Erwacht Dornröschen aus dem Schlaf oder rollt Sisyphos nur einen Stein den Berg hinauf?

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Lothar Hoffmann

Luitpoldstraße 8, 76829 Landau

Chancen für regionale Kooperationszonen in der Evangelischen Kirche der Pfalz aus der subjektiven Sicht eines kirchlichen Mitarbeiters

Am Anfang war das Wort

Wenn wir über Strukturen, neuen Planungsgrößen, Veränderungen, Konzepte, Neuorganisation der Kirche reden, vergessen wir nicht, die Ausgangslage all unseres Tuns ist das Wort: das Evangelium von Jesus Christus. Es ist Grundlage und Antrieb unseres Handelns. Die Kirche als Organisation sorgt für die Kommunikation des Evangeliums und bietet vielfältige Formen der Verkündigung. Die Gesellschaft verändert sich ständig. Es ist ein ganz selbstverständlicher Prozess, dass Kirche den gleichen Veränderungsprozessen unterliegt.

1. Die zwei Seiten der Medaille

Wie jede Medaille zwei Seiten hat, gibt es in punkto Regionalisierung in der kirchlichen Arbeit zwei Lager: Befürworter sehen die Notwendigkeit der Veränderung aufgrund der finanz- und personalpolitischen Einsicht und/oder erkennen darin eine Chance auf Erneuerung der Kirche selbst, indem sie die gesellschaftlichen Veränderungen annehmen und daraus neue Ansätze für kirchliche Arbeit entwickeln wollen.2

Ablehner sehen eine Gefahr für die Parochie, befürchten den Verlust der Autonomie und der gewachsenen Beziehungen und machen einen Schaden für die Kerngemeinde aus.

Und Dornröschen…

… schläft und wartet auf das große Wunder der Erlösung. Abwarten und ausharren in bekannten Überzeugungen hilft leider nicht. Die Welt verändert sich und erfordert ein Beschreiten neuer Wege, sonst bleibt alles beim Alten. Kirche findet immer weniger Gehör. Es führt zu Bedeutungsverlust und damit das Evangelium insgesamt.

Und Sisyphos

… findet keinen Anfang und kein Ende und kommt nicht zur Ruhe. Regionen brauchen Planung, Übersicht und Strukturen für den Prozess, ebenso Mitstreiter, Visionen und Handlungsschritte. Sonst rollt Sisyphos den Stein ewig allein den Berg hinauf. Wohin das führt, können wir uns vorstellen.

Veränderungen bringen immer Verunsicherungen mit sich. Das ist ganz normal. Wissen wir doch alle gemeinsam nicht, wo genau es letztlich hinausläuft. Für die einen die Chance, für die anderen eine Gefahr.

Als Begleiter der Gemeindepädagogischen Dienste kann ich guten Gewissens sagen, sie stehen wie keine andere Einrichtung in der Landeskirche für die Unterstützung der Gemeindearbeit. Auch hier gibt es mitunter Zweifler und Kritiker. Allerdings ergab eine Umfrage, dass die große Mehrheit aller Gemeindediakon/innen in der Landeskirche der Kirchenreform der regionalen Kooperation offen und mit Akzeptanz gegenüber stehen. Der Wind gegen die Reformbemühungen bläst schon eher aus Richtung der Pfarrer/innen (z.B. Frankenthaler Appell).

2. Was ist der Grund für die Regionalisierungsdebatte?

Die Notlage zwingt zu Handlungsoptionen. Regionale Kooperationszonen sind für die Landessynode eine mögliche Konsequenz daraus. Es ist der Versuch, auf uns zusteuernde Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen und Antworten darauf zu finden.3 Neben der Regionenbildung sind bekanntlich weitere einschneidende Maßnahmen vorgesehen. Die abzusehende Notlage zwingt zum Umdenken und Handeln.

–        Das Kirchensteueraufkommen ist seit Jahren rückläufig. Die allgemeinen Kostensteigerungen können nicht aufgefangen werden. Flächendeckende Mittelkürzungen wie lange praktiziert können nicht weitergeführt werden. Es geht ans Eingemachte. Die Personalkosten (die wichtigste Ressource der Kirche) machen über 70 Prozent aus. Für die notwendigen Sachmittel reicht es vorne und hinten nicht mehr.

