Die frühe Bewährungsprobe für den Pfründestiftungsverband

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Irgendwann im vergangenen Jahr entstand im Vorstand unseres VPPP die Idee, im Frühjahr 2022 ein Sonderheft aus Anlass des 100jährigen Bestehens des Pfarrpfründestiftungsverbands zu gestalten. Das Heft erscheint nun also in einer Zeit, die nicht nur innerhalb der Kirchen als sehr krisenhaft erlebt wird, sondern unsere gesamte Gesellschaft vor Herausforderungen bisher ungeahnten Ausmaßes stellt. Aber gerade deshalb kann der Blick um 100 Jahre zurück ausgesprochen lehrreich sein, denn auch damals war die Welt im Krisenmodus, und auch der Pfarrberuf musste seinen Teil zur Krisenbewältigung beitragen.

Nach einer einführenden Überblicksdarstellung von Sabine Fritsch und einem aktuellen Bericht über die gegenwärtige Arbeit der Pfründestiftung durch deren Geschäftsführer Renaldo Dieterich rezensiert Friedhelm Hans eine Arbeit aus dem Jahr 1913 über die Vorgeschichte der Pfarrpfründe. Im zweiten Teil des Hefts wird eine Auseinandersetzung dokumentiert, die im Dezember 1923 und Januar 1924 Pfarrerverein und Landeskirchenrat beschäftigte: Es geht um die Forderung einer Gruppe von Pfarrern, den gerade erst gegründeten Pfründestiftungsverband wieder aufzulösen. Dazu gab es in der Ausgabe 1/1924 vier Beiträge im Pfälzischen Pfarrerblatt: einen Aufsatz vom damaligen Schriftleiter Richard Bergmann über die Zentralisation der Pfründe im Stiftungsverband, die Eingabe der vier Pfarrer Westenberger, Butz, Lischer und Scheurer aus dem Dekanat Kusel, die Stellungnahme des Pfarrervereins, vertreten durch seinen Vorsitzenden Stichter, sowie ein Nachwort des Schriftleiters. Sabine Fritsch erarbeitete eine druckfähige Vorlage dieser Beiträge und konzipierte dieses Themenheft. Dafür sei ihr herzliche gedankt!

Um die Debatte um die Auflösung der Pfründestiftung zu verstehen, muss man sich die Gesamtlage der ersten Jahre der Weimarer Republik und hier vor allem die Situation der Kirchen und speziell der Pfarrerbesoldung klar machen. Der 1899 gegründete Pfälzische Pfarrerverein setzte sich von Anfang an für eine gerechte Besoldung der Pfarrer ein. Dazu gehörte ein Ausgleich für die sehr großen Gehaltsunterschiede der Pfarrer in Gemeinden mit großen, kleinen oder gar keinen Pfründen. Zwar brachte die napoleonische Zeit den Beginn der staatlichen Gehaltszuschüsse, aber erst die im späten Kaiserreich eingeführte Kirchensteuer, die ausschließlich zur Finanzierung der Pfarrergehälter gedacht war, schuf eine solide Grundlage, die jedoch durch die jeweilige Pfründe ergänzt werden musste, um ein ausreichendes Einkommen zu erlangen. Nachdem die Kirchensteuer eingeführt war, richtete der Pfarrerverein deshalb seine Arbeit aus auf die Schaffung einer einheitlichen Pfarrbesoldung und die Verbesserung der sozialen Absicherung der Pfarrer und ihrer Familien. Die Ergebnisse waren die Gründung des Pfründestiftungsverbands und wenige Jahre später des Werks gegenseitiger Hilfe zur Absicherung der Krankenkosten.

Die Hyperinflation des Jahres 1923 wurde für die Pfründestiftung zur Bewährungsprobe. Die deutsche Währung verlor in Rekordzeit an Wert, und auf der Mitgliederversammlung des Pfälzischen Pfarrervereins im November 1923, auf der offensichtlich zehn Personen anwesend waren, gab es eine Diskussion über die Auflösung des Pfründestiftungsverbands. Die Mitgliederversammlung stimmte mehrheitlich für dessen Weiterführung. Die vier Pfarrer aus dem Dekanat Kusel, von denen zwei auf der Mitgliederversammlung anwesend waren, einer von ihnen der dortige Vertrauensmann des Pfarrervereins, richteten nur am Vorstand des Vereins vorbei eine Eingabe an den Landeskirchenrat, in der sie diesen um Unterstützung baten zur Auflösung der Pfründestiftung. Die Begründungen, und dieses moniert Bergmann in seinem Schriftleiter-Nachwort in aller Deutlichkeit, waren rein egoistischer Natur: Die protestierenden Pfarrer lebten in Gemeinden mit großem Pfründebesitz, den sie im Grenzgebiet zum französisch besetzten Saarland, wo mit französischen Geld bezahlt werden musste, gerne selber genutzt hätten, um so ihren Lebensunterhalt besser sichern zu können.

Der Vorstand des Pfarrervereins verurteilt in seiner Stellungnahme das unsolidarische Verhalten der Kollegen und deckt mehrere fehlerhafte Darstellungen auf, die offensichtlich den Landeskirchenrat zu dem Urteil führen sollten, dass der Beschluss der Mitgliederversammlung keineswegs repräsentativ für die pfälzische Pfarrerschaft sei. Tatsächlich aber bot die Zentralisation der Pfründe in der Währungskrise die Gewähr dafür, dass jeder Pfarrer überhaupt – wenn auch auf niedrigem Niveau – versorgt werden konnte. Deshalb schreibt Bergmann, dass man den Pfründestiftungsverband, wenn es ihn denn nicht schon gegeben hätte, gerade angesichts der Geldentwertung hätte erfinden müssen.

Vielleicht kann ein Blick um 100 Jahre zurück in die Texte des Pfälzischen Pfarrerblattes für den heutigen VPPP einige Dinge lehren, die man gelassen hinnehmen muss, weil sie offenbar immer schon so waren; dazu gehört in erster Linie die Erkenntnis, dass die Solidarität innerhalb der Pfarrerschaft dort ein Ende hat, wo es ganz konkret um den eigenen Geldbeutel geht. Die quälenden Debatten um die Kürzung der Pfarrgehälter vor zwei Jahrzehnten erscheinen als Wiedergänger der hier dokumentierten Auseinandersetzung.

Auf der anderen Seite zeigt sich aber auch, dass Herausforderungen bewältigt werden können, wenn solidarisch zusammengearbeitet wird. Deshalb verbietet sich angesichts der heutigen krisenhaften Situation ein Gegeneinander von Pfarrverein und Landeskirchenrat, wie es in früheren Zeiten oft die Regel war. Schließlich kann man erkennen, dass die Existenz eines Pfarrvereins damals wie heute unverzichtbar ist, denn in den Gremien des Vereins und in seinem Organ, dem Pfälzischen Pfarrerblatt, können auch heute noch Debatten geführt werden, die anderswo in der Kirche keinen Ort haben, aber für die Diskussionskultur innerhalb der gesamten Kirche wichtig und klärend sein können.

Martin Schuck

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