Grenzüberschreitende arbeitsteilige Zusammenarbeit im Bereich der Pfälzischen Landeskirche

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Dr. Horst Hahn

Gabriel-Biel-Straße 7, 67346 Speyer

Teil A: Rückblick auf das Geschehen in der 70-er Jahren

I. Die Beweggründe für die Einsetzung eines landeskirchlichen Planungsausschusses

Auf ihrer Herbsttagung 1966 hat die LS folgenden Beschluss gefasst: „Auf Empfehlung des Antragsausschusses beauftragt die Synode … die KR, eine Kommission zu berufen, die die Veränderungen der bevölkerungspolitischen, wirtschaftlichen und verkehrsmäßigen Verhältnisse in unserem Kirchengebiet überprüfen und gegebenenfalls notwendige Maßnahmen für eine Neugliederung des Kirchengebiets vorschlagen soll.“ Daraufhin hat die KR Anfang 1967 diese dann „Struktur- und Planungsausschuss“, kurz PA genannte „Kommission“ gebildet und dazu Pfarrer und Dekane aus Stadt- und Landgemeinden, Kommunalpolitiker, Verwaltungsfachleute und Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Industrie (anfänglich 13 Personen) berufen. Dieser Ausschuss hat dann gleich sehr fleißig gearbeitet und konnte so der LS schon im Herbst 1971 einen ersten Bericht über seine Arbeit geben.

Was aber waren die Gründe für die Einsetzung dieses – damals als etwas völlig Neues empfundenen – PA?

1. Anregungen von außen

Zunächst einmal muss man dazu sagen: Struktur- und Planungsfragen lagen damals sozusagen in der Luft. Die Soziologie hatte ihre Hochzeit und beherrschte mit ihren Fragestellungen und Lösungsvorschlägen die Diskussion in fast allen Bereichen. „Struktur“ war damals fast ein Zauberwort, dessen Bann man sich kaum entziehen konnte. Man erwartete damals allenthalben von der Veränderung alter, festgefahrener und als zu eng empfundener Strukturen zwar nicht das Heil, aber doch auf alle Fälle bessere, zukunftsfähigere Lösungen. Die Kritik galt vor allem den vielen viel zu kleinen Einheiten der überkommenen Strukturen, und man zielte darum auf größere, rationelleres Arbeiten ermöglichende Einheiten.

So kam es außerhalb der Kirche bald zu einer neuen Raumordnung (mit Ober-, Mittel-, Unter- und Kleinzentren), zu weitreichenden Reformen des Schulwesens (Mittelpunktschulen) sowie zu einer tiefgreifenden Kommunalreform (Bildung von Verbandsgemeinden, Neuordnung der Landkreise). Das alles hat natürlich die Kirchen nicht unbeeinflusst gelassen. Sie konnten sich dem Sog der soziologisch bestimmten Strukturreformen nicht entziehen. Und man wollte es auch nicht, sondern setzte auch in den Kirchen auf „Reform“ („Reform“ war damals ein überwiegend positiv besetzter Begriff, anders als heute, wo man damit vor allem an „Verschlechterung“ denkt, besonders in finanzieller Hinsicht). Darum gab es damals in den 60-er und 70-er Jahren an vielen Stellen in der EKD zahlreiche, mehr oder weniger durchdachte, mehr oder weniger gelungene Versuche von Strukturreformen, vor allem auf der Gemeindeebene. Unser PA hat alle diese Versuche zur Kenntnis genommen, sorgfältig geprüft und in seine eigenen Überlegungen einbezogen (einzelne Mitglieder haben auch an Foren, Arbeitsgemeinschaften und Lehrgängen außerhalb der Pfalz teilgenommen und dabei eine Menge für die eigene Arbeit gelernt). Dadurch war es dem PA möglich, anderswo gemachte Fehler zu vermeiden und eine möglichst zukunftsträchtige Konzeption zu erarbeiten.

Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang auch das dem unseren ganz paralleleGeschehen in unserer katholischen Schwesterkirche, dem Bistum Speyer. Nur dass es dort „katholischer“ zuging als bei uns: Nach einer kurzen Erprobungsphase hat der Bischof die gesamte Diözese in „Pfarrverbände“ (ganz analog zu unseren VPen, über die gleich ausführlich zu reden sein wird) eingeteilt und diese kirchenrechtlich verankert (gleichzeitig wurde auch die Zahl der Dekanate durch die Angleichung von deren Grenzen an die der Stadt- und Landkreise drastisch vermindert).

2. Druck von innen

Aber es gab für „Reformen“ auch Beweggründe im kirchlichen Leben selbst, Beweggründe, die bei realistischer Betrachtung nicht zu übersehen waren. Da war zuerst einmal ein gravierender Pfarrermangel, der die „kirchliche Versorgung“ immer problematischer werden ließ (noch 1976/77, als ich im LKR ein Jahr lang für die Personalangelegenheiten verantwortlich war, war das so!). Aber es gab noch anderes: eine fortschreitende Entkirchlichung vieler Menschen in den Gemeinden, der man etwas entgegensetzen musste; die immer weiter greifende Entflechtung von Wohn- und Arbeitsort und überhaupt eine neue Mobilität der Gemeindeglieder, durch die auch bei den der Kirche Verbundenen die Ortsgemeinde an Bedeutung verlor (zugunsten von Tagungs-, Freizeit- und Kirchentags-„Gemeinden“).

Auf der anderen Seite gab es inzwischen in unserer LK immer mehr sog. „Laien“, die, als Haupt- oder Ehrenamtliche, über ein spezielles Wissen und Können verfügten und der Kirche zur Verfügung standen. Ich nenne die Lektoren und Prädikanten, aber auch Mitarbeiter in der Jugendarbeit, im diakonischen Bereich oder in der Bildungsarbeit. Diese Menschen waren nicht mehr bereit, nur „Hilfsarbeiter“ des Pfarrers sein. Sie wollten sich mit ihren besonderen Fähigkeiten nicht nur einbringen, sondern auch mitberaten und mitentschieden. Die seit Jahrhunderten bestehende Parochialstruktur unserer Gemeinden mit der Allzuständigkeit des Pfarrers stand dem erheblich entgegen. Darum war hier eine „Reform“ dringend geboten.

II. Die Arbeit des PA und ihre Ergebnisse für die Gemeindeebene

1. Das Grundkonzept

Nach einer ersten Arbeitsphase, in der der PA vor allem damit beschäftigt war, durch Befragungen und durch die Auswertung aller verfügbaren Daten eine Grundlage für seine Weiterarbeit zu gewinnen, konnte (etwa ab 1970) mit der eigentlichen Planung begonnen werden. Dabei haben sich alsbald und immer deutlicher zwei Grundsätze herausgebildet und bewährt.

Erstens: Strukturreform muss auf der untersten Ebene beginnen und kann erst dann, wenn sie dort in der Breite gelungen ist, auf den Ebenen des KBs und der LK in Angriff genommen werden.

Zweitens: Strukturreformen dürfen nicht vom „grünen Tische“ aus geplant und den Betroffenen dann zugemutet, sprich: aufoktroyiert werden. Vielmehr müssen die Betroffenen von Anfang an von den Ideen der Planer überzeugt und dafür gewonnen werden. Und sie müssen bei der Ausgestaltung der Reformen in ihrem Bereich mitwirken und diese zu ihrem eigenen Anliegen machen.

Um nach diesen Grundsätzen vorgehen zu können, hat der PA zunächst das Gebiet der LK gedanklich in – nehmen wir einmal diesen sehr allgemeinen Ausdruck – Nachbarschaftsbereiche eingeteilt, die sich an den Kleinzentren der Raumordnung orientierten und jeweils mehrere Pfarreien mit einer Gesamtzahl von 8.000 bis 15.000 Gemeindeglieder umfassten. Danach musste der Versuch gemacht werden, in einzelnen dieser Nachbarschaftsbereiche modellartig mit der Strukturreform zu beginnen.