–        Die demographische Entwicklung führt uns am stärksten die Veränderungen vor Augen. Der Geburtenrückgang gleicht längst nicht mehr die Sterberate und Kirchenaustritte ab. 2030 werden 40 Prozent der Gemeindemitglieder über 60 Jahre alt sein. Das hat auch unmittelbare Auswirkungen auf das Kirchensteueraufkommen.

–        Der Mitgliederrückgang4hängt ebenfalls mit der demographischen Entwicklung zusammen, aber auch mit der fortschreitenden Säkularisierung der Gesellschaft. Die Rolle der Kirche in der Gesellschaft spielt immer eine geringere Rolle.

–        Letztlich zeigt uns die Pensionierungswelle in der Pfarrer/innenschaft in den nächsten zehn bis 15 Jahren auf, dass es große Nachwuchsprobleme geben wird. Neuanstellungen gleichen den Abgang nicht aus. Hier ist vorausschauende und umsichtige Personalplanung erforderlich. Gleiches gilt für den Bereich der Gemeindediakon/innen.

Die Landessynode will frühzeitig und umsichtig Weichen stellen. Die Regionalisierung ist ein Versuch, für die anstehenden Probleme Lösungsansätze anzubieten. Niemand behauptet, damit bereits die Lösung gefunden zu haben. Der Prozess kann nur Stück für Stück erfolgen, die dabei gemachten Erfahrungen bewertet und die weiteren Schritte wieder neu auszurichten.

Wer auf den Fortbestand der Parochie ohne einschneidende Schritte pocht, verkennt die Situation und führt keine Lösungsansätze an. Lediglich auf Umverteilung des (Rest-)Kirchensteueraufkommens zugunsten der Gemeindeebene zu setzen, verkennt die Entwicklung.

3. Der Grundkonflikt in der Auseinandersetzung

Damit ist auch der Grundkonflikt zwischen dem parochialen und nichtparochialen Prinzip markiert. Wenn man historisch zurückblickt, fanden sich zurzeit Friedrich Schleiermachers (18. Jh.) Personalgemeinden zusammen, was zu der damaligen christlichen Lebensweise passte. Die Gemeindebewegung von Emil Sulze (Ende 19., Anfang 20. Jh.) gründete sich in überschaubaren Gemeinschaften in festgelegten Parochien. Somit ist das Parochialprinzip kirchlicher Arbeit gerade mal 100 Jahre alt und kirchengeschichtlich gesehen relativ jung. In Zeiten von Einschnitten und tiefgreifenden Veränderungen bricht dieser Konflikt immer dann aus, wenn die „Parochialität einen Funktionsverlust erleidet und veränderte religiöse und soziale Bedürfnisse nicht mehr erfüllen kann.“5

Der Parochiegedanke wird in der Bildung von Regionen nicht etwa ausgehebelt. Parochie gewinnt eine neue Gestalt. Sie verbindet in der Region stärker als andere Konzepte Interessen von Menschen, berücksichtigt ihre Mobilität und ist im stärkeren Maße offene Kirche.

Das zeigt schon, dass Regionalisierung als Förderung verstärkten Arbeitszusammenhangs zu verstehen ist. Mit der Regionalisierung ist keine Änderung der Kirchenverfassung vorgesehen. Zunächst sollen Erfahrungen gemacht werden, die später kirchenpolitische Neubewertung auslösen können. Natürlich wissen wir heute nicht, wie unsere kirchliche Struktur in 30, 40 oder 50 Jahren aussehen wird. Ob wir bis dahin die Regionalisierung wieder über Bord geworfen haben werden oder sich tiefgreifende Strukturreformen längst etabliert haben. Der traditionellen Parochie aus unserer heutigen Sicht kehren wir auf jeden Fall den Rücken.

Die Herausforderung für den neuen Prozess besteht darin, ein neues Parochieverständnis zu entwerfen. Wie gestaltet sich Parochie im Wandel unserer Zeit? Welche Rolle spielt die Parochie zukünftig in der Region? Wie verändert sie sich und lässt sie sich in einer offenen, den Menschen zugewandten Kirche neu definieren? Für ein Gelingen der Regionalisierung wird es davon abhängen, ob wir konstruktiv und gemeinsam ein neues Verständnis von Parochie entwickeln.

4. Chancen der Neuorientierung

Wenn wir uns nicht nur auf die notwendigen Auslöser für Veränderungen beschränken und darüber hinaus weiterdenken, kann der Prozess der Regionalisierung als Modell der kirchlichen Neuausrichtung durchaus tauglich sein.

