Max Krumbach
Sundahlstr 1, 66482 Zweibrücken
Wenn sich Schlapphut und Waldschratt im Wasgau treffen
Wie behalte ich meinen Humor angesichts des Beschlusses des Vereins für Pfälzische Kirchengeschichte, eine Vereinbarung mit der Bibliotheca Bipontina, Zweibrücken, zu kündigen, die seit 1964 eine kostenlose(!) Unterbringung der Vereinsbibliothek zum Gegenstand hatte?
44 Jahre der Zusammenarbeit sind beendet. Zwei Bibliotheken werden auseinander gerissen. Sie hatten über Jahrzehnte Neuerwerbungen miteinander abgesprochen. Die Arbeit der Vorgänger und Bibliotheksleiterinnen und -mitarbeiter/innen werden gering geschätzt. Der Einsatz der Frauen und Männer, die ihren „Beitrag zum kulturellen Leben“ Zweibrückens und des Westrichs beim Wiederaufbau der Stadt leisteten und glücklich über jeden Überrest waren, der nach Bombenhagel und Plünderungen gesichert werden konnte, wird nachträglich abschätzig bewertet. Der Wunsch derer, die ihre Bücher der Vereinsbibliothek für den Standort Zweibrücken überließen, wird schlichtweg ignoriert. Längst ist dieser kulturelle Raubzug Thema in den Tageszeitungen, im Stadtrat und in der Stadtverwaltung. Der Verlust der Vertrauenswürdigkeit trifft die kirchliche Arbeit dort, wo eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Kommune notwendig ist.
Der Verein für Pfälzische Kirchengeschichte leistet seinen „Beitrag zum kulturellen Leben“, so zu lesen auf der Homepage der Landeskirche Anfang Juni, indem er stolz verkündigt, unsere Geduld mit der Bibliotheka (neue Schreibweise für Bibliotheca) Bipontina ist zu Ende, die Möbelpacker sind bestellt und endlich greifen wir denen unter die Arme, die unter der Last von 32 Regalmetern mit rund 9000 Büchern heftig um Atem ringen. Sie üben schon eifrig vierstimmig „Ubi caritas et amor …“. Vor solch wohl tönender Zuwendung und Großzügigkeit neigen alle Angeredeten demütig ihr Haupt, gehen in sich und verfluchen ihren inneren Schweinehund, der immer noch knurrt und an der Kette reißt.
O Großmut ohne Maßen. Der Vorstand hat schon in einer Art himmlischen Anti-Terror-Einsatzes rund 9000 Kleinschriften und Zeitschriftenbände vor dem sicheren Zerfall im Depot auf dem Kasernengelände gerettet. Man stelle sich das bildlich vor. Die Rekruten üben die Sicherung und Geiselbefreiung in Afghanistan, während der Vorstand in kirchengeschichtsoliv getarnt sich beim Gewehrknattern um die Ecke schleicht, um das „Amtsblatt des Reichskommissars für das Saarland. – Saarbrücken, Erscheinungsverlauf: 2.1936,22 – 6.1940,12 (3.Mai) Anzahl Bände: 5, Signatur: Zc 2“, &xnbsp;zu retten. Staunend begleitet ein Oberleutnant die Kirchengeschichtstruppe, die im dunklen Keller beim Blick durch das Nachtsichtgerät die ersten Bücherwürmer entdeckt. Er bliebe lieber zu Hause bei Frau und Kind, als Europa am Hindukusch zu verteidigen. Es fehlt nur ein vom Verteidigungsministerium autorisiertes Foto, das an einem Ort des Gedenkens neben den Fotos der Kriegsteilnehmer aufgehängt wird. Nach Rücksprache mit dem Standortkommandanten ließe sich das bestimmt besorgen. Was ist dagegen ein Gang über den Baumwipfelpfad in Fischbach? Nur etwas für Langweiler. Dieser Einsatz gibt Gesprächsstoff für Generationen staunender Studentinnen und Studenten. Wer will angesichts solcher Lebenserfahrungen noch etwas von Simultaneen oder lutherisch-reformierten Streitigkeiten hören? Da schaudert es den Nachwuchs, wenn er im Internet die neu erfassten Titel findet, die der Öffentlichkeit zugänglich sind. Ob wirklich alles für die Zukunft der Landeskirche so hilfreich ist?