Dabei zeigte sich an einer Reihe von Stellen eine große Aufgeschlossenheit: Obermoschel war bereit, das ganze (kleine) Dekanat als einen Nachbarschaftsbereich zu gestalten, und auch die Gemeinden des Klingbachtals haben zunächst eifrig mitgewirkt. Es hat dort dann aber in kurzer Zeit so viele personelle Veränderungen gegeben, dass das Modell wieder aufgegeben werden musste. Danach kamen aber zwei weitere Bereiche hinzu, die bereit waren, sich auf das Modell einzulassen: die Gemeinden des Bliesgaus und die im Bereich Schifferstadt. In ungezählten Besprechungen der Mitglieder des PA mit den betroffenen Pfarrern und Presbytern – und dieser untereinander – hat sich dann ein in den wesentlichen Momenten gleiches Grundkonzept einer parochieübergreifenden arbeitsteiligen Zusammenarbeit im Nahbereich herausgebildet, nach dem dann verfahren worden ist. Die vier wesentlichen Momente dieses Grundkonzepts einer „VP“, wie wir sie dann genannt haben, sind die folgenden:

–     Die einzelnen KGen behalten auch als Mitglieder der VP ihre rechtliche Eigenständigkeit. Sie öffnen aber ihre Grenzen, indem sie (durch eigenen, freiwilligen Beschluss) bestimmte Rechte an die VP abtreten.

–     Die Grundfunktionen gemeindlichen Dienstes wie Gottesdienst, Seelsorge, Kasualien und dgl. bleiben weiterhin in der Zuständigkeit der Einzelgemeinde und ihres Pfarrers, die Spezialfunktionen aber, also, allgemein gesprochen: missionarische, diakonische und Bildungsaktivitäten gehen in den Aufgabenbereich der VP über und werden übergemeindlich ausgeübt. Im Einzelnen entscheiden die Betroffenen selbst, welche konkreten Aufgaben aus diesen funktionalen Bereichen sie der VP übertragen. Lediglich die Verwaltungsarbeit wird für alle von der VP übernommen.

–     Die in die Zuständigkeit der VP übertragenen Aufgaben werden von dieser in arbeitsteiliger Zusammenarbeit durchgeführt, also nicht so, dass alle alles tun oder alles miteinander tun, sondern so, dass die einzelnen Arbeitsbereiche an bestimmte Dienstgruppen („Facharbeitskreise“) zur Erledigung für das Ganze der VP delegiert werden, allerdings im Rahmen von Richtlinien, die von der Gesamtheit beschlossen werden, und mit Rückmeldepflicht an die Gesamtheit der VP.

–     Diese Zusammenarbeit in der VP ist nicht nur eine solche zwischen den Pfarrern, sondern vor allem eine Zusammenarbeit zwischen Pfarrern und Gemeingliedern, zwischen Theologen und „Laien“ in den Dienstgruppen der Facharbeitskreise. Beide begegnen sich dort auf Augenhöhe und können sich mit ihren je besonderen Gaben und Fähigkeiten einbringen, in gemeinsamem Bemühen um eine gute Arbeit.

2. Die drei Modell-Verbandspfarreien

Dieses Grundkonzept ist dann die Grundlage für die Satzungen geworden, die die drei schließlich entstandenen Modell-VPen sich unter Mitwirkung des PA und mit Genehmigung des LKR gegeben haben. Es waren dies

–     Die VP Obermoschel (mit allen Pfarreien des KB und ca. 13.000 Gemeindegliedern),

–     die VP Bliesgau (mit den Pfarreien Blieskastel, Breitfurt, Ensheim, Mimbach und Walsheimund ca. 8.000 Gemeindegliedern) und

–     die VP Schifferstadt (mit den Pfarreien Schifferstadt, Böhl, Iggelheim, Dannstadt und Fußgönheim und ca. 15.000 Gemeindegliedern).

Die drei Satzungen sind in allen wesentlichen Punkten gleich: Nach einer Präambel, die Grund und Ziel der VP benennt, wird die Mitgliedschaft in der VP benannt und werden die Zusammensetzung, die Rechte und Pflichten und die Arbeitsweise der drei Organe der VP geregelt. Es sind dies:

–     das Gesamtpresbyterium, bestehend aus den Pfarrern, Vertretern der Einzelgemeinden und weiteren berufenen Gemeindegliedern. Die Höchstzahl beträgt 25;

–     der Konvent der Pfarrer mit dem Vorsitzenden des Gesamtpresbyteriums und dessen Stellvertreter;

–     die Facharbeitskreise, bestehend aus je einem Mitglied des Konvents (das nicht den Vorsitz des FAK übernehmen soll!) und der erforderlichen Anzahl von berufenen Gemeindegliedern („wobei die Einzelgemeinden angemessen zu berücksichtigen sind“).

„Das Gesamtpresbyterium ist das [oberste] Entscheidungsorgan der VP. Zu seinen Befugnissen gehören insbesondere:

1.   die Festlegung der übergemeindlichen Arbeitsbereiche und Arbeitsvorhaben der VP;

2.   die Aufstellung von Richtlinien für die übergemeindliche Arbeit;

3.   die Bildung von Facharbeitskreisen für die einzelnen übergemeindlichen Arbeitsbereiche;

4.   die Aufstellung des Haushaltsplanes und die Abhörung der Rechnung der VP;

5.   die Verwaltung des Vermögens der VP;

6.   die Festsetzung von Umlagen der Einzelgemeinden für die Arbeit der VP;

7.   die Übertragung von Rechtgeschäften an die Einzelgemeinde“ (Satzung Bliesgau).

Die Facharbeitskreise arbeiten – nach der Erteilung und Präzisierung ihres Auftrags durch das Gesamtpresbyterium – eigenständig, haben diesem aber jährlich über ihre Arbeit zu berichten und diese zur Diskussion zu stellen. Für jede VP wird eine Geschäftsstelle eingerichtet und mit mindestens einer hauptamtlichen Kraft besetzt.

Nach der in diesen Satzungen festgelegten Ordnung haben die drei 1972 gegründeten Modell-VPen ihre Zusammenarbeit begonnen. Dabei haben sich alsbald an einem Punkt deutliche Unterschiede ergeben, und zwar bei den Facharbeitskreisen für die parochieübergreifendeArbeit: Während die VP.en Bliesgau und Obermoschel sich vor allem auf einen Arbeitsbereich konzentrierten (im Bliesgau war dies die übergemeindliche Organisation der Konfirmandenarbeit, in Obermoschel die Erwachsenenbildung) und andere Arbeitsbereiche kaum über die Anfänge hinaus kamen, wurden in der VP Schifferstadt Facharbeitskreise für eine Reihe von Aufgabenfeldern gebildet, die dann über Jahre hinweg das Leben der VP bestimmt haben: Öffentlichkeitsarbeit („Kanal 7“), Arbeit an besonderen Gottesdiensten im Miteinander von Pfarrer und Gemeindegliedern, Seminare für Erwachsenenbildung u.a.

Diese Unterschiede zeigten ein Doppeltes: Einmal die Offenheit der gewählten Grundkonzeption, die den handelnden Personen die Freiheit ließ, (nur) soviel Zusammenarbeit zu betreiben, wie sie verkraften konnten, und damit zugleich, dass das Modell „VP“ für sein Gelingen wesentlich von diesen vor Ort handelnden Personen abhängig war, von deren Offenheit und Phantasie, ihrer Einsatzbereitschaft und Zielstrebigkeit.