Hilfreich für eine zukunftsfähige Gemeindearbeit ist m.E. zunächst ein Perspektivwechsel. Gemeint ist damit: Unsere Diskussionen verlaufen immer binnenkirchlich, d.h. wir sind verstrickt in unseren Erfahrungen und Beziehungsmustern und Angebots- und Denkformen kirchlicher Arbeit. Wenn wir einen (wenn auch nur fiktiven) Perspektivwechsel vornehmen und uns versuchen, in kirchendistanzierte Gemeindemitglieder zu versetzen, blicken wir anders auf den gesellschaftlichen Diskurs, beziehen die veränderten Lebenshaltungen und Einstellungen von Menschen in anderer Weise mit ein. Der Blick öffnet sich über kerngemeindliches Handeln hinaus.

Die Kirchengemeinde als Sozial- und Lebensort für Menschen nimmt Gestalt an. Milieus differenzieren die Lebenswelten aus. Die Vielgestalt von Kirchenbildern aufgrund unterschiedlicher Erfahrungen mit Kirche wird für Menschen thematisierbar. Die Rolle von Kirche besteht darin, die subjektiven Deutungsmuster für die Gestaltung kirchlicher Arbeit zu nutzen. Kirche sein für Menschen, für ihre Fragen, Themen und Bedürfnisse. Daraus lassen sich neue Ansätze für Gemeindearbeit entwickeln.

Bisher ist das Angebotsprofil der Gemeinden oft sehr ähnlich bis gleich. In einer neu zu bildenden Region müssen nicht alle das Gleiche tun. Hier besteht die Chance zur Schwerpunktsetzung. Während in einer Gemeinde die Chorarbeit intensiviert wird, weil hier durch Zusammenlegen der bisherigen Angebote ein qualifizierter kirchenmusikalischer Schwerpunkt entsteht, hat dafür eine andere Gemeinde in der Region den Schwerpunkt in der Seniorenarbeit, die nächste in der Jugendarbeit einschließlich Arbeit mit Konfirmanden usw.

Diese stärkere Profilbildung geht nicht zu Lasten der beteiligten Gemeinden. Ganz im Gegenteil, es eröffnet Zugänge und Beteiligungschancen für Menschen, die bisher nicht erreicht wurden. Menschen sind heute mobil. Sie suchen nach Orientierung und Anknüpfungspunkten für ihren Alltag – nicht nur in ihrem Dorf.

Solche neuen Sichtweisen bringen auch vielfältige Synergieeffekte. Die Rollen, Aufgaben, Möglichkeiten zur Spezialisierung und fachlichen Qualifizierung, Chancen für neue Ideen verändern die Zusammenarbeit in der regionalen Kooperationszone.

Das Institut für kirchliche Fortbildung bietet beispielsweise in Zusammenarbeit mit den Gemeindepädagogischen Diensten in der Altenarbeit und im Umgang mit Ehrenamtlichen auf

Regionen zugeschnittene Modellprojekte an. Pfarrer/innen und ehrenamtlich Engagierte werden in einem Zeitraum von sechs Monaten als Multiplikatoren qualifiziert und bei der Entwicklung neuer Ansätze kirchlicher Arbeit begleitet (Flyer: ran! Gemeindearbeit neu denken. Unsere Modellprojekte).6

Die Gemeindepädagogischen Dienste bieten ganz praktisch Ansatzpunkte dafür. Die Leitfäden der Reihe Butenschoen Campus7 zeigen beispielhaft neue Wege in der Gemeindearbeit auf.

Manchmal spricht vieles dafür, bei Regionenbildung Unterstützung von außen zu holen. Die Gemeindeberatung8 bietet Begleitprozesse an. Begleitung von außen erleichtert den Binnenprozess für neue Formen der Zusammenarbeit.

1.     Vier Stufen der Zusammenarbeit

Der Landeskirchenrat hat ausführlich dargestellt, wie die Bildung von Kooperationszonen einschließlich eines Zeitplans vorgesehen ist und stellt die Chancen von Kooperationszonen heraus: „Auch wenn die Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten der Landeskirche zu verschiedenen Ausgestaltungen führen müssen, so können doch gemeinsame Ziele für eine arbeitsteilige Regionalisierung genannt werden: In der Parochie werden die menschennahen Angebote Gottesdienst, Seelsorge und Amtshandlungen (Kasualien) vorgehalten.

