] Karl Heim: Deutsche Staatsreligion oder Evangelische Volkskirche, 1933, 10.

[116] Karl Heim: Glaube und Denken, 1931, 362; vgl. zu diesem Heim-Zitat Kurt Leese: Die Krisis und Wende des christlichen Geistes, Berlin 1932, 2. Aufl. 1941, 219.

[117] Nikolai Berdiajew: Das neue Mittelalter, Tübingen 1950. Ein Überblick über Herkunft und Gebrauch dieser Formel bei Karlheinz Weißmann: Neues Mittelalter, in: Sezession 21, Dezember 2007, 22-26 (im Internet greifbar). 

[118] Vgl. bei Karl Barth: Unterricht in der christlichen Religion, 8.

[119] Karl Barth: Unterricht in der christlichen Religion, 10.

[120] Karl Barth: aaO. 298 (302 erscheint die umgekehrte Reihenfolge: „Führer- und Wächteramt“).

[121] Asmussen: Kreuz und Reich, 13, 7f.

[122] Graf: Der heilige Zeitgeist, 23.

[123] Vgl. Gunter Zimmermann: Der Kampf gegen die Zwei-Reiche-Lehre in der Denkschrift der Reichskirchenregierung über das grundsätzliche Verhältnis von evangelischem Christentum und politischer Bewegung vom Juli 1934, in: KZG 8. 1995, 345-368, 348.

[124] Zimmermann, aaO. 352, 355.

[125] So auch Karl Barth: Die Theologie Schleiermachers., Zürich 1978, 461.

[126] Jan Rehmann: Die Kirchen im NS-Staat, Berlin 1986, 112.

[127] Rehmann aaO. 113.

[128] Hermann Lübbe: Freiheitsinteressen, NZZ 23. April 2005, 49.

[129] Vgl. den Überblick bei Joachim Mehlhausen: Die Konvention von Treysa. Ein Rückblick nach vierzig Jahren, in: Derselbe, Vestigia Verbi, Berlin 1999, 485-499.

[130] Hauschild: Konfliktgemeinschaft Kirche, 281f.

[131] Inacker: Zwischen Transzendenz, Totalitarismus und Demokratie, 178f.

[132] Inacker aaO. 204.

[133] Kundgebungen, Worte und Erklärungen der EKD 1945-1959, 3.

[134] So der „Kommentar 70“ zur BTE von Peter Beier u.a. aus dem Jahre 1970, vgl. bei Thomas Martin Schneider: 75 Jahre Barmer Theologische Erklärung, in: Pastoraltheologie, 98. 2009, 138-156. 149f.

[135] Buchhaas-Birkholz aaO. 40f.

[136] Erwin Gross aaO. 559.

[137] Brunotte: Bekenntnis und Kirchenverfassung, 102.

[138] Ernst Wolf: Das Problem der Rechtsgestalt der Kirche im Kirchenkampf, ZevKR 1962, 1-26, 19.

[139] Brunotte aaO. 105 (beide Zitate).

[140] Brunotte aaO. 113.

[141] Brunotte aaO. 68.

[142] Helmut Quaritsch: Kirchen und Staat, in: Der Staat, 1. 1962, 175-197, 289-320.

[143] Smend: Staat und Kirche nach dem Bonner Grundgesetz, 9.

[144] Smend aaO. 13. Zur Bedeutung von Loccum 1955 bei Ziegert: Zivilreligion, München 2013, 237-249.

[145] Michael Stolleis: Die Staatsrechtslehre der fünfziger Jahre, in: Thomas Henne /Arne Riedlinger: Das Lüth-Urteil in (rechts-) historischer Sicht, Berlin 2005, 293-300, 295. Ilse Stapf spricht hier zutreffend vom „fließenden Übergang in den Methodendualismus im Nationalsozialismus“, vgl. Ilse Stapf: Lüth-Urteil und Demokratietheorie, in: Henne/Riedlinger, aaO. 315-326, 317. 

