Dr. Paul Metzger
Weinstraße 35, 67278 Bockenheim
Schon vor einem Jahr mahnte Ellen Ueberschär, die Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages, in der Zeitschrift „Zeitzeichen“ (Januar 2010) die Ökumeniker zu mehr Tempo. Eine „Ökumene der Langsamkeit“ könnten sie sich nicht mehr leisten, wenn der Zug der Zeit nicht ohne sie abfahren solle. Diese These ist sicherlich auf den ersten Blick bestechend, allerdings meine ich, dass sie zu variieren und zu präzisieren ist. Denn die Anzeichen mehren sich von Tag zu Tag dafür, dass lediglich die klassische Ökumene mit ihren gewachsenen Anliegen und Problemen zunehmend an Bedeutung verliert, während sich neue Konfliktfelder auftun. Doch könnte gerade die oft mühsam erlernte Methodik des interkonfessionellen Dialogs dabei helfen, auch die neuen Herausforderungen zu bewältigen.
Alte Probleme und die moderne Gesellschaft
Doch zunächst sind da die Protagonisten der klassischen Ökumene des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts. Ungeduldig und anscheinend zunehmend frustriert oder resigniert legen diejenigen Theologen, die sich der ökumenischen Aussöhnung zwischen den Konfessionen verschrieben haben, in diesen Tagen Bilanzen ihres Wirkens (Walter Kardinal Kasper), Zwischenrufe zur gegenwärtigen Lage (Bernd J. Hilberath) oder ganz persönliche Bekenntnisse ihres eigenen Glaubens ab (Hans Küng). Dabei stellen sie fest, dass entweder die alten Probleme der ökumenischen Dialoge nicht gelöst sind (etwa Amt und Abendmahl) oder wenn sie gelöst scheinen (Rechtfertigungslehre), dann werden die Lösungen in keiner augenfälligen Weise für die Gemeinschaft der Konfessionen greifbar.
Die alten Probleme beschäftigen allenfalls noch Expertenkommissionen, deren theologisch klug und abgewogen formulierte Ergebnisse dann lediglich Platz in spezialisierten Bibliotheken ein- und wegnehmen, aber kaum einen Christenmenschen überhaupt erreichen. Und selbst wenn dies doch der Fall sein sollte, dann muss man ganz nüchtern feststellen, dass die Probleme, die zwischen den Kirchen verhandelt werden, die Gläubigen kaum interessieren. Die gesellschaftliche Entwicklung, die vom Menschen eine größere Mobilität, einen flexiblen Lebensentwurf und eine stetige Bereitschaft zu Veränderung und Fortentwicklung seiner selbst fordert, gerät in Konflikt mit Institutionen, die ihrerseits auf die Ewigkeit ausgerichtet sind und deren Probleme sich scheinbar von der Lebenswirklichkeit der Menschen entfernt haben.
Die Bereitschaft zu einer lebenslangen Bindung nimmt ab und der Wechsel von Konfession zu Konfession, ja sogar von Religion zu Religion vollzieht sich leichter denn je. Die Debatten, die auf theologisch-kirchlicher Ebene geführt werden, zeigen daher – freundlich formuliert – kaum Wirkungen an der Basis. Wer weiß z.B. schon, was „Apostolische Sukzession“ bedeutet, warum sie wichtig ist und weshalb darüber gestritten werden kann, ob man sie eher als „Pipeline“ oder als „Netz“ versteht? Dem modernen Menschen ist m. E. kaum begreiflich zu machen, warum solche Fragen ein gemeinsames Abendmahl verhindern können. Da er gewohnt ist, sich in einer pluralen Welt mit verschiedenen Deutungsangeboten der Wirklichkeit zu bewegen, erscheinen ihm Diskussionen aus dem 16. Jahrhundert heute obsolet. Haben wir keine dringenderen Probleme als diese? Dass aber z.B. das gemeinsame Abendmahl von Christen vieler Konfessionen gewünscht wird, zeigt nicht nur die rege Teilnahme an der Artoklasiefeier während des 2. Ökumenischen Kirchentags in München, sondern auch die Notwendigkeit, die offensichtlich jüngere Theologen empfinden, wenn sie meinen, dazu aufrufen zu müssen, „hungrig“ auf das gemeinsame Abendmahl zu bleiben (Joachim Kügler).
