Eine Eingabe an den Landeskirchenrat betr. Aufhebung der Pfründeverwaltung

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Auf Grund ihrer mit mancher bitteren Enttäuschung bezahlten Erfahrungen glauben die unterzeichneten Pfarrer zu den im Amtsblatt Nr. 13 S. 93 angedeuteten und in einem besonderen Erlaß gestellten Fragen der Auflösung des Pfründestiftungsverbandes ihre Stimme erheben zu sollen. 

Die Pfarrer diesiger Gegend, der vom Saargebiet her überfluteten und ausgesogenen Grenzbezirke, sind mit allen Markempfängern unter der Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse in eine Notlage geraten, wie sie die übrigen Teile unserer Heimatprovinz nur vom Hörensagen kennen. Bereits seit Ende Oktober ist die Mark als Zahlungsmittel ausgeschaltet. Nur wer Franken besitzt, kann kaufen. Nun reichten die staatlichen Bezüge der Pfarrer, soweit beim Empfang umgewechselt, nur so weit aus, um z.B. von dem Wochengehalte der letzten gerade noch ein Drittel Pfund Fleisch kaufen zu können. Milch und Butter konnten nicht mehr bezahlt werden, und wurden von einsichtigen Lieferanten gestundet. Geistliche, die keinen eigenen Haushalt führen, mußten wie auch Lehrer und andere Beamte ihre Kosthäuser aufgeben, wenn nicht die Gemeinden durch freiwillig aufgebrachte Entschädigung der Kostgeber helfend einsprangen, um die notwendigsten Wäschestücke für sein Kind zu erlangen, mußte ein Pfarrer des Homburger Dekanats die Hilfe der zuständigen Fürsorgeschwester in Anspruch nehmen; die benötigten Wintervorräte an Kartoffeln konnten bis heute zum Teil nicht bezahlt werden, die Lebenshaltung mußte auf ein Minimum herabgesetzt werden, das auch der schlechtest entlohnte und jüngste Taglöhner nicht kennt; die im Dienst verbrauchten Schuhe konnten kaum instand gesetzt werden, von Erneuerung abgetragener Kleidungsstücke oder gar Neuanschaffung von Büchern überhaupt nicht zu reden. Derartige, durch bittere Not aufgezwungene Erfahrungen dürften der Grund sein*), daß die Stellungnahme der Geistlichen des Dekanatsbezirkes Kusel und, soweit hier bekannt, auch des Dekanats Zweibrücken zu der vom Landeskirchenrat angeregten allenfallsigen Auflösung des Pfarrstiftungsverbandes eine andere war als die der übrigen Dekanate, eine andere auch als sie bei der Hauptversammlung des Pfarrvereins am 5. Dezember zur Geltung kam. Bei letzterer Versammlung konnten wegen der Verkehrsschwierigkeiten aus der Nord- und Westpfalz nur etwa 6 Geistliche zugegen sein. Deshalb glauben die unterzeichneten Pfarrer die Gründe darlegen zu müssen, welche sie veranlaßten

1. die vom Landeskirchenrat zur Erörterung gestellten Fragen bereits früher zu erwägen und gelegentlich im engeren Kreise zu besprechen;

2. bei der seinerzeit auf Veranlassung des Landeskirchenrates stattgefundenen Besprechung nach reiflicher Ueberlegung und unter Zustimmung auch der Nichtpfründeinhaber des Dekanatsbezirkes zu dem einhelligen Schlusse zu kommen, daß die drückende Not der Gegenwart die restlose Rückgabe der Pfründen an ihre Inhaber gebieterisch fordere. Und

