Auf dem Weg aus der globalen Katastrophe

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Andreas Echternkamp

Höfflerstr. 18, 67659 Kaiserslautern

Zur 29. Friedenskonsultation landeskirchlicher Friedensausschüsse und christlicher Friedendienste vom 2.-4.Februar in Speyer zum Thema „Nach uns die Sintflut!? Friedensrisiko Klimawandel“ (1)

Der Klimawandel ist kein Umweltproblem. Er ist ein gesellschaftliches und ökonomisches Problem. Wenn wir nichts ändern, dann ändert sich alles!

Aufgeschreckt haben mich die Ausführungen von Professor Dr. Dirk Messner vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik in Bonn, an dem Naturwissenschaftler und Gesellschaftswissenschaftler gemeinsam den Klimawandel und die Folgen erforschen (2). Das Institut berät Wirtschaft und Politik und bereitete u.a. die Klimabeschlüsse vom G8-Gipfel in Heiligendamm vor (hinter die die europäische Politik inzwischen wieder zurückfällt).

Messner geht von einem Temperaturanstieg von 6 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts aus, wenn wir weiter so wirtschaften wie bisher. Er gab zu bedenken, dass die Temperaturen während der letzten Eiszeit vor 20.000 Jahren nur 4 ½ Grad unter der heutigen Durchschnittstemperatur gelegen haben. So würde umgekehrt schon ein Anstieg von 4 Grad verheerende Auswirkungen in globalen Ausmaßen mit sich bringen.

Schon heute ist die Versorgung mit Trinkwasser in vielen Regionen der Erde ein Problem. 60 % des Trinkwassers auf der Welt kommen von Gletschern, z.B der Anden oder des Himalayas. Im 20. Jahrhundert haben die Gletscher bereits 30% ihrer Größe verloren – bei „nur“ 1 Grad Temperaturanstieg im vergangenen Jahrhundert.

Bei 4 Grad Erhöhung würde der Wasserhaushalt des südamerikanischen Kontinents zerstört, der Amazonas-Regenwald bis Ende dieses Jahrhunderts zur Wüste. Mit Afrika wäre ein weiterer Kontinent betroffen, wo schon bis 2050 das Wasser ausginge. Für Asien mit den bevölkerungsreichen Ländern China und Indien, die auch für die Weltwirtschaft große Bedeutung haben, rechnet Messner in dem Fall mit einem Kippen des Monsunsystems, so dass entweder durch Starkregenfluten oder Ausbleiben des Monsuns die Böden in Wüste verwandelt würden. Hier wird deutlich, dass mit dem Klimawandel auch eine Ernährungskrise einhergehen wird.

Politische Folge wäre eine Zunahme schwacher, fragiler Staaten vor allem im Süden der Erde, wo viele Länder jetzt schon ums Überleben kämpfen. (Können wir uns 100 Simbabwes vorstellen? Und wenn ja, wie viele UN- oder Nato-Soldaten zur Stabilisierung? Wie viele Hilfskonvois oder „Brot für die Welt“-Aktionen?)

Ein Horrorszenario! Doch im regionalen Maßstab schon jetzt vielerorts Realität.

Um das Schlimmste zu verhindern, sehen Messner und andere die Notwendigkeit, den Temperaturanstieg auf 2 Grad zu begrenzen. Das wäre möglich durch eine Begrenzung des CO2-Ausstoßes auf 2 Tonnen jährlich pro Kopf der Weltbevölkerung (z.Z. in den USA 20 Tonnen, in Europa 10 Tonnen). Für die Industrienationen wäre dazu eine Reduktion um 80% des CO2-Ausstoßes erforderlich – und sowohl technisch wie wirtschaftlich machbar. Klare Marschroute dabei ist die Abkehr von den fossilen Energieträgern, die uns seit Beginn der industriellen Revolution in diese Sackgasse geführt haben, und Hinkehr zur erneuerbaren Energie Wind, Biomasse und Solar. Die Atomenergie ist nicht nötig und bleibt wegen des Entsorgungs- und Sicherheitsproblems ausgeklammert.

Nach Messners Auffassung drängt die Zeit: jetzt – in den nächsten 10 bis 15 Jahren – werden die Weichen gestellt. Denn es wird jetzt gesät, was in 50 bis 100 Jahren geerntet wird, so wie jetzt nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, was durch das Wirtschaften vor 100 Jahren sich aktuell als Klimawandel auswirkt. Und er weist auf das Phänomen hin, dass Systeme kippen, dass es einen Punkt gibt, von dem ab ein Zurückdrehen der Entwicklung nicht mehr möglich ist, weil mehrere Faktoren sich gegenseitig beeinflussen und in der Wirkung potenzieren.

Ich habe aber nicht den Eindruck, als wäre diese Not-Wendigkeit, dass jetzt umgesteuert werden muss, schon in unser Bewusstsein gedrungen, als hätten wir den Ernst der Lage begriffen. Alle Welt scheint mit der Finanzkrise beschäftigt. Auch unsere Kirche scheint sich mehr um ihren finanziellen und personellen Fortbestand zu bekümmern, als um den Fortbestand des Ganzen, Gottes Schöpfung.

