Debatte zur Geschichte der KTA

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Walter Ohler, Alois-Gruber-Weg 45, 67346 Speyer 

Kurt Schneider, Hochstraße 20, 66887 St. Julian

Walter Ohler: Mein Ort und meine Rolle in der Kirche und die KTA

Viele haben es in und nach dem Zweiten Weltkrieg in der Kriegsgefangenschaft erlebt: Die Gute Nachricht, die sie zuvor, wenn überhaupt, wie ein sanft plätscherndes Bächlein begleitet hatte, verwandelte sich in einen Sturzbach, brach über viele herein, veränderte ihr Bewusstsein und machte aus ihnen neue Menschen.

Der Erste, der mich im Kriegsgefangenenlager Chartres gewissermaßen in den Sturzbach hineinzog, war ein Pfälzer: Pfarrer Willi Bechberger. Als das riesige Lager Chartres im Sommer 1945 von den Amerikanern an die Franzosen übergeben wurde, blieb Willi beim „Ami“ und verließ Chartres. Von da an waren es zwei Schwaben, die mich und andere besonders beeindruckten: Zunächst in Chartres Pfarrer Karl Dipper, ein Schlatter-Schüler, dem die Gabe der Schriftauslegung besonders reichlich zuteil geworden war.

Im April 1946 wurden zehn Gefangene, die sich für die evangelische Theologische Schule in Montpellier (hinter Stacheldraht) interessierten, von Chartres nach Montpellier gebracht, um dort erste Schritte eines Theologiestudiums zu wagen. Insgesamt studierten an dieser Schule rund 200 Theologiestudenten und 50 Diakonenschüler. Leiter der Schule war der zweite Schwabe, der für mich und andere Pate stand bei der Überwältigung durch die Gute Nachricht: Pfarrer Ernst Bizer. Nach der Heimkehr 1947 folgte er einem Ruf der Universität Bonn und wurde dort Professor der Theologie.

Eine besondere Rolle spielten zunächst in Chartres und dann in Montpellier zwei Resolutionen aus der Zeit des sogenannten Kirchenkampfes und aus dem Jahr des Kriegsendes: das Barmer Bekenntnis (1934) und das Stuttgarter Schuldbekenntnis (1945).

Als ich 1947 mit den Dozenten der Schule in Montpellier und mit den Studenten und den Diakonenschüler aus der Kriegsgefangenschaft entlassen wurde, merkte ich rasch, dass Dinge, die mir selbstverständlich geworden waren, in der heimatlichen Kirche keineswegs so unangefochten in Geltung standen. Würde ich hier Fuß fassen können als Pfarrer? Eine Antwort auf diese Frage fand ich bei einer Freizeit für pfälzische Theologiestundenten 1947. Dort lernte ich Mitglieder der pfälzischen Kirchlich-theologischen Arbeitgemeinschaft (KTA) kennen und ich dachte mir: Wenn die Pfarrer in der Pfalz sein können, kannst du das vielleicht auch. Das galt im Besonderen im Blick auf Pfarrer Karl Handrich. – Übrigens gehörte von Anfang an auch Pfarrer Willi Bechberger, der mich in Gefangenschaft als erster nachdenklich gemacht hatte, zur KTA.

Ich wurde Mitglied der KTA und habe viel Gewinn davon gehabt. Uns trieb die Frage um: Wie lautet die gute Nachricht, überhaupt und im 20. und 21. Jahrhundert in der evangelischen Kirche der Pfalz? Was haben wir als Glieder dieser Kirche zu sagen und wie bestimmt das unser Leben? Weitere Resolutionen nach den bereits genannten erhoben Anspruch auf unser Nachdenken, Sagen und Tun, etwa das Darmstädter Wort des Bruderrats (1948) und das Wort der EKD-Synode von Weißensee zur Judenfrage (1950). Besondere Bedeutung gewann die Frage der Wiederbewaffnung der beiden deutschen Staaten und in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass ein gut Teil der Welt in zwei Lager gespalten war, die gegeneinander aufrüsteten und dies mit Atomwaffen, und unser Land mit einbezogen in den gespenstischen Höllentanz.

Es war gut und wichtig und unverzichtbar, dass Frauen und Männer sich gegenseitig beistanden bei der Suche nach Klarheit und einer Antwort auf die Fragen der Zeit „in Kirche und Welt“. Das geschah und geschieht in der KTA, und nicht nur ich war und bin dankbar für die Zugehörigkeit zu diesem Kreis.

Nun bin ich alt und nehme nur noch sporadisch an den Zusammenkünften der KTA teil. Ich fühle mich ihr aber nach wie vor von Herzen verbunden und wünsche dass sie auf Kurs bleibt: ich meine, dass sie entschieden der Frage nachgeht, wie die Gute Nachricht lautet, überhaupt und heute für die Kirche der Pfalz und ihre Glieder; dass sie danach fragt, was zu denken, zu sagen und zu tun ist, und dass sie Antwort findet auf ihre Fragen und ihr Leben sich nach dieser Antwort ausrichtet.