[146] Frieder Günther: Denken vom Staat her. Die bundesdeutsche Staatsrechtslehre zwischen Dezision und Integration, München 2004, 211ff.

[147] Vgl. bei Stefan Ruppert: Geschlossene Wertordnung? Zur Grundrechtstheorie Rudolf Smends, in: Thomas Henne /Arne Riedlinger: Das Lüth-Urteil in (rechts-) historischer Sicht, Berlin 2005, 327-348, 344.

[148] Rudolf Smend: Integrationslehre, 1956, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, 2. Aufl. Berlin 1968, 478f; vgl. dazu bei Ilse Stapf aaO. 319.

[149] Karl Barth: Das Problem der Ethik, 141.f.

[150] Barths seit 1909 dokumentiertes radikalsozialistisches (und das bedeutete damals in der Schweiz: leninistisch-kommunistisches) Engagement hat ab 1922 genau die Konjunktur, die Barth sich gewünscht hat. Selbstbewusst schreibt Barth 1927 an seinen Freund Thurneysen, dass er als „Theologe und Politiker“ endlich auch „regieren will“ (zit. bei F.W. Graf: Der heilige Zeitgeist. Studien zur Ideengeschichte der protestantischen Theologie in der Weimarer Republik, Tübingen 2011, 23). Vgl. auch bei Herbert Anzinger: Soziale Demokratie oder revolutionäre Diktatur? Zur politischen Position Barths während des Ersten Weltkriegs und zu Beginn der Weimarer Republik, in: Joachim Mehlhausen (Hg.): …und über Barmen hinaus. Studien zur Kirchlichen Zeitgeschichte, Göttingen 1995, 72-99, bes. 78ff.

[151] Ilse Stapf: Lüth-Urteil und Demokratietheorie, 325.

[152] Rudolf Smend: Verfassung und Verfassungsrecht, München 1928, 126.

[153] Smend aaO. 217.

[154] Schmitt: Die Tyrannei der Werte, 30-33.

[155] Schmitt aaO. 34.

[156] Schmitt aaO. 36.

[157] Egon Flaig: Die Habermas-Methode und die geistige Situation ein Vierteljahrhundert danach. Skizzen einer Schadensaufnahme, in: Mathias Brodkorb (Hg.): Singuläres Auschwitz? Ernst Nolte, Jürgen Habermas und 25 Jahre „Historikerstreit“, Banzkow 2011, 67-94, 93.

[158] Rudolf Smend: Art. Integrationslehre, Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, 5 (1956), Sp. 804.

[159] Thomas Schlag: Formen der Politisierung des Religionsunterrichts, 94f.

[160] Graf: Der Heilige Zeitgeist, 506.

[161] Robert Hepp: Politische Theologie und Theologische Politik. Studien zur Säkularisierung des Protestantismus im Weltkrieg und in der Weimarer Republik, Diss. phil. Erlangen 1967, 237 Anm. 138a.

[162] Vgl. dazu Rudolf  Smend: Protestantismus und Demokratie, in: Krisis. Ein politisches Manifest, Berlin 1932, zitiert nach dem Wiederabdruck in: Staatsrechtliche Abhandlungen, Berlin 1955, 297-308, 300.

[163] Kurt Nowak: Die „antihistoristische Revolution“. Symptome und Folgen der Krise historischer Weltorientierung nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland, in: Horst Renz (Hg.): Umstrittene Moderne. Die Zukunft der Neuzeit im Urteil der Epoche Ernst Troeltschs, Gütersloh 1987, 133-171, 167.