- Braune Wirtschaftspost: nationalsozialistischer Wirtschaftsdienst; Mitteilungsblatt des Instituts für Ständewesen, Düsseldorf. – Berlin : Berger/ Düsseldorf, Erscheinungsverlauf: 1.1932 – 9.1939 / Erscheinungsweise: zunächst monatlich; ab 2.1933,1 (20.7.1933) wöchentlich, Anzahl Bände: 25, Signatur: L 307
- Amtsblatt des Reichskommissars für die Rückgliederung des Saarlandes. – Saarbrücken, Erscheinungsverlauf: [1.]1935,1 (9.März) – 2.1936,21, Anzahl Bände : 2, Signatur: Zc 2
- Verordnungs- und Amtsblatt des Reichskommissars für die Saarpfalz. – Saarbrücken, Erscheinungsverlauf: 1.1940 – 2.1941,5, Anzahl Bände : 2, Signatur: Zc 2
- Verordnungs- und Amtsblatt des Reichsstatthalters in der Westmark. – Saarbrücken, Erscheinungsverlauf: 2.1941,6 – 5.1944,7, Anzahl Bände : 1, Signatur: Zc 2
- Ewiges Deutschland: Monatsschrift für den deutschen Volksgenossen. – Berlin, Erscheinungsverlauf: [1.]1936,Apr. – [2.]1937; 3.1938 – 5.1940,2; ; damit Ersch. eingest., Anzahl Bände: 1, Signatur: L 1001
- Der Schulungsbrief: das zentrale Monatsblatt der NSDAP und DAF / Hrsg. Der Reichsorganisationsleiter der NSDAP. – Berlin : Eher, Erscheinungsverlauf: 1.1934 – 11.1944[?], Anzahl Bände: 1, Signatur: L 1001
- Unser Wille und Weg: Ausgabe B: Monatsblätter der Reichspropaganda-Leitung der NSDAP; die parteiamtliche Propagandazeitschrift der NSDAP. – München: Eher, Erscheinungsverlauf: 4.1934 – 8.1938, Anzahl Bände: 23, Signatur: L 268
- Unser Wille und Weg: Monatsblatt der Reichspropaganda-Leitung der NSDAP. – München, Erscheinungsverlauf: 1.1931 – 3.1933; 9.1939 – 11.1941[?], Anzahl Bände: 1, Signatur: L 268
- Die Westmark: Monatsschrift für deutsche Kultur. – Neustadt, Weinstr.: Westmark-Verl., Abt. Zeitschr., Erscheinungsverlauf: 1.1933/34 – 2.1934/35; 4.1936/37,4(Jan.) – 10.1942/43,9, Anzahl Bände: 54, Signatur: L 334
- Unsere Heimat: Blätter für saarländisch-pfälzisches Volkstum; Mitteilungsblatt der Abteilung Volkstum und Heimat in der NS-Kulturgemeinde des Pfälzerwald- und Saarwald-Vereins / hrsg. vom Volksbildungsverband Pfalz-Saar. – Heidelberg [u.a.] : Westmark-Verl., Erscheinungsverlauf: [1.]1935/36 – [2.]1936/37; 3.1937/38 – 4.1938/39; damit Ersch. eingest. Anzahl Bände: 14, Signatur: L 284
- Positives Christentum: Wochenblatt für alle christlichen Aufbaukräfte im Dritten Reich. – Berlin, Erscheinungsverlauf: 1.1935 – 7.1941,15; damit Ersch. eingest., Anzahl Bände : 4, Signatur: L 411
- Leben und Weltanschauung: Monatsschrift für christliche Lebensgestaltung und deutsche Weltschau. – Dresden, Erscheinungsverlauf: 7.1932 – 16.1941, Anzahl Bände: 30, Signatur: L 185
Spardebatten hin, Spardebatten her. Endlich haben wir ausreichend Material für einen landeskirchlichen „Giftschrank“. Mitarbeiter/innen des Landeskirchenrates können sich in der Mittagspause in diese Zeugnisse radikaler Aufklärung der Vergangenheit, die uns diese Ergebnisse der Sammelleidenschaft des ehemaligen Vereinsvorsitzenden Dr. Kaul vor Augen führen, andächtig vertiefen. Sie geben die Richtung an. Die Hauptsache gesammelt und öffentlich zugänglich gemacht. Oder vielleicht doch nicht? So wissen wir, was einmal Sache war und was wir vor Missgunst und Übelwollen im fernen Westen vor dem Schlapphut, der auf der Sickinger Höhe bis heute sein Unwesen treibt, sichern mussten. Wer kulturelles Leben fördern will, muss in die Bresche springen und Opfer bringen.