Vieles, was wir auf Pfarrkonferenzen u.a. mit Leidenschaft diskutieren, kommt mir im Verhältnis dazu seltsam unwirklich vor. Beschäftigen wir uns mit Kleinigkeiten in Relation zu dieser globalen Herausforderung, weil wir selbst nicht glauben, im Großen etwas ändern zu können? Denken wir, so schlimm wird es nicht kommen, das sind nur Prognosen? Es gibt ja immer andere Experten, die andere Thesen aufstellen und andere Schlüsse ziehen, auch wenn 95% der Wissenschaftler weltweit in der Ursachenanalyse des Klimawandels einig sind.

Messner meint in der Tat, dass wir Menschen noch nie in unserer Geschichte vor einem Problem mit solchen Auswirkungen gestanden hätten; und dass Politikerinnen und Politiker, die geschult sind, in Zeiträumen von einer Wahl zur nächsten zu denken, nun Entscheidungen treffen müssen, die für Zeiträume gelten, die ihre eigene Berufs- und Lebenszeit bei weitem überschreiten; dass die Gesellschaften der Nordhalbkugel Änderungen ihrer ganzen Lebens- und Wirtschaftsweise vornehmen müssen, obwohl sie nicht primär von dem Problem betroffen sein werden sondern die Menschen im Süden. Fatal: die „Strafe“ für die Schuld wird vor allem Unschuldige treffen, nicht ihre Verursacher. Wie können wir das als Christinnen und Christen des Nordens vor unseren Geschwistern und Mitmenschen im Süden verantworten? Vor Gott selbst?

Ich denke, als Kirche hätten wir in dieser Situation Widerstand zu leisten und zur Umkehr zu rufen, statt wie die Kultpropheten (uns selbst) zu beruhigen: „Friede, Friede“ – und ist doch kein Friede!

Ich glaube, dass die Kirche in dieser Situation durchaus eine besondere Rolle zu spielen hat als Institution und Gemeinschaft, die von Anfang an von ihrem Wesen her global angelegt war – und global ist. Die immer schon dem Geist verpflichtet war, global zu denken und lokal und gegenwärtig zu handeln auf eine Zukunft hin, die nicht in ihrer Hand liegt und über die individuelle Lebenszeit hinausgeht.

Und ich hoffe, dass wir diese Rolle annehmen gegenüber der Politik und unserer Gesellschaft. Gerade jetzt, wo Milliardengelder fließen, muss gewacht werden, wohin sie fließen, und wenn nötig protestiert werden. Gerade jetzt, wo die nächsten Bundestagswahlen anstehen, müssen Kandidatinnen und Kandidaten gefragt werden, welche Wege sie gehen.

Ja, ich hoffe, dass wir uns untereinander in der Kirche, in unseren Gemeinden darüber klar werden und z.B. Energiemanagement als ethische Notwendigkeit begreifen, gar als ein Stück Spiritualität. Gelegenheit dazu haben wir vom Gottesdienst bis zur Aktion in der Kindertagesstätte, vom Autofasten bis zur Fotovoltaik auf dem Dach kirchlicher Gebäude.

Da ermutigte uns ein weiterer Referent auf der Friedenskonsultation, der EKD-Umwelt-Beauftragte und Professor für Volkswirtschaft, Hans Diefenbacher, mit der soziologischen Erkenntnis, dass man schon von einer Massenbewegung spricht, wenn 8-10% einer Gesellschaft ein bestimmtes Verhalten an den Tag legt. Das ist eine Größenordnung, die unweigerlich weitere Kreise ziehen wird. Wenn viele nur an einer einzigen Stelle ihr Verhalten ändern, bewirkt das mehr als ein „Umwelt-Martyrium“ einzelner.

Und auch aus dem dritten Vortrag möchte ich noch Gedanken weitergeben. Professor Fulbert Steffensky sagte, christliche Hoffnung setze nicht darauf, dass der Untergang vermieden wird, doch wir sollen handeln, als sei Rettung möglich. Wir wissen, was aus der Erde werden soll, wir wissen nicht, was aus ihr werden wird. Mit Jona sollen wir Gottes Ruf zur Umkehr ausrichten und dann sehen, was ER daraus macht, ohne uns wie Jona einem Untergangspanorama hinzugeben. So sollen wir unsere Wahrheit so sagen, dass sie Kritik und Trost in einem ist – Verlockung zum Leben.

(1)  s. dazu auch Bericht und Kommentare im Ev. Kirchenboten 6/2009

(2)  Das Referat von Prof. Messner basierte auf dem Hauptgutachten des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung Globale Veränderungen (WBGU, 2007) „Welt im Wandel: Sicherheitsrisiko Klimawandel“; eine Kurzfassung ist im Internet zu finden unter www.wbgu.de/wbgu_jg2007_kurz.pdf – der Volltext mit Diagrammen unter www.wbgu.de/wbgu_jg2007.html

Verweisen möchte ich in dem Zusammenhang auch noch einmal auf die Kundgebung der 10. Synode der EKD auf ihrer 7. Tagung zu Klimawandel-Wasserwandel-Lebenswandel vom 5.11.08.

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