[164] Dieses Schlüsselzitat von Karl Barth stammt aus dem Jahre 1922: „Man kann sich die Situation auch vom Begriff des ethischen Objekts aus klar machen. Ich möchte dabei anknüpfen an die scheinbar – aber nur scheinbar – sehr fernliegende Vorstellung vom tausendjährigen Reiche. Sie ist für viele unsrer Zeitgenossen – und ich bekenne mich auch dazu – aktuell geworden in Form der sozialistischen Zukunftshoffnung. Es handelt sich um den unbeschadet der Hoffnung auf ein ewiges Leben in einer neuen Welt zu denkenden Gedanken eines Ziels der irdischen Geschichte. So gewiss die ethische Frage, wie wir eben sahen, als individuelle Frage doch nicht die Frage nach dem Individuellen, sondern nach dem Allgemeingültigen, Menschheitlichen ist, so gewiss schließt sie mehr oder weniger bestimmt in sich die Frage nach dem geschichtlichen Ideal, nach einem nicht außerhalb, sondern innerhalb der Zeit liegenden und zu verwirklichenden Zielzustand, nach einer, wie man dann stammelnd zu umschreiben pflegt, auf Wahrheit und Gerechtigkeit, auf Geist und Liebe, auf Friede und Freiheit gegründeten Verfassung der menschlichen Gesellschaft.“ Und dieses „Ziel der Geschichte weist uns ebenso zwingend wie auf die Idee eines reinen Wollens hin, auf die Idee einer Totalität guten Handelns und diese Totalität ist es offenbar, die in der Vorstellung vom Millenium und allen ihren Derivaten das eigentlich Gemeinte und darum nicht Umzubringende ist… ‚Phantastisch‘ sind alle Vorstellungen von einem Zielzustand der Geschichte und heute sogar alle Vorstufen, die dahin führen könnten. Und es kann ihr Inhalt, sofern sie ethisch gemeint sind, hüben und drüben so verschieden letztlich nicht sein… Mögen die Farben, in denen man sich diesen Zielzustand ausmalt, lebhafter oder blasser sein, mag sich der eine den Weg dorthin kürzer, der andere länger denken, mag dem einen mehr der Gedanke an das Ziel selbst, dem anderen mehr der Gedanke an den Weg dazu, also z.B. an den vorläufig unentbehrlichen Nationalstaat die Seele erfüllen, das ist sicher, dass die Frage nach dem Guten ganz ohne die primitiver oder geläuterter, phantastischer oder nüchterner gefasste Vorstellung von einem Wirklichwerden des Guten in der Geschichte nicht im Ernst gestellt werden kann“ (Karl Barth: Das Problem der Ethik in der Gegenwart, in: Das Wort Gottes und die Theologie [Wiesbaden 1922], München 1925, 125-154, hier 139ff).

[165] Barths seit 1909 dokumentiertes radikalsozialistisches (und das bedeutete damals in der Schweiz: kommunistisches) Engagement hat ab 1922 genau die Konjunktur, die Barth sich gewünscht hat. Selbstbewusst schreibt Barth 1927 an seinen Freund Thurneysen, dass er als „Theologe und Politiker“ endlich auch „regieren will“ (Bei F.W. Graf: Der heilige Zeitgeist. Studien zur Ideengeschichte der protestantischen Theologie in der Weimarer Republik, Tübingen 2011, 23). Vgl. auch Herbert Anzinger: Soziale Demokratie oder revolutionäre Diktatur? Zur politischen Position Barths während des Ersten Weltkriegs und zu Beginn der Weimarer Republik, in: Joachim Mehlhausen (Hg.): …und über Barmen hinaus, Göttingen 1995, 72-99, bes. 78ff.

[166] Kurt Scharf: Diskussion mit Berliner Schülern über die EKD-Ost-Denkschrift; ausgestrahlt vom Sender RIAS Berlin am 5.8.1966, Textfassung abgedruckt bei Michael Jach: Der politische Weg der Evangelischen Kirche seit 1945, in: Jens Motschmann und Helmut Matthies (Hg.): Rotbuch Kirche, 4. Aufl. Stuttgart 1976, 23-48, 37f.

[167] Bei Claus von Bormann: Höchste Legitimation?, in: FAZ 08.12.2003, 34.