3. Schwierigkeiten und Erfolge

In der zunächst auf drei Jahre bemessenen und dann noch einmal verlängerten Erprobungszeit haben die drei Modelle versucht, in ihrer je besonderen Situation das Konzept mit Leben zu füllen. Dabei ist von Anfang an eines deutlich geworden:

Die Schlüsselrolle kommt bei diesem Konzept (wie auch sonst) eindeutig den Pfarrern zu, nicht nur für den Beginn, sondern gerade auch bei der Weiterentwicklung der Modelle. Wenn sie zur Zusammenarbeit über die Grenzen ihrer Parochie und mit den „Laien“ nicht bereit oder nicht fähig sind, ist alles andere vergebens.

So konnten in der Suchphase manche ins Auge gefassten Modelle nicht verwirklicht werden, weil die Pfarrer nicht bereit waren, auf ihre Parochialrechte zu verzichten, und musste die VP Schifferstadt ohne die Pfarrei Mutterstadt gebildet werden, weil der betreffende Stelleninhaber sich sperrte (das Presbyterium konnte so gar nicht befragt werden).

Die drei schließlich gebildeten Modelle sind nur möglich gewesen, weil die betreffenden Pfarrer – trotz erheblicher Unterschiede untereinander – das Konzept bejaht haben und beweglich genug waren, sich darauf einzulassen und es mitzugestalten. Demgegenüber hat das oft als Hindernis angesehene gemeindliche Kirchturmsdenken keine große Bedeutung gehabt. Die Gemeinden und Presbyterien waren in aller Regel zur Zusammenarbeit bereit und gegenüber dem Neuen, das sich ihnen da bot, aufgeschlossener als befürchtet.

Wichtig für die drei Modelle war schließlich auch, dass sie während der ganzen Erprobungszeit durch Mitglieder des PA intensiv begleitet und beraten worden sind. Dadurch konnten manche Anregungen und Ratschläge gegeben und Fehlentwicklungen vorgebeugt werden.

Im Übrigen kann ich, was die Erfahrungen mit den VP-Modellen in den ersten Jahren betrifft, mich selbst zitieren. Ich habe vor der LS bei deren Frühjahrstagung 1975 in einem Bericht für den PA Folgendes ausgeführt:

„Die Gemeindeglieder und Presbyter stehen … dem Konzept einer VP mit kritischer Offenheit gegenüber. Ein bloßes Nein zu dem Versuch, eine VP zu errichten, ist von keiner Gemeinde ausgesprochen worden, obwohl es zunächst selbstverständlich mancherlei Diskussionen gegeben hat. Vor allem nachdem die Zusammenarbeit erst einmal begonnen hatte und das Konzept nicht mehr nur auf dem Papier stand, haben die Betroffenen, Gemeindeglieder und Presbyter, bald die Fruchtbarkeit dieses Konzepts erkannt und die anfänglich geäußerten Bedenken fallen gelassen. Jetzt, nach drei Jahren, möchte keine der in den Modellen zusammengefassten Gemeinden mehr hinter die VP zurück.

Ich bitte zu notieren: Das gilt auch für das Modell Bliesgau [in dem schon in der Erprobungszeit große Probleme bei der Zusammenarbeit der Pfarrer das Gedeihen des Modells erheblich behindert hatten]. An den Gemeinden und ihren Presbyterien liegt es also nicht, ob Zusammenarbeit in einer VP gelingt. Die Entscheidung darüber liegt vielmehr … bei den Pfarrern und anderen hauptamtlichen Mitarbeitern. Wenn es ihnen nicht gelingt, über die zunächst einmal zwischen ihnen durch Alter, theologische Grundeinstellung und sonstige … Prägungen bestehenden Grenzen hinweg vertrauensvoll miteinander zusammenzuarbeiten und durch eine solche Zusammenarbeit so etwas wie eine Mannschaft zu werden, dann ist eine VP, wenn nicht zum Scheitern, so doch zum Siechtum verurteilt, und die Arbeit in ihr ist, das muss man ganz offen sagen, dann unerquicklicher als in der bisherigen Struktur. Dabei genügt es nicht, Zusammenarbeit einfach [nur] zu wollen. Das ist oft der Fall.

Es ist wichtig, dass man zur Zusammenarbeit auch fähig ist. Wir werden deshalb der Frage, wer teamfähig ist und wer mit wem zusammenarbeiten kann, in Zukunft eine viel größere Aufmerksamkeit schenken müssen als bisher. Insofern kann man für die zum Teil unerquicklichen Erfahrungen in dem Modell Bliesgau eigentlich dankbar sein. Auf der anderen Seite zeigen die Erfahrungen in den beiden anderen Modellen Schifferstadt und Obermoschel, dass Unterschiede etwa in der theologischen Position der Pfarrer kein Hinderungsgrund für eine gute Zusammenarbeit zu sein brauchen und dass eine solche Zusammenarbeit dem Einzelnen … hilft, seine besonderen Fähigkeiten zu erkennen und zu pflegen und dadurch ein weit höheres Maß an persönlicher Befriedigung im Dienst zu erzielen als in der durch die bisherigen Strukturen erzwungenen Allzuständigkeit.

Eine zweite Erfahrung mit den VP-Modellen kann auf die nüchterne Formel gebracht werden: Mit demselben Aufwand wird mehr erreicht, oder umgekehrt: Dasselbe wird mit weniger Aufwand ebenso gut bewältigt. … Sicherlich hat Rationalisierung im kirchlichen Dienst ihre Grenzen und kann in manchen Bereichen nicht einmal das Ziel sein. … Trotzdem hat die VP hier Vorteile gebracht, die die Beteiligten jedenfalls nicht mehr missen möchten. Dafür einige Beispiele: Die eingespielte Zusammenarbeit der Pfarrer einer VP lässt den Ausfall eines von ihnen, auch über längere Zeit hin, für die betreffende Einzelgemeinde viel weniger spürbar werden als sonst.

Das Modell Schifferstadt z.B. hat damit begonnen, dass der Pfarrer der … größten Gemeinde gleich ausgefallen ist … [Wechsel von Kollegen Wien zur Diakonissenanstalt]… und die Stelle von den Kollegen mit versorgt werden musste. Inzwischen hat ein anderer Kollege aus diesem Modell ein Kontaktstudium gemacht, und die Betroffenen, Presbyterium und Gemeindeglieder, bezeugen immer wieder, dass sie das viel weniger gemerkt haben, … als in der früheren Struktur.

Zweiter Punkt: Der Kanzeltausch, bei dem allerdings darauf geachtet wird – und geachtet werden muss –, dass der einzelne Pfarrer in „seiner“ Gemeinde mindestens zweimal monatlich auf der Kanzel steht, dieser Kanzeltausch entlastet die Pfarrer. Weiter: Veranstaltungen, die von einer Dienstgruppe vorbereitet worden sind, können in mehreren Einzelgemeinden durchgeführt werden. Oder: Die da und dort in arbeitsteiliger Kooperation durchgeführte Konfirmandenarbeit, auch im ländlichen Gebiet, erlaubt ein differenziertes und qualitativ besseres Angebot, weil sie dem einzelnen Mitarbeiter eine intensive Vorbereitung erlaubt.

