Wie Presbyteriumssitzungen gelingen

Print Friendly, PDF & Email

Gunter Schmitt
Westbahnstraße 4, 76829 Landau

Es gibt in unserer Landeskirche Presbyterien, die sich treffen ohne dass dazu schriftlich eingeladen wurde, ohne klare Tagesordnung, ohne dass je ein Protokoll verfasst wurde. Stattdessen wird über alles, was ansteht, gleichzeitig geredet und der Wein fließt reichlich.

Eine solche Sitzungskultur muss nicht zum Nachteil sein. Im Gegenteil, diese Presbyterien können oft ein lebendiges Gemeindeleben vorweisen, sie haben keine Nachwuchsprobleme, die Finanzen sind geordnet und die Gebäude in gutem Zustand. Es geht also auch so!

Mein Beitrag wäre unnötig, wenn in unserer Landeskirche alle Presbyterien in dieser pfälzisch-folkloristischen Weise funktionieren würden. Die Praxis zeigt jedoch, dass die meisten Gremien klare Vereinbarungen brauchen. Diesen Presbyterien sind die folgenden Tipps gewidmet.

Zehn Tipps

„Eine Sitzung ist der Triumph des Gesäßes über den Geist“, pflegte mein alter Deutschlehrer zu sagen, wenn er traurig und müde in eine nachmittägliche Notenkonferenz schlürfte.

Wir reden in Kirche und Gemeinde viel von den neuen „Geh-Strukturen“, die die alten „Komm-Strukturen“ ergänzen sollen. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass wir vielleicht genauso stark von„Sitz-Strukturen“ geprägt werden. Manche Mitarbeitende verbringen einen Großteil ihrer Gemeindezeit in Sitzungen.

Ich möchte Sie mit diesem Beitrag ermuntern: Gestalten Sie Sitzungen so, dass sie beitragen zu einer nachhaltigen Gemeindeentwicklung!

Zu Beginn meiner Arbeit als Gemeindepfarrer waren Presbyteriumssitzungen für mich belastende Stunden, die schlaflose Nächte nach sich zogen. Nach einigen Jahren Arbeit an der Sitzungskultur – und vor allem an mir – machten sie mir dann irgendwann Spaß. Als Sitzungsverantwortlicher möchte ich, dass Mitarbeitende glaubensstärker und motivierter aus einer Sitzung gehen als sie gekommen sind.

Wie können Sitzungen kurz und produktiv sein? Im Fokus habe ich dabei gemeindeleitende Sitzungen, in der pfälzischen Landeskirche Presbyteriumssitzungen. Vieles gilt aber auch ebenso für jede andere Sitzung eines gemeindlichen Teams oder Gremiums.

1. Fragen Sie sich, ob die Sitzung wirklich notwendig ist

Gäbe es auch andere Wege mit dem Ziel von Information, Austausch und Entscheidungsfindung? Sollten erst einmal alle gründlich schriftlich informiert werden?

Tut es auch ein kurzes Treffen nach dem Gottesdienst? Ein Austausch per Mail? Die (Vor-)Arbeit in der Kleingruppe? Halten Sie sich immer vor Augen, wie viel der wertvollen ehrenamtlichen Zeit aller Beteiligten eine Sitzung in Anspruch nimmt. Andererseits gilt: Viele zu beteiligen, sie früh und umfassend zu informieren ist ein hohes Gut in der Gemeindekultur.

2. Pflegen Sie eine Atmosphäre der Wertschätzung

Der Abend der Sitzung ist gekommen. Wer die Gesprächsleitung zu verantworten hat, kommt mit der Tagesordnung im Kopf an, wird gleich mit der Arbeit loslegen wollen, ist angespannt. Doch noch vor offiziellem Beginn und Andacht ist etwas anderes ganz wichtig: Die herzliche Begrüßung jedes Einzelnen mit persönlichen Worten, das echte Interesse am anderen. Getränke stehen auf dem Tisch, vielleicht auch ein unkomplizierter Imbiss, der das physische und psychische Ankommen erleichtert.

Manche Gremien beginnen ihre Sitzungen damit, dass jede und jeder erzählen kann, wo sie oder er gerade steht, andere geben Rückmeldung, ermutigen und bestärken. Eine persönliche Runde zum Einstieg muss nicht lange dauern, aber die Zeit, die hier investiert wird, ist sinnvoll investiert. Motivation, Mut und Beteiligung werden steigen.

3. Informieren Sie in der Einladung so gründlich wie möglich

Benennen Sie in der Einladung die zu besprechenden Punkte so konkret wie möglich. Je besser die Gesprächspartner vorab informiert sind, desto besser wird das Gespräch. Nur Stichpunkte sind wenig aussagekräftig. Benennen Sie weiterhin: Wer spricht zu welchem Thema? Wie lange soll das Thema besprochen werden? Im Idealfall hat jede und jeder im Presbyterium klare Zuständigkeiten und Arbeitsbereiche, in denen sie oder er fit ist und sich fortbildet.