[168] Günther Bormann / Sigrid Bormann-Heischkeil: Theorie und Praxis kirchlicher Organisation. Ein Beitrag zum Problem der Rückständigkeit sozialer Gruppen, Opladen 1971, 322f.

[169] Bormann / Bormann-Heischkeil aaO..

[170] Vgl. bei Daniel Williams: The Disintegration of Catholicism into Diffuse Inclusivism, in: Pro Ecclesia, Northfield Minn. 12. 2003, 389-393. 393.

[171] Zu Hubers Methode der Moralisierung vgl. bei Karl Richard Ziegert: Die Verkäufer des ‚perfect life‘, Münster 2015, 321-337.

[172] So wörtlich der Baden-Württembergische Umweltminister Franz Untersteller („Die Grünen“) am 04.12.2014 in der ARD Sendung „Panorama“.

[173] So Kretschmann am 04.12.2014 in der zitierten ARD-Sendung (Panorama) 21.45 Uhr.

[174] So Herbert Marcuse, zit. bei Eric D. Weitz: Liberaler Totalitarismus? Zur Aktualität von Herbert Marcuse, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 59. 2014, Heft 10, 109-120, 114.

[175] Lothar Fritze: Utopisches Denken – Marx und der Marxismus, in: Uwe Backes und Stéphane Courtois: „Ein Gespenst geht um in Europa“ – Das Erbe kommunistischer Ideologien, Köln 2002, 85-145, 132. Fritze verweist auf die eindrückliche Analyse dieses Denkens bei Isaiah Berlin: Zwei Freiheitsbegriffe, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 41. 1993, 741-775.

[176] F.W. Graf: Nachhaltiges Schwarzbrot. Bischof Wolfgang Huber erklärt seinen christlichen Glauben, in: SZ 29.08.2008, 16.

[177] Richard Rothe: Theologische Ethik, 2. Aufl. Wittenberg 1869-1871, Bd. 5, § 1162, 357.

[178] Wolfgang Huber: Theologische Problem der Friedensforschung, EvTh 31. 1971, 559-575, 568, 571.

[179] Wolfgang Huber: Die wirkliche Kirche. Das Verhältnis zwischen Botschaft und Ordnung als Grundproblem evangelischen Kirchenverständnisses im Anschluss an die III. Barmer These, in: Alfred Burgsmüller (Hg.): Kirche als „Gemeinde von Brüdern“ (Barmen III), Vorträge aus dem Theologischen Ausschuss der EKU, Gütersloh 1980, 2. Aufl. 1983, 249-277, 251.

[180] Huber aaO. 267.

[181] Huber aaO. 268.

[182] Huber aaO. 275.

[183] Bei Huber aaO. 276, Luthers Zitat in WA 40 II, 105f: „Verborgen ist die Kirche. Im Stillen und Geheimen wirken die Heiligen“.

[184] Huber aaO. 265.

[185] So das diesbezügliche Referat von Christine Axt-Piscalar in: epd-Dokumentation 3, 2014, 30-34, 31.

[186] Erwin Gross: Mythus und Wirklichkeit der Bekennenden Kirche, Dt. Pfarrerblatt 1949, 556-562, 560.

[187] Helmut Mayer: Augustins Vermächtnis, in: FAZ 20.04.2016, N 3.

[188] Huber aaO. 276.

[189] Jürgen Moltmann: Der gekreuzigte Gott, München 1972, 313.

[190] Moltmann: Theologie der Hoffnung, 6. Aufl. München 1966, 74.

[191] Huber aaO. 277.

[192] Albrecht Schönherr: „Volkskirche im Zerfall begriffen“, Regionalsynode Ost 10.2.1973, in: Theologia Practica 1973, 216-218.

[193] Helmut Mayer: Augustins Vermächtnis, in: FAZ 20.04.2016, N 3.

[194] So Kirchenpräsident Christian Schad am 23.05.2016 in der „Rheinpfalz“ (Hervorhebung im Zitat KRZ).