Oder: Der erhebliche Aufwand, der für die Herausgabe eines guten Gemeindebriefs nötig ist, lohnt sich, da der Brief ja einer Mehrzahl von Gemeinden zu Gute kommt. Ebenso lohnen sich in einer VP Veranstaltungen für besondere Zielgruppen oder mit einer speziellen Thematik, für die in einer Einzelgemeinde zu wenig Resonanz wäre. Die Zurüstung bestimmter Gruppen von ehrenamtlichen Mitarbeitern, z.B. für Kindergottesdienst oder Jugendarbeit, kann für den ganzen Bereich der VP durch einen Hauptamtlichen erfolgen. Schließlich (erlaubt es) die Zusammenarbeit der Pfarrer in einer Mannschaft …, dass sich der Einzelne in einer solchen Mannschaft in eine der heute besonders schwierigen Spezialaufgaben einarbeitet und darin eine auch den anderen zu Gute kommende gründliche Arbeit leistet. Als Beispiele seine genannt: Verwaltung, Sozialstationen, Jugendarbeit, Erwachsenenbildung.

Eine dritte Erfahrung: Es kann in den VPen nicht nur das Bisherige besser getan werden, es ist auch manches erfreulich Neue in der Gemeindearbeit dazugekommen. Zunächst hat die vielfältig praktizierte Zusammenarbeit über die Gemeindegrenzen hinweg ein Gefühl der Zusammengehörigkeit wachsen lassen. Man ist einander nicht mehr Konkurrent, sondern fühlt sich miteinander verbunden und leistet einander Hilfe, wo sie nötig ist. Sodann ist überall das Angebot in der Gemeindearbeit breiter und differenzierter geworden. Defizite in der Gemeindearbeit werden in dem Gespräch der Kollegen untereinander – ich habe das in mancher Konventssitzung miterlebt – viel schärfer erkannt und viel weniger entschuldigt, als wenn der Einzelne mit sich allein ist.

Das setzt Impulse frei, die Abhilfe schaffen. Es geschieht einfach mehr und Besseres als vordem. Schließlich, und das ist eine besonders wertvolle Frucht der VP-Arbeit, gibt es durch die VP mehr verantwortliche Mitarbeit von Gemeindegliedern. Das differenzierte Angebot erlaubt es ihnen, ihren Fähigkeiten und Interessen gemäß mitzuarbeiten. Die Facharbeitskreise bieten die Möglichkeit, nicht nur mitzuarbeiten, sondern auch mitzuplanen und mitzuentscheiden und also auch eine Befriedigung bei dieser Mitarbeit zu empfinden und sich nicht immer [nur] als ausführendes Organ zu fühlen. Das Miteinander von Laien und Theologen in diesen Facharbeitskreisen befruchtet beide und die gemeinsame Arbeit.

Eine letzte Erfahrung: Die VPen kosten Geld … Der Preis ist hoch. Die LK zahlt jeder VP im Augenblick … etwa 50.000 DM. … Allerdings … muss man auch den Gegenwert bedenken, der damit erzielt wird. …[Entlastung der Pfarrer von fast allen Verwaltungs- und anderen Büroarbeiten durch die hauptamtlich besetzte Geschäftsstelle] … Angesichts dieser Tatbestände muss man immerhin mindestens fragen, ob die in die VP investierten Gelder nicht doch sehr sinnvoll angelegt sind. … Im Übrigen muss zur Finanzierung der Arbeit in der VP noch hinzugefügt werden, dass die Zuschüsse der LK im Wesentlichen nur die Einrichtung, also die Erstausstattung, und die Verwaltung der VPen finanzieren. Die eigentliche Gemeindearbeit, also auch die, die im Verband übergemeindlich geschieht, wird vor allem durch Umlagen bestritten, die die einzelnen Gemeinden zum Haushalt der VPen beisteuern.“

Soviel aus dem Bericht über die Erfahrungen in den ersten drei Jahren der VP-Modellphase.

4. Folgerungen

Aus diesen Erfahrungen hat der PA zwei Folgerungen gezogen und der Synode in derselben Tagung (Frühjahr 1975) vorgetragen:

Erstens: „Das für die VP entwickelte und in ihnen erprobte Konzept der arbeitsteiligen Zusammenarbeit von benachbarten Kirchengemeinden und deren Mitarbeitern in einem überschaubaren Bereich von acht- bis fünfzehntausend Gemeindegliedern hat sich bewährt und sollte als Grundmuster für eine Neuordnung der kirchlichen Arbeit auf der Gemeindeebene dienen. Dabei könnte dieses Konzept durchaus flexibel gehandhabt werden, d.h. die Zusammenarbeit bräuchte nicht überall und nicht sofort in derselben Breite und Konsequenz durchgeführt werden wie in den jetzigen VP-Modellen, die ja ihrerseits noch ausbaufähig sind. …

Statt VPen im Sinne des PA und der Modelle könnten also in den vom PA dafür vorgesehenen Nachbarschaftsbereichen auch so etwas wie … „Pfarreiverbände“ oder „Gemeindeverbände“ entstehen, in denen Zusammenarbeit nur auf einzelnen Gebieten praktiziert und in denen vor allem der Kontakt zwischen den hauptamtlichen Mitarbeitern gepflegt wird. Die LK müsste solche Zusammenarbeit anregen, Hilfen dafür bereitstellen und, wie ich meine, auch finanzielle Anreize dazu bieten. Es würden dann solche, ich nenne es einmal allgemein: Kontakt- und Kooperationsbereiche eine solide Grundlage für eine Neuordnung der Kirchenbezirke abgeben, wie sie der PA in seinem Konzept vorgesehen hat, und ein organischer Aufbau von unten nach oben wäre gewährleistet. …

Eine zweite Konsequenz: Die entscheidende Frage für die Zusammenarbeit von Kirchengemeinden, ich sagte es schon, ist die, ob die beteiligten Pfarrer zur Zusammenarbeit bereit und fähig sind, ob sie in der Zusammenarbeit miteinander und mit sogenannten Laien eine Bedrohung oder eine Befruchtung und Bereicherung ihrer eigenen Arbeit sehen. Bereitschaft und Fähigkeit zur Zusammenarbeit sind aber keine Naturgegebenheiten, deren Fehlen einfach hingenommen werden müsste. Vielmehr ist hier eine Aufgabe für die Ausbildung und … die Fortbildung der Pfarrer gestellt, der sich die Kirche auf die Dauer nicht mehr entziehen kann. Ich habe einmal beim Pfälzischen Pfarrertag vor ein paar Jahren gesagt, Teamunfähigkeit müsste einen Pfarrer ebenso disqualifizieren wie mangelnde Hebräisch-Kenntnisse. … Wir brauchen Pfarrer, die wenigstens in ihrer Weiterbildung in einem Fachgebiet besondere Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben, wir brauchen Pfarrer, die mit anderen gedeihlich zusammenarbeiten können. Beides muss darum zu einem wichtigen Ziel der Aus- und Weiterbildung unserer Pfarrer werden. … [Hinweis auf die gerade zu schaffende Pfarrstelle für theologische Fort- und Weiterbildung]“ (Synodalprotokoll 1975/1, Seite 205f.).

Der Vortrag dieser Folgerungen wurde mit folgendem Appell an die LS verbunden:

„Die durch die Errichtung von VP-Modellen aufgeworfenen Fragen sind zu gewichtig, die mit diesem Modell eröffneten Chancen sind zu groß, als dass die Synode herüber einfach zur Tagesordnung übergehen dürfte. Vielmehr muss die Synode Entscheidungen treffen, die die Lösung der aufgebrochenen Fragen vorantreiben und die gegebenen Chancen ergreifen zum Wohle unserer Gemeinden“ (ebd. Seite 206). Das Protokoll verzeichnet an dieser Stelle: „Beifall“!

