„Das Meer brause und was darinnen ist … die Ströme sollen frohlocken“

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Frank-Matthias Hofmann
c/o Evangelisches Büro Saarland, Am Ludwigsplatz 11, 66117 Saarbrücken

Stefan Mörsdorf

c/o ASKO-Europa-Stiftung, Pestelstraße 2, 66119 Saarbrücken

„Das Meer brause und was darinnen ist … die Ströme sollen frohlocken“ (Psalm 98, 7a.8a)

– die Ozeane als Gotteslober und Lebensspender

Ein Thementag zum Nachhaltigkeitsgedanken am Beispiel der Ozeaneam 26. September 2010 in Homburg

Vorbemerkungen

Im Rahmen der „Woche der Nachhaltigkeit“ vom 25.9. bis 3.10.2010 im Saarland, in Kooperation Evang. und Kath. Büro Saarland und der ASKO Europa-Stiftung fand am 26.9.2010 in der Stadtkirche Homburg ein Thementag zum Thema Ozeane statt.

Im Rahmen der zwölf Bücher zur Nachhaltigkeit „Forum für Verantwortung“ wurde das Thema anhand des Buches von Stefan Rahmstorf und Katherine Richardson „Wie bedroht sind die Ozeane?“ ausgesucht. Stimulierend hat ein Besuch der Ausstellung „ozean der zukunft“ der Kieler Meereswissenschaften gewirkt, die 2009 ins Saarland geholt wurde und auf dem Treidelschiff „anna leonie“ am Saarufer in Saarbrücken zu sehen war.

Allgemeine Verortung in der „Woche“: Im Rahmen der „Woche der Nachhaltigkeit“ sollte die Schönheit der Natur und die Verantwortung der Menschen für sie anhand verschiedener Themen deutlich gemacht werden. In zwölf katholischen und evangelischen Veranstaltungen im Saarland wurde auf den Schöpfungsauftrag Gottes hingewiesen und darauf, dass die von Gott geschenkte Natur nicht nur zum „ökonomischen Verbrauch“ nutzbar gemacht werden darf, sondern dass zu dem Bebauen auch das Bewahren in Form von nachhaltiger Bewirtschaftung gehört – im Bewusstsein, dass auch künftige Generationen eine bewohnbare Erde zum (Über-) Leben brauchen.

Ziel der Themenreihe war es, ein stärkeres Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Meere  Grundlage unseres Lebens sind und zwar viel mehr, als wir es gemeinhin wahrnehmen. Schon in der Bibel ist von den Urmeeren die Rede. Sie regulieren unser Klima und sind wichtiger Nahrungslieferant. Doch wir zerstören sie durch globale Erwärmung, Überfischung und Verschmutzung. Zugleich soll in Erinnerung gerufen werden, welche wichtige Rolle die Bewahrung der Schöpfung im christlichen Glauben allgemein und welche Bedeutung die Meere in der Bibel haben (z.B. Psalm 98).

Mit Stefan Mörsdorf, früherem Umweltminister des Saarlandes und seit April 2010 Geschäftsführer der ASKO- Europa-Stiftung, wurde für die Homburger Veranstaltung ein überzeugter katholischer Christ und Umweltfachmann gewonnen, der über die biologische  und physikalische Bedeutung der Ozeane Auskunft geben konnte.

Kirchenrat Frank-Matthias Hofmann hat die biblische Bedeutung der Meere beleuchtet und dabei die beiden Zukunftsvisionen am Ende des Buches von Rahmstorf/Richardson profiliert („Trübe Aussichten: Die Ozeane im Niedergang“ oder „Rosige Zukunft: Die Menschheit im Einklang mit dem Meer“) und dazu ermutigt mitzuhelfen, dass die ozeanischen Ökosysteme wirkungsvoll geschützt werden.

Bezirkskantor Stefan Ulrich (Homburg) hat musikalisch das Thema aufgegriffen und einen Teil der „Walgesänge-Orgelwerke“ von  Hermann Seidl (2009) „Über dem Meere – Tanz auf den Wellen“ aufgeführt.

