Dr. Michael Gärtner
Emil-Nolde-Straße 10, 67061 Ludwigshafen
1. Die Bildungsarbeit der Evangelischen Kirche (der Pfalz) deckt ein breites Spektrum ab.
Bildungsarbeit geschieht in Kirchengemeinden und Kirchenbezirken. Kindertagesstätten vermitteln frühkindliche religiöse Erziehung, Pfarrerinnen und Pfarrer erteilen Religionsunterricht und leisten Konfirmandenarbeit, Bildungsarbeit geschieht in Gemeindekreisen, Bibelkreisen und öffentlichen Veranstaltungen.
Die Reichweite ist unterschiedlich. Circa ein Drittel der Kindertagesstätten im Bereich der EKP sind in evangelischer Trägerschaft. Nahezu 100% der evangelischen Kinder besuchen den Religionsunterricht. 60 bis 95% eines Jahrgangs werden konfirmiert. 10 bis 20% eines Jahrgangs gehen in den Kindergottesdienst. 1 bis 2% der Kirchenmitglieder besuchen unsere anderen Bildungsveranstaltungen.
Auf landeskirchlicher Ebene gibt es darüber hinaus zahlreiche Anbieter, zum Teil spezialisiert auf berufliche Fortbildung: Ev. Akademie, Amt für Kirchenmusik, Arbeitsstelle Bildung und Gesellschaft, Haus der Familie Landau, Arbeitsstelle Frieden und Umwelt, Diakonisches Werk, EFWI, Fachschule für Erzieher/innen, Landeskirchenrat, Archiv, EDV, MAV, Landesjugendpfarramt, Missionarisch-Ökumenischer Dienst, Pfarramt für Kindergottesdienst, Predigerseminar, Institut für kirchliche Fortbildung, Religionspädagogisches Amt mit den Regionalstellen und Fachberatern, Studierendenpfarrämter, Trifelsgymnasium
Die Themen sind vielfältig. Zum Beispiel die Evangelische Arbeitsstelle Bildung und Gesellschaft: Weltgebetstag, Tanzen, Glauben, Kommunikation, Rhetorik, Selbsthilfe, Deutschkurs, Kunst, Kultur, Pilgern, Alphabetisierung, Erziehung, Lebensbewältigung, Gesundheitsvorsorge, Gruppenleiten, Betriebsbesichtigung, Studienfahrten, Exkursionen. Oder der Missionarisch – ökumenische Dienst: Glauben, Seelsorge, Trauer- und Sterbebegleitung, Diakonie, Gemeinde, Gottesdienst, Weltkirche, Projekte, Interkulturelles Lernen, Pilgern, Gemeindeentwicklung, geistliche Begleitung, Aus-/Fortbildung von LektorInnen, Aus- Fortbildung von PrädikantInnen
2. Ev. Bildungsarbeit sieht sich einem ganzheitlichen Bildungsbegriff verpflichtet.
Die Evangelische Kirche in Deutschland hat sich in der Denkschrift „Maße des Menschlichen“ von 2003 und in der Orientierungshilfe des Rates der EKD „Kirche und Bildung“ von 2009 zu ihrem Bildungsverständnis geäußert. Dies wird von den landeskirchlichen Einrichtungen so auch gelebt – auch von einer auf den ersten Blick spezialisiert wirkenden Einrichtung wie dem Evangelischen Trifelsgymnasium. Aus der grundlegenden Schrift von 2003 möchte ich drei Thesen zitieren:
„Bildung betrifft den einzelnen Menschen als Person, seine Förderung und Entfaltung als ‚ganzer Mensch’ und seine Erziehung zu sozialer Verantwortung für das Gemeinwesen.“
„Bildung meint den Zusammenhang von Lernen, Wissen, Können, Wertbewusstsein und Handeln im Horizont sinnstiftender Lebensdeutungen.“
„Die Zukunft der Bildung ist auf Anstrengungen und Opfer aller angewiesen.“ (http://www.ekd.de/EKD-Texte/44595.html)
Beispielhaft zitiert sei das Selbstverständnis der Evangelischen Landesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung in Rheinland Pfalz (ELAG):
„Selbstverständnis:Evangelische Erwachsenenbildung orientiert sich an einem ganzheitlichen Menschenbild und einem Gesellschaftsverständnis, das christliche Werte wie Mitmenschlichkeit, Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in den Mittelpunkt stellt. Sie weiß sich der reformatorischen Tradition verpflichtet und leitet daraus das Recht des Menschen auf Bildung und Verantwortung ab. Evangelische Erwachsenenbildung richtet sich an alle Frauen und Männer gleich welcher Nation und Religion“ (http://www.elag.de).
