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Prof. Dr. Reinhard Frieling
Von-Hees-Straße 3, 64646 Heppenheim

Paul Metzger, Brennpunkt Ökumene. Möglichkeiten am Ort. Mit einem Vorwort von Johanna Rahner und einem Nachwort von Abt  Marianus Bieber OSB, Verlagshaus Speyer 2014, 96Seiten, 9,90 Euro

ISBN 978-3-939512-65-3.

Das Buch ist eine evangelische Vorbereitung auf den geplanten Ökumenischen Kirchentag in Speyer 2015, der auf Initiative des Katholischen Bistums  Speyer und der EvangelischenKirche der Pfalz stattfinden wird. 

Der Autor Dr. Paul Metzger ist Pfarrer der PfälzischenLandeskirche und arbeitet  freigestellt als wissenschaftlicher Catholica-Referent am Konfessions kundlichen Institut in Bensheim, einem  Ökumene-Institut der EKD.

Sein Ziel ist es, die zentralen ökumenischen Fragen in allgemein  verständlicher Sprache dazustellen und zu beantworten: Was geht gemeinsam? Was  nicht? Wie kann die Hoffnungauf mehr ökumenische Gemeinschaft  realisiert werden?

I.

Ich beginne mit einem persönlichen Erlebnis, das ich nach einem ökumenischenGemeindevortrag hatte. Eigentlich wollte ich heute das als Schlusswort sagen. Aber ichnehme das Schlusswort jetzt als Einleitung, weil auch Paul Metzger in der Einleitung seinesBuches genau diese Fragen stellt.

Das Thema war: „Katholisch und Evangelisch. Was eint, was trennt?“ Bei  derDiskussionsrunde meldete sich ein pensionierter Oberstudiendirektor  zu Wort: „Seit 40 Jahrenbefassen Sie sich also als Konfessionskundler und  Ökumeniker mit Fragen wie ‚Braucht die Kirche einen Papst?  Welche Rolle  spielen Marien- und Heiligengebete im christlichen Glauben? Was passiert mit Brot und Wein beim Abendmahl oder bei der Eucharistie?  Hat der Priester  durch den Akt der bischöflichen Ordination eine besondere Amtsgnade?  Ist die Eheunauflöslich oder dürfen nach zerrütteter Ehe Geschiedene  wieder christlich heiraten und zum Abendmahl gehen?“

„Herr Frieling“, sagte der Direktor, „Sie tun mir sehr leid, dass Sie sich  jahrzehntelang damitbefassen mussten. Meine katholische Frau und ich als  evangelischer Christ, wir bemühenuns, christlich zu leben, die Kinder und Enkel christlich zu erziehen, Tisch- und Gute-Nacht-Gebete mit ihnen zu sprechen und auch regelmäßig die Gottesdienste  unserer Kirchen zubesuchen. Aber diese Fragen des sogenannten  ‚Brennpunkts Ökumene’ kommen in unseremchristlichen Alltagsleben  nicht vor. Wir praktizieren eine Ökumene, von der die Amtsträger und  Theologen der verfassten Konfessionskirchen noch träumen.“

Paul Metzger hat – ähnlich wie auch ich – eine gewisse Sympathie mit dieser Äußerung.Metzger geht auch gleich auf den ersten Seiten seines Buches bei der Beschreibung der konfessionellen und ökumenischen Realitäten darauf ein. Angesichts dieser Realität ist es einzelnen Christen selbstverständlich und legitim, in dieser Weise ökumenisch zu leben. Es muss aber andererseits auch mit dieser Erfahrung weiter gebohrt und gefragt werden, war um es  zwischen den  Kirchen noch die  erwähnten offenen  Fragen gibt, die eine gegenseitigeAnerkennung und volle Kirchengemeinschaft verhindern.

Nach aller geschichtlichen Erfahrung genügt für die Einheit der Kirche  nicht eine Einigung auf der Basis eines kleinsten gemeinsamen Nenners.  Wir  brauchen gemeinsame Kriterien für die Frage, was gottgewollt ist und was aufgrund der geschichtlichen  und kulturellen  menschlichen Erkenntnis jeweils Ausdruck einer  legitimen christlichen Vielfalt ist – und wie konfessionelle Christen bei  bleibenden Kontroversen miteinander umgehen.