Die alten Probleme und die abstrakt geführten Dialoge leiden demnach unter demselben Phänomen, das die Theologie als Wissenschaft insgesamt betrifft. Während z.B. die Erkenntnisse von Rudolf Bultmann in der Mitte des 20. Jahrhunderts noch gesellschaftliche Wirkungen entfalteten und Diskussionen – zumindest innerhalb der Kirche – herausforderten, etwa die Debatte um die sog. „Entmythologisierung“ der biblischen Texte, so erreicht die theologische Forschung gegenwärtig kaum noch Kirche und Gesellschaft.
Dies allein der immer weiteren Ausdifferenzierung und Spezialisierung der theologischen Wissenschaft anzulasten, greift nicht unbedingt zu kurz, verdeckt aber auch die Beobachtung, dass die Theologie schon lange nicht mehr die Rolle spielt, die sie zu früheren Zeiten eingenommen hat. Die ökumenische Diskussion leidet darunter in ganz besonderem Maße, da sie darauf abzielt, in der Kirche Gehör zu finden und ihre Ergebnisse in der Kirche verwirklicht zu sehen. Dass die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigung, immerhin das zentrale Thema, um das die Reformation gerungen hat, kaum greifbare Konsequenzen im kirchlichen Leben zeigt, ist für diese Beobachtung ein besonders deutliches Beispiel.
Sicherlich führt diese allgemeine Ratlosigkeit in Sachen Ökumene viele Menschen dazu, sich, wenn nicht gleich ganz von ihrer Kirche, so doch von deren Lehre ab- und dem Leben in ihrem Umfeld zuzuwenden. Was Rom sagt, ist für viele deutsche Katholiken in ihrem täglichen Lebensvollzug nur noch ein fernes Rauschen hinter den Bergen. Und für Protestanten stellt sich als erstes die Frage: Wer sagt überhaupt was? Aus Wittenberg ist doch genauso wenig zu hören wie aus Zürich oder Genf. Weil also das, was „die da oben“ sagen, den katholischen Pfarrer, der in einem Pastoralverbund für 15 Gemeinden zuständig ist, genauso wenig interessiert wie seinen protestantischen Kollegen, der angesichts seiner immer mehr werdenden Verwaltungsaufgaben nicht mehr weiß, wie er die Zeit für einen Seelsorgebesuch finden soll, ist es kein Wunder, dass das Interesse an Ökumene sich auf der Ebene des täglichen Gemeindelebens immer mehr in rein pragmatischen Bahnen bewegt.
Was die Ökumene vor Ort in Deutschland demnach in Zukunft weiter belasten wird, ist der Mangel an Personal. Mit wem soll man ökumenische Gespräche führen, wenn der evangelische Pfarrer mehr Zeit im Verwaltungsamt verbringt als in seiner Kirche? Und wie soll sich der katholische Kollege für diesen Dialog freimachen, wenn er vor lauter Gemeinden gar nicht mehr weiß, wann er wo noch die Messe lesen muss? Voller Sorge muss man die Frage stellen, ob das skizzierte Bild gegenwärtig schon Realität widerspiegelt oder noch eine Überzeichnung darstellt.
Doch nicht nur diese pragmatischen Fragen beschäftigen die Ökumene, sondern es lässt sich beobachten, dass sich im Zuge der beschriebenen Entwicklung neue Fronten abzeichnen, die wiederum in naher Zukunft auch die offizielle Ebene der ökumenischen Dialoge bestimmen werden.
Neue Fronten: Der Umgang mit Frauen, der Homosexualität und der Bibel
Diese neuen Fronten verlaufen quer durch alle Konfessionen und bewirken, dass sich neue Lager finden und z.B. auf einmal konservative Anglikaner sich eher in Richtung Rom bewegen als nach Canterbury blicken. Die Fronten laufen dabei in vielen Konfessionen an denselben Themen entlang und trennen – pauschal gesagt – konservative Lager von eher liberal geprägten Gruppierungen.
