Joseph Kardinal Ratzinger, Aus meinem Leben (1927 – 1977)

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Stuttgart (D.V.A.) 1998

Günter Schwinn
Jaspersstr. 2, 69126 Heidelberg

Aus Anlaß einer Arbeit zum Thema »H. Schrift und Tradition« wurde die Anschaffung unumgänglich. Mit Freude blättert man wegen der vielen Bilder und liest gefesselt die Kapitel: Gymnasialjahre in Traunstein, Der Schatten des 3. Reiches, Kriegsdienst und Gefangenschaft (als Schüler!). Dann fällt der Titel »Das Drama der Habilitation« ins Auge. Wie kann einem so gescheiten Mann so etwas zustoßen? Schmaus, Söhngen, Rahner kommen ins Bild; Der Hintergrund: Bonaventura, Joachim von Fiore, Trienter Konzil als weitreichende Initialzündung wird deutlich. Der einflußreichste deutsche Kirchenmann, der in einem Leserbrief vor kurzem in der FAZ sich gegen Verleumdung wehren mußte, beschreibt in aller Ruhe seine theologischen Ansätze und sein Wirken als Konzilsberater (»Peritus«) des Erzbischofs Kardinal Frings 1962-1965, sowie seinen Kommentar (Herder-Lexikon) zur wichtigsten Konstitution »Dei Verbum«.

Während viele dem Phantom nachjagen, so oder so oder irgendwie einen Consensus zu erreichen, genügt mir das Verständnis für ein offengelegtes Denken, wenn man es auch an einigen Stellen nicht nachvollziehen kann. Das entscheidende Beispiel ist O. Cullmanns Statement bei der Verabschiedung der nichtkatholischen Konzils-Beobachter durch den Papst (Cullmann begrüßte die deutliche Hinwendung zur Heiligen Schrift in vielen Verlautbarungen, betonte aber ihre letztentscheidende Rolle gegenüber dem Lehramt); R. lehnt dies in seinem Kommentar ab: HERDER-Lexikon f. Th. u. Kirche, Konzilsteil, Bd. II, S. 524ff. Jetzt, nach drei Jahrzehnten, folgt eine ausgereifte Zusammenfassung: 106ff. Über kein Thema wurde im Konzil so heftig gestritten wie über Schrift und Tradition – und R.s Habilitations-Schrift wurde 1957 in Freising erst abgelehnt und dann angenommen: ein Trost für alle dialogbereiten Ökumeniker!

In Kommentar S. 525 zitiert R. jenes frappierende Bild Käsemanns vom Minenfeld der Exegese (letztes Beispiel Lüdemann und das leere Grab usw.) und verneint ein striktes Gegenüber von Schrift und Kirche; man könne nicht den Glauben einer »Erstinstanzlichkeit« der Wissenschaft ausliefern. Heute sagt R. S. 129: »Die Offenbarung ist nicht ein auf die Erde gefallener Meteor, der nun als eine Gesteinsmasse irgendwo herumliegt, wovon man Gesteinsproben nehmen, ins Labor tragen und dort analysieren kann.« »… darum gehört Kirche zu ihr.«

In seiner Selbstbiographie ist Joseph Ratzinger nicht mehr der ferne Chef der Glaubenskongregation in Rom, sondern das Glied seiner Familie, der in Freising, Bonn, Münster, Regensburg, München groß gewordene deutsche Katholik, der (in seinem Wappen) dennoch bescheiden geblieben ist.


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