Paul Metzger beschreibt darum im ersten Teil seines Buches  („Grundsätzliche Fragen“) nichteinfach wie ein Fremdenführer die  Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen denKonfessionen, sondern  er bohrt jeweils nach den Motiven und den theologischen, philosophischen und psychologischen Begründungen eines Standpunktes  oder einer Lehre.

Man nennt solche Methode heute „Empathie“. Das ist die Bereitschaft und Fähigkeit, dieMotive, Gedanken und Gefühle anderer zu erkennen und zu verstehen. Das Bensheimer Ökumene-Institut hat das alte wissenschaftliche Wort „Konfessionskunde“ darum zu treffend und programmatisch so beschrieben: „den andern kennen wie sich  selbst“.

Und die katholische Theologieprofessorin Johanna Rahner (Tübingen) schreibt im Vorwort zuMetzgers Buch, dass dafür nicht nur wie gewohnt ein theoretischer Vergleich der Lehren gehört, sondern dass die persönlichen und gemeinsamen Erfahrungen der Ökumene in derFamilie und am Ort ein eigenes theologisches Gewicht haben. Ähnlich beschreibt imNachwort des Buches Abt Marianus Bieber das Zusammenleben von Mönchen deslateinischen und des byzantinischen Ritus in der Benediktinerabtei Niederaltaich  als gelungene „geistliche Ökumene“, obwohl – wie er sagt – „eine offizielle Einheit der Kirche  nach menschlichem Ermessen nicht abzusehen ist“ (93).

II.

Von „Empathie“ geprägt skizziert Paul Metzger „die zentralen  ökumenischen Kontroverspunkte eingehend, analysiert und erläutert die erreichten Gemeinsamkeiten in einer prägnanten und gut verständlichen Sprache, liefert die notwendige Grundlageninformation und versteht es dabei, auch das  theologische Fachwissenanschaulich und praxisbezogen zu präsentieren“ (Johanna Rahner, S. 5).

Anhand der zahlreichen ökumenischen Erklärungen beschreibt Metzger,  dass es heute einen evangelisch-katholischen Konsens über Grundaussagen des Evangeliums von Jesus Christus gibt, z.B. in der Gemeinsamen Erklärung von 1999: „Allein aus  Gnade im Glauben an die Heil stat Christi, nicht auf Grund unseres Verdienstes, werden wir von  Gott angenommen und empfangen den Heiligen Geist, der unsere Herzen erneuert und uns befähigt und aufruft zu guten Werken.“ Dieser gemeinsame christliche Glaube an den drei einen Gott ist nicht ein Minimalkonsens, sondern ein Fundamentalkonsens, der auch demChristen der anderen Konfession grundsätzlich das Heil Gottes verheißt. Salopp formuliert:Mehr als in den Himmel kommen, gibt es nicht.

Das ist ein radikaler Bruch mit der traditionellen Ketzergeschichte, bei der der Irrtum in einemPunkt der christlichen Lehre jemanden zum ganzen Ketzer machte. Gemeinsames imGlauben wurde nicht mehr gezählt, es folgte der Ausschluss aus der Kirche, oft mit derKonsequenz des Scheiterhaufens und der Drohung, das ewige Leben verloren zu haben.

Heute betont man ökumenisch das Gemeinsame im Glauben und beleuchtet und bewertet indiesem Lichte die verbleibenden konfessionellen Unterscheidungen.

Metzger behandelt so das jeweilige Verständnis von Kirche, Amt und Auslegung der Bibel unddabei natürlich die entsprechenden theologischen Begründungen: z.B. katholischerseits dieKirche als mystischer Leib Christi und die mystische Einheit von himmlischer und irdischerKirche; sodann das christologisch begründete priesterliche Weiheamt, „in der Person Christi“ (also als Mann) sakramental zu handeln, und schließlich in der Führung des Heiligen Geistesdie Heilige Schrift und die Tradition authentisch in der Gemeinschaft von Papst und Bischöfenauszulegen.

Evangelischer seits wird die irdische Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden verstanden, wo immer das Evangelium „lauter und rein“ verkündigt wird. Das allgemeine Priestertum derGlaubenden hat dem funktionsgerecht zu dienen, ohne dass eine bestimmte Hierarchie als gott gewollte Ordnung  geglaubt wird.