[195] Ernst Lange: Die Ökumenische Utopie oder Was bewegt die Ökumenische Bewegung? Stuttgart 1972, 109.

[196] Ernst Lange, aaO. 127.

[197] Huber in FAZ 11.11.2005, 6. 

[198] Inacker: Zwischen Transzendenz, Totalitarismus und Demokratie, 294.

[199] Dierken aaO. 151 Anm. 40.

[200] Ernst Lange: Die ökumenische Utopie, 116. 

[201] Deutscher Evangelischer Kirchentag Düsseldorf 1973. Dokumente, 738.

[202] Deutscher Evangelischer Kirchentag Düsseldorf 1973 aaO..

[203] Graeme Smith: Christian Totalitarianism, in: Political Theology (Sheffield) 3. 2001, 32-46, 36.

[204] Man mag über den Begriff „christlicher Totalitarismus“ erschrecken: Aber der in Oxford damals die Diskussion dominierende und die Beschlusslage dirigierende „Theologe und Politiker“ war Karl Barth. Und seine Werbung für einen christlichen Totalitarismus („a totalitarianism that was Christian“) konnte 1937 widerstandslos Probe laufen, weil die Mehrheit aller europäischen Kirchenführer, die lutherischen Bischöfe eingeschlossen, schon längst ebenso dachte: antiaufklärerisch und eben totalitär, wie Smith das Konferenzergebnis noch einmal zutreffend zusammenfasst: Der Schweizer Karl Barth präsentiert dort seine „theologischen Ausführungen in der Gestalt eines christlichen Totalitarismus, der in Oxford die Konferenz dominierte“ („theological expressions in the form of the christian totalitarianism, that was dominant at Oxford”), vgl. bei  Smith: Christian Totalitarianism, 36, 45.

[205] Frieling: Die Aufbrüche von Uppsala 1968, 179.

[206] Ernst Lange: Die ökumenische Utopie, 119.

[207] Ernst Lange, aaO.109.

[208] Ernst Lange, aaO. 127.

[209] Ernst Lange, aaO. 159.

[210] Ernst Lange, aaO. 139.

[211] Ernst Lange, aaO. 140.

[212] Wolfgang Huber: Theologische Probleme der Friedensforschung, EvTh 31. 1971, 559-575, 569.

[213] Söhlmann: Treysa 1945. Die Konferenz der evangelischen Kirchenführer, Lüneburg 1948, 102.

[214] Huber: Strukturen verantwortlichen Lebens. Die Bedeutung Heinz Eduard Tödts für die theologische Ethik, in: ZEE 36. 1992, 241-256, 247.

[215] Lübbe aaO. 25.

[216] So kategorial wie exemplarisch genau Lilienthal: Ende einer Zwecklüge: das angebliche Verbot des epd 1937, in: epd-Medien Nr. 48, 24.6.2002, 3-24 und das diesem Artikel vorausgehende Editorial von Thomas Schiller.

[217] Tanner: Der lange Schatten des Naturrechts. Eine fundamentalethische Untersuchung, Stuttgart 1993, 63.

[218] Tanner aaO. 63f.

[219] Vgl. bei Otto Piper: Vom Machtwillen der Kirche, Tübingen 1929, 7.

[220] Evangelisches München-Programm (EMP), 31.

[221] Brunotte aaO. 138.

[222] Brunotte aaO. 166.

[223] Zur Genese und zum Schicksal dieser ersten Denkschrift des Barmen-Protestantismus von 1936 vgl. bei Karl Richard Ziegert: Zivilreligion, München 2013, 153-163.

[224] Frank Schirrmacher: Eine Restauration, in: FAZ 8. November 1994, 1.

[225] So Bedford-Strohm in Chrismon 07. 2016, 10.

[226] Zu dieser Wirkungsgeschichte von Barmen bei Ziegert: Zivilreligion, 129-309.

[227] Vgl. Grundordnung der EKD vom 20. November 2003, Art. 1.