„Zweibrücken bleibe weiterhin Gegenstand geschichtlicher Forschung und aktiver Aufmerksamkeit.“ Was schwant uns, wenn wir das auf der Homepage der Landeskirche weiter unten lesen? Ich freue mich, wenn ich an die Buchbestände denke, die in Kirchengemeinden, in Pfarrämtern, im Dekanat, bei diakonischen Einrichtungen oder in Privatbibliotheken der Erforschung und Aufmerksamkeit der wachsamen Augen unseres Vorstandes harren.
Es bietet sich nach einer entsprechenden Absprache an: Jede/r anständige Bücherbesitzer/in meldet ihre/seine Bestände, lenkt die Aufmerksamkeit des Vorstandes darauf, lässt sie durchforschen, und potz Blitz steht der Möbelwagen vor der Tür und dank der unerschöpflichen Schaffenskraft in Speyer darf ich dann meine und andere Bücher übers Internet in der landeskirchlichen Bibliothek ausfindig machen und bestellen. Kostenlos erhalte ich sie wieder zugeschickt. So erspare ich mir einen Raum mit Bücherregalen. Zu Ende ist das asoziale Büchersammeln in den Pfarrhäusern, die goldenen Zeiten echter Nächstenliebe und Solidarität sind kollektiv durchgesetzt. Nach den glorreichen Erfahrungen mit Kolchosen, LPGs und VEBs marschiert ein Verein an der Spitze des Fortschritts fröhlich ein Banner vor sich her tragend, die Anleitung könnte aus einem oben genannten Schulungsheft entnommen werden. Oder endlich setzt ein Verein zum großen Sprung nach vorn an und entdeckt die Vorzüge der Kulturrevolution, leider nur auf pfälzisch-kirchengeschichtlich.
Wir gewinnen Platz vor Ort, plagen uns nicht mit altem Plunder, unterlassen alles, was den Buchbeständen schadet und erhalten per Post, das was uns zugeteilt wird. Danke singt man im Chor, ….
Welch ein Zuwachs in Speyer! Ich hoffe, dass die einzelnen sich etwas zurückhalten und nicht aus der Reihe tanzen und gar vordrängen. Doch wir kennen uns. Pfälzer Pfarrerinnen und Pfarrer, Haupt- und Ehrenamtliche, die sich lustvoll um die Abgesandten scharen, die ihre ungeliebten Bücher großzügig entgegennehmen und sie vom Kulturballast befreien. Endlich wieder im Arbeitszimmer frei atmen können, nachdem das bedruckte Papier entsorgt ist.
Schöne neue Welt. Mein Arbeitszimmer hat jetzt endlich Platz für … Ja, wofür denn? Dämmmaterial, Holzscheite, Kinderbetten (eher für jüngere Amtsschwestern und Amtsbrüder, nicht in Anbetracht meines Alters). Endlich haben wir Platz für Ordner, in denen wir die Quittungen der Tankstellen zwischen St. Ingbert, Zweibrücken oder Homburg und Speyer oder die Strafzettel und Bußgeldbescheide sammeln, die wir zahlen, weil wir einem inneren Muss gehorchend zu eilig nach Speyer gerast sind, um dort wegen des Ausfalls der Post das Buch selbst abzuholen, oder falls uns eine Wahnidee packt, wir ein Zweit- oder Drittbuch brauchen. Doch dank der steigenden Benzinpreise und des wachsenden Umweltbewusstseins halten sich diese Stippvisiten in Grenzen und damit die Zahl der erforderlichen Ordner. Doch verschonen wir Forscher und Aufmerksamkeit Verschenkende mit den lästigen Bemerkungen, die ihre Ohren beleidigen, dass wir so lange brauchen, bis wir in Speyer sind. Sie stellen doch nur unsere niederen Beweggründe bloß. Wir sind eben zu geizig, um uns als Zweitwagen einen Porsche anzuschaffen.
