Marianne Wintersteiner, Markgräfin Amalie von Baden.

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biographischer Roman, Mühlacker/Steiermark (SteglitzVerlag) 1996

Günter Schwinn
Jasperstr. 2, 69126 Heidelberg 

Endlich kommt wieder Leben in das verträumte Rohrbacher Schlößchen. Die bei den Sudetendeutschen beliebte Schriftstellerin M. W. aus dem Bayerischen Wald entdeckte hier die Aktualität des historischen Stoffes der Napoleon-Zeit um 1803-1806. Die Heidelberger Medizin-Professoren hatten sich mit ihrer Thoraxklinik im weiträumigen Park (ein italienischer Hotel-Bauer kam auf den völlig falschen Namen Ebertpark-Hotel) breit gemacht und die Hauptsache in gebührender Achtung unberührt gelassen. Die vordergründigen Handlungs-Orte sind St. Petersburg, Berlin (Friedrich der Große), Stockholm, München (König Maximilian I.), Karlsruhe. Aber woher sollen die vielen Heidelherger samt internationalem Anhang, die den beliebten Ausflugsort (ganz in der Nähe: Bierhelder Hof) aufsuchen, wissen, daß da große Politik gespielt wurde, wenn man es ihnen nicht sagt? Wo jetzt schottische schwarze Kühe grasen, tummelten sich damals auf waldumgebenen Wiesen Jagdpferde der letzten Markgräfin, ehe das jüngste süddeutsche Staatswesen, das Großherzogtum Baden von Napoleons Gnaden entstand. »Max, Du mußt unbedingt nach München, um die Sache mit dem Baby zu klären«. Der Zweibrücker Wittelsbacher Herzog, dem die Franzosen sein linksrheinisches Land genommen hatten, kam nicht nur zur Jagd hierher, seine Familie hatte im Schlöf3chen Zuflucht gefunden und er hatte nach dem Tod seiner Frau (Mutter des späteren Königs Ludwig I.) die älteste der 6 Töchter Amalies, Karoline, geheiratet. Der Hexameter der absolutistischen Zeit »Bella gerant alii, tu felix Austria nube« hatte in München glänzenden Mißer folg. Onkel Karl Theodor, der Heidelberger Kurfürst, war in hohem Alter von Wien aus mit der Heirat einer liebreizenden Kaiserstochter Leopoldine beglückt worden. Beim Beileidsbesuch eröffnete sie dem vertragsmäßigen Wittelsbacher Erben Max, daß sie aus Wut über die erzwungene Heirat der Wiener Kommission bereits erklärt habe, das Kind sei nicht von Karl Theodor. Maximilian I. bedankte sich später für diese Wahrheitsliebe, indem er zusammen mit der bei den Bayern ebenfalls beliehten Königin Karoline die Österreicherin hochschätzte und ihr in der Maxburg einen schönen Ruhesitz gewährte. Als der Napoleon-Rummel 1814 vorbei war, hinterließ die mehr oder weniger erzwungene Heirat der »kaiserlichen« Adoptivtochter Stephanie Beauharnais mit dem einzigen Sohn Amalies trotz allem noch einen positiven Erfolg: Die Mannheimer achteten und liebten die im Schloß wohnende Französin. Es würde hier zu weit führen, die noch bedeutendere Tatsache zu schildern, daß die Formulierung der »Heiligen Allianz« (Paris l815, 26. Sept. am orthodoxen Fest der Kreuzaufrichtung) zusammen mit Amalie, dem Haupt der antinapoleonischen Opposition, in Rohrbach erfolgte; man lese es nach. Zar Alexander I. war der am meisten geistesverwandte Schwiegersohn. Mit der Nachbarschaft Heidelbergs hat das alles nichts zu tun und kommt nur von dem Zufall, daß ein Zweibrücker Herzog aus Langeweile vom Sommeraufenthalt im langweiligen Schwetzinger Schloß aus (bei Onkel Karl Theodor) sich in Rohrbach ein Jagdschlößchen baute und es 1803 seiner Schwiegermutter schenkte. Der Ort war nur Sprungbrett nach Bayern (welch ein Zufall!). Wir Emmertsgrunder im neuesten, hintersten Vorort Heidelhergs mit seinen häß1ichen Hochhäusern entdecken, daß wir auch gern der Altstadt den Ruhm des weltbekannten Katechismus und der »Wiege der Wissenschaft« lassen. Nach dem Jahrhundert mit zwei Weltkriegen, vorher den französischen Zerstörungen, muß unsere Generation mühsam wieder anknüpfen an einem Zusammengehörigkeits-Bewußtsein Europas, das vor 200 Jahren schon einmal bestanden hatte. Diesmal keine Ehen des Adels, höchstens Männerfreundschaften wie H. Kohls mit M. Gorbatschow, der in seinen Programmschriften Glasnost (Transparenz) und Perestroika (Umbau) und seinem Ideal des »europäischen Hauses« die Hallstein-Doktrin (Europa auf friedliche, demokratische Art bis zum Ural) beantwortete. 

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