III. Die Weiterarbeit des Planungsausschusses an der Strukturreform des Kirchenbezirks

1. Die sachliche Notwendigkeit dieser Weiterarbeit

Das Konzept des PA für die Gemeindeebene und seine zunächst modellhafte Verwirklichung musste zwangsläufig zu Konsequenzen für die Struktur und die Arbeits- und Entscheidungsweise der KBe (und auch der LK) führen. Dem PA und auch der LS ist dann auch schon sehr früh klargeworden: Wenn das Modell der VP sich bewährt und die übergemeindliche Zusammenarbeit in dieser oder einer anderen Form in die Breite des LK übertragen wird, wenn also überall solche zur Kooperation über die Pfarreigrenzen hinweg taugliche Nachbarschaftsbereiche gebildet werden, dann wird die Tatsache, dass wir in der LK zwanzig KBe von sehr unterschiedlicher Größe haben, zum Problem. Denn eine ganze Reihe dieser KBe sind viel zu klein, als dass sie neben diesen Nachbarschafts-bereichen (oder VPen) noch bestehen können. Vor allem aber sind die KBe in ihrer bisherigen Struktur nicht als Arbeitsebenen konzipiert und darum gar nicht in der Lage, das, was in den VPen an Kooperation geschieht, zu koordinieren, mit eigenen Impulsen zu begleiten und daraus sich ergebende übergreifende Aufgaben (z.B. Mitarbeiterfortbildung) zu bewältigen. So etwas wie funktionale Dienste gibt es auf der eben des KB nur in Ansätzen (während die Arbeit der VPenwesentlich funktional bestimmt ist!). Eine durchgreifende Reform der KB-Struktur war also unumgänglich.

2. Der Auftrag der Landessynode

Nun war aber der PA noch sehr mit dem bloßen Nachdenken über diese Reform und über mögliche Modelle dafür beschäftigt, als ihn im Frühjahr 1974 der Auftrag der LS ereilte, ihr bis zum Herbst desselben Jahres einen „Bericht über den Stand der Planung zur Neugliederung und Neustrukturierung der KBe in der LK vorzulegen“.

Dieser Auftrag war einerseits dadurch begründet, dass der PA schon bei der Herbsttagung 1973 auf Bitten der LS einige Gedanken zu diesem Problemkreis vorgetragen hatte, andererseits dadurch, dass die LS auch von sich aus mit einer Reform der Kirchenverfassung beschäftigt war und sich nun gezwungen sah, dabei die Ergebnisse der Arbeit des PA und seine Folgerungen daraus zu berücksichtigen

Der PA hatte damals lediglich Vorstellungen über die KB-Reform, aber noch keine praktischen Erfahrungen damit. Er hat deshalb einfach die Konsequenzen aus seiner bisherigen Arbeit zu Ende gedacht und der LS vorgetragen.

Die inhaltlichen Vorstellungen des Planungsausschusses für die Strukturreform der Kirchenbezirke

Kurz zusammengefasst hat der PA dann folgende Vorschläge gemacht:

–     Vergrößerung der Bereiche und Verkleinerung der Zahl der KBe;

–     Einrichtung der KBe als eigenständige Arbeitsebenen und im Zusammenhang damit die Bildung von Bezirksfachausschüsen für die VP-übergreifende Arbeit in den funktionalen Arbeitsbereichen sowie Einbeziehung dieser Fachausschüsse in die Entscheidungsprozesse des KBs;

–     Verlagerung der Kontaktpflege unter den Pfarrern von den jetzt dafür zu großen KBen in die Nachbarschaftsbereiche;

–     Stärkung der Entscheidungsbefugnisse der KBe in personeller, finanzieller und fachlicher Hinsicht

Diese Vorschläge wurden von der LS auf ihrer Herbsttagung 1974 nach lebhafter Diskussion weitergegeben an den LKR, die KR und an vier Synodalausschüsse mit dem Auftrag, bis zur Frühjahrstagung 1975 dazu Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahmen sollten die LS in die Lage versetzen, „richtungweisende Beschlüsse“ zu fassen, mit denen dann auch die Bezirkssynoden zu befassen gewesen wären.

4. Das vom Planungsausschuss angeregte Verfahren zur Verwirklichung der geplanten Reformen

Diesem Auftrag sind aber die vier Ausschüsse gar nicht und LKR und KR nur unzureichend nachgekommen. Aber das Thema „Strukturreform des KB“ kam natürlich auch im Frühjahr 1975 wieder auf die TO der LS, und der PA erhielt Gelegenheit, vor diesem Gremium auf die inzwischen auch außerhalb der LS lebhaft geführte Debatte über seine Vorschläge einzugehen und diese sowohl zu verdeutlichen als auch zu präzisieren. Dabei wurde vor allem noch einmal hervorgehoben: Der Gesamtvorschlag des PA beschreibt lediglich eine Zielvorstellung, es muss darum zunächst über diese eine Grundsatzentscheidung der LS gefällt werden. Erst danach könnten dann die einzelnen Schritte auf dem Weg zur Verwirklichung des Ganzen diskutiert und zunächst modellhaft erprobt werden, bevor man dann am Ende die fälligen Strukturreformen beschließen könnte.

Um die Angelegenheit in diesem Sinne voranzutreiben, hat der PA folgenden Antrag an die LS gestellt:

„1. Das Gebiet der Pfälzischen LK wird in der Weise neu in KBe eingeteilt, dass statt bisher zwanzig künftig nur noch höchstens vierzehn und mindestens zehn KBe entstehen. Diese neuen KBe werden in überschaubare Kooperations- und Kontaktbereiche untergliedert, in denen in fester oder loser Form (‚VPen’ oder ‚Pfarreiverbänden’) Zusammenarbeit über die Gemeindegrenzen hinaus geübt und zwischen den Pfarrern und anderen Mitarbeitern intensiver Kontakt gepflegt werden kann.

2. Mit der Diskussion über die Abgrenzung der neuen KBe und der Kooperations- und Kontaktbereiche … auf der Grundlage der vom PA erarbeiteten Vorschläge werden vor einer endgültigen Beschlussfassung hierüber die Bezirkssynoden befasst.

3. Die Weiterarbeit an der Strukturreform des KBs nach den Stellungnahmen der Bezirkssynoden gemäß Punkt zwei soll in folgenden Schritten erfolgen:

a) Endgültige Beschlussfassung des LS über die Neueinteilung der LK sowie über Einzelheiten des KB-Reformkonzepts unter Beachtung der Voten aus den Bezirkssynoden.

b) Behandlung frei werdender Dekansstellen nach Maßgabe der beschlossenen Neueinteilung.

c) Anregung zur freiwilligen arbeitsteiligen Zusammenarbeit der in einem künftigen KB liegenden jetzigen Dekanate.

d) (Gleichzeitig mit c) Schaffung eines Modell-KBs im Sinne der von der LS gefassten Beschlüsse.

e) Einrichtung der Kontakt- und Kooperationsbereiche im gesamten Bereich der LK“
(1975/1, Seite 223).

IV. Das ruhmlose Ende der Arbeit des Planungsausschusses

1. Der Ausgang der Debatte in den kirchenleitenden Gremien

Auch dieser Antrag hat die LS sichtlich überfordert. Er musste zugunsten eines anderen zurückgestellt werden, der das ganze Material an die in der vorhergehenden Tagung beauftragten Gremien (LKR; KR und die vier Synodalausschüsse) zurückverwies und ihnen den Auftrag mitgab, bis zur Tagung der LS im Herbst 1975 zu berichten.

Aber auch bei dieser nächsten Tagung zeigte sich die LS außerstande, irgendwelche weiterführenden Beschlüsse zu fassen. Zwar hatten die im Frühjahr beauftragten Gremien jetzt ihre Stellungnahmen abgegeben, aber diese waren sehr unterschiedlich und schwer miteinander vereinbar.