3. Evangelische Bildungsarbeit ist in einer Finanzkrise.
Die finanziellen Probleme evangelischer Bildungsarbeit resultieren aus den finanziellen Problemen der Kirche überhaupt. Diese wiederum resultieren aus den zurückgehenden Mitgliederzahlen aufgrund von Sterbeüberschuss und Kirchenaustritten. Die Entwicklung scheint unumkehrbar. Die Evangelische Kirche der Pfalz wird tendenziell immer weniger Geld zur Verfügung haben. Aufgrund der zurückgehenden Mitgliederzahlen wird auch die Anzahl der Gemeindepfarrstellen reduziert werden können und müssen! Bei den landeskirchlichen Einrichtungen stellt sich irgendwann die Frage nach ihrer Funktionsfähigkeit. Arbeit auf landeskirchlicher Ebene hat viel mit Vernetzung der Arbeit auf EKD-Ebene und mit Vertretung gegenüber dem Bundesland zu tun. Hier können allein aus Zeitgründen nicht beliebig viele Funktionen auf immer weniger Köpfe verteilt werden. Eine Reduktion des Personals auf landeskirchlicher Ebene hat in den vergangen Jahre aber bereits in überproportionalem Maß stattgefunden.
Es stellt sich derzeit die Frage, welche landeskirchlichen Funktionen die Synode aufrecht erhalten will. Dies muss mit einer ernsthaften Diskussion darüber einher gehen, wie wir uns Kirche zu Beginn des 21. Jahrhunderts vorstellen. Dabei geht es vor allem um die Frage, in welcher Weise Kirche Volkskirche bleiben will und als solche auch mit anderen gesellschaftlichen Institutionen interagieren will.
Letztlich ist auch die Frage zu diskutieren, ob es nicht sinnvoller sein könnte, sich mit einer anderen Landeskirche zusammenzuschließen, um die Funktionen einer Landeskirche aufrecht zu erhalten.
4. Ev. Bildungsarbeit geschieht in enger Kooperation mit dem Staat bzw. Bundesland.
Über die Evangelische Arbeitsstelle Bildung und Gesellschaft in Kombination mit der Evangelischen Landesarbeitsgemeinschaft Erwachsenenbildung (ELAG) erhalten die Gemeinden und landeskirchlichen Einrichtungen pro Jahr ca. 350.000,- Euro an Landesmitteln. Ähnlich sieht es im Bereich der Jugendarbeit aus. Hier fließen pro Jahr ca. 400.000,- Euro in die landeskirchlichen Haushalte.
Voraussetzung für den Erhalt dieser Zuschüsse ist allerdings, dass die durchgeführten Veranstaltungen den Förderrichtlinien entsprechen. Dies gilt für viele, aber nicht für alle durchgeführten Maßnahmen. Diejenigen Maßnahmen, die in einem engeren Sinne kirchlichen Zielen wie Mission und religiöse Unterweisung dienen, sind nicht förderfähig.
Dies führt in der Konsequenz dazu, dass auf dem Hintergrund der Notwendigkeit der Einwerbung von Drittmitteln von landeskirchlichen Bildungseinrichtungen solche Angebote entwickelt werden, die den Interessen der Drittmittelgeber entsprechen. Das kann tendenziell zu einer Veränderung der inhaltlichen Ausrichtung und tendenziell auch zu einer Entfernung vom kirchlichen Auftrag im engeren Sinne führen.
Das ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. Landeskirchliche Bildungseinrichtungen werden zum einen nie Maßnahmen durchführen, die kirchlichen Grundsätzen widersprechen. Zum anderen liegen viele geförderte Maßnahmen bereits auf der Linie protestantischer Ethik wie die Bewahrung der Schöpfung, die Förderung von Familien und Kindern, der Verbesserung von Lebenschancen durch Ausbildung persönlicher Fähigkeiten und vielem mehr.
Zum anderen sehen wir es als eine Chance kirchlicher Arbeit an, wenn diejenigen Maßnahmen, die grundsätzlich auch von anderen Anbietern durchgeführt werden könnten, von uns mit einem kirchlichen Profil verbunden umgesetzt werden. Das gilt nicht nur für Familienbildung, landwirtschaftliche Beratung und Arbeit mit Betriebsräten, das gilt auch für Kindertagesstätten und Schulen.