In der Region kann die Arbeit der Haupt- und Ehrenamtlichen durch gabenorientierte Schwerpunktsetzung bereichert, die kirchengemeindlichen Angebote durch zielgruppenorientierte Angebote erweitert, Synergie-Effekte durch Zusammenarbeit und Arbeitsteilung genutzt werden. Möglicherweise kann auch eine regionale Gebäudenutzung geplant und betrieben werden“9.

Bildung der Region: Am Anfang steht die Kontaktaufnahme der beteiligten Gemeinden mit Verabredung zum Kennenlernen und Austausch zwischen den Presbyterien, den Mitarbeiterkreisen u.a.: Information über die Entscheidung der Landesynode und der Grundlage für den Schritt der Regionalisierung und den damit verbundenen Notwendigkeiten, Risiken und Chancen.

Schwerpunkt: Die Kommunikation des Regionalgedankens sind auf den Diskurs, das Gespräch und auf ein aufeinander zugehen angewiesen. Kommunikation ist ein vielgestaltiger Prozess und keine Einbahnstraße. Deshalb ist es wichtig, miteinander in Kommunikation zu treten und auszuloten, welche Risiken und Chancen eine regionale Kooperationszone haben kann. Das kann nur behutsam, offen und ohne Zeitdruck geschehen. In einem Klima der Offenheit wächst Vertrauen für einen konstruktiven Prozess, der gemeinsame Entscheidungen ermöglicht. Und es dürfen alle mit ins Boot (Presbyter/innen, Pfarrer/innen, Mitarbeiter/innen, ja die gesamte Gemeinde).

–        Planungskreis der beteiligten Pfarrer/innen, Gemeindediakon/innen und Presbyter/innen

–        Bestandsaufnahme der Gemeindearbeit in der zukünftigen Region. Wo gibt es ähnliches, Überschneidungen oder Besonderheiten? Die sozialräumlichen Bedingungen der Orte zählen ebenso dazu: Verkehrsanbindungen, Zentren-Unterzentren. Welche Einbindung haben die Kirchengemeinden in Traditionen am Ort und welchen Stellenwert haben sie im Gemeinwesen?

–        Verabredung eines Prozesses regionale Kooperationszone mit Festlegung erster Eckdaten der Zusammenarbeit

–        Am Ende steht die verbindliche Bildung einer Region mit Festlegung auf eine Vereinbarung.10

–        Die schriftlich fixierte Vereinbarung geht über das Dekanat an den Landeskirchenrat.

Koordinierung:11 Auf der Basis der Vorgespräche beginnt die konkrete Zusammenarbeit. Das Kennenlernen der Gemeinden festigt sich. Die Notwendigkeit des Regionalisierungsprozesses wird immer wieder herausgestellt. Hier ist weiterhin auf ein Klima aus Offenheit und Vertrauen zu achten.

Die Stufe ist die Koordinierung diverser Aktivitäten:

–        Vertretungsregelungen, Kanzeltausch u.a.m.

–        Gegenseitige Information über Veranstaltungen und Unterstützung durch Werbung sowie abgestimmte Terminplanung

–        Erste Absprachen über gemeinsame Aktivitäten bei gemeinsamen Schnittmengen in der Arbeit (Konfirmanden-Wochenenden, gemeinsamer Singabend der Chöre, …) als punktuell einzelnes Angebot.

–        Weitere Maßnahmen, die dem Kennenlernen und Vertrautwerden dienen (gemeinsame Sitzungen der Presbyterien oder Klausurwochenende, zu Gemeindefesten gezielt einladen und durch Beiträge der anderen Gemeinden ergänzen, …)

Kooperation: Eine Intensivierung der Arbeit erfolgt durch den nächsten Schritt zur Kooperation. Regionalbildung braucht Zeit, also sollte der Schritt von der Koordinierung zur Kooperation sorgsam und ohne Zeitdruck erfolgen.

Schwerpunkt: Das Ziel der Bemühungen ist die Attraktivitätssteigerung kirchlicher Arbeit durch weitere Profilbildung (neue Impulse für Gemeindearbeit, Anknüpfungspunkte für Menschen durch milieusensible Arbeit).

Arbeitsbeziehungen der beruflichen Mitarbeiter/innen nehmen Gestalt an. Durch Absprachen und Planung lassen sich Synergieeffekte erzielen. Nicht mehr jede/r muss alles machen.

