Ulrich Kronenberg
Am Anger 5, 67346 Speyer
Klaus Berger, Die Bibelfälscher. Wie wir um die Wahrheit betrogen werden, Düsseldorf (Pattloch Verlag) 2013, 352 Seiten, 19,99 Euro
Der renommierte Neutestamentler Klaus Berger legt mit seinem Buch das Fundament für einen theologischen Neuanfang der Bibelexegese. Berger, einer der profiliertesten Theologen unserer Zeit, nimmt in seinem Buch kein Blatt vor den Mund und kritisiert offen die theologische Arbeit der letzten 200 Jahre. Sein Ziel ist dabei nichts Geringeres als eine Reformation der historisch-kritischen liberalen Exegese, die das Christentum des Westens innerlich aushöhlt. Das Buch, dem man den Zorn des Verfassers abspürt, ist in die drei Teile Hinführung, Zerstörung und Zukunft gegliedert. Berger, der sich als Gegner der liberalen Exegese versteht, stellt zunächst die Position seiner Gegner dar und stellt dann mit dem Einspruch sed contra (dagegen aber sage ich) seinen Standpunkt dar.
Er zeigt, dass alle modernen Ausleger seit der Aufklärung, die die menschliche Vernunft zum Maßstab aller Dinge machte, das Misstrauen gegen die Aussagen der Bibel schürten. Frei nach dem Motto: das alles wurde später erfunden und hinzugedichtet, wie man es für die Verkirchlichung brauchte. So macht sich der Theologe zum Richter über die Bibel und damit letztlich zu Gott selbst. Der vermeintliche Betrug soll dann durch die aktuelle Theologie aufgeklärt und korrigiert werden. Das führt, da ist Berger zuzustimmen, zu einer völligen Zerstörung der Schrift als Glaubensgrundlage. Berger will mit seiner Streitschrift diese moderne Täuschung aufklären, da sie den Glauben verbrannt hat. Die Folge war und ist eine zunehmende Orientierungslosigkeit von Theologie und Kirche, die planlos umherirrt zwischen Sozialismus, Maoismus, Öko-Pazifismus, Feminismus, grundlegender Staatskritik und diversen Spielarten der Befreiungstheologie. Betrachtet man das ethische Dilemma, in dem sich heute Denkschriften der EKD befinden, so kann man hier nur uneingeschränkt zustimmen und darf sich angesichts der modernen Lehre der Kirche (die „Wunderwaffe“ wird als „Paradigmenwechsel“ oder „Leitbild“ angepriesen) auf Gebieten wie Friedensethik, Familienethik oder Sexualethik über nichts mehr wundern: Es ist die Quintessenz einer Theologie, die meint, dass der Schwanz mit dem Hund wedele.
So zeigt Berger, dass etwa die Lehre, Jesus zum Pazifisten zu mutieren, exegetisch und historisch völlig falsch ist: Er räumt auf mit populären Parolen einer idealistischen Ideologie, die ihre einseitige Interpretation der Bergpredigt zum Maßstab aller Dinge macht und Jesus zum „blassesten aller Friedenstäubchen“ degradiert. Berger zeigt exegetisch fundiert, welch theologischer Unfug es ist, den Sohn Gottes zum „sandalentragenden Verkünder belangloser Sonntagsweisheiten“ zu machen, den keiner mehr ernst nimmt, da er so zu einem handzahmen Götzlein nach eigenem Gusto gemacht wird. Das ideologisierend-moralisierende Psychogesäusel, das sich in Rundfunkandachten, Predigten und anderen kirchlichen Lebensäußerungen in den letzten Jahrzehnten zunehmend ausbreitete, hat in dieser indoktrinierenden Theologie seine Wurzel. Berger geht es nicht um das Räsonieren über aktuelle kirchliche Missstände, an denen kein Mangel herrscht. Vielmehr setzt er seine in vielen Jahren wissenschaftlicher Arbeit gewonnen Einsichten in praktische Vorschläge um, wie die gegenwärtige Krise überwunden werden kann. Er zeigt die Irrwege der modernen Theologie auf, die im Gefolge der Theologen Rudolf Bultmann und Martin Dibelius meinte, formgeschichtlich klären zu können, was echte und unechte Jesusworte seien. Berger hält diese Versuche für ein aberwitziges Unterfangen, das letztlich im eigenen Denken gefangen bleibt und sich so selbst ad absurdum führt.
Die Bibel, die bis heute darauf hinweist, dass jeder Sieg nur über das Kreuz führt, will von der ersten bis zur letzten Seite dem Menschen sagen, wer Gott ist. Dazu gehört es, sich ideologiefrei – also ohne Philosophie, Anthropologie, Psychologie, Soziologie oder moderne Religionstheorie – dem Text der Bibel auszusetzen und ihn für sich neu zu entdecken: Durch „Weglassen des Vorgefertigten“ muss mit der Bibel gerungen werden, um neu zu finden, was sie heute zu sagen hat. Berger sieht den Ausweg aus dem momentanen Zustand der theologischen Starre in einem „strikten und reinen Gehorsam gegenüber dem Text“: ein „Frühjahrsputz in einer Kirche, der harte Zeiten bevorstehen“: eine „Operation am offenen Herzen der Kirche“. Diese Operation kann nur gelingen, wenn der Virus des 200jährigen Generalverdachtes, mit der biblischen Botschaft sei etwas nicht in Ordnung, ausgemerzt wird: Das heilende Gegengift ist die Unterordnung des Menschen unter Gott und die Unterordnung des Exegeten unter das Wort. Nur so kann das zerschlagene Porzellan im Haus der Christenheit gekittet werden.
Das mit großem Gewinn zu lesende anspruchsvolle Buch lässt für die Zukunft hoffen und bestätigt das Wort Hermann Bezzels, dass die Kirche Christi nicht an ihren Feinden sondern an ihren unberufenen Dienern zugrunde geht. Berger bekennt, dass er selbst in der „altmodischen Institution der Bibelstunde“ am meisten gelernt habe. Das Geniale ist immer das Einfache: ad fontes ecclesia!
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