Wer zur Sitzung einlädt, muss also vorab vielfältige Absprachen treffen. Kurzfristig bedeutet das Mehrarbeit für den Einladenden. Langfristig bedeutet es eine immense Entlastung und eine Erhöhung der Qualität der Gremienarbeit.

4. Lassen Sie die Neuen zuerst reden

In meiner früheren Gemeinde hatten wir den Slogan: „Neue reden zuerst.“ Wenn eine Gemeinde kreativ und innovativ sein will, Menschen ansprechen will, die sie bisher nicht erreicht, muss sich das auch in ihrer Sitzungskultur spiegeln. Nutzen Sie das (Verbesserungs-)potenzial, das in den Neuen schlummert. Neue Mitglieder in der Gemeindeleitung bringen auch neue Perspektiven ein, schneiden unbekümmert alte Zöpfe ab und haben Verbesserungsvorschläge an die Sie selbst nie im Traum gedacht hätten. Das kann für Sie als erfahrendes Gremienmitglied höchst unbequem sein. Aber die Alternative wollen Sie nicht wirklich. Die hieße nämlich: Die Neuen bleiben stumm, hören wie es die Altvorderen machen und reden irgendwann genauso. Das wäre doch schade.

5. Delegieren Sie Details an kleine Arbeitsgruppen

In traditionellen Kirchengemeinden werden noch immer zu viele Details in der großen Runde diskutiert. Das kostet Zeit und Kraft. Sobald im Gespräch klar wird: hier ist weiterer Informations- und Klärungsbedarf, unterbrechen Sie die Diskussion und delegieren Sie an eine kleine Arbeitsgruppe von zwei bis drei Personen, die in der nächsten Sitzung ihre Ergebnisse vorstellt.

Dieses Vorgehen bietet auch die Chance, Gremienmitglieder, die sich selten mit Redebeiträgen beteiligen stärker einzubinden und die Kompetenzen von Einzelnen zu vertiefen.

6. Lassen Sie sich Zeit, um wichtige Entscheidungen reifen zu lassen

Mein gravierendster Fehler als Gemeindepfarrer im Umgang mit meinem Presbyterium war folgender: Ich hatte lange vor der Sitzung ein Problem schon gründlich von allen Seiten bedacht und brachte bereits die fertige Lösung mit. Andere, die sich im Gegensatz zu mir nicht täglich mit der Materie befassen konnten, hatten noch nicht einmal das Problem erkannt – ich hatte schon die Lösung dafür parat.

Seit ich Gemeinden berate, stelle ich fest: Dieses Vorpreschen ist wohl so etwas wie eine Berufskrankheit von aktionsorientiertem Pfarrpersonal. Wir müssen den Fuß vom Gaspedal nehmen und lernen, ein gemeindeleitendes Gremium mitzunehmen in den Weg der Entscheidungsfindung. Ich musste lernen, meine einsam gefundene Problemlösung fallen zu lassen und noch einmal neu anzusetzen. Und durfte immer wieder feststellen, wie viel besser gemeinsam gefundene Lösungen sind, die Zeit hatten heranzureifen.

7. Verfassen Sie ein Protokoll möglichst konkret und verabschieden Sie es noch während der Sitzung

Setzen Sie die immer noch häufig in Protokollen zu lesende Formulierung „Es soll (dies oder jenes angepackt werden)…“ auf den Index. Einen oder eine „Es“ gibt es in Ihrer Gemeinde nicht und „soll“ ist leider nur eine unverbindliche Absichtserklärung.

Ein Protokoll muss möglichst konkret sein: Was ist von wem mit wem bis wann zu tun + Ergebniskontrolle. Das kann der Einfachheit halber auch in Form einer Tabelle dargestellt werden. Umso leichter ist dann die Mitschrift, die auf Prosa verzichten kann.

Im Presbyterium beschließen Sie Wichtiges, das Ihre Gemeinde voranbringen und bald umgesetzt werden soll. Deshalb: Warten Sie nicht, bis der Protokollant irgendwann die Zeit findet, seine Mitschrift fertigzustellen.