5. Ev. Bildungsarbeit ist in einer innerkirchlichen Akzeptanzkrise.
Die Portfolioanalyse der Landessynode der Evangelische Kirche der Pfalz hat den Bereichen Verkündigung, Seelsorge und Mission sowie der Arbeit der Kindertagesstätten und der Jugendarbeit eine hohe Priorität eingeräumt. Aus dem Bereich Bildung wurden vergleichsweise viele Arbeitsfelder als weniger relevant beziehungsweise profilbildend angesehen.
Abgesehen von den als hoch eingestuften und unter dem Oberbegriff Bildung gelaufenen speziell der Jugendarbeit zuzurechnenden Handlungsfeldern
– Gemeindediakoninnen und Gemeindediakone (Gemeindepädagogische Dienste)
– Landesjugendpfarramt
– Stadtjugendpfarramt, Jugendarbeit in den Kirchenbezirken/Jugendzentralen
– Jugendwerke (Freie Jugendverbände)
– Martin-Butzer-Haus
wurden aus dem Arbeitsbereich Bildung sowohl in Bezug auf „Wichtigkeit“ wie auch auf „Profilbildung“ mit Durchschnittswerten über drei lediglich folgende Handlungsfelder versehen:
– Religionsunterricht (4,60/0,96 – 4,38/1,18)
– Evangelische Akademie, Beauftragter für Weltanschauungs- und Islamfragen, (3,33/1,22 – 3,11/1,28)
– Erziehungswissenschaftliches Fort- und Weiterbildungsinstitut (EFWI) (3,51/1,27 – 3,39/1,35)
– Evangelische Arbeitsstelle Bildung und Gesellschaft, Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen (3,33/1,36 – 3,19/1,37)
Die beiden letzten mit einer hohen Standardabweichung.
Alle anderen Handlungsfelder aus diesem Bereich wurden in einer oder beiden Kategorien als unterdurchschnittlich eingestuft:
– Protestantisches Bildungszentrum Butenschoen-Haus (3,35/1,31 – 2,79/1,35),
– Studierendenbetreuung (= Studierendenseelsorge!) (3,33/1,23 – 2,89/1,32),
– Trifelsgymnasium Annweiler, Schule, Internat, Förderung von Schülern (2,90/1,51 – 2,89/1,52),
– Arbeitsstelle Frieden und Umwelt (2,94/1,40 – 2,82/1,39),
– Erwachsenenbildungsstätten (2,58/1,26 – 2,47/1,26),
-Bibliothek und Medienzentrale (3,39/1,24 – 2,63/1,20),
– Stiftung Historisches Museum der Pfalz, Verein für pfälzische Kirchengeschichte, (2,57/1,12 – 2,33/1,13),
– Neugründung und Betrieb von Schulen (2,31/1,48 – 2,92/1,52).
Die in diesen Bereichen häufig anzutreffende hohe Standardabweichung macht deutlich, dass diese Handlungsfelder innerhalb der Synode umstritten sind. Es gibt neben zahlreichen kritisch Distanzierten auch deutliche Befürworter.
Ganz deutlich ist jedoch, dass das Handlungsfeld „Bildung“ in der Sicht der Landessynodalen deutlich weniger Akzeptanz hat als die meisten anderen Arbeitsbereiche.
6. Die innerkirchliche Akzeptanzkrise hat strukturelle Ursachen.
An dieser Stelle soll eine Vermutung geäußert werden, die statistisch nicht belegt werden kann, die sich aber auf Eindrücke aus vielen Gesprächen speist.
Die oben dargestellt enge Verflechtung kirchlichen Handelns, auch kirchlichen Bildungshandelns, mit der öffentlichen Hand und deren Förderung lässt auch immer wieder kritische Stimmen laut werden, die nach der Eigenständigkeit kirchlichen Handelns fragen. Macht es aus kirchlicher Sicht Sinn, staatlich geförderte Angebote vorzuhalten und mit weiteren eigenen Mitteln auszustatten, wenn die auch von der öffentlichen Hand selbst oder anderen gesellschaftlichen Spielern angeboten werden könnten?
Konkret: Brauchen wir evangelische Kindertagesstätten, wenn es auch kommunale oder solche in anderer nichtkirchlicher Trägerschaft sein könnten? Brauchen wir eine evangelische Schule? Könnte man die landwirtschaftliche Beratungsarbeit nicht dem Bauern- und Winzerverband überlassen? Könnte Familienbildung nicht aus dem kirchlichen Portfolio gestrichen werden?