Naturwissenschaftliches Statement: Warum sind die Ozeane für unser Klima so wichtig? (Stefan Mörsdorf)

Vor zwei, drei Jahren schenkten wir unserem damals zehnjährigen Sohn Moritz ein Puzzle zu Weihnachten. Aber es war kein gewöhnliches Puzzle, wie ich es aus meiner Kindheit kannte, sondern ein so genanntes 3-D-Puzzle, mit dem man die Erdkugel zusammensetzen konnte. Wir nutzten die Ruhe der Weihnachtstage und begannen die 499 Teile zusammenzusetzen. Zunächst begannen wir mit den farbig angelegten Kontinenten und erzielten zügig Fortschritte. Als wir jedoch damit fertig waren und uns dem atlantischen, dem pazifischen und dem indischen Ozean widmen mussten, geriet unser bisheriges Tempo ins Stocken. Und am 2. Weihnachtstag nach vielen Stunden geduldigen Puzzelns und geringer Forstschritte stellte Moritz lapidar fest: „Papa, die Grundfarbe der Erde ist eindeutig blau!“, und traf damit den Nagel auf den Kopf. Unser blauer Planet ist von den Meeren geprägt, die entscheidend das Klima und unser Leben bestimmen.

71 Prozent der Oberfläche unseres werden von Wasser bedeckt. 97 Prozent des Wassers unseres Planeten befinden sich in den Meeren.

In den Meeren ist 50 Prozent mehr Kohlenstoff gebunden als in unserer Atmosphäre. Jährlich werden mehr als 100 Millionen Tonnen Fisch den Ozeanen entnommen. Diese wenigen Fakten zeigen, welche Bedeutung die Ozeane für unser Leben haben.

Und doch ist eine große Besonderheit, und auch als Naturwissenschaftler darf man dieses als Wunder bestaunen, dass es auf unserem Planeten Wasser in flüssiger Form gibt. Unser Nachbarplanet Venus, der rund 108 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt ist, weist eine Durchschnittstemperatur von 453 Grad Celsius auf. Flüssiges Wasser hätte auf der Venus keine Chance. Und unser Nachbarplanet Mars, bereits 227 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt, ist mit einer Durchschnittstemperatur von minus 43 Grad Celsius viel zu kalt, um Wasser in seiner flüssigen Form zu haben. Die Erde hat mit einem Abstand von 150 Millionen Kilometer zur Sonne genau die richtige Durchschnittstemperatur um das Wasser weder zu verdampfen, noch als Eisblock die Sonne zu umkreisen. Dass die Erde mit ihrer Masse genügend Schwerkraft entwickelt, um unsere Lufthülle festzuhalten, ist ein weiterer glücklicher Umstand, der erst das Leben auf unserem blauen Planeten ermöglicht.

Aber wie gehen wir mit diesem Planeten und seinen Ozeanen um?

Das Leben in den Ozeanen entzieht sich weitgehend unseren Blicken und daher neigen wir dazu, ihm nicht sonderlich oft unsere Aufmerksamkeit zu schenken. Dennoch ist Meer für uns und unsere Umwelt von zentraler Bedeutung. Und gerade weil wir so selten in direktem Kontakt mit der Natur im Ozean kommen, machen wir uns oft nicht klar, dass der Mensch die Biologie und die Lebensbedingungen in den Meeren Stück für Stück verändert.

Überfischung, Veränderung des Nährstoffhaushaltes, globale Erwärmung, Zunahme der Kohlendioxidkonzentrationen in der Atmosphäre, Versauerung der Meere sind vom Menschen gemachte Vorgänge, die sich auf das Leben im Meer dauerhaft auswirken.