Kurt Schneider: Meine Erfahrungen mit der KTA

In den Jahren von 1960 bis 1980 erlebte ich die Zeit der Aufbrüche in unserer westlichen Welt als tiefenwirksame Belastungen meiner idealistisch geprägten Wertvorstellungen. Als junger Lehrer war ich – und bin es auch heute noch – religiös motiviert, Kindern in der entscheidenden Entwicklungsphase ihres Lebens beizustehen und ihnen als Vorbild zu dienen zu sinnvoller Einordnung in unsere Welt. 

Die politischen und sozialen Turbulenzen jener Zeit waren Anlässe für mich selbst, in Zweifeln stets nach Orientierung zu suchen. Angeregt vor allem durch meinen damaligen Gemeindepfarrer intensivierte ich meine theologischen Studien, wobei ich vor allem die Nachfolge-Theologie von Dietrich Bonhoeffer und ähnlich argumentierenden Theologen zur Richtschnur meines Glaubens machte.

Ich blieb also nicht stumm, sondern engagierte mich ganz konkret in damals als kommunistisch unterwandert verrufenen Protestgruppen. Entgegen meinen und unseren Erklärungen, dass wir unsere Aktivitäten zum Wohl unseres Volkes verstünden, wurden wir oft missverstanden und von vereinfacht Denkenden diffamiert. Es war die Zeit der Ostermärsche und der Protestveranstaltungen gegen atomare und biologische Waffenlager in unserer Heimat.

Außerdem tobte der unmenschlich geführte Vietnamkrieg. Meine Gewissenshaltung war logischer Weise im Sinn des Neuen Testaments trotz persönlich ertragener Diffamierungen und berufsgefährdender Tendenzen solidarisch mit den als “links“ eingestuften Gruppen.

In jener Zeit hatte ich das Glück, Menschen zu begegnen, die nicht nur charakterfest waren, sondern in theologisch konsequent durchdachter Glaubenshaltung Engagement für Mitmenschlichkeit zeigten. So lernte ich evangelische Pfarrer und Lehrer kennen, mit denen mich auch heute noch viele prägende Erinnerungen verbinden. In Abgrenzung zum atheistischen Kommunismus-Idealismus entschloss ich mich schließlich, mich in der Obhut unserer Landeskirche zum Prädikanten ausbilden zu lassen. 

Durch die Begegnung mit vielen Gemeindepfarrern wurde ich vertraut mit unterschiedlichen Tendenzen in unserer Landeskirche. Diese Erfahrungen führten mich schließlich zur KTA, die für mich eine Neuentdeckung war. Bei den monatlichen Treffen durfte ich erleben, wie junge und ältere Pfarramtsinhaber nicht nur politische und kirchenpolitische Probleme diskutierten, sondern auch theologisch fundierte Textauslegungen für den sonntäglichen Predigtdienst erörterten. Für mich als „Randfigur“, allerdings 1975 ordiniert, waren diese Begegnungen sehr hilfreich.

Wenn es in unserer Landeskirche auch rechts orientierte Mitglieder und Gesprächskreise gab, so konnte ich schließlich feststellen, dass die KTA-Gruppe zu Unrecht als kirchenpolitisch links eingestuft wurde. Ich erfuhr hier aber, wie sich wissenschaftlich orientierte Gemeindepfarrer und Pfarrerrinnen auf Grund ihrer Kenntnisse und Alltagserfahrungen über zeitgemäße Evangeliumsverkündigung austauschten. Vor allem wurde stets der sonntags zu predigende Bibeltext exegetisiert und ausführlich diskutiert. 

Natürlich wurden zu bestimmten Zeiten auch kirchenpolitisch anstehende Probleme besprochen. Auch wurden personelle Entscheidungen bei der Besetzung von frei gewordenen Amtsstellen innerhalb der landeskirchlichen Organisation diskutiert. Aber nie wurden Festlegungen zu Wahlämtern abgesprochen. Für mich war diese zurückhaltende Neutralität gegenüber vorgeschlagenen Personen sehr beeindruckend und beispielhaft für den fairen Umgang von Theologen miteinander.

Ich denke, dass diese Besonnenheit und die stets nicht selbstbezogene und egoistisch motivierte Verantwortungshaltung dazu geführt hat, dass bei Mehrheitsentscheidungen in der Synode auch namhafte Mitglieder und Sympathisanten der KTA in wichtige Ämter mit Mehrheit gewählt wurden.

Es war und ist für mich eine große persönliche Bereicherung, mich dieser Gruppe solidarisch zugehörig zu wissen.

Kurt Schneider ist Sonderschulrektor im Ruhestand und lebt in St. Julian.

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