Von Wittenberg nach Europa

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Max Krumbach
Sundahlstraße 1, 66482 Zweibrücken

G. FrankM. Schneider (Hg.), Melanchthon deutsch, Bd. 3. Von Wittenberg nach Europa, Leipzig 2011

Der Band belegt geographisch in fünf Teile gegliedert das Wirken Melanchthons im Reich und in Europa.

Martin Schneider, Waldenserforscher und Kenner der Kir­chengeschich­te Badens, hat diesen Band als theologischer Referent der Europäischen Melanchthon-Akademie Bretten erarbeitet.

Den das Reich betreffenden ersten Teil eröffnet ein Schreiben an den päpst­lichen Gesandten Pietro Paolo Vergerio (1535). Er starb als lutherischer Theologe. Es spiegelt das Ringen um Ort, Gültigkeit der Beschlüs­se, Tages- und Geschäfts­or­dnung des angekündigten Konzils. Die Wittenberger Konkordie (1536) steht für die Verständigung innerhalb der reformatorischen Bewegung in ihrer Konzentration auf Abend­mahl, Taufe und Absolution. In seinem Testament (1539) verweist Melanchthon auf den Römerbriefkommentar und die Loci als sein Vermächtnis. Als Folge reformatorischer Entklerikalisierung tritt ein Freundeskreis frommer Gebildeter an die Stelle mittelalterlicher Kleriker.

Als Verhandlungsführer ist der Reformator Verdächtigungen ausgesetzt. Seine Kompromissfähigkeit hat dort ihre Grenzen, wo inkompatible Systeme aufeinanderstoßen, wie er es Kaiser Karl V. (1541) schreibt.

Der gemeinsam mit Martin Bucer erstellte Reformationsentwurf für das Erzstift Köln (1543) belegt den an der Politik gescheiterten Versuch des Erzbischofs Hermann von Wied, die Reformation durchzuführen.

Das Ergebnisprotokoll des Naumburger Konvents (1554) steht für die Herausforderung durch Abweichungen im eigenen Lager. Gleichheit in äußeren Formen ist nebensächlich. An die Stelle des sakral überhöhten Bischofs tritt ein pragmatisch geordnetes Kirchenregiment: wichtige Punkte sind Bildung, Ordination der Geistlichen und Ordnung durch Konsistorien und Visitationen.

Das Bekenntnis (1557) „Formula consensus de quibusdam articulis con­troversis“ spiegelt die durch das Konzil von Trient veränderte Lage. Das gewachsene Lehrgebäude einer rechtlich abgesicherten Institution trifft auf reformatorische Suchbewegungen. Die sich bildenden Landes- und Stadtkirchen müssen einen Rahmen setzen, innerhalb dessen sie widerstreitende Meinungen miteinander vermitteln können.

Das Gutachten für Kurfürst August von Sachsen 1558 „Bedenken vom Syn­odo aller Chur und Fürsten und Stände Augsburgischer Confes­sion“ diente als Vorlage für den Frankfurter Rezess, den der Zwei­brüc­ker Her­zog Wolfgang eigenhändig unterzeichnete. Redaktionell bearbeitete ihn sein Kanz­ler, der Melanchthonschüler Ulrich Sitzinger.

Humanistische und evangelische Entscheidungsträger, die unter ver­schie­denen Verhältnissen agieren, wirken an sich unterscheidenden Neugestaltungen der Landeskirchen mit. 

Im zweiten Teil, England betreffend, werden unterschiedliche Interessen sichtbar, die bei der „europäischen“ Reformation miteinan­der verwoben sind. Den Beteiligten ist bewusst, dass das sächsische Reformationsmodell nur bedingt übertragbar ist. Klärungen der Lehrfragen und politische Sondierungen sind Teil eines Ringens um den angemessenen Weg, nachdem sich Heinrich VIII. von der römischen Oberhoheit losgesagt hat: Vorrede zu den Loci mit Widmung an König Heinrich VIII. (1535). Nach der Hinrichtung von Robert Barnes und Thomas Cromwel 1540 entfällt die Widmung. Brief an die englischen Gesandten (1535). Die Wittenberger Artikel (1536). Brief an König Heinrich VIII. (1539).

Im dritten Teil, das Königreich Frankreich betreffend, hebt der Humanist Melanchthon das gemeinsame Interesse der Gebildeten an einer kirchlichen Erneuerung aus dem Evangelium hervor: Gut­achten für den Berater Königs Franz I. Guillaume du Bellay (1534) „Consilium ad Gallos“, Brief an Jean du Bellay 1535, den Bischof von Paris und späteren Kardinal, Brief an Guillaume du Bellay (1535), Vorrede zu Xenophon – Brief an Guillaume du Bellay (1540).

Die Prägung Melanchthons durch sein humanistisches Geschichtsbild tritt im vierten Teil, Italien, hervor. Es wird zum Maßstab, mit dem er die italienischen Verhältnisse beurteilt. Ihn, der nie italieni­schen Boden be­tre­ten hat, lassen die Vorgänge in Venedig auf eine reformatorische Wen­­­dung hoffen: Rede über die Eroberung und Plünderung Roms „De­plo­ratio captae Romae“ (1528), Brief an einige Evangelische in Venedig (1539), Brief an Johannes Baptista Egnatius (1543), Brief an den Dogen Pietro Lando und den Senat der Republik Venedig (1543), Rede über die Zusammenkunft von Kaiser und Papst in Bologna (1559) „Oratio de congressu Bo­no­nio­nensis“.

Im fünften Teil des Bandes wendet sich der Blick nach Südosteuropa: Türkengefahr und orthodoxe Kirche. Bewegen sich Melanchthons Beziehungen zu Siebenbürgen auf bekannten Wegen, überschreitet er diese Grenze: einmal zum Islam, zum andern zur orthodoxen Kirche: Vorrede zur Koranausgabe des Bibliander (1542), Vorrede zur Kronstädter Reformation (1543) „Reforma­tio ecclesiae Coro­nen­sis ac totius Barcensis provinciae“, Brief an Matthias Ramser (1543), Brief an den Rat der Stadt Kronstadt – Ordinationszeugnis für Martin Heintz (1543), Briefe an Johannes Honterus (1544), Rede über die Eroberung Konstantinopels 1556 „Oratio de capta Constan­ti­no­poli“, Brief an den Patriarchen Joa­saph II. in Konstantinopel (1559).

Die gelungene Text- und Themenwahl des vorliegenden Bandes ermög­licht Ein­blicke in einen lebendigen Prozess, der in den konfessionalisti­schen Abgrenzungen nach Melanchthons Tod abbricht.

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