Biblischer Impuls: Die Ozeane als Gotteslober und Lebensspender (Frank-Matthias Hofmann)

Das Leben begann biologisch gesehen im Meer. Im Lauf der Zeit wurden Ozeane zur Heimat zahlloser faszinierender und schöner  Pflanzen und Tiere. Von den geschätzten zehn Millionen Arten in den Ozeanen sind erst 30.000 wissenschaftlich erfasst. In der Sicht der biblischen Schöpfungsgeschichte schuf Gott die Erden, die Arten und den Menschen – in übertragenem Sinne – auch  aus dem Wasser: Er schied die Urwasser, die in der Bibel auch Chaoswasser genannt werden, und schuf so Trockenes, einen bewohnbaren Raum für Menschen, Tiere und Pflanzen, die miteinander und voneinander leben sollen. „Und siehe, es war sehr gut“, heißt es, nachdem Gott sein schöpferisches Werk vollendet hatte. Menschen leben mit und vom Wasser, besonders an Küstenstreifen und Wasserläufen konnte und kann man Früchte und Getreide anbauen – ohne Wasser kein Leben. Der Mensch machte sich im Laufe der Zeit immer stärker das Meer nutzbar, durch Schifffahrt und das Kennen lernen neuer Kontinente, den Fischfang bis hin zum heutigen Ausbeuten von Ölvorkommen in der Tiefsee.

Heute prüfen Wissenschaftler, inwieweit man den Wassermangel beheben könnte, indem man die unerschöpflichen Wasservorräte der Meere durch Entsalzung nutzbar machen könnte. Israel ist in diesem Bereich weltweit führend, eine der größten Anlagen steht in Ashkelon, denn ohne diese Möglichkeit wäre die Wasserversorgung im unter Dürre leidenden Nahen Osten nicht gesichert. Der See Genezareth trocknet immer mehr aus. Nach der Bibel führte Mose die erste Entsalzung in der Wüste Sinai durch: Indem er ein Stück bitteres Holz dem Wasser einer bitteren Quelle zufügte, machte er es trinkbar.

Die Ozeane werden in der Bibel als Quell allen Lebens vorausgesetzt. Am Anfang war die Erde wüst und leer – und voller Wasser. Wasser in der Bibel, das war schon immer Segen und Fluch zugleich. Die Chaoswasser, von denen die Bibel redet, zeugen von einer unwirtlichen Vor-Welt, die kein Leben zuließ. Erst das schöpferische Eingreifen Gottes, dass die Wasser weichen sollen, die „Wasser-Scheidung“, bringt die trockene Erde und fruchtbares Land hervor, auf dem Leben möglich ist.

Aber nach wie vor drohen Sintfluten, die Ozeane können sich aufbäumen in ihren Urgewalten und Leben, das auf trockenes Land angewiesen ist, zerstören. Die biblische Sintflutgeschichte zielt zwar auf die Errettung der Menschheit – durch Gottes Warnung an Noah und den Bau der Arche wird das Menschengeschlecht gerettet – , ist aber ein Motiv, das im Laufe der Geschichte wiederkehrt, von der „groten Manndränke“ am 16. Januar 1362 mit 100.000 Toten, bei der die sagenumwobene friesische Stadt Rungholt in den Fluten versank, bis hin zum schweren Tsunami an Weihnachten 2004 und dem Hurrikan Katrina, der 2005 New Orleans zerstörte. Dabei verstärken menschliche Eingriffe in die Natur die Effekte der Fluten, etwa durch das Abholzen von Mangrovenwäldern in Thailand, die Zerstörung von Korallenriffen durch Umweltgifte; wenn die Wälder und Riffe intakt gewesen wären, hätten die tödlichen Flutwellen weit weniger ins Land vordringen können als es dann geschehen ist. Die Ozeane sind auch lebendige Organismen, durch Strömungen, unterschiedliche Salzgehalte und andere biologische und chemische Prozesse sind sie in einem sensiblen ökologischen Gleichgewicht gehalten.