Am eindeutigsten war das Votum des Theologischen Ausschusses, der die vom PA nahegelegte positive Grundsatzentscheidung bejahte und dazu Folgendes ausführte:

–     „Strukturfragen betreffen nicht den der Kirche von ihrem Herrn gegeben Auftrag … selbst, sondern nur die Gestalt, in der die Kirche diesem Auftrag gehorsam zu sein versucht. …

–     Strukturen sind aber in der Kirche weder beliebig noch ein für allemal gegeben. Darum begrüßt es der Theologische Ausschuss, dass der PA die Frage nach der Angemessenheit der gewachsenen Struktur des KBs gestellt hat …

–     Das NT unterscheidet zwischen Ämtern und Diensten, die auf die Ortsgemeinde bezogen sind, und solchen, die einen bestimmten Aspekt des kirchlichen Dienstes übergreifend für die Regional- oder Gesamtkirche verantworten. … Die Struktur der Kirche ist aber nach wie vor einseitig durch das parochiale Element bestimmt. Darum ist die organische Einbeziehung der funktionalen Dienste in das Strukturgefüge der Kirche eine Aufgabe, deren Dringlichkeit der PA mit Recht angemeldet hat. Das gilt insbesondere für die Ebene des KBs.

–     Das NT kennt viele Gestalten von Gemeinde … Alle werden im Vollsinn als Gemeinde … verstanden. Eine Beschränkung auf die Ortsgemeinde widerspricht dem Wesen der Kirche im neutestamentlichen Verständnis. … Darum bejaht der Theologische Ausschuss die Zielvorstellung des PA, den KB als einen eigenständigen Arbeits- und Dienstbereich zu etablieren und ihn rechtlich, personell und finanziell auszustatten“ (1975/2, Seite A 49ff.).

Das wäre es gewesen, aber dem standen die übrigen Voten mehr oder weniger stark entgegen.

Der Finanzausschuss bemerkte lapidar, er sehe „im Hinblick auf die Ungewissheit der Kirche im Blick auf die Finanzen (!) keine Möglichkeit für eine Realisierung der Vorschläge des PA“ (ebd. Seite 225).

Die Stellungnahme des Kirchenordnungsausschusses ist zwiespältig. U.a. stellt er fest:

–     „Dem KB obliegen neben der Förderung von Aufgaben der einzelnen Gemeinden besondere Dienste für seinen Bereich. …

–     Bei einer Harmonisierung der jetzigen KBe (sollten) genügend große, jedoch überschaubare Einheiten gebildet werden. …

–     Gegen die Berufung von hauptamtlichen Fachbereichsbeauftragten auf der mittleren Ebene hat der Kirchenordnungsausschuss aus strukturellen, personellen und finanziellen Gründen Bedenken. …

–     Der Kirchenordnungsausschuss hält es für notwendig, dass der Dekan auch weiterhin Gemeindepfarrer ist. …“ (1975/2, Seite A 48f.).

Der Ausschuss für öffentliche Verantwortung schließlich lehnte den Vorschlag des PA ziemlich deutlich ab. Zwar anerkennt er das Bestehen der vom PA festgestellten Mängel, aber er sieht in Strukturreformen kein taugliches Mittel zur Abhilfe. Diese könne nur durch eine freiwillige Verhaltensänderung der handelnden Personen geschehen. Freiwillige Zusammenarbeit aber sei „auch zu organisieren, ohne dass dafür eine neue Verbandstruktur den Gemeinden übergestülpt (!)“ werde. (1975/2, Seite A 43ff.).

LKR und KR hatten ihrerseits auch nur sehr vorsichtige und eher negative Stellungnahmen abgegeben und waren nicht bereit, auf die LS im Sinne des PA einzuwirken. Darum kam es – nach langer, quälender Debatte im Plenum – wieder nur zu einer Beauftragung. Auftragnehmer war jetzt nur noch der Kirchenordnungsausschuss. Er sollte auf der Grundlage der vorliegenden Stellungnahmen und der Vorarbeiten des PA unter Mitwirkung von Mitgliedern aus diesem ein inhaltliches Konzept für die Neufassung der Abschnitte II und III der Kirchenverfassung erarbeiten und dieses dem LKR zur Ausarbeitung einer entsprechenden Vorlage an die LS weitergeben.

Dabei ist es dann geblieben. Zwar hat der Kirchenordnungsausschuss noch getagt, aber zu einem Ergebnis ist er nicht mehr gekommen. Denn die Diskussionen waren im Frühjahr 1976 von etwas ganz anderem bestimmt, nämlich von der bevorstehenden Neuwahl zweier theologischer Oberkirchenräte (für die drei ausgeschiedenen bzw. ausscheidenden Herren Mehringer, Roos und Mayer). In dem durch die Neuwahl (von Schramm und Hahn) im Mai 1976 neu gebildeten LKR (die Stelle von OKR Mayer und die ebenfalls frei gewordene dritte Juristenstelle wurden nicht mehr besetzt) wurde Schramm für die Planungsfragen zuständig. Er machte noch einen Versuch, mit der Verkleinerung der Zahl der KBe ganz pragmatisch dadurch zu beginnen, dass man zunächst einmal die beiden kleinen KBe Obermoschel und Rockenhausen zusammenzulegen vorschlug.

Aber dagegen erhob sich erbitterter Widerstand, und der Hauptvorwurf der Betroffenen war ausgerechnet der, es handele sich um ein willkürliches Vorgehen ohne übergreifendes Konzept. Die Ironie des Ganzen war, dass man dem PA vorher immer den umgekehrten Vorwurf gemacht hatte. Das Scheitern dieses letzten Versuchs bedeutete das faktische Ende der Arbeit des PA. Man war der Strukturdebatte überdrüssig und hatte andere Sorgen. In Sachen VP blieb es bei den drei Modellen. Die KBe blieben so (unterschiedlich), wie sie waren.

2. Die „Ergebnisse“

Natürlich blieb die Arbeit des PA nicht ganz ohne Ergebnisse. Die drei VP-Modelle, vor allem das Schifferstadter, zeigten eine erstaunliche Lebensfähigkeit (Sie existieren – wenigstens auf dem Papier – bis heute). Die Abschnitte III und IV der Kirchenverfassung wurden neu gefaßt, die KBe wurden Körperschaften des öffentlichen Rechts und bekamen eine Reihe von Entscheidungskompetenzen. Der Impuls zur Bildung von Bezirksfachausschüssen hatte allerdings keine Wirkung. Bei der Neufassung von Abschnitt IV der Kirchenverfassung wurde immerhin die Aufnahme einer Bestimmung erreicht, nach der der LKR „die gesamtkirchlichen Dienste in Angelegenheiten, die ihren Auftrag betreffen, zu hören (hat)“ (§ 94 Abs. 3 KV). Und das war es dann.

3. Die Gründe für das Scheitern

Allein die Debatten der LS über die Strukturfragen (die sich immerhin über etwa zehn Jahre hinzogen) geben schon einen wichtigen Hinweis: Strukturfragen waren damals „in“, so dass es nur wenige gab, die deren Beachtung rundweg ablehnten. Der PA und seine Arbeit warum darum durchaus gewollt, und er wurde auch immer wieder für seine Arbeit ausdrücklich gelobt und zum Weitermachen ermutigt. Aber das alles verdeckte nur die Tatsache, dass die LS vor den dann erzielten Ergebnissen zurückschreckte und darum einfach nicht in der Lage war, richtungweisende Beschlüsse zu fassen. In dieser Situation hätte es zumindest einer Minderheit bedurft, die sich die Sache des PA zu eigen gemacht und sich dafür eingesetzt hätte. Aber am Ende hat es in der LS nicht einmal diese Minderheit gegeben, und dies hat dann auch im PA die nur gutwilligen, aber nicht wirklich entschlossenen Mitglieder verunsichert, so dass auch der PA als Ganzer nicht geschlossen genug auftreten konnte und nur einige wenige die Sache weiter vorangetrieben haben. Insgesamt muss man rückblickend urteilen: Die LS hat sich der Arbeit des PA gegenüber je länger desto mehr nach dem Motto verhalten: „Wasch mich, aber mach mir den Pelz nicht nass!“ – und das konnte nicht gutgehen.