3. auch heute noch die Meinung festzuhalten, daß, solange die gegenwärtige schwere wirtschaftliche Bedrängnis anhält, und solange den Pfarrern auch bei schärfster Erfassung und Steigerung, sowie bei bestmöglicher Verteilung der Pfründeerträgnisse der volle Genuß der ihnen kirchengesetzlich verbürgten Bezüge nicht gesichert werden kann, die restlose Rückgabe der Pfründen an ihre Inhaber der einzige Weg ist, um einmal das Pfarrgut seiner eigentlichen Bestimmung zuzuführen, dem Pfarrer die Sicherung seiner äußeren Existenz zu garantieren, zum zweiten zu verbürgen, daß der Nutzen des Pfründegutes wirklich dem Pfarrstande und nicht den Pächtern zukommt, drittens, bei geringsten Verwaltungskosten den höchstmöglichen Ertrag zu erzielen, weiter die tatsächlich vorhandenen Hemmnisse der vollen Ausnützung der Ertragsfähigkeit der einzelnen Pfründen verhältnismäßig am leichtesten zu überwinden und endlich durch Freiwerden eines der Ertragssteigerung der Pfründe entsprechenden größeren Teiles der aus anderen Quellen der Landeskirche zufließenden Mittel die Möglichkeit zu schaffen, auch das Einkommen der Nichtpfründeinhaber auf eine höhere Stufe zu bringen als es bei der Aufrechterhaltung des derzeitigen Zustandes möglich wäre.

Während der Pfarrvereinsversammlung vom 5. d. Mts. die jetzige Stellungnahme des Landeskirchenrates sich nur aus einer gewissen Aengstlichkeit heraus glaubte erklären zu können, sind die unterzeichneten Pfarrer mit dem Landeskirchenrat der Ueberzeugung, daß die Erörterung der Frage einer etwaigen Auflösung des Pfründestiftungsverbandes sich aus der Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse zwangsläufig ergeben mußte. Läßt man sich nicht durch hohe Zahlen verblüffen, sondern betrachtet man die Dinge wie sie sind, so ergibt sich, daß der Pfründestiftungsverband ohne ein Verschulden der an der Verwaltung beteiligten Personen und lediglich unter dem Zwang der wirtschaftlichen Verhältnisse den auf ihn gesetzten Erwartungen nicht entsprochen hat und nicht entsprechen konnte. Lag dies im ersten Jahre nach der Errichtung daran, daß die Pachtzinsen sich der Entwicklung des Geldes bei weitem noch nicht angeglichen hatten, so muß im laufenden Jahre der Grund hierfür darin gesucht werden, daß im Allgemeinen die Vorteile einer unpersönlichen und rein geschäftsmäßigen Verwaltung landwirtschaftlicher Güter in der Vorkriegszeit sich unter den geänderten Verhältnissen der Gegenwart in fast ebensoviele Nachteile verwandelt haben und daß im Besonderen die Zentralisierung eines so großen und so verschiedenartigen Gutes wie das der Güter aller pfälzischen Pfründestiftungen unter den gegebenen und in allzunaher Zukunft sich kaum ändernden Verhältnissen äußerst schwierig und kaum einträgig ist. Für den Fall, daß den Pfarrern die von der Landeskirche zugesprochene Besoldung nach Gruppe 10 und 11 der Staatsbeamten tatsächlich gewährt werden könnte, stünde einer Beibehaltung des durch die Aufrichtung des Pfründestiftungsverbandes geschaffenen Zustandes und einer dadurch bedingten nicht vollständigen Ausnützung des Ertragswertes der Pfründe im Allgemeinen nichts im Wege**). Wenn und solange dies aber nicht der Fall ist, darf von einer wenigstens vorübergehenden Auflösung des Pfründeverbandes nicht zurückgeschreckt werden. In Zeiten der Not, wie der jetzigen, in der ein Teil ihrer Pfarrer am Allernotwenigsten Mangel leidet, dürfte nicht angängig sei, daß die Kirche eine ihr zur Verfügung stehende Einnahmequelle wie das Pfründegut nicht voll ausnützt. Vielmehr ist es nur zu selbstverständliche Pflicht der Kirche beim Versiegen anderer Einnahmequellen die vorhandenen auszunützen so gut sie eben ausgenützt werden können. Dies geschieht bezüglich des Pfründeguts aber nur bei Aufhebung der zentralisierten Verwaltung für die Zeit der Not und Rückgabe der Pfründen an ihre Inhaber. Die Vorteile, welche sich hieraus ergeben werden, liegen in sechsfacher Richtung:

1. Der wirkliche Wert des vorhandenen Pfarrgutes wird erhalten und gesteigert. Der Pfarrer als Nutznießer seiner Pfründe wird alles daran setzen, das Land in gutem Zustande zu erhalten, er wird sein Gut bei wiederholtem Begehen persönlich kennen lernen und auftretende Schäden infolge unzweckmäßiger Bewirtschaftung oder gar absichtlicher Benachteiligung abzustellen in der Lage sein; er wird Verbesserungen anregen oder durchführen können, die den tatsächlichen und den Ertragswert steigern, er wird durch Entwässern versauerter Wiesen und nasse Stellen in Aeckern ertragreich machen können, er wird Schmälerungen des Besitzstandes durch Grenzverrückungen bemerken und abstellen können, er wird minderwertige und wenig begehrte Stücke durch Anlage von ewigem Klee in hochwertige und vielbegehrte Grundstücke verwandeln, er wird durch die Anpflanzung von Obstbäumen für nahe und ferne Zukunft sorgen, kurz er wird seinem Gute Vorteile zukommen lassen, die es von einem treuen Hauspater und persönlichem Anteil nehmenden gewissenhaften Verwalter und Nutznießer erwarten darf;

2. Der Ertrag des Pfarrguts wird gemehrt. Schon in gewöhnlichen Verhältnissen hatte die Verwaltung des Pfarrguts durch den ortsanwesenden Pfarrer manchen Vorteil. Dieser konnte bei Ansetzung der Verpachtungen sich nach den örtlichen Verhältnissen richten und Sorge tragen, daß diese zu den Zeiten stattfanden, wo die Pächter wirklich ermutigt wurden, Land zu übernehmen, er konnte vorhandene Konkurrenz mehrerer Liebhaber erkennen und ausnützen, er konnte Abmachungen der Pächter durchkreuzen und schlechtgehende Verpachtungen ohne bedeutenden Mehraufwand von Kosten aussetzen, er konnte die Gelegenheit wahrnehmen, die Güter aus freier Hand oder bei einer neuen Verpachtung u.a. erst kurz vor Beginn der Frühjahrsbestellung vorteilhafter anzubringen, kurz, der ortsanwesende Verwalter und Nutznießer der Pfründe konnte bei geschicktem Vorgehen den Ertrag derselben nicht unwesentlich steigern. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen kann die vorübergehende Auflösung des Pfründestiftungsverbandes und die Rückgabe der Pfründen an die Inhaber unter Umständen der einzige Weg sein, um den Ertrag einigermaßen zeitgemäß zu gestalten. Ein guter Teil der Verträge wurde in den letzten Jahren auf sechs Jahre hinaus abgeschlossen und enthält die Bestimmung, daß als Pachtzins der Preis der gebotenen Menge Heu, Weizen oder Korn nach dem Stande der letzten Juli- bzw. Septemberbörse an Martini zu zahlen sei. Wäre der Vertrag wörtlich gehalten worden, so hätten sich daraus unter der Wirkung einer nicht vorausgesehenen Markentwertung katastrophale Folgen ergeben. Aber auch in der Form, wie über die Durchführung der einschlägigen Verträge für das abgelaufene Wirtschaftsjahr auftragsgemäß Ende September eine Einigung erzielt wurde, daß nämlich statt des Juli- bzw. Septemberpreises der Mannheimer Börsenpreis nach dem Stande an der Börse vor dem Zahltag zugrunde zu legen sei, lag für die hiesige Gegend, wie sich nachträglich herausstellte, noch ein dreifacher Nachteil:

1. Der Mannheimer Börsenpreis betrug am Tage der Notierung nur die Hälfte des im Handel hier allgemein geforderten und bewilligten Saarbrücker Produktenbörsenpreises. 2. Bis zum Bekanntwerden des Mannheimer Börsenpreises in unserer Gegend vergingen drei Tage. Dadurch verminderte sich der Wert des Pachtzinses in dem Maße der in diesen drei Tagen eingetretenen oft sehr wesentlichen Geldentwertung. 3. Rechnet man schließlich an Stelle des Saarbrücker Börsenkurses den Wert der Papiermarkzahlung nach dem wohl oder übel bei allfälliger wertbeständiger Anlage bewilligter hiesigen wilden Frankenkurs um, so ergibt sich eine weitere nicht unwesentliche Minderung des Pachterlöses. Tatsächlich war es, wie leider erst zu spät wahrgenommen wurde, mit dem Erlös von einem Zentner Korn nur möglich nach Umwechslung in Franken hier am Zahltage noch ein Viertel Zentner Korn zu kaufen, während der Erlös in deutschem Geld von niemandem abgenommen wurde. Aus den geschilderten Verhältnissen, deren Fortdauer für die Zukunft gewiß nicht gewünscht wird, aber sich immerhin ergeben kann, hat und wird sich die Notwendigkeit ergeben, die laufenden Verträge abzuändern und unter Umständen statt der Leistung in Geld Ablieferung von Naturalien zu fordern. Geschieht dies auf Grund gütlicher Vereinbarung im Sinne der Pachtschutzordnung, so wäre die Tatsache, daß der Pfarrer und nicht der Pfründestiftungsverband der Nutznießer der Pfründe ist, zum mindesten kein Nachteil für den Erfolg der Verhandlungen, da die Pächter erfahrungsgemäß dem Pfarrer mehr Entgegenkommen zu zeigen geneigt sind als dem möglichst unpersönlich gedachten Pfründestiftungsverband und sogar einem Nachbarpfarrer die dem Ortspfarrer zu Heiligenmoschel bewilligte und natürlich viel vorteilhaftere Lieferung in Naturalien nicht zugestanden unter Berufung darauf, daß sie nur zur Geldzahlung verpflichtet seien. Kann aber wie ein in einschlägiger Sache angerufener Richter anzunehmen geneigt ist, die Pachtschutzordnung für die eingezogenen Fälle nicht angewendet werden, so bestünde der einzige Weg, die bestehenden Verträge zu ändern und einen zeitgemäßen Ertrag zu erreichen nur in der Auflösung des Pfründestiftungsverbandes und der restlosen Rückgaben der Pfründen an ihre Inhaber. Nach geltendem Recht ist nämlich die Möglichkeit vorhanden bei Übergang der Nutznießung eines Grundstückes an eine andere Rechtsperson bestehende Verträge innerhalb der ersten Hälfte des folgenden Wirtschaftsjahres zu kündigen und bei tatsächlicher Fortdauer der verhängnisvollen Zustände dieses Jahres und bei Nichtanwendung der Pachtschutzordnung wäre in der angedeuteten Richtung der einzige Ausweg zu suchen, um zeitgemäße Erträge zu sichern. 

Gewiß kann ein Gut von dem Umfang der pfälzischen Pfarrpfründegüter unter normalen Verhältnissen solche Erträgnisse abwerfen, daß es ein Leichtes sein muß auch einen größeren Verwaltungskörper als den tatsächlich vorhandenen ohne Nachteil zu unterhalten, doch zwingen anormale Zeiten zu der Erwägung, ob nicht die Selbstverwaltung der Pfründen durch die Pfarrer auch aus Ersparnisgründen anzustreben wäre. 