Die enge Kooperation der Kirchen mit der öffentlichen Hand in Deutschland wird in manchen kirchlichen Kreisen kritisch gesehen. Man befürchtet eine nicht vertretbare Beeinflussung der inhaltlichen Ausrichtung dieser kirchlichen Arbeit durch staatliche Regelungen. Man möchte das von der Kirche investierte Geld lieber woanders einsetzen.
Hier stellt sich deutlich die Frage nach dem Kirchenbild – Kirche als Bekenntnisgemeinschaft mit Rückzug auf die gemeindlichen Funktionen contra Volkskirche in einer vom Subsidiaritätsprinzip geprägten Gesellschaft.
7. Die Akzeptanzkrise ist eine innerkirchliche Gegenreaktion auf die Hochschätzung von Bildung in der Gesellschaft.
Eine Vermutung: Bildung ist das gesellschaftliche Thema der letzten zehn Jahre. Dabei geht es vor allem um die schulische Bildung in Deutschland und deren Vergleich zu den anderen europäischen Staaten. PISA bestimmt die Diskussion. Dabei wird Bildung eben oft im engeren Sinne als schulische Ausbildung verstanden. Die Verbesserung der Lese- und Rechtschreibkompetenz sowie bessere Leistungen in naturwissenschaftlichen Fächern werden aber nicht als kirchliches Anliegen angesehen. Die Dominanz der schulischen Bildung in der öffentlichen Bildungsdiskussion führt – so meine Vermutung – zu einem Rückgang von Akzeptanz von Bildung überhaupt in kirchlichen Kreisen. Dabei wird übersehen, wie stark gerade auf EKD-Ebene das evangelische Bildungsverständnis in den letzten zehn Jahren thematisiert worden ist.
Eine angemessene kirchliche Reaktion auf die PISA Bildungsdiskussion wäre also gerade nicht ein Rückzug aus dem Bildungsbereich, sondern eine Verstärkung der Anstrengungen, das protestantische Bildungsverständnis in die gesellschaftliche Diskussion und Praxis – auch in die eigene kirchliche Praxis – einzubringen.
8. Die Akzeptanzkrise ist Ausdruck einer innerkirchlichen Verunsicherung.
Der Verlust an Mitgliederzahlen und Finanzen geht einher mit einem Verlust an gesellschaftlicher Bedeutung. Gemeindeglieder und Verantwortungsträger der Kirchen in Deutschland merken deutlich, dass die allgemeine Akzeptanz von Kirche zurückgeht. In der sich pluralisierenden Gesellschaft wird Kirche zu einem gesellschaftlichen Spieler unter anderen. Kirche ist nicht mehr selbstverständlich, sie muss sich im gesellschaftlichen Wettbewerb behaupten.
Das sind wir hier in Deutschland, vor allem im Südwesten, nicht gewöhnt. Noch wirkt staatskirchliche Mentalität nach. Dies wurde noch verstärkt durch die wichtige Rolle der Kirche in der Zeit des Wiederaufbaus nach dem 2. Weltkrieg.
Wir steuern, was die Mitgliederzahlen angeht, auf eine Minderheitensituation zu. Das verunsichert. Wir müssen uns neu definieren. Das wird möglich sein. Kirche kann es auf vielfältige Weise geben. Ein Blick in die Kirchengeschichte und in die Ökumene macht das deutlich. Dennoch erfordert dies eine große Veränderungsleistung, die Kraft kostet, die verunsichert, der wir uns stellen müssen.
Wie oft in solchen Situationen neigen Menschen zunächst dazu, sich auf das (vermeintlich) Sichere zurück zu ziehen – in unserem Falle auf die kirchlichen Funktionen im engeren Sinne. Kirche wird nur noch als die sich versammelnde Gemeinde verstanden, Kirche wird auf die Kennzeichen nach dem Augsburger Bekenntnis (CA VII) reduziert (Evangeliumsverkündigung und Sakramentsverwaltung) – schon damals eine unzulängliche Beschreibung von Kirche (wenn auch in der damals notwendigen Abgrenzung eine sinnvolle).
Kirchliche Bildungsarbeit wird dann als nicht zum Kerngeschäft gehörig verstanden. Die Verunsicherung über die eigene gesellschaftliche Rolle und Stellung droht zu einem Rückzug aus eben dieser Gesellschaft zu motivieren.
