Was wir schuldig sind

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Ökumene rings um das Jubiläumsjahr 2017

Friedhelm Hans
Horststraße 99, 76829 Landau

Die folgenden Gedanken dienen der Klarstellung, verstehen sich nicht als antiökumenisch, polemisch, aber gegenüber dem Angebot aus Rom kritisch. Aus dem Kirchenfunk ist mir das Angebot aus Rom bekannt geworden, das Jahr  2017 zu einem Jahr des Schuldbekenntnisses zu machen. Auch gibt es Überlegungen zu einem gemeinsamen Kirchentag der Versöhnung und des Ausgleichs der lutherischen und römischen Christenheit. Hier zunächst die Katholische Nachrichtenagentur (KNA):

Über Perspektiven des Papstbesuches im «Land Luthers», auch im Vorfeld des 500-Jahr-Gedenkens der Reformation, äußert sich der Präsident des vatikanischen Einheitsrates, der Schweizer Kardinal Kurt Koch, im Interview der KNA in Rom. 

KNA: Der Papst hat für seinen Besuch in Deutschland ausdrücklich mehr Zeit für die Ökumene-Treffen gefordert als zunächst vorgesehen. Was bedeutet das?
Koch: Deutschland ist ein zentrales Land der Reformation, in dem evangelische und katholische Christen zahlenmäßig fast gleichgewichtig nebeneinander leben. Zudem stammt der Papst selbst aus Deutschland und hat bereits als Theologe sehr viel zum ökumenischen Dialog beigetragen. Die Erklärung über die Rechtfertigungslehre ist in ihrer letzten schwierigen Phase wesentlich seinen Bemühungen zu verdanken. Daher ist es selbstverständlich, dass der Heilige Vater in Deutschland einen besonderen Akzent in der Ökumene setzen möchte – und es sicher auch tun wird. Der Vorschlag, mehr Zeit vorzusehen, kam von ihm.


KNA: Welche ökumenische Botschaft erwarten Sie von der Reise?
Koch: Ich will natürlich keine falschen Hoffnungen wecken; wir werden gespannt sein dürfen auf das, was der Papst dann wirklich sagt. Ich bin überzeugt, dass er ein Wort der Ermutigung sagen wird. Und er wird sicher neu in Erinnerung rufen, dass die Ökumene für die katholische Kirche eine Aufgabe und eine Pflicht ist, hinter die nicht mehr zurückgegangen werden kann.


KNA: Mit seinem Wunsch nach mehr Zeit für die Ökumene hat der Papst besondere Erwartungen geweckt – gerade im ‚Land Luthers’, im Vorfeld des 500-Jahr-Gedenkens der Reformation. Was könnte der Papst zur Reformation sagen?
Koch: Da wäre natürlich sehr viel zu sagen. Ich sehe bei der Reformation eine positive und eine negative Seite. Die Reformation hat Impulse ausgelöst, vor allem eine Rückbesinnung auf das Wort Gottes, auf die zentrale Stellung der Heiligen Schrift im Leben der Kirche. Aber die Reformation hat auch zur Kirchenspaltung geführt – was gerade nicht das Anliegen Martin Luthers war. Luther wollte eine Erneuerung der ganzen Kirche; er wollte keine neue Kirche. Dass dann neue Kirchen entstanden sind, kann somit nicht als Gelingen der Reformation beurteilt werden. Wenn man das 500-Jahr-Gedenken der Reformation würdigen will, dann muss man beide Seiten in den Blick nehmen.

KNA: Ihre Behörde, der Einheitsrat, hat soeben mit dem Lutherischen Weltbund (LWB) beraten, wie man das Gedenken an 1517 gemeinsam begehen soll. Was ist geplant, was ist möglich?
Koch: Wir arbeiten mit dem LWB auf eine gemeinsame Erklärung im Blick auf 2017 hin. Eine Grundfrage besteht für mich darin, dass man nicht nur über die Reformation allein redet. Die Reformation ist ein Ereignis in einer 2.000-jährigen Geschichte, von der uns 1.500 Jahre gemeinsam sind. Nur vor diesem größeren Hintergrund können wir sehen und überlegen, was die Reformation bedeutet. Steht sie in einer grundlegenden Kontinuität mit diesen 1.500 Jahren? Oder ist sie ein völlig neuer Anfang, ist mit ihr etwas völlig Neues entstanden? Von der Beantwortung dieser Frage hängt entscheidend ab, wohin unser gemeinsamer Weg in der Zukunft geht.

