Schöpfung: glauben – loben – handeln

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Schwier, Helmut / Welker, Michael (Hg.): Schöpfung: glauben – loben – handeln. Predigten und Reflexionen zu Natur und Schöpfung, Universitätsverlag Winter GmbH Heidelberg. ISBN 978-3-8523-5836-5. 135 Seiten, 16,– Euro

Dr. Günter Geisthardt
Eichbornstraße 17, 76829 Landau

Predigtsammlungen erhalten ihre Attraktivität häufig aus dem Bekanntheitsgrad der Prediger, zuweilen auch aus den Anlässen der jeweiligen Predigten. In jedem Fall spiegeln Bände mit Predigten die Spannung zwischen der Predigt als mündlicher Rede und dem gedruckten Text wider. Der von den Heidelberger Theologen Helmut Schwier und Michael Welker herausgegebene Predigtband zur Schöpfung geht auf Universitätsgottesdienste an der Peterskirche in Heidelberg im Sommersemester 2010 zurück. Dementsprechend handelt es sich bei den Predigern überwiegend um Hochschulprofessoren sowie Studierendenseelsorger. Angaben zur musikalischen Gestaltung der einzelnen Gottesdienste erleichtern es dem Leser, sich den jeweiligen gottesdienstlichen Zusammenhang vorzustellen. Beigefügt sind vereinzelt auch Hinweise zu der von den Autoren verwendeten Literatur. Dies ist nicht nur angesichts der aktuellen Debatte zum Thema „geistiges Eigentum“ wert festgehalten zu werden, sondern auch weil es die Möglichkeit eröffnet, einzelne Gedankengänge vertiefend weiter zu verfolgen.

Mehr als eine einzelne Predigt bietet eine Predigtreihe die Chance, unterschiedliche Facetten des biblischen Redens von Schöpfung zur Sprache zu bringen. Dies ist hier tatsächlich der Fall: Sowohl die individuelle Wahrnehmung von Schöpfung (zu der neben der Natur auch die Kultur zu zählen ist), als auch der gesellschaftliche Umgang mit Natur werden homiletisch aufgenommen. Wie bei dem Thema zu erwarten ist, beziehen sich die meisten Predigten des Bandes auf alttestamentliche Texte. Freilich sind auch eine Predigt über Römer 8, 18-26 (Wolfgang Huber), eine Liedpredigt (Franziska Gnädinger) sowie eine Katechismuspredigt (Wilfried Härle) enthalten.

Es fällt schwer, einzelne Predigten besonders hervorzuheben. Zwei Beispiele sollen exemplarisch Aspekte verdeutlichen, die in den Blick genommen werden und die für die aktuelle theologische Diskussion relevant sind.

„Die Erde beherrschen oder bewahren?“ Dieser Frage stellt sich der Ethiker Klaus Tanner im Anschluss an Gen 1,28-30 und 2,15. Am Beispiel des Rheinbegradigers Johann Gottfried Tulla zeichnet er eine wirkmächtige Linie nach, die Forschung und Technik mit dem Herrschaftsauftrag der biblischen Schöpfungserzählung legitimiert – im Gegensatz zu den gegenüber Naturveränderung kritischen, ökologisch sensiblen Strömungen. Fazit: Für den Umgang mit den unausweichlichen Spannungen im Verhältnis zur Natur brauchen wir die Ermutigung, die der Glaube an den Schöpfer vermittelt.

Dass das Gutsein der Schöpfung lebensförderlich bedeutet und nicht paradiesisch oder göttlich, schärft Michael Welker in seiner Predigt über Psalm 19 ein. Wir können von der Bibel lernen, auch die dunklen Seiten der Natur als Teil der Schöpfung wahrzunehmen. Natur und Leben sind keine Heilsbegriffe. In den Ambivalenzen der Schöpfung wie in den Grauzonen unserer kulturellen Lebensverhältnisse bleiben wir auf Gott angewiesen, so Welker. Denn „Gott kann auch aus Leiden, Not und Tod Neues und Gutes schaffen“.

Reizvoll ist die Lektüre des Bandes nicht nur wegen des differenzierten Umgangs mit dem Thema „Schöpfung“ in den verschiedenen Predigten, sondern auch wegen der beigefügten „Reflexionen zu Natur und Schöpfung“. Dazu gehört eine in theologiegeschichtlicher Hinsicht interessante Andacht Gerhard von Rads zum Johannisfest aus dem Jahr 1925 mit einer Einführung von Martin Hauger sowie ein Aufsatz des britischen Physikers und anglikanischen Theologen John C. Polkinghorne. Dieser eignet sich hervorragend als Zugang zu Grundfragen des Dialogs zwischen Naturwissenschaft und Theologie. Worin sich Schöpfungstheologie und naturwissenschaftliche Kosmologie ergänzen, wie Schöpfung als creatio continua im Gegenüber zu physikalischen Konzepten der Weltentstehung zu verstehen ist, dazu bietet Polkinghorne weit gespannte Reflexionen, die auch vor den dunklen Seiten menschlicher Welterfahrung nicht Halt machen. „Wir werden Behemot betrachten müssen, wenn wir uns erinnern: Gott hat ihn geschaffen wie auch uns.“

Insgesamt: eine lohnende Lektüre, nicht nur, aber insbesondere für Predigerinnen und Prediger!

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