Leserbrief zum Editorial im Pfälzischen Pfarrerblatt 4/2014

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Dr. Michael Diener
Leuschnerstraße 72 a, 34134 Kassel

Leserbrief

Zum Editorial im Pfälzischen Pfarrerblatt 4/2014

Lieber Herr Kollege Schuck,
herzlichen Dank für Ihr Editorial zu „Zeit zum Aufstehen“. Wie so häufig freue ich mich über Ihre gut protestantische Streitlust und Ihre klaren Positionierungen. Und man kann Ihnen auch wahrlich nicht vorwerfen, die Absicht der 12 Initiatoren, zu denen ich gehören darf, verkannt zu haben. Danke für die weithin sachliche Darstellung unseres Impulses.

Danke auch dafür, dass Sie die hermeneutische Frage als ein Schlüsselthema benannt haben. Genau darüber sollte auch das Gespräch geführt werden. Ich will dazu schon einmal einen kleinen Beitrag liefern:

·         interessant, dass wir es mit einer in unseren Kirchen „gängigen Verwechselung von Bibel und Heiliger Schrift“ zu tun haben. Ob das alle, in ihrem Sinne aufgeklärten Menschen, ebenso sehen?

·         was heißt, dass die Bibel nur im „Akt der Verkündigung als geistgewirktes Geschehen“ erfahrbar ist? Wie ereignet sich der Akt der Verkündigung, wenn so ein armer Protestant, der da bisher was verwechselt hat, morgens seine Losung liest?

·         ich bestreite, dass Sie sich mit Ihrer hermeneutischen Positionierung auf Reformation und Bekenntnisschriften berufen können und dass Sie das „sola scriptura“ damit umfassend aufgenommen haben

·         Sie sprechen davon, dass sich die „frühe Kirche diese Sammlung von (menschlichen) Zeugnissen so zu eigen gemacht, dass sie ihre Identität maßgeblich darauf stützte“. Das ist interessant. Darf ich fragen, was denn im dynamischen Verstehensprozess nach dem radikalen Bruch der Aufklärung, welche wohl letztlich „die gegenwärtige Rationalitätsgestalt der kollektiven Identität“ mitbedingt hat, heute identitätsbildend, für die Kirche (!!), ist?

·         inwiefern ist die Bibel als Heilige Schrift (!) noch ein Korrektiv zu gesellschaftlichen Entwicklungen, wenn ihre Zeugnisse an „neue Bewusstseinslagen und neue gesellschaftliche Begebenheiten“ anpasst werden müssen?

Über all diese Fragen fände ich es spannend zu diskutieren und wenn dabei das primäre Schlüsselthema des Impulses „Zeit zum Aufstehen“, nämlich Jesus Christus, unter uns aufleuchtet, dann sollte doch immer wieder auch Verständigung möglich sein. Und in diesem Geiste möchte ich Sie herzlich bitten, die sachliche Auseinandersetzung nicht dadurch zu emotionalisieren, dass Sie, bis in die Überschrift, hier von „Fundamentalismus“ sprechen. Sie wissen nur zu gut, dass dieses Wort, neben seinem eigentlichen Inhalt, inzwischen zu einem Containerbegriff für gewaltbereiten Fanatismus und für dumpfen Antimodernismus geworden ist. An dieser Stelle haben Sie für mich bewusst (!) die sachliche Ebene verlassen und damit nicht nur mich, sondern ehrenwerte Protestantinnen, Männer und Frauen in kirchenleitenden Ämtern und inzwischen Tausende Unterzeichnende in ein einfach schräges Licht gerückt.

Aber davon abgesehen – danke für Ihren Beitrag, der ganz deutlich zeigt, welch ein hermeneutischer Riss durch die Christenheit und auch durch unsere Kirche geht. Lassen Sie uns gemeinsam tun, was wir können, damit er nicht zu groß wird.

Der Autor ist Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes.

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