Ich könnte mir so ein Brett an die Wand nageln, falls ich im Notfall für lange Winterabende ein Dutzend Bücher ausleihe. Doch ich sehe schon wie die aufmerksamen Forscher die Stirn runzeln und mir mit dem Zeigefinger drohen. Wer möchte schon in einer Zentrale durch geleerte Magazinräume gehen und vor gähnend leeren Regalen stehen. Also beschränken wir den Leihverkehr auf ein paar Exemplare, schließlich kann jeder einmal in einer Freistunde auf die Schnelle in der Rossmarktstraße vorbeigaloppieren. Doch leider wird auch der Hafer immer teuerer. Also steht zu befürchten, dass die Magazine überquellen, mangels eines massenhaften Büchertourismus. Da sei auch die Bildzeitung vor, dass am Ende Hinz und Kunz aus dem Westrich anklopfen und Bücher ausleihen. Muss man doch bei dieser Spezies homo sapiens vasti regni befürchten, dass sie mit ihren ungewaschenen Fingern und mit ihren von der Fahrt schweißigen Händen die Blätter der Druckschriften berühren.
Also wem Bücher lieb und wert sind, der übergibt sie Menschen, die ihn/sie zum Gegenstand der geschichtlichen Forschung machen und vertraut sich ihrer Aufmerksamkeit an. So wird manches Zimmer entrümpelt, gewinnen die Bewohner Platz und können sich völlig neu bei ihren kulturellen Tätigkeiten entfalten: Heimtrainer oder Tischtennisplatte. Ping, pong für die Gesundheit statt Bedrucktem, das doch nur die Augen verdirbt, Spielzeugeisenbahn für Kinder oder Enkel. Die brüderliche Nothilfe dankt es mit niedrigeren Sätzen und gewährt dem besorgten Vorstand einen Sonderrabatt.
Vielleicht könnten sich Vereinsvorstand und Landeskirchenrat auf Hörbuchfassungen aller Schriften verständigen. Die Sprecherinnen und Sprecher erhalten einen kostenlosen Sprachkurs während ihrer Dienstzeit und reservieren sich ein paar Stunden jeden Tag, an dem sie statt beruflich Unheil anzurichten, die sprachlichen Schönheiten der gesammelten Schriften medial festhalten, ehe es zum Versand geht. Dann reicht bei den Empfängern einfach ein kleines Kästchen und der Ärger mit dem Bücherkram ist ausgestanden. Der Vorteil für Zweibrücker Empfänger ist unermesslich. In einer ruhigen Ecke des Rosengartens, umschwirrt von Insekten, betört vom Blütenduft, lauschen wir wie uns Frau X oder Herr Y das „Verordnungs- und Amtsblatt des Reichsstatthalters in der Westmark. – Saarbrücken, Erscheinungsverlauf: 2.1941,6 – 5.1944,7, Anzahl Bände: 1, Signatur: Zc 2, vorträgt. Gibt es ein himmlischeres Vergnügen bis in den Spätsommer hinein?
Sollte trotz alledem jemand das Verlangen verspüren, an der Schriftauswahl zu zweifeln, wird eine Leerkassette mitgeschickt, die Platz für Kommentare hat. Aber wollen wir das wirklich? Etwas anzweifeln bei so viel Liebe und Güte? (EG 608)
Hoffentlich merkt das Finanzamt nicht, das dieser Verein eigentlich der Vergnügungssteuerpflicht unterliegt und die Mitglieder ihre Beiträge nicht mehr bei der Steuererklärung absetzen können. Ob ich das als Vereinsmitglied weiter unterstützen soll? Aber das wäre ungerecht, schließlich sollte die Dankbarkeit über den gewonnenen Platz in meiner Wohnung obsiegen. Schließlich sind wir doch alle Schwestern und Brüder und leben in der besten aller möglichen (Kulturförderungs-) Welten.
Oder ist der Schlapphut aufgewacht und springt denen ins Genick, die nächtens die Fahrt aus dem Westrich in die Niederungen am Rhein fürchten?
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