Bei dem in Hamburg stattfindenden „Sturmflutkongress 2010“ machen Forscher die zunehmende Nutzung und Bebauung der Küsten in aller Welt sowie das Eindämmen von Strömen, die massive Entnahme von Sand aus küstennahen Meeresgebieten und das Absenken des Grundwassers verantwortlich dafür, dass das Risiko von Jahrhundertfluten sich für die Hafenstädte bis 2070 vervielfacht.

Beim beispiellosen schnellen Anstieg der CO 2-Konzentration und der Ausbeutung der Meere müssen wir umsteuern. Wenn wir die fragilen Meere erhalten wollen – lange Zeit haben wir auf den biblischen Auftrag des „Bebauens“ den Schwerpunkt gelegt, nun muss das „Bewahren“ an erster Stelle stehen.

Die Ozeane und ihre Wasser sind Lebensspender in der Sicht der biblischen Schöpfungsberichte – sie wollen ein Segen sein. Aber wir können sie uns auch zum Fluch werden lassen, wenn wir Gottes Auftrag der guten Haushalterschaft und der Bewahrung der guten Lebensbedingungen auf dieser Erde für kommende Generationen nicht nachkommen.

Eine große Rolle spielt in der Bibel auch, dass die gesamte Natur, ja auch Ozeane und Meereswellen in den Dienst des Lobens Gottes gestellt werden: Das Meer brause und alles was darinnen  ist … die Ströme sollen frohlocken“, heißt es in Psalm 98 Vers 8. Hier reden die biblischen Autoren von den Ozeanen und der Natur, wie wenn sie lebendige Subjekte und nicht tote Objekte seien. Das ist ein Hinweis darauf, dass wir Menschen Leben inmitten von Leben sind, das auch leben will (Albert Schweitzer). Die Ozeane sind nicht nur Lebensspender, sondern auch Gotteslober. Ein wunderschönes Bild, das wir mit nach Hause nehmen können: Die Wipfel der Bäume schlagen zusammen und applaudieren dem Schöpfergott des Himmels und der Erden, die Wellenspitzen der Meereswasser schlagen zusammen, es klingt wie ein gewaltiger Applaus zusammenklatschender Hände, die Kreatur huldigt ihrem Schöpfer, das Geschaffene will nicht selber Schöpfer und Gott sein, sondern verbeugt sich vor des Souveränität des Gottes, der der Gott Israels und der Vater Jesu Christi ist, der selber die Vollmacht hatte, über Wind und Wellen zu gebieten. Wir sind als treue Haushalter beauftragt, diese Erde zu bebauen und zu bewahren – Gott zum Lob, uns Menschen zum Nutzen – aber eben nur in dem Maße, wie wir unsere natürlichen Grundlagen erhalten und in der Anerkennung der von Gott uns gesetzten Grenze des „Bebauens“ Gott alleine die Ehre geben.

Naturwissenschaft und Theologie im Gespräch: Was können wir tun, um die Ozeane zu schützen?

(Stefan Mörsdorf und Frank-Matthias Hofmann)

Frank-Matthias Hofmann:

Bei der Abiturfeier im Leibniz-Gymnasium Neustadt/Weinstraße 1978 habe ich, weil ich Pate für Unterstufenschüler war, für soziales Engagement das Buch des Psychoanalytikers und Sozialphilosophen Erich Fromm geschenkt bekommen. Ich habe es als frischgebackener Abiturient damals auch gelesen: Als angehender Theologiestudent an der Kirchlichen Hochschule Bethel hat mich darin besonders beeindruckt, wie Fromm darin mahnend formuliert: „Wir waren im Begriff, Götter zu werden, mächtige Wesen, die eine zweite Welt erschaffen konnten, wobei uns die Natur nur die Bausteine für unsere neue Schöpfung zu liefern brauchte.“

Er zeigt damit bereits 1976 das Dilemma auf, in das wir durch unsere rein wissenschaftlich-technische Orientierung geraten sind: Aus dem ursprünglichen Vorgaben, sich der Natur zu unterwerfen, um sie nutzen zu können, erwuchs die Möglichkeit, die Natur zu unterwerfen, um sie auszubeuten. Heute sind wir deutlich an die Grenzen einer Auffassung und Lebenseinstellung gestoßen, die besagt, Naturverbrauch sei unendlich möglich, wir brauchten uns um einen nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen wenig zu sorgen. Die Natur habe sich doch bisher immer auch zu helfen gewusst, sich generiert, indem alte Arten ausgestorben  und neue Arten und Lebensformen hervorgebracht worden seien, die sich den veränderten Lebensbedingungen auf der Erde angepasst und somit Menschen, Tier- und Pflanzenarten überlebensfähig gemacht hätten.