Das erste Thema, das hier angesprochen werden muss, ist die Rolle der Frau in kirchlichen Ämtern. Wie hält es eine Konfession mit der Frauenordination? Darüber streitet sich die Anglikanische Gemeinschaft genauso wie der Lutherische Weltbund. Hier wird darüber gestritten, ob Frauen zum geistlichen Amt ordiniert werden dürfen und ob sie vielleicht sogar Bischöfin werden können. Überblickt man die einzelnen Kirchen, zeigt sich, dass beide Fragen von Kirche zu Kirche unterschiedlich beantwortet werden.
Und selbst die katholische Kirche muss trotz der eindeutigen Position, dass „die Kirche keinerlei Vollmacht besitzt, Frauen die Priesterweihe zu spenden und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben“ („Ordinatio sacerdotalis“ 4), immer wieder mit dem Problem beschäftigen. So forderte z.B. nicht nur der katholische Theologe und Psychologe Wunibald Müller auf dem 2. ÖKT öffentlich die Frauenordination, sondern auch Papst Benedikt XVI. sah sich bei seinem Englandbesuch im vergangenen September von der Gruppe „Catholic Women‛s Ordination“ mit der Forderung konfrontiert: „Pope Benedict Ordain Women Now“.
Das zweite Thema, mit dem sich die Kirchen beschäftigen müssen, ist der Umgang mit Homosexuellen in der Kirche. Zunächst steht die Frage im Vordergrund, wie man Homosexualität an sich bewertet. Ist diese per se gegen den Willen Gottes, wie konservative Lutheraner genauso ausführen wie manche katholische Bischöfe? Sodann gilt es, dem Wunsch mancher homosexueller Paare zu begegnen, die sich eine kirchliche Begleitung (Trauung, Segnung) ihrer Partnerschaft wünschen. Dass man selbst in deutschen evangelischen Landeskirchen diese Frage nicht einhellig beantworten kann und die Entscheidung darüber teilweise einzelnen Gemeinden überlässt, lässt ein Konfliktpotential erkennen, das offenbar von vielen Christen empfunden wird und das anscheinend die Kraft hat, Gemeinden zu spalten.
Dies hängt m.E. eng mit dem dritten Problemkreis zusammen, den ich weiter unten skizziere. Die Frage der Homosexualität spitzt sich aber noch weiter zu, wenn die Berufung von bekennenden Homosexuellen in ein geistliches Amt im Raum steht. Im Rahmen der römisch-katholischen Kirche ist das Thema „Schwule Priester“ immer noch mehr als ein Tabu. Hier hilft auch die landläufige Überlegung nichts, wonach es doch im Rahmen des Zölibats eigentlich gleichgültig sein müsste, wie ein Mann sexuell orientiert ist. Bestürzend ist es allerdings, wenn tatsächlich – wie mehrere Nachrichtenagenturen berichten – zutreffen sollte, dass Kardinalstaatssekretär Tarcisio Kardinal Bertone „eine Beziehung zwischen Homosexualität und Pädophilie“ als Ursache des Missbrauchs von Schutzbefohlenen durch katholischer Geistliche in Erwägung zieht. Doch wenn die geläufigen Schätzungen auch nur annähernd stimmen, wonach 10-20 Prozent der Priester homosexuell sind, dann kann das Lehramt zwar immer noch versuchen, schwule Priester aus dem Dienst zu entfernen bzw. versuchen zu verhindern, dass Schwule zum Priesterdienst überhaupt erst zugelassen werden, doch wird auf Dauer an dieser Frage auch die katholische Sexualmoral nicht mehr vorbeikommen.
