Zu den beiden Bildern von der Confessio Augustana in der Dreifaltigkeitskirche in Speyer

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Eberhard Cherdron
Kardinal-Wendel-Straße 35, 67436 Speyer

Im Zyklus der Emporenbilder in der Dreifaltigkeitskirche in Speyer fällt das vorletzte Bilderpaar (XXXIV/34) [1] ganz aus dem sonst vorgegebenen Rahmen. Während bei allen andern Bildpaaren streng eingehalten wird, dass einer Darstellung aus dem Neuen Testament auf der unteren Emporenreihe eine entsprechende Darstellung aus dem Alten Testament auf der oberen Emporenreihe zugeordnet wird, zeigt das vorletzte Bilderpaar in der unteren Reihe die Übergabe der Confessio Augustana an den Kaiser Karl V.  und auf der oberen Empore eine Darstellung von Offenbarung 14,6, dem Engel, der das ewige Evangelium verkündigt.

Anstelle einer neutestamentlichen Darstellung wird also ein Ereignis der Kirchengeschichte aufgenommen und die alttestamentliche Reihe wird an dieser Stelle durch einen neutestamentlichen Text unterbrochen. Dies ist besonders auffällig und bedarf einer Erklärung.

Bisherige Erklärungsversuche

Pfarrer Karl Zöller hat in seiner Bildbeschreibung „Der Gemäldeschmuck der Kirche“  nur fest gehalten, was zu sehen ist:

„34. Aguss. (sic!) Confession. ‚Lutheri Lehr und Licht, legt man hier vors Gesicht‘. Ein Bild, genommen aus der Geschichte der prot. Kirche in der Reformationszeit. Der sächsische Kanzler Baier verliest auf dem Augsburger Reichstag am 25. Juni 1530 vor Kaiser Karl 5. und den Fürsten die Confessio Augustana, das Augsburgische Glaubensbekenntnis.

Apoc. 14. Kap. ‚Was dieser Engel lehrt, Lutherus hat erklärt.‘  Ein Bild aus der Offenbarung des Johannes. Ein Engel kommt vom Himmel um der Menschheit eine neue Botschaft zu bringen. ‚Und ich sah einen Engel fliegen mitten durch den Himmel, der hatte ein ewiges Evangelium zu verkündigen denen, die auf Erden wohnen; denn die Zeit seines Gerichts ist gekommen!‘ (V. 6)“ [2]

K. Zöller gibt keine Erklärung dafür, wie es zu dieser Darstellung kommen konnte. War ihm nicht aufgefallen, dass hier in ganz besonderer Weise die Bilderreihen unterbrochen wurden? Oder war ihm die Aufgabe zu kompliziert, um dafür eine Erklärung zu geben?

Ganz anders, aber leider ganz fehlerhaft und nur von Spekulation geprägt, sind die Ausführungen von Carl Schneider zu diesem Bilderpaar. C. Schneider bringt die beiden letzten Bilderpaare der Emporenreihe durcheinander und schafft damit Konstruktionen und Interpretationen, die einfach nur haltlos sind:

„Den streng lutherischen Charakter der Gesamtkonzeption beweist eine außerordentliche, selbst für das Luthertum seltene Kühnheit. Am Ende der biblischen Reihe, und zwar in engster Verbindung mit den Bildern der Offenbarung des Johannes, stehen zwei nicht biblische Bilder, die aber den biblischen völlig gleichgeordnet sind. Dem vom Himmel herabsteigenden ewigen Jerusalem entspricht auf Erden die Überreichung des Augsburgischen Bekenntnisses. Die beiden Bilder stehen in einem ganz engen Zusammenhang. Gleicht die Himmelsstadt einem von einer Mauer wohl geschützten, auf französische Art angelegten fürstlichen Park, so ist die Überreichung der Augustana in eine fürstliche Atmosphäre verlegt, in der die lutherischen Pfarrer Hand in Hand mit den Fürsten eine Art irdisches Jerusalem bilden, in dessen Mittelpunkt die Augustana steht. Die Tendenz ist deutlich: Mit der Augustana ist das gekommen, was der Engel auf dem apokalyptischen Bild dem Seher für die Ewigkeit weist.

Ebenso kühn ist das zweite Bild: Die Sehnsucht, die Moses das gelobte Land von weitem erblicken läßt, erfüllt sich darin, daß der Engel der Apokalypse das Evangelium dem vor ihm knienden Luther überreicht, wobei oben auf den Wolken Christus und alle Himmlischen und unten auf den Felsen der Erde alle Kirchenväter und Frommen zuschauen. Der Engel als Mittler des Evangeliums und Luther als sein Interpret schlechthin wird durch die Beischrift noch unterstrichen.“ [3]

Die Spekulationen von Carl Schneider sind allein schon deshalb hinfällig, weil er die beiden letzten Bildpaare durcheinander bringt. Beim Bilderpaar XXXVI/34 ist eindeutig der Überreichung der Confessio Augustana der Engelflug aus Off. 14,6 zugeordnet. Im Bilderpaar XXXV/35 entspricht der Sicht des Sehers auf das zukünftige Jerusalem Off. 21,2 der Blick des Mose auf das verheißene Land, Deut 34. Warum Carl Schneider das durcheinander gebracht hat, ist nicht zu erklären. Unverständlich ist auch, wieso Schneider von „zwei nichtbiblischen Bildern“ spricht. In diesen beiden Bildpaaren ist nur die Überreichung der CA ein nichtbiblisches Motiv.

