Wegbereiter der Ökumene im 20. Jahrhundert

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Klaus-Peter Edinger
Von-der-Tann-Straße 17, 67063 Ludwigshafen

Möller, Christian, Schwöbel, Christoph, Markschies, Christoph, von Zedtwitz, Klaus (Hg.): Wegbereiter der Ökumene im 20. Jahrhundert. Vandenhoeck & Ruprecht Verlag, Göttingen 2005. 379 Seiten mit 19 Abb., kartoniert, ISBN-Nr.: 3-525-55450-8. 29,90 €.

„Jeder in den getrennten Kirchen muss seinen christlichen Brüdern in den anderen Kirchen den guten Willen zubilligen, die Forderung Jesu nach Einheit unter seinen Jüngern zu erfüllen und doch: Wir Sünder in allen Kirchen müssen bekennen, dass dieser Wille bei uns offenbar doch nicht so glühend, mutig und schöpferisch ist, wie er sein sollte, denn sonst müsste ja die Einheit, die unsere Aufgabe ist, schon verwirklicht sein” (290f),

so heißt es in einem um ökumenische Gemeinschaft flehenden Gebet des bekannten katholischen Dogmatikers Karl Rahner. Das von Christian Möller, Christoph Schwöbel, Christoph Markschies und Klaus von Zedtwitz herausgegebene Kompendium „Wegbereiter der Ökumene im 20. Jahrhundert” versucht darzustellen, dass es eben doch Männer und offensichtlich nur eine erwähnenswerte Frau, Susanne de Diétrich, die Leiterin des Ökumenischen Instituts Bossey, gegeben hat, die „glühend, mutig und schöpferisch” waren, den Dialog zwischen der römisch-katholischen und der prot. Kirche (dazu gehören vor allem Adolf Deißmann, Augustin Kardinal Bea, Josef Wittig, Wilhelm Stählin, Lorenz Kardinal Jaeger,  Edmund Schlink sowie Yves Kardinal Congar), den Dialog mit der orthodoxen Kirche (dazu gehören vor allem Patriarch Athenagoras und Karl Rahner), sowie den weltweiten ökumenischen Dialog (aufgeführt werden die bereits erwähnte Susanne de Diétrich, Nathan Söderblom, Willem Visser’t Hooft, Dietrich Bonhoeffer und George Bell sowie und Philip Potter) – eben diesen Dialog auf entscheidende Weise voranzutreiben.

Mut machend sind die dargestellten Persönlichkeiten für alle Verfechter des interkirchlichen und interreligiösen Gespräches zwischen ebenbürtigen Partnern, eines „Dialoges in Liebe” in einer Zeit, „in der die Stimmen aus dem Vatikan … nicht mehr ermutigend (sind), eher irritieren … und Ängste auslösen, bei Katholiken und anderen.” (229) Erst recht in einer Zeit, in der der ökumenische Dialog auf Weltebene mit dem Rückzug der orthodoxen Kirchen aus dem Ökumenischen Rat in eine Krise geraten ist und das interreligiöse Gespräch eher auf der Stelle tritt.

Im vergleichenden Lesen fällt auf, dass in fast allen Biographien ein früher Kontakt, ja ein Zusammenleben der Betreffenden mit den späteren Dialogpartnern festzumachen ist, wodurch Interesse und Verständnis mit der anderen Konfession vor Ort oder auch mit anderen Kirchen und gar anderen Religionen geweckt wurde und dann zu deren näherem Kennenlernen und Studium angeregt hat. Umgekehrt wird durch solche Begegnungen die eigene Identität gefestigt und der Blick für das Gemeinsame geschärft: „Wer die anderen Religionen im Blick hat und behält, kann die vorgegebene christliche Einheit viel klarer erfassen, ebenso den Auftrag des gemeinsamen christlichen Zeugnisses – und den Skandal der getrennten Kirchen”, heißt es bei Nathan Söderblom. Natürlich werden dabei die Fakten der Trennung bei den Betreffenden erkannt und ernst genommen, aber, so der Breslauer Kirchengeschichtler und Patrologe Josef Wittig, „ich muss die geschichtliche Trennung der Christenheit anerkennen, weigere mich aber, sie in meinem Herzen zu vollziehen.” (81)