Ähnlich kontrovers und nur scheinbar offener wird die Frage in anderen Konfessionen diskutiert. Während z.B. in Schweden eine bekennende Lesbe zu einer lutherischen Bischöfin gewählt werden konnte (Eva Brunne; 2009), ist allein die Ordination von homosexuellen Menschen lutherischen Kirchen der südlichen Hemisphäre ein Graus. Dass der Lutherische Weltbund die Diskussion um diese Frage anscheinend fürchtet und sie deshalb auf die Vollversammlung 2012 verschiebt, offenbart, dass sich hier die Gefahr einer Spaltung abzeichnet. Analog wird dieser Diskussionsprozess auch in der anglikanischen Gemeinschaft spätestens seit der Weihe des offen in einer gleichgeschlechtlichen und eingetragenen Partnerschaft lebenden Gene Robinson zum Bischof von New Hampshire im Jahr 2003 ausgetragen. Auch hier droht eine Spaltung der Gemeinschaft, vor der der Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, im November 2010 ausdrücklich gewarnt hat und deren Wahrscheinlichkeit durch die Ablehnung des sog. „Anglican Covenant“ von Seiten konservativer Gruppierungen aus Afrika und Asien immer weiter zunimmt.
Dass die beiden ersten Fronten so heftig umkämpft werden, hängt – wie schon angedeutet – m.E. mit einem weiteren Problemfeld zusammen. Dies lässt sich oft daran ablesen, dass eine Gruppierung der jeweils anderen vorwirft, von der Wahrheit des Evangeliums abzukommen. So etwa Pastor Gerald Kieschnick, der Präsident der evangelikalen Lutherischen Kirche – Missouri Synode (LC-MS) und Vorsitzende des Internationalen Lutherischen Rates (ILC), der bei seinem Grußwort an die Delegierten der Vollversammlung des LWB in Stuttgart im Juli 2010 davor warnte, dass „viele der heiligen biblischen Wahrheiten“ verloren gingen. Damit meinte er, dass der LWB insgesamt keine entschiedene Ablehnung der Homosexualität lehre und Homosexualität an sich nicht „als Verstoß gegen den Willen Gottes“ erkenne (wie dies der ILC 2009 bereits tat).
Wenn also das Sachthema mit der Auslegung der biblischen Wahrheit verbunden wird, dann verläuft innerhalb der Konfessionen letztlich auch der Graben der historisch-kritischen Methode. Dieser Graben ist demnach nicht der berühmte, über den Lessing schon nicht springen konnte, sondern der zwischen einer biblizistischen Auslegung der Bibel und einer Exegese, die sich der historischen Methode verpflichtet weiß. Dass die meisten kirchlichen Gegner dabei oft entweder eine historisch-kritische Methode angreifen, die gegenwärtig gar nicht mehr gelehrt wird, oder sie polemisch verzerren, sei nur am Rande erwähnt. In erster Linie verläuft die Front zwischen denen, die bedingungslos dem Wort Gottes und deshalb der Irrtumslosigkeit der biblischen Texte vertrauen wollen (so etwa anscheinend die evangelikal geprägte Freie Theologische Hochschule Gießen), und denen, die eine grundsätzliche Auslegungsbedürftigkeit sehen.
Die einen stehen der Methode skeptisch gegenüber, weil sie in deren Augen entweder die Autorität der Bibel als Offenbarungsurkunde herabsetzt oder nicht zum „Eigentlichen“ der Schrift durchdringt (so etwa Benedikt XVI.), die anderen befürworten sie, weil nur mit ihrer Hilfe der antike Text in das Heute des Glaubens sprechen kann. So lässt sich beobachten, dass je nach Standpunkt ein fundamentalistischer oder liberaler Umgang mit der Bibel in allen Konfessionen ein Problem darstellt und zu Konflikten führt.
Kurz gefasst: Neue Fronten, wie z.B. der Umgang mit Frauen in kirchlichen Ämtern, mit Homosexuellen und mit der Bibel trennen heute die Konfessionen zwar nicht mehr so sauber, ordentlich und übersichtlich wie die alten Probleme, doch dafür umso nachhaltiger.