Auf Carl Schneider ist wohl die Spekulation zurückzuführen, dass in der knienden Gestalt im Vordergrund des Bildes XXXIV Luther zu sehen wäre, eine Frage mit der sich dann auch noch die „Begehbare Bilderbibel“ meint auseinandersetzen zu müssen:

„Im Bilderzyklus des Alten und Neuen Testamentes ist ein Paar eingeflochten, das seinen Stoff nicht aus der Bibel bezieht: Im vorletzten Bilderpaar an den Emporen steht ein Bild aus dem Neuen Testament in der Reihe der Bilder zum Alten Testament, nämlich die Verehrung des Lammes und die Verkündung des Evangeliums an die Menschen(XXXIV) aus dem Buch der Offenbarung. Der gereimte Vers deutet auf Martin Luther, weshalb man in der vom Engel anvisierten Person auch schon Luther erkennen wollte, doch ist dies bei den Gesichtszügen der betreffenden Figur nur schwer nachzuvollziehen. Unabhängig von der zentralen Person verbindet dieses Bild mit seinem Pendant das Schriftstück, das den rechten Glauben enthält. In die Reihe der Bilder zum Neuen Testament ist nämlich die Überreichung der von Philipp Melanchthon verfassten Confessio Augustana (34) aufgenommen, und damit ein Bild aus der Kirchengeschichte. Dies war damals jedoch nichts Ungewöhnliches – so erhielt die Wormser Dreifaltigkeitskirche etwa zur gleichen Zeit eine Darstellung Luthers auf dem Reichstag zu Worms.“ [4]

Auch eher nebulös bleibt die Betrachtung von Clemens Jöckle zu unserm Bilderpaar in dem kleinen Kirchenführer: „In einer Kombination von lutherischem Katechismus und lutherisch ausgelegter biblischer Geschichte reicht der Zyklus bis zur Offenbarung des Johannes, wo der Verkündigung des ewigen Evangeliums  (XXXIV) die Überreichung der Confessio Augustana (34) entspricht. Die Beischrift deutet Luther als Interpreten des Evangeliums. Für den Schöpfer des Programms war mit der Augsburgischen Konfession eingetreten, was der Engel dem Seher Johannes für die Ewigkeit verheißen hat.“ [5]

Im Folgenden wird eine Erklärung des Bildpaars versucht, die von der Einordnung in die Emporenreihe ausgeht und dann eine Deutung der Bilder aus der Zeitgeschichte, sowohl theologisch wie auch von den Bildmotiven her, gibt.

Die Einordnung des Bildpaares in der Emporenreihe

Das Bilderpaar XXXIV/34 ist das vorletzte in der Emporenreihe. Wir können davon ausgehen, dass die Emporenreihen im Laufe der Zeit nicht verändert wurden. (Außer der Aufnahme der vier neuen Bilder mit dem Erweiterungsbau der Empore 1824. Doch ist das hier nicht von Bedeutung.) Das letzte Bilderpaar ist eindeutig auf die Endzeit gerichtet. Der Blick des Sehers Johannes  auf das zukünftige himmlische Jerusalem weist auf die Endzeit, von der gesagt wird: „Wer dich hier schon erblickt, wird ewig dort erquickt.“ Die Darstellung des Mose, der das verheißene Land erblickt, aber ja nicht hineinkommen wird, wird mit dem Vers interpretiert: „Weg, weg du Weltgethümmel, ich sehn mich nach dem Himmel.“

Vor diesem Bilderpaar, das auf die Endzeit weist, ist nun das Bilderpaar zur Übergabe der CA aufgenommen, die ein wichtiges „Heils“-Ereignis der nachbiblischen Geschichte im lutherischen Verständnis darstellt, immerhin so wichtig, dass ihm als einzigem ein Platz in der sonst nur biblischen Texten eingeräumten Reihe zukommt. Vom Ablauf der Geschichte ist dabei die Aufnahme an dieser Stelle passend. Dem Bilderpaar zur CA gehen Geschichten des NT voraus, die die Verbreitung des Evangeliums und Zeugenschaft und Märtyrertum zeigen.

Nach der Pfingstdarstellung (XXIX/29) folgt die Ausbreitung des Evangeliums durch die Apostel (XXX/30). Bei diesem Bilderpaar verwirrt, dass bei dem neutestamentlichen Bild eine falsche Kapitelzahl angegeben ist. Mit Recht hat hier die „Begehbare Bilderbibel“ korrigiert: Statt Act: 11. Cap: v.41 ist zu lesen Act: 2. Cap: v.41.

Es folgt danach in der neutestamentlichen Reihe, aus der neutestamentlichen Chronologie herausfallend, die Darstellung zu Apg 12,7-9, die Befreiung des Petrus aus der Kerkerhaft durch den „Engel des Herrn“. Ihr korrespondiert die Geschichte von Daniel in der Löwengrube, zwei Engelsgeschichten, die in der lutherischen orthodoxen Angelologie gerne miteinander genannt werden. Ob bei der Auswahl dieses Motivs auch noch die Tradition des Feiertages „Die Befreiung des Petrus aus den Ketten“ eine Rolle spielte, kann momentan noch nicht belegt werden. Die Speyerische Agenda von 1700 hat im Blick auf die Aposteltage nur festgelegt, dass „die Apostel-Tag alle“ zu halten seien. [6]

Von Apg 12 springt dann die nächste Darstellung auf die Steinigung des Stephanus, Apg 7, zurück, der alttestamentlich die Steinigung des Secharja (2. Chr 24) zugeordnet ist. Die Speyerische Agende von 1700 nennt den Stephanitag nicht eigens. Sie schreibt zum Weihnachtsfest: Der „Christtag/ darauff auch das Heil. Abendmahl gehalten wird/ nebst denen zweyen bey sich habenden Feyertagen.“ [7] Diese Formulierung zeigt eher, dass der Stephanitag (26.12.) hier nicht im Blick ist, sondern wie bei Ostern und Pfingsten die beiden zusätzlichen Feiertage genannt sind.

Es folgt dann die Darstellung der Bekehrung des Paulus, Apg 9, der alttestamentlich die Flucht des Lot aus dem untergehenden Sodom und Gomorrha zugeordnet ist. Diese Zuordnung ist ungewöhnlich. In der Typologie der Zerstörung von Sodom und Gomorrha ist zumeist der neutestamentliche Anti-Typus das Weltgericht. Mit der Zuordnung der Bekehrung des Paulus ist ein ganz anderer Akzent gesetzt: Der Akzent der Umkehr, die zum Leben führt. Dies zeigen auch die Beischriften: „Sodoms Lehr und Leben, sey Valet gegeben.“ Und bei dem Paulus-Bild wird der Betrachter aufgefordert, selbst vom Saulus zum Paulus sich zu bekehren: „Folge Gottes Stimm auf Erden, so kanstu ein Paulus werden.“ Das ist ja eine recht anspruchsvolle Forderung. Ob bei der Auswahl des Motivs noch der Feiertag „Bekehrung des Paulus“ mit eine Rolle spielte, ist hier auch nicht zu klären.

