Alternative Tourism Group: PALÄSTINA-Reisehandbuch

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Hermann Kuntz
Hahnenbalz 10, 67663 Kaiserslautern

Alternative Tourism Group: PALÄSTINA-Reisehandbuch, 664 Seiten, über 800 Farb- und Schwarz-Weiß-Fotos, 60 politiasch-historische Karten und Stadtpläne,

Palmyra-Verlag Heidelberg 2013, 29,90 Euro

Reisen ins Heilige Land erfreuen sich in unseren Kirchengemeinden aus guten Gründen großer Beliebtheit. Die Reise-Agenturen inserieren sie meist als “Israel-Reisen”, auch wenn Ost-Jerusalem (Altstadt mit Felsendom und Al-Aqsa-Moschee, Grabeskirche und Ölberg) und ein Kurzbesuch in Bethlehem im Programm vorgesehen sind, Reiseziele, die völkerrechtlich nicht zum Staatsgebiet Israels gehören. Korrekt müssten diese Reisen als “Israel/Palästina-Reisen” firmieren, was inzwischen auch schon manche Reiseveranstalter tun. Doch was heißt “Palästina”?

Das vorliegende Reisehandbuch gibt darauf eine Antwort: Verfasser sind Mitglieder der Gruppe für Alternativen Tourismus, die in Beit Sahour bei Bethlehem beheimatet ist und für Touristengruppen Reisen und Begegnungen in Palästina organisiert. Informiert wird über Geschichte, Politik, Kultur, über Menschen, Städte und Landschaften. Entstanden ist auf diese Weise geradezu ein Kompendium über alles, was mit Palästina zusammenhängt.  Interessant für jeden, der eine Israel/Palästina-Reise für sich selbst oder für eine Gruppe plant und vorbereitet, zugleich ein Standardwerk für alle, die grundsätzlich mehr über Palästina und die Palästinenser erfahren möchten.

Wie sehr sich das lohnt, zeigen die reichhaltigen Informationen. Bei “Palästina” geht es nicht nur um Jerusalem und Bethlehem, es geht auch um Hebron, die Stadt der Erzväter und Erzmütter, es geht um die am längsten kontinuierlich bewohnte Stadt der Welt, Jericho, wegen des milden Klimas im Jordantal beliebte Winterresidenz nicht nur für König Herodes. Auch die omayyadischen Kalifen von Damaskus bauten in der Oase einen Palast, wie reiche Überreste und neue Ausgrabungen zeigen. Dafür benötigen Touristengruppen einen guten einheimischen Reiseleiter, der auf dem neuesten Stand ist.

Weiter geht es um Orte wie die Wüstenklöster zwischen Jerusalem und Jericho, um die samaritanische Landschaft nördlich Jerusalem und Ramallah bis hin zu Nablus, dem alten Neapolis, mit Abstecher zum Jakobsbrunnen (Joh 4), wo eine neuerbaute orthodoxe Kirche den Zugang zum tief gelegenen Brunnen ermöhlicht. Schließlich auch zur Königsstadt Samaria, aus dem Alten Testament vertraut. Es geht um Geschichte, Landschaften und Kultur, freilich heute auch um Politik. Denn der Weg ist gesäumt von völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen, die den so dringend nötigen Weg zum Frieden im wörtlichen Sinne “verbauen”.

Damit wird auch deutlich, dass Gespräche mit den Menschen in Palästina für den Lernerfolg einer Reise unverzichtbar sind. Dazu bieten sich christliche Gemeinden in Jerusalem  und Bethlehem an. In Bethlehem sind es vor allem das Internationale Begegnungszentrum bei der evangelisch-lutherischen Weihnachtskirche und das Arab Educational Institute, das mit “Pax Christi” zusammenarbeitet. Bekannt ist auch die von Kaiserswerther Diakonissen 1852 (als erste Mädchenschule im ganzen Nahen Osten) in Jerusalem gegründete Schule Talitha Kumi, die als deutsches Eigentum bei der Staatsgründung 1948 enteignet und 1961 auf einem Hügel bei Beit Jala nahe Bethlehem neu gebaut wurde. Die Schule hat, wie auch andere christliche Einrichtungen, ein Gästehaus, das für sie wirtschaftlich wichtig ist und Begegnungen mit Schülerinnen und Schülern zwanglos ermöglicht. In Jerusalem sind Begegnungen auch mit jüdischen Friedens- und Menschenrechtsgruppen möglich. Weitere Vorschläge für Palästina enthält das Reisehandbuch.

Aber noch etwas zeichnet dieses Buch aus: Neben dem kulturellen Erbe im heutigen Palästinensergebiet beschreibt es auch das palästinensische Erbe im heutigen Staatsgebiet Israel, wo schließlich ca. 20 Prozent der Staatsbürger “israelische Palästinenser” sind. In Städtenamen wie Ramleh, Jaffa, Akko, Nazareth und anderen wird das palästinensische Erbe dort deutlich. So liefert das Bucb auch schon für den israelischen Teil einer Heilig-Land-Reise wichtige historische Erinnerungen und Informationen. Auch der Gazastreifen wird dargestellt.

Dass bei der aktuellen Konfliktlage die oft vernachlässigte palästinensische Sicht zu ihrem Recht kommt, ist ein weiterer Pluspunkt, zumal die Existenzberechtigung des Staates Israel nie in Zweifel gezogen wird.

Das Reisehandbuch Palästina erweist sich als für uns notwendig, weil es selbstbewusst kommentiert, dass bei fairen Nahostreisen “die andere Seite” unerlässlich ist für jeden, der ein zutreffendes Bild für sich selbst gewinnen und anderen vermitteln will.

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