Impressionen eines Besuches des Evangelischen Ratsgymnasiums in Erfurt
Hardo Strobel
Meisenweg 17, 67346 Speyer
„Mit der Kirche habe ich überhaupt nichts am Hut, aber ich glaube, dass dort was Gutes gemacht wird. Bringen Sie es meinem Kind bei!” Mit diesen Worten kennzeichnete Michael Friese, Schulleiter am Evangelischen Ratsgymnasium in Erfurt, die Motivation vieler Eltern, ihr Kind gerade an seiner Schule anzumelden. Anlässlich des Besuchs der Konferenz der Religionslehrerinnen und -lehrer, Pfarrerinnen und Pfarrern an Gymnasien Realschulen und Gesamtschulen informierte Friese die Religionspädagogen aus dem Bereich der evangelischen Kirche der Pfalz über die aktuelle Situation und die Konzeption seiner Schule. Schon 1561 gegründet und 1992 neu eröffnet, ist das Evangelische Ratsgymnasium die traditionsreichste Schule Erfurts. Nun weckt ja die Verbindung „Erfurt” und „Schule” durchaus Assoziationen, aber die Kollegen aus der Pfalz verstanden beim gemeinsamen Durchgang durch die neu renovierte Schule schnell, was Friese mit dem besonderen Geist seiner Schule meinte. Zwar sei das Ratsgymnasium keine Insel, aber man habe keine Probleme mit Vandalismus und Sachbeschädigung, auch werde kaum geprügelt. So versteht man beim Anblick der schönen hellen Klassenräume, eines Raumes der Stille und einer tollen Aula sofort, wieso das Ratsgymnasium trotz der schwierigen Situation des „Wendeknickes” die Zahl seiner 600 Schüler konstant halten kann. Ja, trotz eines – zwar sozial gestaffelten – Schulgeldes von bis zu 90 Euro pro Monat habe man immer noch mehr Anmeldungen als man aufnehmen könne. „Hier würde ich mein Kind auch sofort anmelden”, rutschte es einem der Gäste spontan heraus. Und in der Tat konnte sich keiner der Besucher aus dem Westen an eine so schöne Schule in Rheinland-Pfalz erinnern. Der christlichen Ausrichtung wird am Ratsgymnasium u.a. durch fachübergreifende Projekte, regelmäßige Andachten und Gottesdienste, sowie ein sozialdiakonisches Praktikum in Klasse 10 Rechnung getragen. Obwohl rund 50% der Schülerschaft konfessionslos sind, besuchen alle den evangelischen Religionsunterricht und tragen das religiöse Profil der Schule mit. Das gilt natürlich ebenso für das Lehrerkollegium. Nicht ohne Stolz erzählt Schulleiter Friese, dass die Stellen an seiner Schule durchaus begehrt seien.
Getragen wird die Schule vom Kirchenkreis Erfurt, der sich sein Bildungsengagement auch in schwierigen Zeiten einiges kosten lässt: 400.000 Euro müssen durch Schulgeld und Träger aufgebracht werden, den Rest übernimmt das Land Thüringen. Aber das Geld scheint gut angelegt, denn auch von offizieller Seite sieht man im Ratsgymnasium eine Bereicherung der Schullandschaft der Landeshauptstadt. So habe man für eine Begegnung mit dem israelischen Botschafter Schimon Stein gerade seine Schule ausgewählt, erzählt Friese nicht ohne Stolz. Er wünscht sich deshalb ein noch intensiveres Nachdenken darüber, was kirchliche Schulen in einer säkularisierten Umgebung leisten. 600 Schüler zwei Stunden pro Woche verlässlich und redlich über Religion zu unterrichten, sei doch ein unglaublicher Verkündigungsbeitrag. „Sie werden sich zwar nicht alle taufen lassen”, fährt Friese fort, „aber sie wissen wenigstens, worüber sie sich entscheiden.”
Auch an staatlichen Schulen sei von Schülerseite durchaus Interesse am Religionsunterricht zu bemerken, informierte Pfarrerin im Schuldienst Gaby Reimers die Kolleginnen und Kollegen. Sie unterrichtet neben dem Ratsgymnasium noch an einer staatlichen Schule und verzeichnet dort viele Neuanmeldungen für den Religionsunterricht in Klasse 11 und 12. So stand am Ende des rund dreistündigen Erfahrungsaustausches bei den meisten Beteiligten der Tenor fest: Auch in schwierigen Zeiten sollte man nicht aus dem Auge verlieren, was man mit Schule alles bewirken kann. Diese Möglichkeiten des Unterrichtes hatte wohl auch Luther, auf dessen Spuren die Religionspädagogen aus der Pfalz vier Tage wandelten, im Blick, als er einmal formulierte: „Einen fleißigen, frommen Schulmeister oder Magister oder wer es ist, der Knaben treu erzieht und lehrt, dem kann man immermehr genug lohnen.”
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