Der Kelch als Symbol der Kirche

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Max Krumbach
Sundahlstraße 1, 66482 Zweibrücken

Gustav Adolf Werk Pfalz (Hg.), zusammengestellt von Hans, Friedhelm, Zwischen Leid und Versöhnung. Kelchgeschichten aus der Pfalz und Böhmen, Landau 2016

Das Gustav Adolf Werk Pfalz hat unter der Federführung von Friedhelm Hans eine Broschüre vorgelegt, die im Zeichen des Abendmahlskelches eine Brücke schlägt zwischen der ersten Reformation in den böhmischen Län­dern einerseits und der zweiten Reformation in pfälzischen Territorien an­dererseits.

Die vorliegende Veröffentlichung füllt eine Lücke, die die Verantwortlichen der EKD bei der Wahl der Themenjahre auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017 ausgelassen haben: Die erste Reformation (Ernesto Buonaiuti). [1]

Joel Ruml, der Synodalsenior der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder, führt in das Thema ein: „Der Kelch als Symbol der Kirche“ (vgl. auch: Pfälzisches Pfarrerblatt 9/2015, 263-268). Er behandelt die reformatorischen Bestrebungen im 15. Jahrhundert und würdigt den Beitrag des Theologen Ja­koubek ze Stříbra/Jacobus de Misa bei der Wiederherstellung der ursprünglichen Gestalt des heiligen Abendmahls und den ersten Feiern sub utraque 1414 in Prag. Später wird der Kelch das Sym­bol der ums Überleben kämpfenden europäi­schen Reformation hussitischer Prägung. Der Prager Kirchen­geschicht­ler Amedeo Molnár hat mit dem von ihm geprägten Begriff ‚waldensisch-hussi­tische Internationale‘ [2] einer nationalistischen Reduktion der ersten Reformation auf das tschechische Volk den Boden entzogen.

In seiner Schrift „De captivitate Ba­by­lonica ecclesiae“ bezieht sich Martin Luther 1520 auf die Böhmischen Brüder. „Wenn jemand ketzerisch und schismatisch zu nennen ist, dann nicht die Böhmischen Brüder und nicht die Griechisch Orthodoxen, weil sie die Evangelien als Grund­lage nehmen, …“ [3]

Zwei Kirchen in Tschechien haben den Kelch als ihr Symbol gewählt. Sie wollen damit ihre Identität in Erin­ne­rung an die Anfänge im 15. Jahrhundert zum Ausdruck bringen: die 1918 gebildete Unionskirche der Böhmischen Brüder, und die 1919/20 im Zuge der Los-von-Rom-Bewegung von modernistischen Katholiken begründete Tschechoslowakische Hussi­tische Kirche. Beide verweisen auf ihre Wurzeln in der ersten Reformation und darauf, „dass alle Christen ohne Unterschied am Heils­werk Christi vollständig teilnehmen“ (9).

Eine Fotostrecke verbindet Zeugnisse der hussitischen Geschichte und die Prager Feiern zum Gedenken an den Feuertod des Prager Magisters in Konstanz 1415-2015.

Ihr Liedgut ist neben Bibel und Katechismus ein Erkennungszeichen protestantischer Kirchen. Ladislav Moravetz führt in den Entstehungsprozess des neuen evangelischen Gesangbuchs ein, das unterschiedlichen liturgischen Traditionen Raum bietet. Als Vorbild dient das Reformierte Gesangbuch der Deutschschweizer reformierten Kirchen. Eine Besonderheit ist die Aufnahme von geistlichen Dialektliedern aus verschiedenen mährischen Gebieten, geschrieben „in der volkstümlichen osteuropäischen Modalität“ (27).

Auf die Auswirkung der reformatorischen Wiederentdeckung des heiligen Abend­mahls in Böhmen, Mähren und der Pfalz sowie auf die damit verbundenen Widerstände gehen drei Prediger ein: Friedhelm Hans, Landau, Dr. Arndt Haubold, Markkleeberg und Waltraud Zimmermann-Geisert, Pirmasens.

Die Kelchgeschichten aus der Luther- und Johanneskirche in Pirmasens, den prot. Kirchen Donsieders und Schönau werden fortgeführt durch Geschichten aus Bad Dürkheim und Bad Dürkheim-Seebach. Die Leser erfahren etwas über den ältesten erhaltenen Kelch aus An­ti­ochia, Metropolitan Museum of Art, New York, Kelche in Greifs­­wald, 15. Jhdt., und Rosenau, Siebenbürgen, 1719. Ausführlich beschrieben werden Abend­mahls­kel­che aus Altrip, Altstadt, Im­p­f­lingen und der Gedächtniskirche in Speyer. Dokumentiert ist eine Bestandaufnah­me durch Dr. Gabriele Stüber und Andreas Kuhn. Der Kelch der Salvator­kirche in Kallstadt aus dem Jahr 1737 und seine Nachbildung von 1849 sowie das Fensterbild mit Abendmahlskelch in Pleisweiler-Ober­hofen belegen lokale Wirkungsgeschichten.