9. Kirchliche Bildungsarbeit ist einer der Wege aus der Krise.
Nur eine Kirche, die zu ihrer Bildungsarbeit steht, ist zukunftsfähig. Zunächst einmal aber gilt es evangelische Bildungsarbeit richtig zu verstehen. Sie ist nicht primär formale Bildung, sie hat zunächst nichts mit Elitenbildung zu tun. Evangelische Bildungsarbeit ist Hilfe zum Leben und Prägung von Individuen und Gesellschaft im christlichen Sinne. Evangelische Bildungsarbeit ist damit letztlich unter die Begriffe Verkündigung, Diakonie und Mission zu subsumieren und ist damit zentrales kirchliches Anliegen. Evangelische Bildungsarbeit möchte Menschen helfen, mit dem Leben zurechtzukommen. Darüber hinaus möchte sie die Gesellschaft prägen und beeinflussen – so wie das andere gesellschaftliche Größen und Interessenverbände auch wollen.
Der Begriff Krise meint von seinem Ursprung her eine Situation, in der Entscheidungen fallen und die Ereignisse eine neue Richtung nehmen. Deshalb ist jede Krise eine Chance, sich neu zu behaupten, indem neue Weg gefunden werden. Die Krise der Kirche in Deutschland ermöglicht eine Neuaufstellung der kirchlichen Arbeit.
Ich plädiere dafür, dass die Kirche sich zunehmend als ein gesellschaftlicher Spieler unter anderen versteht, der Gesellschaft prägen und beeinflussen will – um der Menschen willen, um des christlichen Menschenbildes willen.
Beeinflussung geschieht heute in einem hohen Maße medial – deshalb muss Kirche ihre Medienpräsenz verbessern.
Beeinflussung geschieht durch das Prägen von Menschen, vor allem von jungen Menschen in personeller Interaktion. Das ist Bildung. Deshalb ist die religiöse Bildung in Kindertagesstätten wichtig, deshalb ist Religionsunterricht wichtig, deshalb ist Bildungsarbeit mit Erwachsenen wichtig.
Wenn wir uns jedoch klar machen, dass die enge Partnerschaft von Kirche und Staat in der Bundesrepublik Deutschland durch laizistische Kräfte zunehmend in Frage gestellt wird, dann ist es wichtig, dass wir unsere Arbeit in diesen Bereichen auf eine solide zukunftsträchtige Basis stellen. Es muss daher als vorausschauend angesehen werden, wenn die Kirchen in den östlichen Bundesländern immer mehr kirchliche Schulen gründen – und das sollte auch unser Weg hier im Südwesten sein.
10. Evangelische Bildungsarbeit muss zu einem strategisch orientierten Netzwerk ausgebaut werden.
Die verschiedenen Bildungsanbieter im Bereich der Evangelischen Kirche der Pfalz arbeiten weitgehend unkoordiniert. Zwar gibt es Absprachen über Zuständigkeiten, und die Schnittmengen bezüglich thematischer Orientierung und Zielgruppen halten sich in – noch optimierbaren – Grenzen. Aber weder gibt es eine Gesamtschau des Bildungshandelns noch ein ausformuliertes Leitbild.
Das gilt grundsätzlich für viele Bereiche kirchlichen Handelns und ist per se noch nicht negativ zu beurteilen. Dies ist eben auch Ausdruck sowohl der Vielfalt einer Volkskirche als auch von deren gewollt komplexen Aufbau von der Ortsgemeinde bis zur landeskirchlichen Ebene. Eine derart komplex angelegte Organisation steht aber immer vor der Aufgabe, durch ein großes Maß an Kommunikation und Absprache einerseits eine gewisse Effizienz des Handelns zu erreichen und andererseits ständig an einer qualitativen Optimierung zu arbeiten.
Desiderata für die nächsten Jahre sind unter anderem:
– eine breite Diskussion zum Bildungsverständnis in der Ev. Kirche der Pfalz.
– Ausarbeitung eines Curriculums frühreligöser Erziehung in Evangelischen Kindertagesstätten, religionspädagogische Fortbildung der Erzieherinnen und flächendeckende Implementierung, wie dies im Rahmen der Qualitätsoffensive des Diakonischen Werkes derzeit geschehen soll,
– verbesserte Absprache zwischen den Bildungsanbietern auf landeskirchlicher Ebene, Festlegung gemeinsamer Jahresschwerpunkte, Braintrust, gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit
– Erarbeitung eines Internetportals „Evangelische Kirche der Pfalz – Bildung“
– Aufrechterhaltung der Dienstleisterfunktion der Evangelischen Arbeitsstelle Bildung und Gesellschaft trotz massiven Stellenabbaus
– Gründung neuer evangelischer Schulen und den Erhalt der vorhandenen!
* Vortrag auf der Mitgliederversammlung des Landesverbandes Pfalz-Saar der Evangelischen Akademikerschaft, 12. August 2012, Essingen.
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