Mit geringem Aufwand an Technik können Sie das Protokoll für alle Teilnehmer per Beamer projizieren und noch am selben Abend verabschieden. Eventuelle Missverständnisse können dann gleich geklärt, notwenige Ergänzungen sofort angebracht werden. Rechtschreibfehler spielen dabei keine Rolle. Aber alle sollen aus der Sitzung gehen und genau wissen, was sie beschlossen haben und ans Werk gehen können. Und nach der Verabschiedung des Protokolls gilt: Vergessen Sie es. Denn Sie beherzigen folgenden Tipp:

8. Sammeln Sie wichtige Entscheidungen in einem Handbuch

Irgendwann taucht in jedem Gremium die Frage auf: „Hatten wir dazu nicht mal was beschlossen?“ Altgediente ahnen dann: „Ja, da war mal was…“ – und kramen in ihren inzwischen vergilbten Protokollen.

Fangen Sie jetzt einfach damit an, die wichtigsten Entscheidungen Ihres Gremiums in einem „Handbuch Gemeindeleitung“ festzuhalten. Am Anfang reicht eine Untergliederung in die fünf Bereiche Gottesdienst – Mitarbeiterschaft – Kleingruppen – Feste – Strukturen, später kann weiter untergliedert werden.

Das Handbuch wird fortgeschrieben und gibt auch neuen Mitgliedern sofort einen Überblick über den Stand der Entscheidungen zu allen Bereichen der Gemeindearbeit. Sie werden staunen, mit wie wenig Aufwand Sie schnell einen Überblick darüber haben, was bei Ihnen beschlossene Sache ist.

9. Machen Sie Ihre Sitzungen so öffentlich und so transparent wie möglich

Informieren Sie die Gemeinde auf allen Ihnen zu Verfügung stehenden Wegen über Ihre bevorstehende Presbyteriumssitzung. Sagen Sie, welche Entscheidungen anstehen. Bitten Sie die Gemeinde um deren Fürbitte. Betonen Sie, dass Interessierte gerne dazu stoßen können. Laden Sie gezielt immer wieder Schlüsselpersonen über den Kreis der Gremienmitglieder hinaus zu Ihren Sitzungen ein. Keine Sorge: Nur selten gibt es Tagesordnungspunkte, die wirklich nicht-öffentlichen Charakter haben.

Und dann informieren Sie die Gemeinde nach der Sitzung über die getroffenen Entscheidungen per Aushang, im Gemeindebrief, im Gottesdienst. Geben Sie jährliche Rechenschaftsberichte mit Jahresrückblick schriftlich und mündlich im Gottesdienst – und gestalten Sie diese Gottesdienste mit besonderer Feierlichkeit. Ich verspreche Ihnen: Gemeindeleitungen, die auf diese Weise transparent sind, werden nie das Problem haben, keine geeigneten Kandidaten für die Presbyteriumswahl zu finden. Doch dazu im folgenden und letzten Punkt mehr.

10. Holen Sie die richtigen Leute an den Tisch

Das gemeindeleitende Gremium hat in der evangelischen Kirche hohe Kompetenzen und viele Gestaltungsmöglichkeiten. Wenn Pfarrerin oder Pfarrer und Presbyterium sich einig sind, können sie Berge bewegen. Leider überlassen wir zu oft dem Zufall, wer kandidiert für unser Gremium, wir überlassen uns den Neigungen, der Lust oder Unlust von möglichen Kandidaten.

Überlegen Sie in der Gemeindeleitung schon lange vor dem Ende der Legislaturperiode: Wer würde uns voranbringen, auch wenn wir vielleicht aktuell gar keine konkrete Person im Blick haben? Welche Kompetenzen brauchen wir noch? Welche Arbeitsbereiche der Gemeinde sind noch nicht vertreten, welche Milieus unterrepräsentiert, welche Charaktereigenschaften würden unser Team ergänzen und bereichern? Und dann sprechen Sie in einem zweiten Schritt auch über konkrete Personen und in einem dritten Schritt mit diesen.

Bitten Sie schon lange vor der nächsten Wahl mögliche Kandidaten, Ihre Sitzungen zu besuchen und in diese Arbeit hineinzuschnuppern. So wissen potentielle Kandidaten vor der Wahl genau, was auf sie zukommt. Gremienarbeit ist für kreative und innovative Menschen oft ein Gräuel von umständlicher Betulichkeit. Da Ihre Sitzungen jedoch anders sind, müssen Sie sich diesbezüglich keine Sorgen machen. Sie werden die Menschen finden, die Sie brauchen, um Ihre Gemeinde voran zu bringen.

Gunter Schmitt arbeitet beim Missionarisch-Ökumenischen Dienst der pfälzischen Landeskirche (www.moed-pfalz.de) und ist dort u.a. zuständig für den Arbeitsbereich Gemeindeentwicklung.

Gekürzter und für die pfälzischen Verhältnisse leicht überarbeiteter Beitrag aus der Zeitschrift 3E: echt.evangelisch.engagiert 1/2016.

Ähnliche Artikel:

Keine passenden Beiträge gefunden

Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.
Menü