Wir sagen Ja zum deutschen Adel

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Jörg Schenk
Hetzelstraße 7, 67346 Speyer

Zu den Beschwernissen, unter denen dieses Land ächzt, zu den Tonnen der auf uns lastenden Desiderationen, zählt zumal der wenig glanzvolle Auftritt unseres heutigen Adels. Das ist weniger dem Adel selbst, als vielmehr seiner Inexistenz geschuldet, als deren bleibende Ursache eine in der Vergangenheit liegende Fehlentscheidung finster unseren Häuptern dräut: Als 1918 ein Autor für den Entwurf zur Weimarer Verfassung gesucht wurde, nahm man keinen Trendscout oder doch wenigstens eine Marketingassistentin, sondern ließ sich zum Staatsrechtler Hugo Preuß hinreißen. Prompt schrieb der werbe- und kommunikationsfremde Jurist den adelsfinalen Artikel 109 in das Gesetzeswerk, Friedrich Ebert machte seinen – man verzeihe die Anzüglichkeit – ›Wilhelm‹ darunter, und der Standort D war ab sofort kein Adelsstandort mehr.

Zunächst fiel das nicht weiter auf. Der Adel zog sich in die geräumige ostelbische Schmollecke zurück, war aber zur Stelle, als das Vaterland rief. Mit dem anschließenden Verlust auch noch der Schmollecke erfolgte vollends das Downgrading auf den verfassungsrechtlich längst bestehenden Status eines Operetten- und Faschingsadels. Und erst nun entwickelten sich die Verheerungen des Hugo Preuß vom Rudiment zum Vollbild: Die anderen hatten Soraya und die Queen. Wir hatten Heinrich Lübke. Die anderen prunken mit Fürstenhochzeiten und Thronjubiläen, entfachen Paroxysmen der Begeisterung für Beatrix, Diana, Sylvia, während unser Ernst August niedergeboxte Journalisten und einen als Urinal mißbrauchten Weltausstellungs-Pavillion hinterläßt. Die Privation der Substanz bewirkt, nach Aristoteles, die Nichtexistenz – oder eine Existenz als Gespenst.

Die Stellung des Bürgers zum Adel ist ambivalent. Attraktivität gewinnt, was man eben noch aufs Schafott schickte. Jakob Fugger betreibt energisch und erfolgreich die Erhebung in den Adelsstand in dem Augenblick, da er den Adel ökonomisch buchstäblich in der Tasche hat. Heutige Adelsbegeisterung ist in Ermangelung vollgeltender Blaublütigkeit hierzulande auf den Fernseher verwiesen oder auf die Qualitätszeitschriften, die alle kennen, obwohl keiner sie liest. Der Erwerb windiger Adelsprädikate bei Konsul Weyer bleibt ohnedies der schmalen Schicht der Besserverdienenden vorbehalten.

Wenn aber der Adel ganze TV-Serien bevölkert; wenn alle Medien eine »Fürstin Gloria« kennen, um sich von den querulatorischen Adelsneidern im Einwohnermeldeamt Regensburg annörglen zu lassen, dass »Fürstin« nach dem deutschen Melderecht kein zulässiger Namensbestandteil ist – sollte da nicht der objektiven Tendenz willfahrt werden in einem mutigen Schritt, einer beherzten Aktion Pro Adel?

Kirchenpräsident Eberhard Cherdron, für tollkühne Husarenritte bislang unbekannt, hat diesen mutigen Schritt getan. In der vollbesetzten Gedächtniskirche zu Speyer begrüßte er im Rahmen des Festgottesdienstes am 25. April einen deutschen Staatsbürger als »Kaiserliche Hoheit«. Durch die Kirche ging ein Raunen, das für Interpretationen offen war. Die anwesende »Hoheit« war Urenkel jenes Kaiser Wilhelm, dessen verschnörkelte Sprachgirlanden kunstvoll vermeidende Diktion – »Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht!« (27. Juli 1900) – uns den Premium-Rhetor nahebringt. Im Geiste jener großen Zeit hatte Waffenbruder Erzherzog Friedrich beim Betrachten von Filmaufnahmen, die den Bombeneinschlag in eine Gruppe von Soldaten zeigten, die erzielten Personenschäden mit dem Wort »Bumsti!« quittiert. Der Herausgeber der »Fackel«, Karl Kraus, fand das so lustig, dass er es jahrelang stets aufs Neue zitierte.

Der Kirchenpräsident erläuterte später, seine Anrede sei »eine Frage des Umgangs«. Damit hat er Recht. Solange unsere Hoheiten nur als Gespenster umgehen, umgehen wir eine weithin nachgefragte emotionale Kraftquelle. Deren Aufladung kann gelingen, binden wir diesmal nur frühzeitig das Marketing ein. Würde aus dem Umgang des 25. April eine Massenbewegung mit offensiver Begrüßung aller Noblen bis herunter zur Freifrau bei jeder sich bietenden öffentlichen Gelegenheit, so wäre bald eine kritische Masse erreicht, die auch glanzvolle Großhochzeiten in den Bereich des Möglichen rückte. Dann übertragen die anderen unsere Heirats-Events, mit krachigen Einschaltquoten, die ein »Bumsti!« allemal wert sind.

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