Es waren jedoch nicht nur theologische Gründe, wie vor allem bei dem Freiburger Exegeten Anton Vögtle, dem Paderborner Bischof Kardinal Jaeger, dem Prof. für Praktisch Theologie in Münster Wilhelm Stählin und dem Heidelberger Systematiker Edmund Schlink, die zu grenzüberschreitender Zusammenarbeit und Einheit aufriefen, es waren auch die großen Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts, die Weltkriege sowie das eklatante Nord-Süd-Gefälle, die zu einem engeren kirchlichen Miteinander drängten.

Wegweisend neben den Kontaktbemühungen Söderbloms im 1. Weltkrieg unter den kriegführenden Parteien ist und bleibt dafür das Bestreben Dietrich Bonhoeffers und des anglikanischen Bischofs von Chicester, George Bell, die Verantwortung einer ökumenischen Kirche für einen politischen Frieden in der Welt nicht nur theologisch zu begründen, sondern auch praktisch, in zahlreichen Begegnungen und Verhandlungen, gegen alle Widerstände und Hindernisse unmissverständlich voranzutreiben. Beide sind darin nicht nur gescheitert, sondern mussten dafür teuer bezahlen: Bell mit dem Verzicht auf das höchste anglikanische Amt in Canterbury, Bonhoeffer gar mit seinem eigenen Leben.

Persönliche Nachteile für die eigene Laufbahn, Anfeindungen von der eigenen Kirche, „ein Leben zwischen den Fronten”,  lässt sich fast durchgehend in den Biographien nachweisen.  So musste der langjährige Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, Philip Potter, bisweilen schmerzlich erfahren, nirgendwo mehr dazu zu gehören: von den Kirchen des Nordens wurde er verdächtigt, sich nur für seinen eigenen Kontext einzusetzen, bei den  „Jungen Kirchen” stand er im Verdacht, sich an die Europäer verkauft zu haben. Dabei hat gerade er wie kaum ein anderer durch seine Vision des universalen Dialogs der Kulturen die ökumenische Theologie aus der „nordatlantischen Gefangenschaft” geführt. Offenbar ist die Anfeindung von allen Seiten ein  Kennzeichen ökumenischer Existenz! Wer seinen Blick weitet von einem starren Dogmatismus und dem Einigeln in die eigene Tradition zugunsten einer Herausstellung von Gemeinsamkeiten über die Konfessionen und Religionen hinweg, wer Mission als Dialog und Geschenk der Freiheit (Theo Sundermeier) versteht, der muss mit Widerstand auch aus dem eigenen Lager  rechnen.

Für den protestantisch-katholischen Dialog waren die Gespräche und Verhandlungen des 2. Vaticanums von unschätzbarer Bedeutung, wenn auch etwa die Einigungsbemühungen der Kardinäle Augustin Bea und Ludwig Jaeger – in enger Zusammenarbeit mit Wilhelm Stählin – nicht zu den von ihnen erhofften und erbetenen Bemühungen geführt haben. Der Initiator des Konzils, Papst Johannes XXIII., mag exemplarisch für viele stehen, die trotz Widersprüchlichkeiten, trotz immer neuer Schwierigkeiten den Weg der Verständigung mit großer Geduld und in der Hoffnung geführt haben, dass die Einheit der Kirche(n) letztlich ein Geschenk des Hl. Geistes ist. Karl Rahner hat das in dem bereits zu Anfang erwähnten Gebet so zum Ausdruck gebracht:

„Gib uns, heiliger und barmherziger Gott, den vollen Willen zur Einheit, die du von uns forderst, und wenn unser Herz uns anklagt, zu wenig von dem machtvollen Geist der Einheit zu besitzen, dann dürfen wir dennoch hoffen, das diese unsere sündige Schwachheit umfangen bleibt von deiner Vergebung und jener Einheit der Christen, die du uns schon geschenkt hast. Amen.” (291)

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