Ludwig Burgdörfer/ Marthe Kuhm: Bei Trost. Leidfaden für die Trauerarbeit

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Dr. Klaus Bümlein
Ludwigstraße 80, 67346 Speyer

Verlag Hartmut Spenner, Waltrop 2005

Trost: die Erwartung unzähliger Menschen und der Auftrag der Christen kommen bei diesem Thema zusammen. Die Sehnsucht nach einer “Kirche, die bei Trost ist” (Christian Möller) trifft auf den biblischen “Gott allen Trostes” (2 Kor 1,3). Wie aber kann diese tröstliche Botschaft Menschen berühren und bestärken, die einen durch den Tod erzwungenen Abschied aus der Nähe erleiden?

Das Buch von Ludwig Burgdörfer (Pfarrer und Leiter des Missionarisch Ökumenischen Dienstes) und Marthe Kuhm (Psychologin und Referentin im Haus der Familie) gibt dafür ebenso originelle wie praktische Anregungen. Ihr Werk ist erwachsen aus der Erfahrung vieler Jahre in “Trauerseminaren”, also im Kontakt mit Menschen, die von Trennungs-Schmerzen hautnah getroffen sind. Die Leser erwartet keine theologische und psychologische Abhandlung. Was sie finden, das ist ein durchdachter roter Faden durch das Labyrinth des Leides; die Verfasser sprechen von Leid-faden statt von Leit-Faden.

Der Hauptteil des Buches besteht aus 366 Seiten, dem Weg durch ein ganzes Kalenderjahr vergleichbar. Diese Seiten sind, wie ein Losungsbuch, nach demselben Muster aufgebaut. In der Mitte der Seite begegnet, in hervorgehobenem Druck,jeweils ein kurzer Satz, ein “Leid-Satz”, Stimmen der Trauer verdichtet, unverstellt, direkt. Die ersten lauten etwa: „Es ist nichts mehr, wie es war” (1). „Wir sind vom Tod überfallen worden” (2). „Ich stehe neben mir”(4). Am Ende heißt es: „Wir sind in Gottes Hand aufgehoben und getröstet. Unsere Toten auch” (364). „Ich habe überlebt!” (365) Dir Trauer bleibt (m)ein Lebensthema” (366). Der Vergleich von Anfangs- und Schluss-Stimmen zeigt, wie groß die Wegstrecke ist, die hier zurückgelegt wurde, in Trauer-Arbeit, in Trost- Schritten. Doch geht es nicht um einen geradlinigen, unumkehrbaren Weg. Die Autoren ermuntern darum, irgendwo aufzuschlagen und sich einzuhören. Der Leid-Faden für das Trauerjahr ist zwar in fünf Abschnitte gegliedert: “Zu Tod erschrocken” – “Tödlich getroffen” – “Tod und Leben” – “Leben und Tod” – “Tod-sicher werden”. Aber ein lebendiger Prozess des Durchleidens von Trauer fügt sich, wie die Autoren betonen, keinen schematischen Regeln. Niemals sind Rückfälle, Umwege, Irrwege auszuschließen.

Oberhalb und unterhalb des Kernsatzes auf jeder Seite finden sich zwei knappe Anmerkungen. Oben die deutende Stimme der Psychologin, unten die des Theologen. Oben schreibt Marthe Kuhm aus psychologischer Sicht, behutsam, wie ein Satz der Trauer gemeint sein kann. Unten die Anmerkungen des Seelsorgers Ludwig Burgdörfer, kurze “meditative Sätze mit biblischen Anklängen” (S. 8). Manchmal gibt Burgdörfer einfach biblische Zitate dazu. Nicht an jedem Tag! Bezeichnend für die Vorsicht vor allem “leidigen”, weil unzeit-gemäßen Trösten ist der Verzicht auf biblische Worte in den ersten Wochen. Sehe ich recht, so kommt das erste biblische Zitat am 54. Tag. Es ist der Verlassenheits-Schrei des Christus am Kreuz: “Mein Gott, warum hast du mich verlassen?” Viele weitere biblische Zitate bringen, mit Worten aus dem Psalter und aus Hiob, die Klage und die Rufe nach Hilfe zur Sprache.

Blätternd, betrachtend begegnen wir Tag um Tag diesem Dreiklang der Stimmen des Leids und der psychologisch-seelsorglichen Begleitung. Unmöglich, von dem Reichtum der Anmerkungen eine angemessene Vorstellung zu geben. Die große Erfahrung, aber auch Sprachkunst und Wort-Witz der Autoren geben zu denken. Nur ein einziges Beispiel: Als Nr.108 steht der Leid-Satz: „Bleibt mir weg mit der Mogelpackung Mitleid!” Dazu schreibt Marthe Kuhm: “Viele wollen mich trösten. Ich habe manchmal den Eindruck, dass sie mich vertrösten wollen, das Leid wegreden wollen. Die mogeln sich selbst durch! Ich will nicht vertröstet werden, ich brauche Hilfe im Aushalten! Als Trauernde spüre ich sehr fein heraus, wie das gemeint ist. Ich höre zwischen den Tönen, was echt und was gemogelt ist. In diesen Zeiten fallen die Masken, leider. Aber wer nicht gelitten hat, weiß auch nicht, wie man tröstet.” Burgdörfer merkt unten an: “Mit Mitleid/ kommt das Leid nicht weit./ Nicht weiter/ jedenfalls,/ wenn nicht mehr drin ist,/ als draufsteht./ Tut mir leid!” (S.124)

Ein solches Buch will und kann nicht in einem Zug verschlungen werden. Es kommt Lesern zu Hilfe, die Tag-weise lesen, die sich festhalten lassen. Wer das Buch auf sich wirken lässt, so ist es mir ergangen, der nimmt teil an dem vielstimmigen Chor der Trauernden um uns; er wird auch Schritte geführt, die weiterführen.

Ein Verzeichnis der wichtigen Motive (leider nicht der biblischen Stellen) und weiterführende Literatur stehen am Ende. Ein Buch, das für das persönliche Lesen und für die Seelsorge-Arbeit mit Gruppen hilfreich ist. Sehr zu empfehlen!

 

 

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