So arbeitet Metzger mit Empathie heraus, dass die Konfessionen im Wesentlichen denselbenGlauben an den drei einen Gott haben, dass sie aber uneinig sind bei den Fragen, was sie von sich selber glauben: von der Kirche und ihrer Autorität und von den Autoritäten in derKirche. Was ist hier jeweils  göttliche Offenbarung und was menschlich gedachte und geschichtlich bedingte Metaphysik und Vernunft?

Im 2. Teil des Buches wendet Metzger diese grundsätzlichen Fragen auf einige „Brennpunkteder Ökumene“ an: Ökumenische Gottesdienste, Taufe, Abendmahl/Eucharistie und Ehe.Dabei erschließt er eine Menge Möglichkeiten zu mehr ökumenischer Gemeinschaft, ohneeine institutionelle ökumenische „Einheitskirche“ zu werden. So ist das Buch einebedeutsame Orientierungshilfe für den geplanten Ökumenischen Kirchentag in Speyer 2015.Hier wird kein Zeigefinger erhoben, der der eigenen Konfession oder gar anderen Kirchenzeigen will, wo es ökumenisch lang geht. Doch Anregungen auch zu strukturellenökumenischen Öffnungen sind durchaus gegeben.

III.

Ich möchte darum abschließend – gewissermaßen als nichtpfälzischer Nachbar – zweiErfahrungen weitergeben, die vielleicht der Ökumenische Kirchentag  in Speyer 2015aufnehmen und zur Verwirklichung in den Gemeinden  führen kann. Ich meine einige guteErfahrungen, die sich in Landeskirchen und  Diözesen in den letzten Jahren durch die gemeinsamen Verpflichtungen der Charta Oecumenica ergeben haben.

Die Charta wurde im Jahre 2001 vom Rat der Katholischen EuropäischenBischofskonferenzen und von der Konferenz Europäischer Kirchen (das ist derZusammenschluss fast aller nicht-römisch-katholischen Kirchen in Europa) verabschiedet.Beim ersten Ökumenischen Kirchentag in Deutschland in Berlin 2003 haben alle Kirchen diese Charta  auf der höchsten Ebene ihrer Repräsentanz feierlich unterzeichnet. Sie wurde in zwischen Grundlage für eine Reihe von feierlich verabschiedeten ökumenischenPartnerschaften am Ort, mit bestimmten Verpflichtungen zu mehr  Gemeinschaft. So wird die Ökumene nicht von oben verordnet, sie ist dann  auch nicht mehr vom Wohlwollen oder vomBremsen einzelner Amtsträger abhängig. Hier werden Ökumenische Gottesdienste, gegenseitige Einladungen zu Gottesdiensten und Gemeindekreisen,  Notfallseelsorge und auch Partnerschaften von Caritas und  Diakonie usw. fest abgesprochen. Inzwischen gibt es auch  eine „Charta Oecumenica socialis“.

Das bemerkenswerteste an der Charta Oecumenica sind die „Selbstverpflichtungen“: Nichtwilde Ökumeniker setzen sich über dogmatische Grenzen hinweg. Sondern: Wer immer sichdie Charta zueigen macht, „verpflichtet“ sich zum ökumenischen Geist. Und ich behaupteeinfach einmal: Auch in der Pfalz geschieht eine ökumenische Revolution von unten, wenndie Teilnehmer des Ökumenischen Kirchentags in Speyer 2015 sich so verpflichten:

„Unsere in Christus begründete Zusammengehörigkeit ist von fundamentaler Bedeutunggegenüber unseren unterschiedlichen theologischen und ethischen Positionen“ (Nr. 6).

„Wir verpflichten uns, Selbstgenügsamkeit zu überwinden und Vorurteile zu beseitigen, dieBegegnung miteinander zu suchen und füreinander da zu sein“ (Nr.3).

„Wir verpflichten uns, auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens gemeinsam zu handeln, wodie Voraussetzungen dafür gegeben sind und nicht Gründe des Glaubens oder größereZweckmäßigkeit dem entgegenstehen“ (Nr.4).

Hier gilt also das Gemeinsame – und das getrennte Leben und Handeln muss begründetwerden. Bisher ist es noch weithin umgekehrt: Das konfessionelle Eigenleben gilt als normal– und für ein gemeinsames Handeln muss geworben werden.

Die ökumenischen Brennpunkte von Paul Metzger sind in ähnlicher Weise keine Illusioneneines unrealistischen ökumenischen Enthusiasten, sondern ein hilfreicher Startschuss fürmehr ökumenische Gemeinschaft.

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