Jedenfalls schließt mit der Bekehrung des Paulus die historisch rückblickende neutestamentliche Reihe ab. Sicher wurde das Paulus-Motiv an dieser Stelle bewusst gewählt und das Petrus-Motiv (XXXI/31) trotz anderer Reihenfolge in der Apostelgeschichte an früherer Stelle aufgenommen. Paulus war nun doch für die lutherische Tradition der wichtigere Zeuge.

Vor der Darstellung der Endzeit, mit dem Blick auf das himmlische Jerusalem, wird nun als Darstellung aus der Kirchengeschichte die Übergabe der CA aufgenommen. So einsichtig vom historischen Betrachten her die Aufnahme der Übergabe der CA an dieser Stelle ist, so problematisch ist dies nun doch für das dogmatische Verständnis. Wird der CA und der Geschichte ihrer Übergabe auf dem Reichstag damit eine Bedeutung eingeräumt, die sie und dieses Ereignis dogmatisch mit der heiligen Schrift in eine Reihe erhebt? War dies in der lutherischen Theologie so vorbereitet? Wurde das auch so gelehrt? Oder ist das nur ein „Ausrutscher“? Dem ist im Folgenden noch kurz nachzugehen.

Schrift und Bekenntnis in der lutherischen Orthodoxie

Für die lutherische Dogmatik ist die Differenz von Schrift und Bekenntnis maßgeblich. Zwar enthält die CA selbst hierzu keine Aussage, aber in der Konkordienformel ist festgehalten: „Hoc modo luculentum discrimen inter sacras V. et N. T. literas, et omnia aliorum scripta retinetur: et sola s. scriptura judex, norma et regula agnoscitur, ad quam ceu ad Lydium lapidem omnia dogmata exigenda sunt et judicanda, an pia, an impia, an vera an vero falsa sint. Caetera autem symbola et alia scripta … non obtinent auctoritatem judicis … sed duntaxat pro religione nostra testimonium dicunt eamque explicant, ac ostendunt, quomodo singulis temporibus s. literae in articulis controversis in ecclesia Dei a doctoribus, qui tum vixerunt, intellectae et explicatae fuerint.” [8]

Und zum Ende der orthodoxen Periode kann Hollaz zusammenfassend referieren: „Scriptura s. et libri symbolici differunt: quia 1. s. scriptura est immediate inspirata a Deo sanctis Dei hominibus, a spiritu s. impulsis. Libri symbolici sunt scripta sacra, consignata a viris orthodoxis, mediatae illuminationis privilegio divinitus donatis… 3. S. scriptura pollet divina auctoritate canonica, ut sit norma infallibilis, qua vera fidei dogmata a falsis discernuntur. Libri symbolici habent auctoritatem ecclesiasticam et respective dicuntur norma, nempe respectu externae fidei professionis, qua unanimem ecclesiae in doctrina fidei consensum testamur. 4. S. scriptura adaequate continet omnia credenda et agenda: nullus liber symbolicus omnia et singula dogmata fidei praeceptaque morum perfecte complectitur (sed pro ratione temporis et occasionis, qua libri symbolici scripti fuerunt, illorum dogmatum ratio fuit habita, quae controversa erant et maxime impugnabantur).” [9]

Diese beiden Zitate mögen genügen, um zu belegen, dass in der lutherischen Orthodoxie eine Gleichstellung von Heiliger Schrift und Bekenntnisschrift nicht möglich war. Und dennoch ist nun im Bildprogramm der Dreifaltigkeitskirche diese „Kühnheit“ enthalten, dass in der Folge der neutestamentlichen Zeugen Petrus, Stephanus und Paulus zwar nicht Luther selbst, aber die Übergabe der Confessio Augustana dargestellt wird.

Zwar ist bis jetzt noch keine protestantische Emporenmalerei der Barockzeit bekannt geworden, die eine ähnliche Aufreihung zeigen würde. Und der Hinweis in der „Begehbaren Bilderbibel“, dass in der Wormser Dreifaltigkeitskirche auch ein Bild Luthers vor dem Reichstag zu Worms zu sehen war, führt insoweit nicht weiter, als Luther in Worms nicht in die Emporenreihen mit alt- und neutestamentlichen Darstellungen aufgenommen war, sondern im Turmbereich eigens dargestellt wurde. Aber solche einzelne Darstellungen Luthers oder der Übergabe der CA waren im evangelischen Kirchenraum keine Besonderheit. Schon seit Cranach gab es ja Lutherdarstellungen auf Kirchengemälden. Und schon am Ende des 16. Jahrhunderts finden wir im Herrenchor der St. Johanniskirche in Schweinfurt eine erste Darstellung der Übergabe der CA im Kirchenraum. [10]

Die Darstellung der Übergabe der CA in der Dreifaltigkeitskirche im Zusammenhang der Bekenntnisgemälde des 17. Jahrhunderts

Im 17. Jahrhundert finden wir solche Abbildungen der Übergabe der CA in evangelischen Kirchen häufiger, gerade auch im Zusammenhang mit den beiden Reformationsjubiläen 1617 und 1630. Hierin zeigt sich, dass der Confessio Augustana im Selbstverständnis der lutherischen Kirchen sowohl theologisch, wie aber auch rechtlich, eine besondere Bedeutung zukommt. Angelika Marsch spricht in diesem Zusammenhang von „Konfessionsgemälden“ und gibt einen ausgezeichneten Überblick über diese Bilder, „die eine sehr enge ikonographische Verwandtschaft miteinander“ haben. [11] 

Mit der weiteren Untersuchung von Wolfgang Brückner, Lutherische Bekenntnisgemälde des 16. bis 18. Jahrhunderts, ist nun auch für die Einordnung unseres Bildes eine gute Grundlage gelegt. Leider hat Brückner die Abbildung in der Dreifaltigkeitskirche nicht in seine Untersuchung einbezogen, obwohl sie zeitlich und thematisch dazu gehört. Sicherlich war sie ihm nicht bekannt. Ein Hinweis darauf, wie wenig die Dreifaltigkeitskirche in Speyer überhaupt außerhalb der Pfalz bekannt ist. Grund war vielleicht aber auch, dass Brückner von „Bekenntnisgemälden“ spricht, die meist beides vereinigen: Die Abbildung der Übergabe der CA und die Darstellung vieler gottesdienstlicher Handlungen der evangelischen Kirche. Brückner erläutert dies an dem frühen Gemälde von 1601 aus Windsheim. [12]

Diese Beziehungen zu den gottesdienstlichen Handlungen fehlen ja in der Dreifaltigkeitskirche gänzlich. Wir haben hier lediglich eine Darstellung der Verlesung der CA. Bei der näheren Betrachtung zeigt es sich dabei noch, dass bei dieser Darstellung auch nicht direkt auf eine der Typen zurückgegriffen wurde, wie sie sich im Laufe des 17. Jahrhunderts herausbildeten.