Ein weiterer Grund für das Scheitern war die Überkreuzung der Arbeit des PA mit der von der LS betriebenen Verfassungsreform. Den Protagonisten dieser Reform lag wenig an den vom PA angepackten Strukturproblemen. Ihnen ging es darum, zunächst einmal „oben“ anzufangen und den Abschnitt IV der Verfassung zu verändern. Ihr Ziel war es, den LKR gegenüber der KR und diese wieder zu Gunsten des Einflusses der LS zu „entmachten“, und dieses Ziel haben sie am Ende auch erreicht. Der PA dagegen hat, wie schon gesagt, bei der Gemeindeebene begonnen und sich dabei in ständigem Kontakt mit den Betroffenen langsam vorgearbeitet, immer im Wechsel zwischen theoretischer Planung und deren modellhafter Erprobung.

Für den Gemeindebereich wurden denn auch brauchbare Ergebnisse erzielt. Aber für den Bereich „KB“ war es 1974 einfach noch zu früh. Man hätte erst den Gemeindebereich weiter „durchreformieren“ müssen, um eine Grundlage für die Weiterarbeit in Sachen KB (und LK) zu gewinnen. Die dafür nötige Geduld war aber – vor allem bei den Betreibern der Verfassungsänderung – nicht vorhanden, und so wurde der PA genötigt, seine Vorstellungen über die KB-Reform zu einem Zeitpunkt zu entwickeln, der einfach noch zu früh war, um diese Vorstellungen wenigstens modellhaft auch praktisch zu erproben und sie danach gegebenenfalls zu modifizieren.

Der PA selber war, und darin sehe ich einen dritten Grund für sein Scheitern, einfach zu blauäugig und von der Überzeugungskraft seiner wohl bedachten Vorschläge zu sehr überzeugt. Hätte er seine Position realistisch eingeschätzt, dann hätte er die LS vor die Alternative gestellt: Entweder eine gründliche und geduldig ins Werk gesetzte Strukturreform von unten nach oben oder eine Verfassungsreform, die erst einmal oben für eine weitere „Synodalisierung“ der LK sorgt – aber dann ohne uns. Tatsächlich aber hat sich der PA, wie gesagt: im Vertrauen auf die Überzeugungskraft seiner Vorschläge, auf das Neben- und Ineinander von (langsamer) Struktur- und (rascher) Verfassungsreform eingelassen und ist deshalb am Ende „zweiter Sieger“ geblieben.

B)  (Meine) Folgerungen aus den damaligen Erfahrungen für das heutige Vorgehen

I. Zur heutigen Situation

1. Die veränderten Voraussetzungen

a) Strukturveränderungen liegen nicht mehr im Trend. Die dafür in den 60-er und 70-er Jahren bei vielen vorhandene Begeisterung, die oft auch zu einer theologischen „Aufladung“ dieser Fragen geführt hat („häretische Strukturen“, „morphologischer Fundamentalismus“), ist nüchterner Skepsis gewichen. Und das ist gut so. Strukturfragen gehören nun einmal nicht zum eigentlichen Auftrag der Kirche. Darum können wir heute viel pragmatischer mit diesen Fragen umgehen, indem wir immer wieder einmal fragen: „Wo behindern bestimmte Strukturen diesen unseren Auftrag?“, oder: „Wie könnten Strukturveränderungen helfen, diesen Auftrag besser zu erfüllen?“

b) Veränderungen verunsichern. Das war auch vor 40 Jahren so. Aber während damals noch eine optimistische Grundstimmung vorherrschte, ist die Grundstimmung heute dadurch bestimmt, dass den Menschen von außen eine große Zahl von Veränderungen aufgezwungen worden sind, die alle ein „Weniger“ zur Folge hatten. Das dämpft natürlich die Lust, nun selber Veränderungen zu wollen und zu betreiben. Auf diese resignative Grundstimmung muss Rücksicht nehmen, wer Strukturveränderungen trotz allem für notwendig hält.

c) Die Finanzlage der Kirche ist überaus angespannt. Dies ist wohl der gravierendste Unterschied zu der Zeit vor 40 Jahren. Gewiss, auch damals haben der Finanzausschuss der LS und der jeweilige Finanzdezernent des LKR regelmäßig mit dem Hinweis auf fehlende Finanzmittel zu bremsen versucht, aber die Haushaltslage war doch eindeutig so, dass man in allen Fällen davon ausgehen konnte: Was unbedingt gewollt oder unbedingt nötig war, war auch zu finanzieren, und zwar aus Haushaltsmitteln (und nicht aus Spenden oder „Drittmitteln“).

Diese wahrhaft komfortable Situation ist heute endgültig vorbei. Wir können so manches, was „an sich“ nötig wäre, einfach nicht finanzieren. Ja, wir müssen so manches, an das wir uns gewöhnt haben, einfach aufgeben. Damals gab es z.B. für die Bildung von VPen nicht unbeträchtliche finanzielle Zuschüsse von der LK, jetzt müssen wir damit rechnen, dass diese (immer noch gewährten) Zuschüsse gestrichen werden. Wer also heute Strukturveränderungen will, muss sich darüber im Klaren sein, dass er das zum Nulltarif machen muss. Während es in den „fetten“ Jahren selbstverständlich war, dass ehrenamtlich Mitarbeitenden ihre Unkosten aus dem jeweiligen Haushalt erstattet wurden, wird man heute jemandem, den man für eine solche Mitarbeit gewinnen will, von vornherein nüchtern erklären müssen: Du musst auch die Kosten, die deine Mitarbeit verursacht, aus der eigenen Tasche bestreiten.

2. Das nach wie vor brauchbare Konzept des Planungsausschusses

Wer aber trotz der gewiss größer gewordenen Schwierigkeiten dennoch die festgefahrenen Strukturen zunächst einmal auf der Gemeindeebene auflockern möchte, der findet in dem Konzept des PA eine entscheidende Hilfe. Denn das Grundprinzip dieses Konzepts, also die erstens Gemeinde- und Pfarreigrenzen überschreitende, zweitens arbeitsteilig (durch Dienstgruppen oder „Facharbeitskreise“) organisierte Zusammenarbeit von Gemeinden (und deren Pfarrer/innen) in einem Nachbarschaftsbereich, dieses Grundprinzip ist erprobt und bewährt. Man kann es, wenn man denn überhaupt will, nicht besser machen.

Außerdem ist das Konzept des PA offen genug und erlaubt sehr verschiedene Weisen und Grade der Zusammenarbeit. Man kann nur einen einzigen Arbeitsbereich übergemeindlich organisieren und erst einmal damit Erfahrungen sammeln. Man kann aber auch viel mehr als Gemeinschaft anpacken und in vielen Bereichen zusammenarbeiten. Entscheidend ist nur, dass an dieser Zusammenarbeit (in den Dienstgruppen oder Facharbeitskreisen) neben einem Pfarrer / einer Pfarrerin auch mehrere Gemeindeglieder beteiligt sind, und dass diese aus möglichst allen beteiligten Gemeinden kommen.

In dieser Zusammenarbeit kann der (oder die) Einzelne, sowohl der einzelne Pfarrer (oder die einzelne Pfarrerin) als auch das einzelne Gemeindeglied, viel besser seine Gaben und Stärken einbringen, während seine Schwächen und Defizite von anderen ausgeglichen werden. Er (sie) wird gebraucht – und braucht die anderen.