–        Planungen werden aufeinander abgestimmt.

–        Veranstaltungen werden nicht nur wechselseitig beworben, sondern punktuelle gemeinsam durchgeführt.

–        Erste einzelne Projekte werden gemeinsam und arbeitsteilig durchgeführt.

–        Materialien von ausgearbeiteten Angeboten werden ausgetauscht bzw. ein Pfarrer führt eine Bibelreihe nicht nur in der eigenen Gemeinde, sondern gleich noch in anderen Gemeinden durch.

–        Zur Profilbildung der Region wird ein Dialogprozess „Gemeinde neu denken“ gestartet: Diskussion neuer Ansätze kirchlicher Arbeit in der Region unter Milieuperspektive und Einbeziehung des Sozialraums unter Berücksichtigung von Bedürfnissen und Wünschen der Gemeindemitglieder, um Anknüpfungspunkte zu finden (neue Angebote über die Kerngemeinde hinaus). (Siehe Beispiel Modellprojekte Flyer ran! Seite 3)

–        Gemeinsame Ziele setzen, überprüfen und weiterentwickeln.

Es gibt bereits viele Beispiele von Kooperationen. Eine ganze Reihe an Vorschlägen listet die bereits genannte Broschüre12 auf.

Netzwerk Region: Die Beteiligten verstehen sich als Team. Angebote und anderen Aktivitäten sind nicht mehr isoliert, sondern in das Gesamtkonzept integriert. Die Region tritt als Einheit auf mit den Kirchengemeinden als wichtige Teile der Region.

–        In der Zusammenarbeit entwickelt sich allmählich ein Teamverständnis.

–        Der Dialogprozess „Gemeinde neu denken“ mit Profilbildung nimmt weiter Gestalt an. Einzelne Gemeindeschwerpunkte entstehen, werden verstärkt und etablieren sich Schritt für Schritt.

–        Schwerpunkte und Besonderheiten werden gemeinsam getragen und die jeweils dafür Verantwortlichen unterstützt.

–        Die Entwicklung der Beziehungen und Kontakte über die gewachsenen Gemeindestrukturen hinaus werden gefördert.

–        Immer wieder werden neue Ziele gesetzt und weiter ausdifferenziert, reflektiert und weiter entwickelt.

–        Die Gemeinden verstehen sich als selbstverständlichen Teil der gesamten Region.

Dieser Prozess in den beschriebenen Stufen versteht sich als nie endender Prozess der Zusammenarbeit. Er wird immer wieder auf der jeweils bestehenden Basis weiter entwickelt durch Reflexion und Setzen neuer Ziele.

Ich habe versucht aufzuzeigen, es wäre vollkommen falsch gedacht, den Parochiegedanken einfach von der Kirchengemeinde auf die Region übertragen zu wollen. Das führt zu keiner Entwicklung kirchlicher Arbeit. Verbunden mit Regionalisierung sind neue Konzepte zu entwickeln und neue Strukturen zu gestalten. (Nur) dann hat Regionalisierung eine Chance.

2. Die Gemeindepädagogischen Dienste in der Regionalisierungsdebatte

Inzwischen bestehen die Gemeindepädagogischen Dienste seit zehn Jahren. Die meisten Mitarbeiter/innen arbeiten seit Jahren regional oder bieten funktionale Angebote (in der Altenarbeit, Arbeit mit Familien, Kinder- und Jugendarbeit usw.), die regional verankert sind. Die Erfahrungen sind durchweg positiv. Allerdings haben sich die Rahmenbedingungen verändert und darauf ist die Arbeit auszurichten. Neue Aufgabenstellungen sind hinzugekommen.

Gemeindediakon/innen (hier sind alle gemeint, auch die in keinem GPD arbeiten!) sind die Fachleute für gemeindepädagogische Arbeit in der Landeskirche. Die Kirchenbezirke tun gut daran, sie in die Überlegungen der sich verändernden Bedingungen bei Regionenbildung einzubeziehen. Aus dem Strategiepapier der Landessynode besteht die deutliche Aufforderung, die „regionalen funktionalen Dienste“13 an dem Prozess zu beteiligen. Das passiert zurzeit nicht überall.