Ich sehe in den Worten Fromms auch das biblische Anliegen widergespiegelt: Gott hat uns die Schöpfung zur Nutzung anvertraut, wir können sie urbar machen und haushalterisch verwalten. Aber wir haben aus einem missverstandenen Bewusstsein, die „Krone der Schöpfung“ zu sein, sie unterworfen, arbeiten oft gegen sie und nicht mir ihr und beuten sie schamlos aus. Was über Millionen Jahre gewachsen ist, verzwecken und vernutzen wir innerhalb weniger Jahrzehnte. Dies widerspricht dem biblischen Schöpfungsverständnis, das in der Genesis von „bebauen   u n d  bewahren“ spricht.

Lieber Herr Mörsdorf, wo zeigen sich Ihrer Ansicht nach die Grenzen? Spielt in Ihrem Denken und Handeln als Politiker und auch als Geschäftsführer der ASKO-Europa-Stiftung, der biblische Auftrag, diese Erde als gute Haushalter zu bebauen und zu bewahren, eine Rolle, und wenn ja welche?

Stefan Mörsdorf:

Die Bewahrung der Schöpfung spielt in meiner Arbeit eine ganz herausragende Rolle. Sowohl in den vergangenen zehn Jahren, in denen ich als Umweltminister dieses Landes wirken konnte, als auch jetzt, wo ich als Geschäftsführer der ASKO-Europa-Stiftung mich in das Projekt „Mut zur Nachhaltigkeit“ mit voller Kraft einbringen kann. Es ist aber mehr als nur berufliche Aufgabe und Job. Sondern als Vater von zwei Kindern ist es mir ein ganz persönliches und wichtiges Anliegen, dass wir den kommenden Generationen eine Welt übergeben, in der sie in Frieden, Freiheit und Wohlstand leben können. Und als Christ formuliere ich diesen Anspruch nicht nur für Europa und die westliche Welt. Auch die Menschen und die künftigen Generationen auf der Südhalbkugel haben den Anspruch auf ein gutes und würdevolles Leben. Deshalb will ich nicht nur als ehemaliger Minister und Geschäftsführer sondern auch als Mensch und Christ dazu beitragen, eine lebenswerte Zukunft auf diesem Planeten zu gestalten. Der Anspruch ist hoch, aber es gibt hierzu keine Alternative. Wir haben nur eine Erde, mit ihr müssen wir sorgsam und verantwortungsbewusst umgehen.

Frank-Matthias Hofmann:

Ich habe vorhin bewusst nicht von einer biblischen Schöpfungslehre gesprochen, sondern vom Schöpfungsverständnis. Damit will ich dem Missverständnis wehren, als würde der biblische Bericht in Konkurrenz zu naturwissenschaftlichen Forschungen, Erkenntnissen und Lehren stehen.

Dazu möchte ich zweierlei sagen: Zum einen machen sich die Autoren des Buches Genesis ja gerade das damalige wissenschaftliche Weltbild zunutze. Sie lehnen eine wissenschaftliche Weltsicht gerade nicht ab, sondern machen sie für ihren Glauben dienstbar: Die Erde ist eine Scheibe, die durch ein Dach, den Himmel, überwölbt ist, an dem Mond, Sonne und Sterne befestigt sind. Unter diesem Dach ist die Luft zum Atmen auf der Erde gesammelt. Unter der Scheibe fließen die Urwasser, die die Schutzhülle der Erde umgeben. In den Büchern Mose ist von den Chaoswassern die Rede, die auch Vernichtung bringen können, wenn sie ungeordnet strömen.