Am nächsten kommt unser Bild noch der Darstellung, die bei Brückner „Thüringisch-sächsischer Typus“ genannt wird. [13] Dieser geht von einem Kupferstich von Johann Dürr, Weimar, aus dem Jahre 1630 aus. Hier stehen im Kreis um den auf einem Thron sitzenden Kaiser die Unterzeichner der CA. Vom Bildbetrachter aus gesehen auf der linken Seite steht der vorlesende Kanzler Beyer. Ein wesentlicher Unterschied besteht zu unserem Bild darin, dass in dem Kreis die Unterzeichner der CA stehen und nicht, wie bei unserem Bild in der Dreifaltigkeitskirche, eindeutig durch ihre Kleidung zu identifizieren, die acht (!) Kurfürsten. Auch auf unserm Bild ist der vorlesende Kanzler zu erkennen, zwei weitere Personen, die als Theologen der evangelischen Richtung zuzurechnen sind, sind ebenfalls dargestellt. Ein Theologe steht als Berater neben einem der Kurfürsten, wohl Kurfürst Johann von Sachsen, der als einziger Kurfürst die CA unterzeichnet hat. Ein anderer Theologe übergibt mit Vermittlung einer neben dem Kaiser sitzenden Person eine Schrift, wohl die lateinische CA.

In unserm Bild 34 liegt eine sehr stilisierte Darstellung der Überreichung der CA vor, die kein direktes Vorbild hat. Die weit verbreiteten Kupferstiche zur Übergabe der CA wurden hier nicht genutzt.

Besonders auffallend ist, dass hier nicht Wert auf die Darstellung der Unterzeichner der CA gelegt wird, sondern mit dem Kreis von Kaiser und Kurfürsten eher wohl die Repräsentanz-Funktion angedacht ist. Das ganze Reich hatte die Überreichung der CA zur Kenntnis zu nehmen, wie ja die Bildüberschrift auch deutet: Lutheri Lehr und Licht, legt man hier vors Gesicht. Historisch ist auch irreführend, dass hier acht Kurfürsten dargestellt sind. Gab es doch 1530 nur sieben Kurfürsten. Der Maler hat hier die Zahl der Kurfürsten seiner eigenen Zeit künstlerisch umgesetzt.

Im Übrigen hinterlässt das Bild durchaus einen eher etwas hilflosen Eindruck. Gesten und Haltungen der einzelnen Personen sind kaum zu deuten. Der Kaiser, sonst auf den Gemälden der Zeit immer mit Bart dargestellt, wirkt trotz des Schwertes in der rechten Hand reichlich ratlos und unbeholfen. Eine Vorlage für dieses Bild wurde bisher nicht gefunden, auch nicht für einzelne Darstellungen.

Die Abbildung zu Apokalypse 14

Das ist ganz anders bei dem zugeordneten neutestamentlichen Bild zu Apokalypse 14. Dieses Bild ist deutlich zweigeteilt, in eine obere und untere Hälfte. Die obere Hälfte zeigt das Lamm auf dem Thron mit den vier Gestalten aus Apokalypse 4,7. Die Anordnung der vier Gestalten (Löwe, Stier, Mensch, Adler) ähnelt der, die Johann Ulrich Krauss auf der Abbildung zu Apokalypse 4 vorgenommen hat. [14] 

Da es bei Krauss keine Darstellung zu Apokalypse 14 gibt, hat der Maler in der DFK Elemente aus der Darstellung von Krauss aus der Tafel 132 übernommen. Das gilt sowohl für den Engel, der das Evangelium überbringt wie auch für die kniende Gestalt im Vordergrund, die auf der Tafel 132 der Seher selbst ist. Bei Krauss gibt es auf der Abbildung zu Apokalypse 4 nur den Kreis der anbetenden Ältesten. Die Abbildung in der DFK schafft auf der unteren Ebene einen zweiten Kreis, mit dem wohl die Hundertvierundvierzigtausend gemeint sind, die Apokalypse 14,3 genannt werden. Sie hören das Harfenspiel, das hier durch vier Harfenspieler dargestellt wird, die unmittelbar vor dem Thron musizieren, umschlossen von den vier Gestalten. Ihnen gilt auch die Botschaft des Engels, der das Evangelium verkündet.

Apokalypse 14 spielt im Reformationsgedenken eine erhebliche Rolle. Das gilt für den das Ewige Evangelium bringenden Engel, aber auch für die Botschaft des Engels, der den Sturz von Babylon verkündet und den dritten Engel, der den Götzendienst Babels anprangert. Hans-Jürgen Schönstädt hat dies S. 126ff. beschrieben und mit Zitaten zum Reformationsgedenken von 1617 belegt.

Ganz besonders hat aber der Engel, der das ewige Evangelium verkündet, Wirkungen im Reformationsgedenken gehabt. Schon 1522 vergleicht Michael Stiefel in seiner Flugschrift „Von der christförmigen Lehre Luthers“ den Reformator mit dem Engel aus Apk. 14,6. [15] In dieser Flugschrift ist ein Lied abgedruckt, das dann strophenweise erläutert wird. Schon gleich zu Beginn wird auf den Engel aus Apokalypse 14 hingewiesen:

„Das fürnemen vnd die endmeynung dises Büchlins ist zubeuesten vnnd beweren die leer des christlichen engelischen Martini Luthers…..

Anfengklich gesetzt vff den spruch Joannis im buch der heymlichen offenbarung am xiiij (v. 6f.): Ich hab gesehen einen anderen Engel flyegen durch die Mitte des himels, und der hatt das ewig Euangelium, das solt er leeren, die do sitzen vff dem Erdtrich vnd ober allen heyden vnd geschlechten vnd zungen vnd volck.“ [16]

Und so beginnt das Lied:

„Joannes thut vns schreiben

von einem Engel klar,

Der Gotes wort soll treiben

Gantz luter offenbar.