Die eine Option ist, die Arbeit von Gemeindediakon/innen (hier sind wieder alle gemeint) ebenfalls regional zuzuweisen und dort in den Arbeitsfeldern einen thematischen Schwerpunkt zu setzen. Eine andere Option besteht darin, die Arbeit der Gemeindepädagogischen Dienste zentral und funktional auszurichten (wobei dies in sechs Dekanaten bereits geschieht) und die Regionen mit gemeindepädagogischen Aktivitäten mit Schwerpunktsetzungen zu versorgen.

In ihrer Evaluation14 sprechen sich die Mitarbeitenden eindeutig für die zweite Option aus: „Funktionale Arbeit ist die effektivere Alternative. Es werden deutlich Positionen vertreten, dass funktionale Arbeit mit Themenschwerpunkten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die bessere Konzept-Alternative darstellt. Sie ist die geeignetere Alternative, wenn es darum geht, gemeindepädagogische Arbeit mit neuen Ideen und Impulsen vor allem in den Bereichen Kinder- und Jugendarbeit, Arbeit mit Familien, Seniorenarbeit, Ehrenamt oder ganz allgemein Gelegenheits- und Beteiligungsmöglichkeiten zukunftsweisend zu gestalten.“

3. Berufsbild

Mit Verlagerung der Arbeitsfelder von der Gemeindeebene in die Region oder auf Kirchenbezirksebene sind Aufgaben- und Rollenprofile neu zu beschreiben. Das Berufsbild wandelt sich von der Planung und Durchführung eigener Gemeindeangebote hin zur Organisation, Delegation und Unterstützung der ehrenamtlich Mitarbeitenden, die Gemeindeangebote eigenverantwortlich anbieten.

Dieser Wandel ist bedeutsam und gilt zu beachten. Dieser Rollenwechsel lässt sich durch Fortbildung und Reflexion des eigenen Handelns thematisieren und erfolgreich vollziehen. Dafür hält das Institut für kirchliche Fortbildung zusätzlich Coaching, Supervision und Personalberatung zur Verfügung.15

Kerstin Dede16  listet Anforderungen und Veränderungen für das Berufsprofil auf:

–        Koordination der unterschiedlichen Interessenlagen

–        Kommunikationskompetenz und Konfliktfähigkeit

–        In besonderem Maße Umsicht und Übersicht

–        Organisations-, Koordinierungs- und Managementkenntnisse

–        Profilbildung, Spezialisierungen, Expertenwissen

–        Befähiger/in und Multiplkator/in

–        Freiwilligenmanagement

Darüber hinaus lässt sich nahtlos anfügen:

–        Teamfähigkeit

–        Partizipation und Transparenz, die Beteiligung und Gelegenheitsstrukturen ermöglichen

–        Ressourcen bündeln und Synergieeffekte schaffen

–        Reflexionsfähigkeit mit Bereitschaft zur persönlichen Veränderung (Haltung)

–        Neugierig sein und Toleranz gegenüber Ideen anderer in der Gemeindearbeit und

–        Offenheit für unterschiedliche Kirchenbilder und Ansichten mit Dialogfähigkeit zur Kommunikation des Evangeliums in unserer Zeit

4. Die sich bedingenden Faktoren der Regionalisierung

Zusammenfassend sind hier die verschiedenen Bedingungen übersichtlich dargestellt:

 Bildung der Region:·        Kontaktaufnahme, Aufbau der Kommunikation, Klima Offenheit und Vertrauen·        Planungskreis bilden·        Bestandsaufnahme einschl. Sozialraumblick·        Verabredung des Prozesses·        Schriftliche Vereinbarung  Start                               
endlos 
   Arbeitsprinzipienvon Kooperationsprozessen: 17 Kommunikation Partizipation Transparenz Ergebnisoffenheit Kulturentwicklung Selbstorganisation Konstruktive Verunsicherung (Umgang mit Widerstand) Effizienz        17 Matthias KauneRegionalisierung: die ungeliebte Kröte.In: Pastoraltheologie – Wissenschaft und Praxis in Kirche und Gesellschaft  92/2003  
 Koordinierung der Aufgaben:·        Absprache über Vertretungsregelungen etc.·        Erfahrungsaustausch und gegenseitige Information·        Erste gemeinsame Aktivitäten·        Weitere Maßnahmen zur Vertrauensbildung und Planung der Zusammenarbeit 
 Kooperation:·        Planungen werden aufeinander abgestimmt·        Projekte werden gemeinsam durchgeführt·        Dialogprozess zur Profilbildung starten·        Gemeinsame Ziele setzen und überprüfen 
 Netzwerk Region·        Teamverständnis wächst·        Profilstärkung:Gemeindeschwerpunkte bilden sich heraus·        Neue Ziele weiter ausdifferenzieren·        Identität mit der Region wächst Prozess wird immer wieder reflektiert und weiter entwickelt 