Ein Verzeichnis der Orte, aus denen Abendmahlskelche stammten, die eingeschmolzen und in neue Formen gegossen wurden, zeugt von einem wachen Bewusstsein für Symbolik, mit dem Johann I. (1569–1604) im Herzogtum Pfalz-Zwei­brücken die Reformation entschlossen fortsetzte. 

Ein ausführlicher Bericht über die Silberschmiede Mathias Heck in Chemnitz, Wasserschloss Klaffenbach, beschließt die Broschüre.

Durch die politischen Verwerfungen des 20. Jahrhunderts hat sich seit der Gründung der Tsche­cho­slowakei das Verhält­nis zwischen der römisch-katholischen Mehrheitskirche, der Kirche der Böhmischen Brüder und der Tschechoslowakischen hussiti­schen Kirche tiefgreifend ge­än­dert. In einem mehrheitlich atheistisch geprägten Umfeld sind sie Minderheitskirchen geworden. Alle drei empfing Papst Franziskus am 15. Juni 2015 zur Audienz. Hus sei „heute nicht mehr Gegenstand von Zwietracht unter Christen“, „sondern Ansporn zum Dialog“ (52). Franziskus gibt unter Rückgriff auf den römischen Leitungsanspruch die Richtung vor: „Die sichtbare Gemeinschaft unter Christen bewirkt sicher, dass diese Botschaft glaubwürdiger wird. Dadurch, dass wir auf den Ruf Christi zu einer dauerhaften Umkehr antworten, die wir alle brauchen, werden wir in der Lage sein, gemeinsam auf dem Weg der Versöhnung und des Friedens voranzugehen“ (55).  Der Gottesdienst zur Versöhnung mit Gott und untereinander mit der Bitte um Vergebung zur Feier am 20. Juni 2015 anlässlich des  600. Jahrestages der Verbrennung von Meister Jan Hus, Prag, in Verbindung mit dem Gottesdienst am „Tag der Vergebung“, 12. März 2000 im Vatikan, ist dokumentiert.

Der Leser gewinnt den Eindruck, dass die vatikanischen Gesprächs­partner die Tragweite der Begegnungen, Gottesdienste und ökumenischen Veranstaltungen aus Anlass des Hus-Gedenkens 2015 im Gegen­satz zu den Vertretern des deutschen Protestantismus voll erfasst haben. Darauf deutet der Wunsch hin, mit dem Matthias Meyer seinen Rückblick auf 2015 zusammenfasst: „Möge diese Erklärung zu Jan Hus ein Schritt auf dem Weg zu einem neuen, vertiefenden Umgang mit dem Reformator Martin Luther im Jahr 2017 ermöglichen!“[4] 

Als Leser wünsche ich mir ein Büchlein, das die Anregungen des vorliegenden Heftes aufnimmt und weltweit Kelchgeschichten aus Kirchen sammelt, die das Abendmahl sub utraque feiern, wofür Magister Jan Hus und viele nach ihm mit ihrem Leben bezahlt haben. So können wir Nachgeborenen der Reformatoren des 16. Jahrhunderts die Wiederentdeckung des Laienkelches und das Ringen um das heilige Abendmahl in die Wirkungsgeschichte der ersten Reformation einordnen: „Das Sakrament gehört schließlich nicht den Priestern, sondern allen; die Priester sind nicht die Herren, sondern Diener, die verpflichtet sind, beiderlei Gestalt denen zu geben, die es in Anspruch nehmen wollen, so oft sie das verlangen.“ [5]

Das Heft kann gegen eine Schutzgebühr von 5,- Euro bei GAW Pfalz, Fried­helm Hans, Horststr. 99, 76829 Landau bezogen werden.

[1] Oberkirchenrätin Marianne Wagner hat ebenfalls den von der EKD gesetzten Rahmen verlassen, als sie beim Festgottesdienst der Evangelischen Kirchen an der Saar am 31. Oktober 2016 in Homburg zur Eröffnung des Reformationsjubiläums im Saarland in ihrer Predigt auf Petrus Waldes und Jan Hus Bezug nahm. Vgl.Buonaiuti, Ernesto, Pietre miliari nella storia del Cris­tiane­simo, Problemi d’oggi, Bd. 8, Modena 1935², 207.211ff

[2] Vgl. ua Gonnet, Jean / Molnar, Amedeo, Les Vaudois au Moyen Age, Turin 1974, 211 – 282

[3] Luther, Martin, De captivitate Babylonica ecclesiae. Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche. Lateinisch/Deutsch, Tieman, Hans-Hermann, RUB 1816, Stuttgart 2016, 37, BoA 1, 435, 40 – 436, 2, WA 6, 505

[4] Ökumene, MdKI 66, 2015, 127–130; 130

[5] Luther, Martin, De captivitate Babylonica ecclesiae Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche Lateinisch/Deutsch, Tieman, Hans – Hermann, RUB 1816, Stuttgart 2016, 43, BoA 1, 437, 29 – 31, WA 6, 507

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