4. Bei Nutznießung der Pfründe durch den Ortspfarrer werden diesem ohne Benachteiligung der Nichtpfründeinhaber Vorteile zufallen, die bei Beibehaltung des bisherigen Zustandes in Wegfall kommen, mit Rückkehr auf die Notlage des Pfarrstandes aber nur zum Schaden dieses Standes entbehrt werden können. Die Pachtverträge sind auf Geldleistung abgeschlossen. Tatsächlich war in diesem Jahre hier wie oben dargelegt um einen bestimmungsgemäß gezahlten Pachtpreis nur etwa ¼ der der Berechnung zugrunde gelegten und eigentlich geschuldeten Menge von Naturalien zu erhalten. Die mit Rückgabe der Pfründe verbundene Möglichkeit der Selbstbewirtschaftung würde ohne Schädigung der Allgemeinheit dem Pfarrer einen weit größeren Nutzen abwerfen als dies bisher der Fall war, Eine Pfründe von 25 Tagwerk Land ertrug bei Umrechnung der Pachtzinsen in Franken nach dem von der Distriktssparkasse Kusel berechneten Satze am Tage der Zahlung im ganzen 760 Franken. Der Pfarrer könnte sich aus dem Erlös seiner ganzen Pfründe ein Schwein von 180 Pfd. kaufen, wenn er nicht für die genannten 760 Franken zweihundert Goldmark, das sind heute 1000 Franken Umlagen bezahlen müßte. Hätte der Pfarrer ein Zehntel seiner Pfründe, d. i. zweieinhalb Tagwerk selbst bewirtschaftet, so hätte er sich um das anschauliche Beispiel durchzuführen, zwei Schweine ziehen können und außerdem noch den Bedarf seiner Familie an Kartoffeln umsonst gehabt, weiterhin wäre ihm und den Anderen der Pachtertrag von 22einhalb Tagwerk zu Gute gekommen. Eine einigermaßen noch in Betracht kommende Verwertung der Zinsen aus verpachteten Feldgütern konnte in diesem Jahre nur dadurch bewirkt werden, daß der Landeskirchenrat auf Grund seiner Einsicht in die tatsächlichen Verhältnisse dankenswerter Weise den Ertrag zum größten Teil dem Pfründeninhaber unmittelbar zu Gut kommen ließ und durch Ersparung des Umweges über die Zentralverwaltung von diesem Ertrage die sonst unabwendbar eingetretene Verflüchtigung in ein Nichts abgewandelt hat. Die Tatsache, daß von dem Teil der für die Nichtpfründebesitzer zur Ablieferung gelangen Pachtzinsen nach Abzug der Verwaltungskosten tatsächlich so wenig übrigblieb,***) daß von einer nennenswerten Unterstützung oder gar Zufriedenstellung der Pfarrer ohne Pfründe auch nicht im Entferntesten die Rede sein kann, dürfte beweisen, daß die hier erprobte Durchführung der Zentralisierung in den leider anscheinend so schnell sich nicht ändernden Notzeiten bei Pfründebesitzern und Nichtpfründeinhabern nur Hoffnung wird wecken können, die später in um so bitterer Enttäuschungen umschlagen müssen. Solange die gegenwärtigen Verhältnisse bestehen, wird die Aufrechterhaltung der Zentralisierung dem Pfründeinhaber nur Schaden und den Nichtpfründebesitzern keinen Nutzenbringen, nur Aenderung im angeregten Sinne wird imstande sein, der Pfründe den Ertrag abzuzwingen, den sie aufbringen kann und dadurch tatsächlich vorhandene Not zu lindern.

5. Auch aus sozialen Gesichtspunkten ist die Rückgabe der Pfründen anzustreben. Wenn bei Errichtung des Pfründestiftungsverbandes in erster Linie soziale Gründe maßgebend waren, so muß hier auch auf die unsoziale Wirkung desselben gerade im abgelaufenen Jahre hingewiesen werden. Der Pfründepfarrer gilt nach wie vor in den Augen der meisten Leute als ein wohlhabender, im einzelnen als der wohlhabendste Mann. Aus diesem Grunde muß er überall die höchsten Preise zahlen, der Nichtpfründepfarrer ist dagegen der „arme Mann“, für ihn werden Kartoffeln, Frucht und andere Lebensmittel in nicht unbeträchtlichen Mengen von den Gemeinden aufgebracht****). Er genießt dieselben selbstverständlich ohne Anrechnung. Dem Pfründepfarrer dagegen wird das Erträgnis seiner Pfründe, das er nicht einmal in Naturalien bekam, wohl doch in wertbeständigem Geld anrechnet.