Auch die Sintflutgeschichte erzählt davon, wobei die Pointe dieser „sagenhaften“ Erzählung ja gerade nicht die Vernichtung der Erde ist, sondern dass Gott Noah und seinem Geschlecht die rettende Arche bauen lässt und der Mensch und die Tierarten erhalten werden, obwohl Gott allen Grund hätte, aufgrund des sündigen Lebens der Menschen alles zu vertilgen. Aber seine Gnade reicht, soweit der Himmel ist und die Wolken gehen – bis an die Enden der Erde, also bis in die letzten Sonnensysteme und Planeten hinein. Das zeigt: Meere und Ozeane, Wassermassen, können Fluch oder Segen bringen. Auch heute werden wir beinahe mehrmals jährlich mit  Naturkatastrophen konfrontiert, die uns zum einen unsere Grenzen aufzeigen, zum anderen gemahnen, mit der Umwelt, besser: Mit-Welt, verantwortlicher umzugehen, denn manches sind hausgemachte Probleme. Gott aber steht zu seiner Verheißung, dass er Menschen segnen und nicht fluchen will, auch wenn er uns die Freiheit gelassen hat, Dinge zu tun, unter deren Fluch wir dann leiden müssen.

Das zeigt ein zweites: Die Schöpfungsgeschichten der Bibel sind grandiose Menschheitserzählungen. Sie wollen nicht den natürlichen Verlauf der Evolution und wissenschaftlich die Weltentstehung protokollieren. Es sind Glaubenserzählungen, die angesichts der damaligen Erfahrungen bezeugen wollen, dass Gott als Aus-dem-Nichts-ins-Sein-Rufender die Welt im Letzten trägt und hält, dass wir als geschaffene Lebewesen ihm gegenüber im Umgang mit unseren Mitmenschen, den Tieren und Pflanzen und der Natur ihm gegenüber verantwortlich sind. Kreationisten, die die biblischen Berichte wortwörtlich verstehen und jegliche naturwissenschaftliche Erkenntnis leugnen, wie dies christliche Fundamentalisten tun, wird damit aber nicht das Wort geredet. Sie haben nicht verstanden, dass hier auf ganz verschiedenen Ebenen gesprochen wird.

Wie sehen Sie diese beiden Dinge, Herr Mörsdorf: Dass unsere Weltbilder aufgrund fortschreitender naturwissenschaftlicher Erkenntnisse sich auch heute noch ständig wandeln, zeigt das, dass wir immer an Grenzen unserer Erkenntnis stoßen werden? Oder erklären der Urknall und eine mögliche Entdeckung der sog. Weltformel alles? Bleibt bei allen Forschungen noch Platz für Gott, oder vertreiben wir ihn aus unserem Denken, wie dies jüngst ja Wissenschaftler wie die Astrophysiker Stephen Hawking und Leonard Mlodinow in ihrem Buch „Der große Entwurf“ vormachen?

Stefan Mörsdorf:

Naturwissenschaft und Glaube sind keine Gegensätze. Jedenfalls nicht für mich. Gerade lese ich das von Ihnen angesprochene Buch. Da es erst in diesem Monat erschienen ist, habe ich es noch nicht vollständig gelesen. In den ersten Kapiteln fasst Stephen Hawking nochmals die Inhalte seiner früheren Bücher zusammen, aber neugierig wie ich bin, habe ich schon mal vorgeblättert. Den „großen Entwurf“ bleibt er auch in diesem Buch schuldig. Die Weltformel wird auch in diesem Buch ein weiteres Mal angekündigt, aber nicht geliefert. Die Zusammenführung von Quantenmechanik und Astrophysik findet eben nicht statt. Und selbst, wenn sie in Zukunft gelingen sollten, die auch von Hawking gestellten Fragen „Warum gibt es etwas und nicht einfach nichts?“, „Warum existieren wir?“, „Warum dieses besondere System von Gesetzen und nicht irgendein anderes?“ zu beantworten: Die Existenz von Gott lässt sich nicht beweisen, aber auch genauso wenig lässt sich seine Nicht-Existenz beweisen. Mir persönlich geht es so, dass ich je mehr ich über unsere Natur und unser Universum lerne, umso mehr gerate ich in ehrfürchtiges Staunen und in Begeisterung über unsere Schöpfung und unseren Schöpfer. Nein, an dieser Stelle folge ich Stephen Hawking nicht. Dennoch ein lesenswertes, wenn auch kapitelweise schwieriges Buch.