Abbildung: Stufen der Zusammenarbeit, sich bedingende Faktoren und Arbeitsprinzipien im Überblick

c/o Lothar Hoffmann, Institut für kirchliche Fortbildung

Den Titel habe ich mir entliehen von Cornelia Dassler. Regionale Kooperation – Erwacht Dornröschen aus dem Schlaf oder rollt Sisyphos nur einen Stein den Berg hinauf? In: Pastoraltheologie – Wissenschaft und Praxis in Kirche und Gesellschaft 92/2003

2hier z.B. Perspektivwechsel von der „Versorgungs- zur Beteiligungskirche“: Adam Lachmann (Hg.), Gemeindepädagogisches Kompendium, 2002

Strategiepapier der Landessynode, Mai 2011 „Mutig voranschreiten. Den Wandel gestalten. Gott vertrauen“

4Broschüre „Zusammenarbeit in der Region“ – Handreichung für Presbyterien, Bezirkskirchenrätinnen und Bezirkskirchenräte, Pfarrerinnen und Pfarrer sowie alle haupt-, neben- und ehrenamtlich Mitarbeitende. 2012. Hrsg. Landeskirchenrat der Evangelischen Kirche der Pfalz

5Uta Pohl-Patalong, Regionalisierung – das Modell der Zukunft? Plädoyer für eine ebenso grundlegende wie kreative Debatte, Seite 73. In: Pastoraltheologie – Wissenschaft und Praxis in Kirche und Gesellschaft 92/2003

6Informieren Sie sich über die Modellprojekte auf der Homepage www.Institut-kirchliche-Fortbildung.de

7Leitfaden: bin dabei! Anstöße zum Engagement und Leitfaden: alter-native. Neue Wege in der Altenarbeit, Reihe Butenschoen Campus, Institut für kirchliche Fortbildung. 2012.

8Kontakt zur Gemeindeberatung: Dagmar Peterson, Pfarramt Iggelheim 1, Telefon: 06324/76115, Email: pfarramt1@gmx.deWeiterer Ansprechpartner in Sachen Regionalisierung: Ulrich Müller-Weißner, Organisationsberatung im Landeskirchenrat, Telefon: 06232/667221, Email: ulrich.mueller-weissner@evkirchepfalz.de

9Broschüre „Zusammenarbeit in der Region“, Seite 14/15

10Mustervereinbarung in: Broschüre „Zusammenarbeit in der Region“,  Seite 28/29

11Matthias Spenn. Von der Koordination zur Ko-Konstruktion. Seite 9. In: Praxis Gemeindepädagogik Nr. 3/2012. Von diesem Ansatz habe ich mich leiten lassen.

12 Beispiele in: Broschüre „Zusammenarbeit in der Region“, Seite 23 ff.

13 Strategiepapier der Landessynode, Punkt 4.1.3.

14 Evaluation: „Die Arbeit kann sich sehen lassen“ – Gemeindepädagogische Dienste in der Evangelischen Kirche der Pfalz zehn Jahre nach der Einführung. 2012. Hrsg: Fachstelle GPD

15Fortbildungskalender 2013. Fortbildung – Beratung – Coaching – Modellprojekte

16  Kerstin Dede. Regionale Kooperation – eine Chance für berufliche Profilbildung? Seite 44. In: Praxis Gemeindepädagogik Nr. 3/2012.

17 Matthias Kaune. Regionalisierung: die ungeliebte Kröte, Seite 55. In: Pastoraltheologie – Wissenschaft und Praxis in Kirche und Gesellschaft 92/2003

Lothar Hoffmann arbeitet als Referent für Fortbildung im Institut für kirchliche Fortbildung, Landau. Neben Fortbildungen zu den Themenbereichen Arbeit mit Familien, Seniorenarbeit, Ehrenamt und Gemeindepädagogik bietet er die Modellprojekte „Gemeinde neu denken“ vor allem für künftige Regionen an. Daneben begleitet er die Gemeindepädagogischen Dienste und arbeitet in der Fachgruppe Regionalisierung mit.

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