Leitmotiv des Stuttgarter Kirchentages
Friedhelm Jakob
Siegmundweg 5, 67069 Ludwigshafen
Da ist ja die Überschrift zu Bernd Dietsches Beitrag in Nr. 12 des Pfarrerblattes „Haben wirklich alle den Verstand verloren?“ ganz schön passend. Das Fragezeichen impliziert gleichzeitig: Bernd Dietsche und die von ihm Zitierten ganz sicher nicht. So bleibt mir nur die Bemerkung: „Lieber Bernd, si tacuisses,….“
Warum ich – zugegebenermaßen – zu dieser auch elitären Andeutung komme, möchte ich begründen. Wer solch harte Urteile abgibt und dann seinen Artikel mit einem provozierenden „Halleluja“ beendet, muss sich erst einmal um den Sitz im Leben der verhandelten Sache kümmern. Klarheit und Wahrheit ist hier gefragt und nicht emotionales Gestänkere. Dazu einige wesentliche Punkte.
1. Mit meinem Antritt als Dekan in Speyer im Jahr 1997 habe ich sehr bald die Frage aufgeworfen: Welche Bedeutung soll und kann die – ich betone: protestantische – Gedächtniskirche in Speyer für die Jetzt-Zeit haben und kam – durchaus in Fortführung meiner Vorgänger – zu der Überzeugung: Sie muss ein Ort wahrhaft protestantischen Geistes sein. Damit wird sie weiter zu allererst Predigtkirche sein, die nichts anderem als dem Wort verpflichtet ist. Gleichzeitig muss sie ein Ort geistiger Auseinandersetzung sein. In diesem Sinne hat sie – der Protestation von der Freiheit eines Christenmenschen verpflichtet – auch ein Ort des kritischen Dialogs zu sein. Dabei geht es nicht um Recht haben oder die reine Lehre, sondern um den Diskurs und eben die Toleranz gegenüber anders Denkenden und somit um das Recht suchen. Mit der Zeit ist dann noch ein anderer Aspekt ganz wichtig geworden: die Suche nach dem Frieden. Deswegen wurde die Gedächtniskirche auch immer ein Ort der Friedensgebete – ob im Irak-Krieg oder nach dem 11. September. Anfragen nach Benefiz-Konzerten, die in allen Teilen der Welt helfen sollten, wurden stets positiv beantwortet. Nicht mit allen Beiträgen in meinen 17 Jahren als Dekan war ich einverstanden, aber ich habe mich mit allen anderen Verantwortlichen immer den gerade an Weihnachten wieder zitierten Friedensvisionen des Jesaja verpflichtet gefühlt.
2. Dietsche unterstellt eine „Entweihung der Kirche“. Habe ich da eventuell was gänzlich falsch kapiert? Für uns Protestanten kann Heiligkeit doch nur im Vollzug geschehen. Und das bedeutet im Gottesdienst, durchaus auch im persönlichen Gebet. Eine Kirche wird doch nicht dadurch „entweiht“, dass dort z.B. ein Professor eine Rede hält oder ein Chor Lieder singt. Hier begeben wir uns in unseren Kirchen auf eine andere Ebene. Selbst kirchenkritische Töne dürfen erlaubt sein.
3. Wer urteilt, sollte auch wissen, was er vor Ort anrichtet. Der Dialog der Religionen ist in Speyer ein äußerst zartes Pflänzchen. Vor allem der katholische Kollege Linvers hat sich um dieses zarte Pflänzchen unermüdlich gekümmert. Versuche meinerseits sind oft stecken geblieben. Deswegen habe ich den Kollegen Weinerth gebeten, gemeinsam mit dem katholischen Kollegen Lamm den Dialog zu fördern und zu begleiten. Das hat letztlich zu dem großartigen Geschenk der Menorah der Speyerer Christen vor der neuen Synagoge an die jüdische Gemeinde geführt. Auch der Dialog mit den Muslimen hat neu begonnen. Ein zartes Pflänzchen, das man mit Tönen a la Bernd Dietsche sehr leicht in den Schmutz treten kann.
4. Theologisch ist nun aber auch interessant, dass Dietsche von sola scriptura redet und nicht von sola fide und sola gratia. Mit dem solus christus rettet er zwar in gewisser Weise die beiden anderen Begriffe. Aber: Hat er nicht die Anti-Thesen der Bergpredigt gelesen? Wenn er den Islam so sieht, wie er ihn wohl sieht, sei doch die Frage nach der Feindesliebe zumindest einmal aufgeworfen. Und weiter: Wir leben aus Gottes Gnade und nicht aus unserem Geist des „Draufschlagens“.
5. Ich weiß sehr wohl, dass der Zugang zum Islam nicht einfach ist. Mein Zugang ist auf jeden Fall nicht Wikipedia. Viel mehr versuche ich das Gespräch zu suchen. Ich habe mich mit meinem türkischen Freund länger unterhalten. Sein Vater ist sozusagen ehrenamtlicher Muezzin in einem kleinen Ort. Er tut diesen Dienst mit großer Liebe in seinem dienenden Verständnis zu Gott. Nein, nein… Muslime sind weiß Gott nicht gleich zu setzen mit den Gottes-Kriegern, wie Christen nicht gleich zu setzen sind mit den Kreuzrittern. So leicht kann man sich die Welt nicht schwarz-weiß reden.
Auf diesem Hintergrund muss die Friedensmesse von Jenkins, gesungen und dargeboten von der Kantorei Speyer-Germersheim, gesehen und bedacht werden. Sie fügt sich in den unter 1 angedeuteten Friedensdialog ein, sie verändert den Charakter der Gedächtniskirche nicht. Sie ist zugegebenermaßen eine Herausforderung. Auf dem Geisteshintergrund der Protestler, zu denen sich Dietsche gesellt, wird es in Deutschland keine verantwortete Zukunft im Zusammenleben geben. Wir brauchen einen anderen Geist, der manchmal kräftig ins Gesicht bläst und manchmal antreibt: den Geist des Friedensstifters, unseres Herrn Jesus Christus.
„Auf dass ihr klug werdet…“
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