Und so kommt es, dass ein Lutheraner aus der SELK die Frauenordination genauso ablehnt wie ein Anglikaner der Anglikanischen Kirche von Korea oder der Papst. Gleichzeitig können sich lutherische, reformierte, anglikanische und römisch-katholische Bibelwissenschaftler zum fruchtbaren Austausch treffen, ohne konfessionelle Unterschiede wahrzunehmen. Und in einer Kirche in Deutschland treffen sich römisch-katholische, anglikanische und evangelisch-unierte Christen, um einer Segnung eines gleichgeschlechtlichen Paares beizuwohnen, während vor der Tür dieselben Konfessionen der Zeremonie ablehnend gegenüberstehen und den Verrat am Evangelium beschreien.
Die Zukunft: Interkonfessioneller und interreligiöser Dialog
Angesichts der neuen Fronten treten die alten Probleme für die Menschen in den Hintergrund. Die ökumenische Lage wird dadurch unübersichtlich. Dazu kommt die Herausforderung des interreligiösen Dialogs, auf den Ellen Ueberschär auch bereits vor einem Jahr hingewiesen hat. Ihre Diagnose, wonach der interkonfessionelle Dialog angesichts des interreligiösen an Bedeutung verliere, sollte aber nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der innerchristliche Dialog unter allen Umständen zu einem endgültigen Ergebnis gebracht werden müsse, bevor in den interreligiösen Dialog eingetreten werden könne. Vielmehr scheint doch der interkonfessionelle Dialog mit seinen Erfahrungen und Verfahrensregeln ein gutes Beispiel zu schein, mit dem man lernen kann, wie interreligiöser Dialog funktionieren kann.
Betrachtet man die ökumenische Lage allerdings im Überblick, sollte man keiner absoluten Skepsis erliegen, was die Zukunft der Kirche insgesamt betrifft. Allerdings muss man realisieren, dass die Kirchen sich den neuen Herausforderungen stellen müssen. Dabei scheint es kontraproduktiv, wenn Konfessionen versuchen, entlang der neuen Fronten diejenigen Gruppen für sich zu gewinnen, die der eigenen Konfession ähnlich sind. In wem keimt denn z.B. nicht insgeheim der Verdacht auf, dass die Konstitution „Anglicanorum Coetibus“ nichts anderes ist als der (in geringen Teilen erfolgreiche) Versuch, konservative Anglikaner heim nach Rom zu holen? Und zeigt nicht die zuletzt erfolgte Gründung eines Netzwerks konservativ-lutherischer Christen, die sich als Ziel die Versöhnung mit Rom nach dem Vorbild von „Anglicanorum Coetibus“ gesetzt haben, dass die Konstitution in diesem Sinne verstanden wurde? Die „freundliche“ Übernahme von Schäfchen, die sich von einer anderen Konfession lossagen, wird auf Dauer die aktuellen Probleme aber deshalb nicht lösen und so nicht zur vermeintlichen Homogenität einer Konfession zurückführen, weil die Fronten eben quer durch alle Konfessionen verlaufen und bislang nicht befriedet werden konnten.
Die Tendenz der Gesellschaft zur immer feineren Ausdifferenzierung von Lebensformen, der wechselnden Auswahl und Zusammensetzung von religiösen Motiven und Zugehörigkeiten, wird deshalb auch die Konfessionen betreffen. Darauf müssen sich die Kirchen dann einstellen. Die Hoffnung, die der Druck mit sich bringt, den die neuen Fragestellungen auf alle Konfessionen ausüben, liegt letztlich darin, dass die Menschen augenscheinlich nicht aufhören können, existentielle Vergewisserung, Lebensbegleitung und Sinndeutung zu suchen – traditionell formuliert: zu glauben. Wenn dieser Druck so hoch sein wird, dass es ihnen gleichgültig ist, welcher Konfession der Pfarrer angehört, der sie traut oder ihre Angehörigen beerdigt, dann besteht berechtigter Anlass zur Hoffnung, dass in die alten Diskussionen Bewegung kommt und auch die neuen Gräben überbrückt werden können.
Vortrag bei der Landesversammlung des Evangelischen Bundes Pfalz am 13. November 2010 in Speyer. Der Beitrag wurde erstveröffentlicht im Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts Bensheim 1/2011, S. 1-3.
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