Frank-Matthias Hofmann:

Nach diesen sehr grundsätzlichen Erwägungen noch einmal zurück zum Thema Ozeane. In dem Buch „Wie bedroht sind die Ozeane? Biologische und physikalische Aspekte“ lautet die gute Nachricht, dass wir die Zukunft unserer Meere immer noch größtenteils in unseren eigenen Händen halten. Dann stellen die Verfasser zum Schluss des Buches unter dem Titel „Zukunftsvisionen“ zwei mögliche Szenarien vor: Wir Menschen können den Weg in eine düstere Zukunft mit steigendem Meeresspiegel und einem ausgeplünderten, sauren und überwärmten Ozean wählen, weil wir nicht aktiv genug gegen den stetig steigenden CO 2-Gehalt in der Atmosphäre angehen. Die marinen Ökosysteme brechen dann zusammen. Es kommt zu einer planetarischen Krise.

Oder wir entscheiden uns für einen nachhaltigen Umgang mit den Meeren, der ihre Vitalität und Schönheit bewahrt. Der Mensch lebt im gottgewollten Einklang mit der Natur. Ein 30 Prozent der Ozeane umfassendes globales Netz von Meeresschutzgebieten und Meeresparks ist eingerichtet, viele Arten erhalten so Rückzugszonen, in denen sie sich erholen können. Die Fangquoten sind begrenzt und Fischbestände und allgemeines Meeresleben erholen sich. Wissenschaftler haben nachhaltige und saubere Formen von Fischzucht entdeckt, sodass die Ozeane jetzt der Weltbevölkerung reichlich Protein liefern, ohne dass die Fischbestände geplündert werden. Der Mensch füllt ihn in der Schöpfung zugewiesene Rolle des nachhaltig handelnden Haushalters aus: Mensch zu sein inmitten von Leben, das auch leben will.

Lieber Herr Mörsdorf, welches dieser Szenarien halten sie für realistisch? Können wir noch rechtzeitig umsteuern und die Meere retten? Können wir hier vor Ort etwas tun, lässt sich durch das Verhalten eines jeden von uns dieser Prozess mit beeinflussen?

Stefan Mörsdorf:

Ich gehöre zweifelsohne zu denjenigen, die es mit den Worten von Martin Luther halten und notorisch Apfelbäumchen pflanzen. Gott hat uns Menschen Freiheit gegeben, auch die Freiheit, uns von ihm abzuwenden und die Freiheit, die Schöpfung und die Erde zu zerstören. Und wir sind in der Pflicht, mit dieser Freiheit in Verantwortung umzugehen. Das westliche Wohlstandmodell, wie wir es leben, ist nicht übertragbar auf heute sieben Milliarden und im Jahr 2050 dann neun Milliarden Menschen, die alle ein gutes Leben führen wollen. Sie haben eingangs Erich Fromm angesprochen und sein Buch „Haben oder Sein“ ist heute aktueller denn je. Ein gutes Leben wird nicht davon bestimmt, immer mehr haben und konsumieren zu wollen. Wir brauchen ein neues Wohlstandmodell, das mehr auf „Sein“ denn auf „Haben“ setzt. Dies kann nur gelingen, wenn wir uns alle als „Arbeiter im Weinberg“ verstehen und jeder an seinem Platz seinen eigenen, wenn auch nur kleinen Beitrag leistet. Gerade die Nachfragemacht der Konsumenten kann einiges bewegen.