Zu vns thut sich auch scheiben,

es fält nit vumb ein hor.

Daruff will ich beleiben,

das sag ich eüch fürwor.“ [17]

Nachdem die zweite Strophe auf die Auseinandersetzung mit dem Papst eingeht, deckt die dritte Strophe und ihre Erklärung auf, wer dieser Engel aus Apokalypse 14 ist:

„Du magst nun wol erkennen

Den Engel, den ich meyn;

Harnoch will ich jn nennen,

die Sach die ist nit klein.

Lasß dich nit fürn von dannen,

das er hatt fleisch und bein.

Das findtst von heylgen mannen

Vun nit von jm allein.

Ja auch yetzt will ich nennen disen engel. Er heisßt Martinus Luther, der seiner leer nit minder ist milt, dann gewesen ist sanct Martin seiner kleyder. Vnnd sye ist auch also luter, das ich schetz, das er hab dißen nammen vns zu einem zeychen von gottes ordnung.“ [18]

Hier wird auch, was öfters bei Zeitgenossen vorkommt, das Wortspiel luter – Luther aufgenommen. Weiter ist jetzt aber nicht auf dieses Lied und seine Auslegung einzugehen. Wichtig ist, dass hier schon ganz früh eine Verbindung zu dem Bild aus der Apokalypse hergestellt wird. Für die direkte Wirkung dieser Verbindung gibt es keine Belege.  

Erst Johannes Bugenhagen hat in seiner Leichenpredigt auf Luther, Wittenberg, 22.Februar 1546 ebenfalls dieses Bild aufgenommen:

„Er (Martin Luther) war ohn Zweifel der Engel, davon in Apokalypsi 14. Kapitel steht:

‚Und ich sahe einen Engel fliegen mitten durch den Himmel, der hatte ein ewig Evangelium zu verkünden denen, die auf Erden sitzen und wohnen, und allen Heiden und Geschlechten und Sprachen und Völkern. Und sprach mit lauter Stimme:

Fürchtet Gott und gebt ihm die Ehre, denn die Zeit seines Gerichts ist gekommen, und betet an den, der gemacht hat Himmel und Erden und Meer und die Wasserbrunnen. Und ein anderer Engel folget nach, der sprach: Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die große Stadt, denn sie hat mit dem Wein ihrer Hurerei getränket alle Heiden‘.

Dieser Engel, der da saget: ‚Fürchtet Gott und gebet ihm die Ehre‘, war D. Martinus Luther. Und daß hie stehet: ‚Fürchtet Gott und gebet ihm die Ehre‘, das sind die zwei Stücke der Lehre D. Martini Luthers, das Gesetz und Evangelium, durch welche die ganze Schrift geöffnet wird und Christus erkannt wird (als) unsre Gerechtigkeit und ewiges Leben.“ [19]

Auch Johann Funck hat in seiner Erklärung der Apokalypse, die erstmals 1546 erschien, [20]Luther als den Engel aus Apokalypse 14 bezeichnet:

„Dieser ist der thewer Engel und außerwehlte Werckzeug Gottes und Apostel der Christenheit/ in dieser letzten Zeit/ welches alle Eygenschafft/ die Johannes hier erzehlet/ hertzlich bezeugen.

Denn erstlich ist er ein Engel oder Bote Gottes gewesen/ dergleichen die Welt von der Apostel Zeit an nicht gesehen hat/ wie das Werck an ihm nur herrlich zeuget.

Darzu ist seine Predigt nicht schläfferig angangen/ sondern mit solcher Schnelligkeit hat sie die gantze Welt durchstriechen/ und die in jrem Thun verstürzt gemacht/ daß ihn Sanct Johannes billich ein fliegenden Engel nennet.

Und zu diesem ist sein Gerücht/ Lehr unnd Predigt mitten durch den Himmel/ das ist/ mitten durch die Christenheit erschollen/ nicht im Winckel blieben.

Und ist darzu ein solches Evangelium gewesen/ und ists noch/ das nicht neuw/ sondern ewig ist/ denn er eben die Lehr/ die im Paradiß angefangen/ unnd immer unnd ewig bleiben muß/ welche auch alle Heyligen gelehret unnd geführet haben/ die durch deß Antichrists/ des Bapsts/ Lügen Geschmeiß verstarret war/ widerumb an das Liecht gebracht hat.“ [21]

Es folgen noch zwei weitere Punkte über die weitere Ausbreitung des Evangeliums und den unerschrockenen Mut, mit dem diese Ausbreitung erfolgte.

Ebenfalls noch ins 16. Jahrhundert gehören die Äußerungen aus Georg Gloccers Historia, die Zeeden auch in Auszügen wiedergibt:

„So kann auch auff D. Luther wol gedeutet werden/ was Johannes in seiner Offenbarung sagt: Und ich sahe einen Engel mitten durch den Himmel fliegen……

Dieser Engel ist ja freylich D. Luther/ der mit glückseligem schnellen Lauff/ das heylig/ ewig Evangelion gepredigt hat/ wider des Teuffels und Bapsts toben und wüten./ Dann ja seine Propositiones, oder Schlußreden/ wider des Detzels jrrige Bäpstische Artickel(…) innerhalb vierzehen Tagen wol durch gantz Teutschland/ also hernach sehr bald in viel Land und Königreich durch flogen seind. Darauff ohne allen Zweiffel nun bald der Jüngste Tag erfolgen/ da Gott seine liebe Kirche mit Ehren und ewigem Leben krönen/ den Antichrist aber und alle/ so sein Zeichen an ihnen haben/ in das Hellische Fewer stürtzen wird.“ [22]    

Im Zuge dieser Überlieferung findet sich dann bis ins 17. Jahrhundert, und vor allem bei dem Reformationsjubiläum 1617, in Predigten, aber auch auf Münzen [23] und Abbildungen die Gleichsetzung des Engels aus Apk. 14 mit Martin Luther. Ruth Kastner hat dies in ihrer Publikation zu den Flugschriften des Jahres 1617 ausführlich dargestellt [24], ist allerdings der Gefahr erlegen, überall, wo eine Engelsdarstellung im Zusammenhang mit Luther stand, diese mit dem Engel aus Apokalypse 14 zu identifizieren. [25]

Exemplarisch ist auf Johann Gerhard hinzuweisen, der sowohl in einer umfangreichen Predigt zum Reformationsjubiläum 1617, wie aber auch in seinen Loci das Bild des Engels aus Apokalypse 14 aufgenommen hat. Die Predigt von Johann Gerhard hat Hans-Jürgen Schönstädt [26] ausführlich referiert. Zeeden hat den Auszug aus den Loci lateinisch und deutsch wiedergegeben. Dieser Abschnitt ist auch schon in der Erstausgabe von Band V der Loci aus dem Jahre 1617 enthalten, sodass direkt auch nach Zeeden zitiert werden kann, der die Cotta-Ausgabe abdruckt.

