Nachtrag zu Schweigen und Rechtenbach – der Prozess

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Bernd Dietsche
Kolmarer Straße 25, 76829 Landau

In der unüberschaubaren Literatur zu Franz Kafkas Werk „Der Prozess“ begegnen immer wieder Interpretamente der Ratlosigkeit wie: „Dunkelheit, Hermetik, Labyrinth, Verrätselung“. Ein wenig fühlte ich mich als Zuhörer des ersten öffentlichen Prozesstages zu „Schweigen und Rechtenbach“ schon daran erinnert: „Selbst das scheinbar nebensächlichste Detail suggeriert einen vielschichtigen Bedeutungshorizont und beansprucht einen komplexen Stellenwert im umfassenden Verweisungszusammenhang des Romans, der jedoch den Code zu seiner Dechiffrierung nicht preisgibt“ (Zitate aus Kindlers Literatur-Lexikon zu Franz Kafka).

Und warum nur ging mir später, auf dem Heimweg, nicht mehr die „nachhaltige“ Eröffnung des Romans aus dem Kopf? „Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“ Halt ein, rief ich mich da zur Ordnung: Hier geht es nicht um „Verhaftung“ und schon gar nicht um „Mord und Totschlag“ mit anschließender Hinrichtung, sondern nur um eine kirchliche Stellenbesetzung einer idyllischen Doppel-Gemeinde im südlichsten Süden der Südlichen Weinstraße. Kommen wir damit dann auch zum Verlauf des Schweigen-Rechtenbacher Prozesstages und zur „Verteidigungsstrategie“ der beklagten Landeskirche. 

In meinem Artikel „Kein Schweigen in Schweigen und Rechtenbach“ (PPB Nr. 2 vom Februar 2014, S. 68ff) hatte ich noch angenommen, dass die „Vorgänge“ um die „Abwahl“ unseres Kollegen Ulrich Hauck von seiner (aufgelösten) Pfarrstelle formal-(kirchen-)rechtlich „korrekt“ abgelaufen und „exekutiert“ worden seien.

Am Freitag, dem 28. Februar 2014, fand nun im nahezu voll besetzten Sitzungssaal 2 des Landauer „Predigerseminars“ die entsprechende Verhandlung vor dem „Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Evangelischen Kirche der Pfalz“ statt, dessen Verlauf meine und die Annahme vieler Zuhörer von einem zumindest „fairen“ Verfahren seitens der Landeskirche doch erheblich in Zweifel zog.

Unter der sehr gewissenhaften Leitung von Dr. Helmut Damian, im „Hauptberuf“ vorsitzender Richter am OVG Neustadt, stellte das Gericht einige kritische Fragen an die Vertreter der Landeskirche, OKR Gottfried Müller und Rechtsdirektorin i.K. Bettina Wilhelm, die mich und viele der zahlreich erschienenen „Zuschauer“ in unserem aufkeimenden Zweifel am Ende leider bestärkten.

So ergab sich zum Beispiel, dass die Übergabe der „Ernennungsurkunde“ an die im Wahlverfahren obsiegende Mitbewerberin bereits Anfang Dezember in Speyer (!) erfolgte, während der „unterlegene“ Mitbewerber, Pfr. Hauck, hierüber keine Kenntnis erhalten hatte, so dass er auch nicht in der Lage war, form- und fristgerecht umgehend „einstweiligen Rechtsschutz“ gegen seine „Abwahl“ zu beantragen. Diese „heimliche“ Ernennung mutete nicht nur mich wie eine fragwürdige „Nacht-und-Nebel-Aktion“ an.

Das Gericht zeigte sich darüber verwundert, dass diese „Ernennung“ nicht öffentlich und in einem „Einführungsgottesdienst“ erfolgte, wie es bei der Besetzung von „normalen“ Gemeindepfarrstellen doch wohl üblich sei, sondern vorzeitig im Gebäude des Landeskirchenrates, während Pfr. Hauck noch bis zum 31. Dezember 2013 die Pfarrstelle Schweigen-Rechtenbach inne hatte.

