Reformierte Bekenntnisschriften

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Eine Auswahl von den Anfängen bis zur Gegenwart, hg. von Georg Plasger und Matthias Freudenberg, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005, 280 S., geb. 19,90 €; ISBN 3-525-56702-2.

Mario Fischer
Collegium Oecumenicum, Sondermeierstraße 86, 80939 München

Der Kanon der lutherischen Bekenntnisschriften wurde durch das Konkordienbuch im Jahre 1580 festgelegt. Auf reformierter Seite wurde ein solcher Kanon nie definiert. Die Bekenntnisschriften haben einen anderen Rang und eine andere Funktion als in den lutherischen Kirchen. Sie bilden kein einigendes Band, das noch dazu Geltung in der ganzen Konfessionsfamilie beanspruchen könnte. Viele Bekenntnisse wurden, wenn auch mit universalem Anspruch, nur von einzelnen lokalen Kirchen verfasst und zum Teil auch überholt und durch neue ersetzt. Da der Entstehungsprozess von Bekenntnissen im Raum der reformierten Kirchen nie abgeschlossen ist, ist eine umfassende Sammlung aller reformierten Bekenntnisse eigentlich unmöglich. Karl Müllers wissenschaftliche Ausgabe von 1903 versammelte 58 Texte vom 16. bis 19. Jahrhundert. Die Auswahlsammlungen von Wilhelm Niesel 1938 und in deutscher Sprache von Paul Jacobs 1949 sind schon lange vergriffen. Die 1997 von der EKU herausgegebenen »Evangelischen Bekenntnisse«, die beanspruchten »Bekenntnisschriften der Reformation und neuere theologische Erklärungen« zu sammeln, ergänzten letztlich die lutherischen Bekenntnisse nur um drei reformierte Bekenntnisse sowie die Barmer Theologische Erklärung und die Leuenberger Konkordie. Seit 2002 erscheint im Neukirchener Verlag im Auftrag der EKD eine umfassende mehrbändige Sammlung reformierter Bekenntnisschriften. Eine handliche und verständliche Gemeindeausgabe war aber weiterhin ein Desiderat, das von den Herausgebern nun erfüllt wird.

Dass bei einer Sammlung, die keine 300 Seiten umfasst, nicht der gesamte Müller aufgenommen werden kann, versteht sich von selbst. Über ihn hinaus geht die Aufnahme von fünf Texten aus dem 20. Jahrhundert. Aus dem 16. und 17. Jahrhundert wurden acht Bekenntnisse zusammengestellt: Die Berner Thesen von 1528, die Fidei ratio von 1530, der Genfer Katechismus von 1545, die Confessio Gallicana (oder Confession de Foy) von 1559, die Confessio Scotica von 1560, der Heidelberger Katechismus von 1563, die Confessio Helvetica posterior von 1566 und die Dordrechter Canones von 1619. Leider konnten nicht alle Bekenntnisschriften vollständig abgedruckt werden. Beim Genfer Katechismus ist der dritte Hauptteil »Vom Gebet« (Fragen 233-295) ausgelassen, von der Confessio Helvetica posterior fehlen einundzwanzig von dreißig Kapiteln und von den fünf Lehrstücken der Dordrechter Canones ist nur das erste über die göttliche Vorherbestimmung abgedruckt. Die Verwerfungen der falschen Lehren zu diesem ersten Lehrstück fehlen ebenfalls. An der Auswahl der Texte aus dem 20. Jahrhundert lassen sich gut die Auswahlkriterien ablesen. Es sind Texte, die „in ihrer Entstehungszeit eine zentrale, für die Gesamtheit der reformierten Lehre und Kirche repräsentative und zum Teil auch überregional bedeutsame Rolle eingenommen haben.” (16). Vor der Barmer Theologischen Erklärung vom 31. Mai 1934 steht das nicht so bekannte, aber für die Geschichte der reformierten Kirche bedeutsame Bekenntnis der Freien reformierten Synode Barmen vom 4. Januar 1934. Der Text diente teilweise als Vorlage zur Erklärungund zeigt noch stärker reformiertes Profil. Auch wenn es sich bei ihr nicht um ein Bekenntnis im eigentlichen Sinne handelt, wurde die Leuenberger Konkordie von 1973 aufgenommen, da sie von entscheidender Bedeutung für die Neuinterpretation der reformierten Bekenntnisschriften ist. Die Aufnahme der letzten beiden Texte zeigt den weltweiten Horizont der Herausgeber. Das Bekenntnis der Karo-Batak-Kirche von 1979, einer indonesischen Kirche in Nordsumatra, ist in einfacher Sprache gehalten und setzt sich mit den Fragen der Inkulturation auseinander. So werden in ihm die Rolle der Ehe und der Ethik und das Verhältnis der Kirche zur Regierung und zum Gewohnheitsrecht behandelt. Die weltweite Bedeutung des Belhar-Bekenntnisses von 1986 ist unbestritten. Der Reformierte Weltbund suspendierte 1982 die südafrikanische Nederduitse Gereformeerde Kerk und die Nederduitse Hervormde Kerk von der Mitgliedschaft, bis sie die Apartheid entschieden ablehnen würden. Die farbige Nederduitse Gereformeerde Sendigskerk verabschiedete 1986 dies Bekenntnis, das vier Jahre vorher in dem Kapstädter Vorort Belhar ausgearbeitet wurde. Nach der Vereinigung mit der schwarzen Nederduits Gereformeerde Kerk in Suider Afrika zur Uniting Reformed Church in Southern Africa wurde es 1994 zum gemeinsamen Bekenntnis. Der Text steht in Tradition der Barmer Theologischen Erklärung und erklärt Apartheid und soziale Ungerechtigkeit zum status confessionis.

Jeder der dreizehn Schriften haben die Herausgeber eine Einleitung vorangestellt, die in den historischen Kontext der Entstehung des Bekenntnisses einführt, kurz den Inhalt der Schrift wiedergibt und auf weiterführende aktuelle Literatur verweist. Eine knappe Kommentierung, wie sie die Gemeindeausgabe »Unser Glaube« der lutherischen Bekenntnisschriften ausweist, wurde leider nicht unternommen. Hier hätte Bezug zur gegenwärtigen ökumenischen Diskussion, sowie zu unterschiedlichen Auffassungen in den verschiedenen reformierten Bekenntnissen hergestellt werden können. Wenigstens zur Frage 80 des Heidelberger Katechismus (Unterschied zwischen Abendmahl des Herrn und päpstlicher Messe) wird die Erklärung des Moderamens des Reformierten Bundes von 1977 angemerkt, wonach sich die Polemik gegenüber der römisch-katholischen Kirche nicht mehr aufrechterhalten lässt. Der Ausgabe ist ein leider etwas zu knappes deutsches Sachregister angefügt. Wer nach »Prädestination« sucht, muss unter »Erwählung« nachsehen, Begriffe wie »Fasten« oder »Lehrverurteilungen« (Verwerfungen) sucht man vergebens.

Es ist ein Buch, das auf Grund des Formats, der Aufmachung und des Preises Lust darauf macht, einmal wieder in die reformierten Bekenntnisschriften zu schauen. Die prägnanten Formulierungen der Bekenntnisse haben nichts von ihrer Kraft eingebüßt und lassen sich weiterhin im Unterricht oder bei Andachten einsetzen. Da man sich nicht mit fremdsprachigen Texten abmühen muss, lässt sich das handliche Büchlein gut für unterwegs einstecken – zum immer wieder lesen.


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