Johann Gerhard hat in seinen Loci Bezug genommen auf die Apokalypse- Auslegung von Johann Funck. Er ist für ihn der exegetische Gewährsmann dieser Auslegung. In dieser Stelle der Loci wird knapp zusammengefasst, warum in Luther die Weissagung auf diesen Engel erfüllt ist: „Nomen angeli denotat ecclesiae doctorem, quae significatio hujus vocis in libro apocalypseos est usitissima. Volatus per medium caeli notat celerem doctrinae evangelicae progressum per varias provincias et regna. Quod angelus iste dicitur habere aeternum evangelium, eo exprimitur summa doctrinae, quam Lutherus proposuit.” [27] („Der Name des Engels bezeichnet den Kirchenlehrer, eine Vokabel, die in dieser Bedeutung in der Apokalypse üblich ist. Das ‚fliegt mitten durch den Himmel‘ bedeutet die schnelle Ausbreitung der evangelischen Lehre über die verschiedensten Landschaften und Reiche. Damit, daß von diesem Engel gesagt wird, er habe ein ewiges Evangelium, wird ausgedrückt die Summe der Lehre, welche Luther verkündet hat.“)

In den Loci ist besonders interessant, die Einordnung dieses Lehrstücks im Gesamten der Loci. Es hat seinen Platz innerhalb des locus vicesimus secundus, der die Ekklesiologie behandelt. Dort findet es sich in dem großen Abschnitt, in dem Johann Gerhard sich mit der Lehre von den notae ecclesiae bei Bellarmin auseinandersetzt, hier speziell zu der Frage „An lumen propheticum sit nota ecclesiae“. [28] Nachdem Bellarmin bestreitet, dass das prophetische Licht auch in der evangelischen Kirche leuchtet, betont Johann Gerhard: „Nos contra vere affirmare possumus, et a Luthero et de Luthero vaticinia esse edita, quorum certitudinem res ipsa luculente confirmavit.” [29]

Zu diesen vaticinia zählt die Deutung des Engels von Apaokalypse 14 auf Luther. Diese Deutung steht also unter prophetischen Vorzeichen. Es geht um Verheißung und Erfüllung. Dabei ist zu vermerken, dass damit auch die Ansage von endzeitlicher Erfüllung zu verzeichnen ist. Auch schon bei der Auslegung von Gloccer war der Zusammenhang mit der Endzeit deutlich festzustellen. Hierzu gehört auch, dass die lutherische Orthodoxie im Papsttum selbst den Anti-Christ der Endzeit gesehen hat. Dies war selbstverständliches Allgemeingut der lutherischen Theologie des 17. Jahrhunderts. Ausführlich hat Erasmus Willich im zweiten Band seiner Verteidigung Luthers von 1641 den Beweis geführt, „weshalb mit dem apokalyptischen Engel (Apok. 14,6) Luther gemeint sei.“ [30]

Da bei dem Reformationsjubiläum von 1617 in Sachsen Apokalypse 14,6-12 statt des Evangeliums vorgeschrieben war, [31] gibt es mehrere Predigten zu diesem Text. Darüber hinaus schlägt sich das auch in den Abbildungen nieder, insbesondere dann zum Jubiläum 1630, auch wenn dieses durch den Krieg stark beeinträchtigt war.

Zum Jubiläum 1630 gibt es eine Graphik [32], auf der der Engel mit dem „Ewigen Evangelium“ abgebildet ist, dazu ein Gedicht, das auf diesen Engel hinweist:

„Unter Gottes Macht und Gnad/

Und zu Jesu Christi Ehr/

Durch des heilgen Geistes rath/

Fleucht ein Engel hoch daher/

Führt ein ewig werendes

Heiligs Evangelium:

Gottesfurcht dich halt gemeß

Und gib ihm sein ehr und ruhm/

Denn sieh! kommen ist die zeit

Seins Gerichts: drumb betet an/

Den/ der alles hat bereit/

Daß muß in seim Wesen stahn.“

Auf der Graphik 51 bei Angelika Marsch ist ebenfalls der Engel mit dem Evangelium zu sehen. Interessant ist ein Vergleich der beiden Graphiken 51 und 52. Graphik 51 zeigt parallel zwei Engel, einer mit der CA über dem Kurfürsten, der andere mit dem Ewigen Evangelium über Martin Luther. [33] Der Kurfürst ist der Beschirmer und Förderer der CA, Luther hat diese Aufgabe im Blick auf das Ewige Evangelium. Graphik 52 bildet drei Engel ab, zwei mit der CA und dem „evangelischen Augapfel“, darüber ein Engel aus dem Himmel mit dem Ewigen Evangelium.

Auf der Graphik von der „Festdekoration der Heilig-Geist-Kirche in Augsburg, aufgestellt zum Jubiläum 1730. Kupferstich von Elias Bäck“ [34], findet sich ein Engel, der zwei Schrifttexte hält, in der rechten Hand mit Trompete fahnenartig einen Spruch „Durch die Welt erschall und gehe Hosianna in der Höhe“, in der linken Hand ein Buch mit zwei aufgeschlagenen Seiten: „Eternum Evangelium“ und „Gottes Wort und Luthers Lehr Vergehet nicht und nimmermehr“. 