Auch wurden die „Auswahlkriterien“ der Kirchenregierung, welche zu ihrer 15:0-Abstimmung führten, hinterfragt. Das Gericht stellte fest, dass es im Bereich der weltlichen Gerichtsbarkeit durchaus „üblich“ und „zulässig“ sei, wenn ein unterlegener Stellenbewerber diese Auswahlkriterien gerichtlich anfechten und überprüfen lasse. Die Vergleichbarkeit der Rechtsstellung und Unabhängigkeit eines Pfarrers mit einem Richter sei von der Landeskirche sowohl „besoldungs-“ als auch „standes- und verfassungsmäßig“ ja durchaus gewollt, so dass sich daraus analog entsprechende „Vergleichsmaßstäbe“ mit dem „weltlichen Recht“ ergeben würden.

Daher müsse die Landeskirche auch ihre „Auswahlkriterien“ offenlegen und konkret benennen, was denn nun den Ausschlag für die Mitbewerberin gegeben hatte. Und damit taten sich die Vertreter der Landeskirche nach meinem Eindruck offensichtlich und spürbar ziemlich schwer. Bei dem Kriterium „Wohl der Kirchengemeinde“ wäre es „pari“ gestanden, bei den anderen Kriterien aus § 37 KV hätten „minimale Vorteile“ für die Mitbewerberin vorgelegen. Eine dienstliche „Bewertung“ oder „Beurteilung“ der beiden Kandidaten sei dabei jedoch nicht vorgenommen worden. Frage: Wie kam es dann zu der überraschend einstimmigen Entscheidung? Antwort OKR Müller: schlussendlich habe die „im Kopf“ der Kirchenregierung stattgefunden, was dann wohl zu dem für das Gericht und ihn selbst erstaunlichen 15:0-Ergebnis gegen Pfr. Hauck geführt habe. Woraufhin sich Dr. Damian gehalten sah, die bei den Zuschauern aufkommende empörte „Heiterkeit“ zu unterbinden. Denen war offensichtlich nicht nachvollziehbar, welche Gründe so schwer wiegen, dass vier schulpflichtige Kinder aus ihrem sozialen Umfeld gerissen werden, falls der unterlegene Bewerber zu einem Umzug gezwungen wäre, so dass „man“ schon den Eindruck gewinnen konnte, die Kirchenregierung habe solche „sozialen Faktoren“ gar nicht erst berücksichtigt…

Vollends fragwürdig erschien dann für mich und einen Großteil des Auditoriums das „Auswahlverfahren“, als bekannt wurde, dass ein Schriftstück der „Gegenseite“ in den Akten der Kirchenregierung landete, dessen Inhalt der Rechtsanwalt des Klägers größtenteils als unwahr, ehrverletzend und verleumderisch empfand – und zu dem Pfr. Ulrich Hauck inhaltlich keine Stellung nehmen konnte, da ihm vor der Abstimmung gar keine Gelegenheit hierzu gegeben wurde.

Und dieses obskure und belastende Schriftstück soll nun, wie OKR Müller darlegte, nicht im „Kopf“ derjenigen gewesen sein, die über die Zukunft von Kollegen Ulrich Hauck zu befinden hatten???
Die Frage des beisitzenden Richters, Landgerichtspräsident i.R. Dr. Theo Falk, ob die Vertreter der Landeskirche auch jetzt keine Möglichkeit für eine „gütliche“ Lösung sähen, mit welcher sowohl die beiden konkurrierenden Bewerber, als auch die beteiligten Kirchengemeinden leben könnten, wurde leider verneint, so dass damit nur noch eine prozessuale Entscheidung des Gerichts möglich scheint. Dies ist nach meinem Empfinden um so bedauerlicher, als das ganze Verfahren ja auch für die bisher „obsiegende Bewerberin“, gleichgültig wie es nun ausgehen mag, eine ungeheuerliche Belastung darstellt, die ihr und vielen anderen von der unsäglichen „Strukturreform“ und ihren Folgen auferlegt wurde.

Bleibt zu hoffen, dass das Gericht seiner „Linie“ treu bleibt – und das ganze Verfahren der Kirchenregierung für unzulässig erklärt, damit alle Beteiligten die Chance für einen Neuanfang mit einer für alle Seiten annehmbaren Lösung erhalten.

Die Herrnhuter Losung vom Prozesstag (Lukas 6,27-28) könnte für die Zeit „danach“ die Richtung andeuten: „Jesus sprach: Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen.“

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