6. Für die Stellung des Pfründeinhabers in seiner Gemeinde und das Amt wird die Rückgabe der Pfründe nicht ohne Gewinn sein. Es ist nicht zu verkennen, daß die Verwaltung einer Pfründe durch den Ortspfarrer ein gut Teil seiner Zeit und Kraft in Anspruch nehmen wird. Doch diesem Nachteil dürften in Notzeiten wie der jetzigen um so größere Vorteile gegenüberstehen. Einmal wird der Pfarrer, der seine Pfründe selbst verwaltet und unter Umständen selbst bewirtschaftet, viel besser in der Lage sein, sich in die Seele des Landvolkes zu versetzen, er wird in seiner Gemeinde seine geachtete Stellung einnehmen, wenn er ihr zeigt, daß er auch der Hände Arbeit nicht verachtet, er wird durch rationelle Bewirtschaftung seines Gutes, durch Nutzbarmachung der Fortschritte der Landwirtschaft , insbesondere auch durch Pflege von Obstbau und Bienenzucht *****) kulturfördernd wirken und reichen Segen stiften können, sicherlich nicht zum Schaden der Kirche. Die badische Landeskirche hat unter dem Zwang der Verhältnisse ihren Pfarrern bereits erlaubt Nebenbeschäftigungen anzunehmen, die der Würde des Amtes entsprechen. Falls sich die wirtschaftlichen Verhältnisse unserer Heimatprovinz in der Richtung weiter entwickeln, wie es leider schon zu lange der Fall ist, wird auch der pfälzische Pfarrer sich um Nebenverdienst umsehen müssen. Warum soll er dann anderen von dem kraft ihres Berufes ihnen zukommenden Brot wegnehmen, während das in erster Linie für seinen und der Seinen Unterhalt bestimmt liegende Gut hierfür nicht voll ausgenützt wird und nicht viel mehr durch Rückgabe der Pfründe in die Lage versetzt werden, daß er sein eigen Brot essen kann? 

Aus den angezogenen Gesichtspunkten glauben die unterzeichnenden Pfarrer den Landeskirchenrat bitten zu sollen ihre Stellungnahme zu würdige und die Rückgabe der Pfründen trotz anderer allerdings sachlicher Grundlagen entbehrender Bestrebungen baldigst durchzusetzen, damit etwa gebotene Aenderungen in den Pachtverträgen auch rechtzeitig durchgeführt werden können.

(gez.) Westenberger, Butz, O. Lischer, Ph. Scheurer

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* Wie kommt es, daß die Geistlichen im Homburger Dekanat, das in seinem pfälzischen Teile doch auch Grenzbezirk ist, eine andere Stellung eingenommen haben? Die Schriftl.

** Das ist sehr großmütig geredet, wozu nur zu bemerken ist, daß die Pfarrer ohne Pfründe den gleichen Anspruch auf eine Besoldung nach Gruppe 10 und 11 haben wie die Pfründepfarrer. D. Schr. 

***) Besser wenig als nichts Die Schriftl.

****) Die Gemeinden sind sehr wohl darüber unterrichtet, daß der Ertrag der Pfründe unter die Pfarrer verteilt wird. In der Westpfalz wurde in den kritischen Monaten des vergangenen Jahres Pfarrer nicht nur in Orten ohne Pfründe, sondern auch in Orten mit großen Pfründen mit Lebensmitteln reich bedacht. Die Schriftleitung.

*****) Ich wüßte nicht, inwiefern die Zentralisation der Pfründe ein Hindernis sein sollte, daß der Pfarrer Obstbau und Bienenzucht treibt. Sie ist aber allerdings ein Hindernis, daß einzelne Pfarrer sich auf Kosten anderer Vorteile verschaffen. Die Schriftl.

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