Eine frühere Graphik findet sich auf einem Flugblatt zum Jubiläum von 1617. Hier ist Luther im Talar als fliegender Engel dargestellt, der mit Posaune und der Schrift bewaffnet gegen den Papst anfliegt. Der Engel aus Apk 14 ist aber eigens darunter dargestellt. [35]

Diese Abbildungen zeigen, dass nicht immer selbstverständlich davon ausgegangen wird, dass Luther mit dem Engel aus Apk 14 identifiziert wird, wie das in den Predigten usw. zu finden ist. Und dies unterscheidet auch die Darstellung in der Dreifaltigkeitskirche von den Theologen des 16. und 17. Jahrhunderts. In dem Spruch über dem Bild der Dreifaltigkeitskirche ist eben keine Identifikation des Engels mit Martin Luther vorgenommen: „Waß dieser Engel lehret, Lutherus hat erkläret.“ Der Engel der Weissagung lehrt das ewige Evangelium, Luther erklärt es nur. Hier ist deutlich eine Differenz festgehalten.

Dass aus dieser Erklärung dann selbst wieder „Lehr und Licht“ wird, wird allerdings dann in der Abbildung zur Übergabe der CA festgestellt. Doch diese Lehre wird der weltlichen Macht vorgestellt, auch zur Beurteilung, ob diese Lehre mit der Verkündigung des „Ewigen Evangeliums“ übereinstimmt. Es ist davon auszugehen, dass Apokalypse 14 als Erinnerungstext der Reformation auch noch im Beginn des 18. Jahrhunderts präsent war. So wird berichtet, dass Apokalypse 14, 6+7 auch Predigttext bei der Reformationsfeier 1717 in Worms war. [36]

Zusammenfassung

Das Bilderpaar XXXIV/34 fällt aus dem Gesamtzyklus der Emporenreihen heraus, da es mit der Darstellung eines Ereignisses der Reformationsgeschichte den biblisch orientierten Zyklus durchbricht. Auch die alttestamentliche Reihe wird in diesem Fall durch einen neutestamentlichen Bezug unterbrochen.

In der lutherischen Theologie ist deutlich der Unterschied von Bibel und Bekenntnis festgehalten. Insoweit irritiert diese Systematik. Sie kann nur erklärt werden aus dem praktischen Versuch die Bedeutung der Confessio Augustana auch im Bildprogramm der Dreifaltigkeitskirche zur Geltung zu bringen. Hier gliedert sich die Darstellung in den historischen Ablauf ein, ohne dass auf die dogmatischen Bedenken Rücksicht genommen wird.

Mit dem Bilderpaar XXXIV/34 wird im Bildprogramm der Dreifaltigkeitskirche an die Tradition der Bekenntnisgemälde angeknüpft. Bei der Darstellung der Übergabe der Confessio Augustana wird keiner der bekannten Typen dieser Darstellung direkt zugrunde gelegt. Am nächsten kommt die Darstellung noch dem Gedenkblatt von Johann Dürr aus dem Jahr 1630. Allerdings werden in der Dreifaltigkeitskirche nicht die Unterzeichner der CA dargestellt, sondern die Kurfürsten mit dem Kaiser. Von den Kurfürsten hatte ja aber nur Johann von Sachsen die CA unterzeichnet.

Mit dem Bildmotiv von Apokalypse 14, dem Engel, der das ewige Evangelium verkündet, wird an die Tradition angeknüpft. Im Unterschied zur lutherischen Theologie des 16. und 17. Jahrhunderts, die in Luther die Erfüllung des mit dem Engel Verheißenen sehen konnte, differenziert die Darstellung in der Dreifaltigkeitskirche durch die Sprüche zwischen Luther und dem Engel. Luther ist nur der „Interpret“ des durch den Engel verkündeten Ewigen Evangeliums. Eine eigentliche Lutherdarstellung gibt es in der Dreifaltigkeitskirche nicht. Lediglich die Übergabe der CA wird als besonderes Ereignis der Reformationsgeschichte dargestellt. Auch die beiden ersten Reichstage von Speyer 1526 und 1529 spielen in dem ursprünglichen Bildprogramm keine Rolle. Erst die Bilder des 19. Jahrhunderts nehmen den Reichstag von 1529 auf.

Literatur

AGENDA,

Das ist:

Kurtze doch reine und richtige

Kirchen//

Ordnung/

Wie es in der reinen Evangli-

schen/ der ungeänderten Augspurgi-

schen Confession zugethanen Kirchen deß Heil.

Reichs Freyen Stadt Speyer/ mit Verkündigung

göttlichen Worts/ Reichung der H.Sacramen-

ten/ und andern Christlichen Ceremonien

gehalten werden soll.

1.Cor. XIV.4.

Lasset alles ehrlich und ordentlich zugehen

Gedruckt im Jahr Christi 1700

Zit. Speyerische Agenda 

Brodersen Christiane/ Thomas Klenner/ Lenelotte Möller, Begehbare Bilderbibel, Speyer 2011; zit. „Begehbare Bilderbibel“

ERN. SAL. CYPRIANI

HILARIA

EVANGELICA

Oder

Theologisch-Historischer Bericht

Vom

Andern Evangelischen

Jubel-Fest

Nebst III. Büchern darzu gehöriger Acten und Materien,

Deren das Erste/

Die Obrigkeitlichen Verordnungen/ und viele

Historische Nachrichten,

Das Andere,

ORATIONES und PROGRAMMATA

JUBILAEA,

Das Dritte

Eine vollständige Beschreibung der Jubel-Medaillen

begreiffet.

Mit Kupffern, Summarien und einem nützlichen Register.

GOTHA

Verlegts Moritz Georg Weidmann/ 1719

Zit. Hilaria Evangelica

APOKALYPSIS,

Das ist:

Gründtliche

Erklärung der Offenbahrung S. Johannis

Deß Evangelisten: Von der Christlichen Wider-

wärtigkeit/ Creutz und Verfolgung/ so zum Theil uber sie schon

ergangen/ zum Theil noch künfftig ist: und auch von ihrem Trost/ Bey-

standt und Erhaltung/ endtlichem Siege und herrlichen

Erlösung.

Anfängklich mit Fleiß erkläret/ und mit grosser Mühe

aus den Historien bewähret/ durch Weilandt den

Ehrwürdigen und Wolgelehrten Herrn

M. IOHANNEM FUNCKIUM.

Jetzundt aber allen treuwhertzigen Predigern/ auch frommen/

betrübten Christen zu sonderlichem Trost/ Lehr und Be-

richt in Druck gegeben.