[228] Reinhard Frieling: Die EKD als „Kirche“, in: MD d. Konfessionskundl. Inst. Bensheim, 49. 1998, Heft 1, 1f.

[229] Frieling aaO. 2.

[230] Frieling aaO. 2.

[231] Martin Luther: Dass eine christliche Versammlung oder Gemeine Recht und Macht habe, alle Lehre zu beurteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusetzen: Grund und Ursach aus der Schrift, WA 11, 408-416.

[232] Martin Greschat: Die christliche Mitgift Europas – Traditionen der Zukunft, Stuttgart 2000, 184.

[233] Dietrich Rössler: Selbstbestimmung und Loyalität. Das Problem des Pluralismus im evangelischen Pfarrberuf, in: Joachim Mehlhausen (Hg.): Pluralismus und Identität, Gütersloh 1995, 70-84, 83.

[234] Rössler aaO..

[235] Heike Schmoll: Theologievergessenheit, in: FAZ 07.01.1999.

[236] Andreas Dreyer: Warum Werbeaktionen für das Theologiestudium ins Leere laufen, in: Pfälz. Pfarrerblatt, 102. 2012, 237-240.

[237] Dierken aaO. 142.

[238] Rössler aaO. 83 (alle Zitate).

[239] Paul Bernhard Rothen: Das Pfarramt. Ein gefährdeter Pfeiler der europäischen Kultur, Münster 2009, 15.

[240] Hartmann Tyrell: Religiöse Organisation: Zwei Anmerkungen, in: Maren Lehmann (Hg.): Parochie: Chancen und Risiken der Ortsgemeinde, Leipzig 2002, 103-114, 106f.

[241] Tyrell aaO. 111.

[242] So das klassische Zitat bei Luther: „Non opus ut sanctus sit Cesar, non indiget ad regimen suum, ut sit Christianus. Satis est ad Cesarem, ut habeat rationem“, 1528, WA 27, 418, 3-4.

[243] Zu den Belegstellen bei Luther vgl. Martin Heinze: Reich (regnum) und Regiment (regimen). Die sogenannte Zwei-Reiche-Lehre im Spiegel von Luthers Briefwechsel, in: Und fragten nach Jesus, FS. Ernst Barnikol z. 70, Berlin 1964, 147-167, 158f (beide Zitate).

[244] Rainer Bucher: Neuer Wein in alte Schläuche? Zum Innovationsbedarf einer missionarischen Kirche, in: Matthias Seelmann (Hg.): Deutschland – Missionsland, Freiburg 2004, 249-282, 277.

[245] So meldet die „Rheinpfalz“ Ludwigshafen am Rhein am 9. Juli 2014.

[246] Kardinal Franz König: Das Christentum am Beginn des neuen Milleniums, in: Ordensnachrichten, 38. 1999, 73-83, 82.

[247] Es ist höchst aufschlussreich, dass Wolfgang Huber in seinem unübersehbar aufgeregten Kommentar zum Ergebnis des Deutschen Juristentages 2010 – „Noch nie in seiner 150-jährigen Geschichte aber hat er das Verhältnis von Staat und Religion zum Thema gemacht“ – sich dann lediglich auf einige, die gewohnte Staat-Kirche-Koordination positivierende Abstimmungspunkte des Plenums beruft, um zu dem im Blick auf die Gesamtdiskussion des Deutschen Juristentages doch höchst erstaunlichen Urteil zu kommen: „Sie treffen sich mit den Positionen, die von der EKD immer wieder vertreten werden“ (Huber: Klare Orientierung, in: Zeitzeichen Heft 11/2010, 43). Doch genau dies trifft nicht zu. Die kritischen Sätze im leitenden Gutachten des Juristentages hat Huber allesamt unterschlagen. Zum Inhalt und zur Bedeutung dieser Resolution dieses Juristentages 2010 vgl. bei Ziegert: Zivilreligion, 348-369.

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