Gebet für die Ozeane

Stefan Mörsdorf:

Gott, Du Schöpfer des Himmels und der Erden, Du hast uns Deine Schöpfung anvertraut. Wir bitten Dich, bewahre uns vor der Versuchung, alle Natur und jegliche Lebewesen uns bedingungslos unterwerfen zu wollen und sie nur unter dem Aspekt des Nutzens für uns selbst zu betrachten. Hilf uns, künftig noch besser das zu schützen du zu bewahren, was Du uns geschenkt hast. Lass uns erkennen, dass wir Leben inmitten von Leben sind, das leben will, wie es Albert Schweitzer einmal formuliert hat. „Tiefes Meer, weit umher, wieviel zählst du Tröpfelein? Ohne Zahl, sovielmal soll mein Gott gelobet sein“ (EG 507,5).

Frank-Matthias Hofmann:

Gott, Du Schöpfer des Universums und von allem, was da lebt und atmet, Du hast uns die beeindruckenden Ozeane dieser Welt geschenkt. Wir danken Dir für alles Wasser und alle Lebewesen, die die Weltmeere bevölkern. Du hast die Urfluten dieser Erde geschieden und dadurch trockenes Land hervorgebracht, auf dem wir Menschen leben können. Aus den Wassern ging das Leben hervor und vom Wasser leben wir bis heute. Lass uns verantwortlich mit den Meeren und den Wassern umgehen. Lass uns sie immer besser beschützen und gib uns die Kraft, gegen Umweltverschmutzung und verantwortungslosen Lebensstil anzugehen und schenke uns selbst die Einsicht in eine bewahrende und nachhaltige Lebensweise – „Tiefes Meer, weit umher, wieviel zählst du Tröpfelein? Ohne Zahl, sovielmal soll mein Gott gelobet sein.“

Stefan Mörsdorf:

Gott, Du Schöpfer der Welt und allen Lebens, voller Wunder ist unsere Welt. Lass uns das Staunen auch über aller rationalen Naturerkenntnis und allen wichtiger Forschungen der Naturwissenschaften nicht vergessen. Wir bitten Dich für alle Naturwissenschaftler, dass Du ihnen wichtige Erkenntnisse zur Erforschung des Lebens gibst und sie neugierig und verantwortlich damit umgehen lässt. Wir bitten Dich heute vor allem für alle, die die Meere erforschen und die Ozeanologen, die immer wieder wichtige Erkenntnisse über die Funktionstüchtigkeit der Meere, aber auch ihre Veränderungen und ihre Bedrohungen öffentlich machen, um uns zu einem veränderten Umgang mit den Meeren anzuhalten. Lass uns aufmerksamer ihnen zuhören und alle Meereskundler und Biologen in ihrem Dienst stärken. „Tiefes Meer, weit umher, wieviel zählst du Tröpfelein? Ohne Zahl, sovielmal soll mein Gott gelobet sein.“

Frank-Matthias Hofmann:

Gott, Du Quell des Lebens und Born aller kreatürlichen Freude, Deine Stimme hat aus den vielen Wassern das Leben, die Planetensysteme, das Weltall und die bewohnbare Erde geschaffen. Du breitest die Erde aus wie ein Gewand. Du wirbelst bis zu dem Himmel die Meereswellen. Du hast die Berge und die Meere gegründet, damit sie Dein Lob bis an die Enden der Erde verkünden. Das Meer braust und was darinnen ist, die Ströme frohlocken und sind fröhlich, weil Du alles so herrlich geschaffen hast: „Und siehe, es war alles sehr gut.“ Lass uns einstimmen in diesen Jubel der Schöpfung und alles Geschaffenen, lass uns Dich loben und preisen: „Tiefes Meer, weit umher, wieviel zählst du Tröpfelein? Ohne Zahl, sovielmal soll mein Gott gelobet sein.“

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