Durch

Michael Sachsen/ Pfarherrn und Hoffpredigern

zu Thonna und Ordruff.

Sampt angehendten zweyen Trostreichen Predigten

von dem ewigen Leben: Mit Hinzuthuung dreyer voll-

kommenen Register.

Gedruckt zu Franckfurt am Mayn/ durch Jo-

hann Spies/ Im Jahr. 1596.

Zit. Johann Funck

IOANNIS GERHARDI

LOCI THEOLOGICI

TOMUS QUINTUS

BEROLINI

1867 (Ausgabe von Ed. Preuss)

Zit. Johann Gerhard, Loci V

Hänisch Ulrike Dorothea, ‚Confessio augustana triumphans‘. Funktionen der Publizistik zum Confessio-Augustana- Jubiläum 1630 Frankfurt 1993; zit. Ulrike Hänisch 

Jöckle Clemens, Dreifaltigkeitskirche Speyer, Regensburg 2011; zit. Clemens Jöckle

Kastner Ruth, Geistlicher Rauffhandel, Frankfurt 1982 zit. Ruth Kastner

Historischer

Bilder-Bibel

Fünffter Theil

in sich haltend

Die Abbildung der Historien

in den Büchern deß Neuen Testaments

nemlich

St. Matthaei

St. Marci

St. Lucae

St. Johannis

auch

ApostelGeschicht

samt Bildnuß über

Die Epistlen St. Petri und St. Pauli

wie auch die Offenbarung St. Johannis.

Mit Röm: Kayserl: Majest:

Allergnädigst-ertheiltem Privilegio

Gezeichnet und in Kupffer gestochen von

Johann Ulrich Kraussen,

In Augspurg, Anno MDCCV.

Zit. Johann Ulrich Krauss

Lienhard Marc, Held oder Ungeheuer? Luthers Gestalt und Tat im Lichte der zeitgenössischen Flugschriftenliteratur, in: Lutherjahrbuch, 45. Jahrgang 1978, Göttingen S. 56-79

Marsch Angelika, Bilder zur Augsburger Konfession und ihren Jubiläen Weißenhorn 1980;zit. Angelika Marsch

Schmid Heinrich, Die Dogmatik der evangelisch-lutherischen Kirche, dargestellt und aus den Quellen belegt. Neu herausgegeben und durchgesehen von Horst Georg Pöhlmann, 9. durchgesehene Auflage Gütersloh 1979

Schneider Carl, Die Bilder in theologischer Sicht, in: Die Dreifaltigkeitskirche in Speyer, herausgegeben im Auftrag des Protestantischen Landeskirchenrates von Kirchenpräsident D. Hans Stempel, Speyer 1963, S. 19-23; zit. Carl Schneider

Schönstädt Hans-Jürgen, Antichrist, Weltheilsgeschehen und Gottes Werkzeug, Wiesbaden 1978

Stifel Michael, Von der christförmigen Lehre Luthers ein überaus schön künstlich Lied samt seiner Nebenauslegung (1522). Herausgegeben von Wilhelm Lucke, in: Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation, herausgegeben von Otto Clemen, Nieuwkoop 1967 (Nachdruck der Ausgabe Halle 1907-1911), Band III, S. 261-352; zit. Michael Stifel

Zeeden Ernst Walter, Luther und die Reformation im Urteil des deutschen Luthertums I. Band: Darstellung Freiburg 1950, II. Band: Dokumente, Freiburg 1952; zit. Zeeden II  

Zöller Karl, Der Gemäldeschmuck der Kirche, in: Die Dreifaltigkeitskirche in Speyer, Aufsätze und Reden zur feierlichen Eröffnung der erneuerten Kirche am Reformationsfest 3. November 1929. Herausgegeben von den Speyerer Pfarrern D. C. Cantzler, E. Lind, K. Zöller, Speyer 1929; zit. Karl Zöller

[1] Bei der Zählung der Bilder in den Emporenreihen wird hier grundsätzlich die „Begehbare Bilderbibel“ zugrunde gelegt, die vorzüglich die Bilder abbildet und auch die Hinweise auf die biblischen Texte gibt. Solange nun auch die Dreifaltigkeitskirche renoviert wird (bis Oktober 2017), ist die „Begehbare Bilderbibel“ als Anschauungsmaterial ganz unverzichtbar.

[2] Karl Zöller, S. 35

[3] Carl Schneider S. 19f.

[4] Begehbare Bilderbibel S.16

[5] Clemens Jöckle S. 18

[6] Speyerische Agenda S.99

[7] Ebd.

[8] Zitat nach Heinrich Schmid, S. 78

[9] Zitat nach Heinrich Schmid, S. 78f.

[10] Angelika Marsch, Abb. 16

[11] Angelika Marsch S.41

[12] Wolfgang Brückner S. 29ff.

[13] Bei Angelika Marsch ist dies die Abbildung 46

[14] Johann Ulrich Krauss Tafel 132, Oberes Bild

[15] Auf diese Schrift hat schon Ruth Kastner S.211, aber auch Marc Lienhard S. 65 hingewiesen.

[16] Michael Stifel S. 283

[17] Michael Stifel S. 283f.

[18] Michael Stifel S.286

[19] Zitat nach Zeeden II, S. 15f.

[20] Siehe Vorwort der Ausgabe von 1596

[21] Johann Funck S. 113

[22] Zitat nach Zeeden II, S.65

[23] So nach Ruth Kastner S. 71, S. 148 und S. 324 Anm. 18

[24] Unter dem Registerstichwort „Luther als Engel“ zu finden

[25] So auf den Seiten 178, 181f. und 269

[26] Hans-Jürgen Schönstädt S. 254 ff.

[27] Zeeden II, S. 95, hier auch die oben zitierte deutsche Übersetzung

[28] Johann Gerhard, Loci V, S. 576ff.

[29] Johann Gerhard, Loci V, S. 579

[30] Zeeden II, S. 105 ff.

[31] Zeeden II, S. 68

[32] Angelika Marsch Abb. 52

[33] Siehe dazu Ulrike Hänisch S. 169

[34] Angelika Marsch Abb. 89

[35] Abbildung bei Ruth Kastner S. 320

[36] Hilaria Evangelica S. 586

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