Und diese Zusammenarbeit ist gerade in einer Zeit des „immer weniger“ verheißungsvoll. Denn warum sollte die Not des „immer weniger“, wenn man ihr denn nüchtern ins Auge sieht, nicht auch Phantasie und neue Kräfte wecken?

So könnte ich mir z.B. durchaus vorstellen, dass man in einem nach dem Konzept des PA zusammenarbeitenden Nachbarschaftsbereich auch einen Facharbeitskreis „Neue Finanzquellen“ beruft oder den Facharbeitskreis „Öffentlichkeitsarbeit“ mit dieser Aufgabe betraut. Oder: Wäre eine VP nicht viel besser in der Lage, die in der landeskirchlichen Broschüre „Zukunft mit KonzepT“ vorgeschlagenen Maßnahmen anzupacken als eine Einzelgemeinde? Etwa indem ihr Facharbeitskreis „Finanzplanung“ die Frage prüft, ob jede Einzelgemeinde weiterhin ein eigenes Gemeindehaus benötigt, wo es doch sowieso besser ist, Seminare und Mitarbeiterschulungen gemeinsam durchzuführen und auch Feste gemeinsam zu feiern?

Der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Ich kann also nur dazu ermutigen, mit der beschriebenen Zusammenarbeit zu beginnen.

II. (Meine) Ratschläge für die Praxis

1. Pfarrer(innen) sind die Schlüsselfiguren

Ohne sie geht hier überhaupt nichts. Sie müssen sowohl die Initiatoren als auch die Motoren einer solchen Zusammenarbeit sein. Darum muss ihre auf Isolation ausgerichtete Grundhaltung überwunden werden. Das aber ist nur möglich, wen sie gute Erfahrungen mit Teamarbeit machen. Dazu müssen sie die Vorzüge der Zusammenarbeit im Team erleben und so diese Arbeit schätzen und praktizieren lernen.

Den Dekanen und Dekaninnen kommt hier eine große Verantwortung zu, aber natürlich auch dem Predigerseminar und – last not least – dem Pfarramt für theologische Fort- und Weiterbildung (Stichworte: Teamtrainings- und Teamtrainer-Kurse).

2. Voraussetzungen für einen Beginn

Zunächst braucht es dazu so etwas wie einen (oder mehrere) „Anstifter“, Menschen also, die die Initiative ergreifen, andere für das Projekt gewinnen und mit diesen ausführlich beraten. Nach dem gerade Gesagten werden dafür in erster Linie Pfarrer(innen) in Frage kommen. Aber auch ein Dekan oder eine Dekanin könnte als „Anstifter(in)“ wirken.

Das Zweite ist, dass diese Initiativgruppe das Grundprinzip der arbeitsteiligen Zusammenarbeit erst einmal bei sich selber regelrecht verinnerlicht und sich schon im Stadium der Planung in die arbeitsteilige Zusammenarbeit einübt.

Drittens sollte man beweglich bleiben und vor allem am Anfang nicht zu viel wollen. Das Modell der VP mag als Orientierung dienen, aber es lässt viele Varianten zu. Die Grenze zwischen gemeindlichen „Grundfunktionen“ und übergemeindlich wahrzunehmenden Arbeitsbereichen ist ja durchaus fließend. Z.B. kann die Frage „Kanzeltausch oder nicht?“ durchaus unterschiedlich beantwortet werden. Auf jeden Fall sollte man gemeindeübergreifend nur soweit zusammenarbeiten, wie es die sachlichen Erfordernisse nahelegen und die personellen Möglichkeiten erlauben. Am besten nimmt man sich zu Beginn einen oder zwei Bereiche vor, für die „Facharbeitskreise“ gebildet werden, und lässt diese sich erst einmal bewähren.

Im einen Fall wird dann die Konfirmandenarbeit im Vordergrund stehen, in einem anderen die Jugend- oder die Kindergottesdienstarbeit oder, oder, oder. (Die Verwaltungsarbeit liegt ja inzwischen überall bei den dafür in allen KBen geschaffenen Ämtern. Was für diese an Mehrarbeit für die übergemeindliche Arbeit dazukommt, vermindert zugleich die für die Einzelgemeinden). Außerdem können nicht nur Landgemeinden untereinander zusammenarbeiten, sondern sehr wohl auch Gemeinden in einer (größeren) Stadt. Interessant wäre auch der Versuch einer Zusammenarbeit zwischen Stadt- und Landgemeinden. Man sollte das jedenfalls nicht von vornherein ausschließen.

3. Zur Vorgehensweise

Man sollte nicht mit der Ausarbeitung einer Satzung beginnen (die der VP sollte nur als Orientierung im Hintergrund stehen), sondern die rechtlichen Gegebenheiten vorläufig unangetastet lassen und sich damit begnügen, Absprachen miteinander zutreffen, auf deren Einhaltung zu drängen (!) und nach diesen Absprachen zusammenarbeiten. Hilfreich ist es, wenn jemand von außen (z.B. der Dekan oder die Dekanin) die Zusammenarbeit begleitet und seine (ihre) Beobachtungen den Beteiligten kundtut.

Man sollte sich auch mit der zunächst vereinbarten Zusammenarbeit Zeit lassen und Erfahrungen sammeln, bevor man – im positiven Fall – eine Erweiterung der Zusammenarbeit ins Auge fasst. Tatsächlich liegt in dem Modell „VP“ eine Dynamik, der man zu gegebener Zeit schon Raum geben sollte.

Wichtig wäre auch, solche freiwilligen Versuche übergemeindlicher Zusammenarbeit gleichzeitig an mehreren Stellen der LK zu unternehmen. Dann könnten die Beteiligten sich nach einer ersten Erprobungszeit darüber austauschen und die Erfahrungen der anderen nutzen. (Hier ist der Kreis der Dekane und Dekaninnen gefragt).

Erst nach einer Erprobungszeit von mehreren Jahren könnte man sich dann rechtsverbindlichen Regelungen zuwenden, die die feste Parochialstruktur zugunsten einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit lockern und die Bildung größerer Einheiten auf der Gemeindeebene ausdrücklich vorsehen. Aber das hat nur dann Sinn, wenn vorher gute Erfahrungen gemacht worden sind und sich eine gewisse Eigendynamik entwickelt hat, die „ansteckend“ wirkt. Wenn dieses Stadium erreicht sein wird, wird man solche rechtsverbindliche Regelungen sogar brauchen, um notorischen Blockierern einen Riegel vorzuschieben. Die Berufung auf das Parochialrecht darf auf Dauer nicht der Hebel bleiben, mit dem man Versuche zur übergemeindlichen Zusammenarbeit nur zu leicht aushebeln kann.

Vor allem sollte man nicht den Fehler des PA und der LS in den 60-er und 70-er Jahren wiederholen und zu früh weiter greifende Strukturveränderungen auf der KB- und der LK-Ebene angehen. Wenn die Zusammenarbeit über die Gemeindegrenzen hinaus in einer großen Zahl von Nachbarschaftsbereichen gelingt, werden solche Reformen irgendwann sowieso fällig. Gelingen aber diese Versuche schon im Gemeindebereich nicht, dann haben jene weiter gehenden Maßnahmen ohnedies keinen Sinn.

Darum also kurz und knapp: Fangen Sie mit der Praxis, fangen Sie unten und fangen Siebescheiden an!

Vortrag vor dem Kreis der Dekaninnen und Dekane. Im Folgenden werden für häufig vorkommende Begriffe die folgenden Abkürzungen verwendet: PA = Planungsausschuß  //  VP= Verbandspfarrei  //  KG = Kirchengemeinde  // KB = Kirchenbezirk  //

GKG = Gesamtkirchengemeinde  //  LK = Landeskirche  //  LS = Landessynode  //  KR = Kirchenregierung  //  LKR = Landeskirchenrat]

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