Beiträge zur Geburt im Alten Testament

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Monika Lutzius-Feigk
Christian-Bitter-Straß 2/1, 69126 Heidelberg

Dorothea Erbele-Küster und Detlef Dieckmann (Hg.), „Du hast mich aus meiner Mutter Leib gezogen“, Beiträge zur Geburt im Alten Testament, 206 Seiten, Reihe Biblisch-Theologische Studien 75, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2006, ISBN 3-7887-2140-5, 24,90 Euro.

In ihrem Werk „Vita Activa“ prägte Hannah Arendt den Begriff der Geburtlichkeit und eröffnete damit in der Philosophie eine neue Perspektive von der Todeszentriertheit weg auf den Beginn des Menschseins und die Möglichkeit des Neuanfangs mit jeder Geburt. Erst seit einigen Jahren entdeckt die Theologie das Thema Geburt neu, vorangetrieben durch die feministisch – theologische Forschung. In der alttestamentlichen/biblischen Anthropologie wurde es bisher wenig beachtet. Auch sie beschäftigte sich weit mehr mit dem Lebensende als mit seinem Anfang. Hier schließt das vorliegende Buch eine Lücke. Die Herausgeber Dorothea Erbele-Küster und Detlef Dieckmann haben Aufsätze junger Nachwuchswissenschaftler zusammengestellt, die sich aus verschiedenen Blickwinkeln mit dem Thema Geburt im AT (und NT) auseinandersetzen. In den acht Beiträgen wird anhand exemplarischer Texte die zentrale Rolle von Geburt im AT und NT aufgezeigt und ein Perspektivenwechsel eingeleitet. Individuelle, soziale und theologische Dimensionen des biblischen Redens von der Geburt werden aus der Sicht alt- und neutestamentlicher Forschung sowie Systematischer Theologie und Ethik betrachtet. Es wird gefragt, wie, wann und warum die biblischen Texte von Geburt sprechen als einem konkreten Ereignis oder in metaphorischer Rede, die die Alltagserfahrungen von Frauen (und Männern) als Bezugspunkt hat.

Zwei Aufsätze möchte ich exemplarisch vorstellen:

Dorothea Erbele-Küster spricht in ihrem Aufsatz „Kann denn ein Männliches gebären?“ (Jer. 30,6) [1] über die Verknüpfung von biologischem und sozialem Geschlecht in biblischen Texten. Die biologischen Unterschiede transportieren Geschlechterklischees, anatomische Merkmale schließen ein bestimmtes Rollenverhalten ein. Sie zeigt auf, dass bei Jeremia die traditionellen Geschlechterrollen an einigen Stellen durchbrochen werden und dass das Folgen hat. Wenn Männer sich wie Frauen gebärden (Jer. 30,6), bedeutet das Unheil, denn weibliches Verhalten wird mit dem Schwachen assoziiert. Übernehmen andererseits Frauen eine aktive männliche Rolle (Jer. 31, 22), so steht der gendertrouble für eine Heilszusage.

In seinem Aufsatz „Viel vervielfachen werde ich deine Mühsal – und deine Schwangerschaft. Mit Mühe wirst du Kinder gebären“ [2] spricht Detlef Dieckmann von der Ambivalenz des Gebärens in Gen. 3,16. Er deckt auf, dass die Rezeption von Gen.2-3 als „Sündenfall“ sowie die gängige Luther – Übersetzung von Gen. 3,16 weit reichende Folgen für die Bewertung der Sexualität und die Sichtweise des Gebärens hatte und für konservative soziale Rollenmuster der Frau prägend war. Dagegen plädiert er für eine Übersetzung (siehe oben), die Raum läßt für mehrere mögliche Antworten, wie es dem hebräischen Text entspricht und die den jeweiligen Erfahrungshorizont der LeserInnen widerspiegeln kann. Ebenso weist Diekmann auf den Verheißungscharakter hin, der in Gen.3,16a enthalten ist und bisher übersehen wurde: Nachkommenschaft bedeutet Segen.

Die weiteren Aufsätze seien hier nur kurz dargestellt:

Stefan Fischer schreibt über den Lebensanfang als Schlüssel zu personaler und sozialer Identität im Hohenlied.

Geburt in Psalm 22 ist das Thema von Marianne Grohmann in ihrem Aufsatz „Du hast mich aus meiner Mutter Leib gezogen“.

Zu Geburt und Identität in der Bildsprache der Psalmen schreibt Alexandra Grund unter dem Titel „Aus Gott geboren“.

„Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder“ lautet der Aufsatz von Raik Heckl, indem er über das Kind als Zeichen des Neuanfangs und die Intertextualität zwischen Mt. 18, 1-5 und das Alte Testament schreibt.

Stefan Heuser macht unter dem Titel „Geborenwerden und Politische Ethik“ Erkundungen im Alten Testament und bei Hannah Arendt.

Benjamin Ziemer greift noch einmal Gen.3, 16 auf und schreibt über die Umstände von Schwangerschaft und Geburt im endkompositionellen Rahmen der Genesis.
Das Buch enthält am Ende eine thematisch geordnete ausführliche Literaturliste zu „Geburt“, die sehr hilfreich ist für eigenes vertiefendes Lesen und gibt Hinweise zu den Autorinnen und Autoren.

Diesen geht es nicht nur darum, mit dem vorliegenden Band eine Lücke in der bisherigen biblischen Forschung zu schließen. Vielmehr ist es ihnen wichtig, aus der Deutung der biblischen Aussagen zur Geburt Orientierung zu geben bei der Suche nach Antworten auf heute brennende Fragen wie Veränderung von Geschlechterrollen, Geburtenrückgang, Umgang mit Reproduktionstechnologien und Biopolitik.

[1] a.a.O., Seite 39ff;

[2] a.a.O., Seite 11ff.

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