KNA: Bei der LWB-Vollversammlung in Stuttgart 2010 gab es einen Versöhnungsakt mit den Mennoniten mit einem gegenseitigen Schuldbekenntnis. Könnte das auch ein Modell für ein gemeinsames Begehen von Katholiken und Lutheranern 2017 sein?
Koch: Schon vor der Stuttgarter Versammlung hat Papst Johannes Paul II. am ersten Fastensonntag im Heiligen Jahr 2000 ein solches Schuldbekenntnis abgelegt. Dazu gehörte das Bekenntnis, dass auch die katholische Kirche bei Kirchenspaltungen eine wesentliche Rolle gespielt und Schuld auf sich geladen hat. Ich denke, dass auch für das Gedenken der Reformation ein gemeinsames Schuldbekenntnis den Anfang bilden könnte. Allerdings sollte man nicht dabei stehen bleiben. Aber ohne eine gemeinsame Rückbesinnung, ohne eine gemeinsame Reinigung des Gedächtnisses und ohne ein Schuldbekenntnis auf beiden Seiten wird es meines Erachtens kein ehrliches Gedenken der Reformation geben können. …“

Weitere Fragen des Journalisten Johannes Schidelko betreffen das Weltreligionstreffen in Assisi und das Verhältnis Roms zu den Juden. Was Assisi betrifft, sollten Protestanten nicht an der Entscheidung der Waldenser vorbeigehen, die das erste derartige Treffen nicht besucht haben.

Nun zum Jahr 2017

Koch meint: „Ich denke, dass auch für das Gedenken der Reformation ein gemeinsames Schuldbekenntnis den Anfang bilden könnte.“ Und schon 2000 habe der Vorgängerpapst ein Schulbekenntnis abgelegt. Nun fordert Rom also auch ein protestantisches Schuldbekenntnis. Nicht dass unsere Kirche unbußfertig wäre! Nicht dass auch hier Verzeihung erbeten und Vergebung erhofft werden sollte. Aber ob es ratsam und angemessen ist, das Thesenjubiläum mit einem Schuldbekenntnis auf Augenhöhe zu verbinden? Wird dann nicht der zweite Schritt vor dem ersten getan und die freie Sicht auf die Dinge verbaut? Wird nicht ein Filter gesetzt, wenn man sich im Blick auf das Reformationsgeschehen und 1517 erst einmal um das Wesen einer reformatorischen Kirche bemüht?

Was evangelische Kirche zuerst schuldig ist, ist das Hören auf das Evangelium von Jesus Christus und das Ringen um das Verständnis um Gottes Wort. Darum hat Luther die Bibel für jedermann übersetzt, darum wurden Schulen und Fakultäten eingerichtet, damit letzten Endes ein Suchen nach der Wahrheit und dem reinen Gotteswort glaubwürdig stattfindet.

Erst in zweiter Linie besteht die Aufgabe, auf die – ungewollten – Folgen, die – wie Koch spricht – Kirchenspaltungen einzugehen und die hässlichen Seiten des Konfessionskonflikts, in dem auch Protestanten die Täter gewesen sind. Wenn aber das Ganze auf nichts anderes hinauslaufen soll, auch die Reformationsfeiern katholisch zu vereinnahmen, dann warne ich zur Vorsicht. Denn katholische Reinwaschung im 21. Jahrhundert wie im Falle der pauschalen Entschuldigung des Unrechts der Inquisition an den slowakischen, den hussitischen und protestantischen Märtyrern der Reformationszeit wie beim Papstbesuch von Johannes Paul II. vor einigen Jahren kann man wirklich nur mit der Glosse aus dem Ev. Kirchenboten von damals, von Senft-Werner, kommentieren: „Wir entschuldigen uns bei den Lesern für sämtliche Druckfehler der letzten 150 Jahre.“

Die päpstlichen Entschuldigungen in der Slowakei waren schnell ausgesprochen und haben nichts gekostet. Keine Kirche wurde zurückgegeben. Kein Ausgleichsfonds für eine Ökumene auf Augenhöhe wurde eingerichtet, geschweige denn dass es zur Kirchenanerkennung gekommen ist. Was heißt es für Protestanten im Blick auf 2017? Aufpassen, dass sich keine heuchlerische Ökumene breitmacht und Vereinnahmung verhindert wird. Die evangelischen Kirchen haben für 2017 einen ordentlichen Zehn-Jahres-Plan aufgestellt. Bei diesem Plan sollte es bleiben.

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