Gerhard Eckstein
Gutleutstraße 12, 67098 Bad Dürkheim
„ Die Männer stehen über den Frauen, weil Gott den einen vor den anderen den Vorzug gegeben hat und weil sie (die Männer) die Unterhaltskosten tragen von ihrem Vermögen. Darum sind die rechtschaffenen Frauen demütig ergeben und bewahren das Verborgene (das zu Verbergende), weil Gott darauf achtgibt. Und diejenigen (von den Frauen), von denen ihr befürchtet, dass sie sich auflehnen, ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie. Wenn sie euch (dann) gehorchen, dann sucht nichts gegen sie. Gott ist erhaben und groß“ [1] (Sure 4:34)
A) Der Text in der Auslegung
Tabari (839 -923) [2]
Tabari überliefert die Auslegungen der ersten drei Jahrhunderte. Die Interpreten jener Zeit sind sich darin einig, dass die Männer als Haupt der Familie verantwortlich sind für den Lebensunterhalt und für das anständige Verhalten ihrer Frauen. Die Frau soll zum Wohl der Familie und wegen der Unterhaltsleistungen, die sie genießt, dem Mann gehorchen. Wenn sie sich weigert oder auflehnt, ist es dem Mann erlaubt und aufgetragen, seine Frau zu schlagen, aber nicht heftig.
Tabari führt eine lange Reihe von Ereignissen an, die die Tragweite des Koranverses verdeutlichen sollen. So wird von Al-Hasan überliefert, dass ein Mann seiner Frau ins Gesicht geschlagen habe. Darauf sei das Wort in Sure 4:34 offenbart worden. Denn der Prophet sagte: „Sie (die Frau) hat einen Befehl (ihres Mannes) verweigert und etwas Anderes angestrebt als Gott will.“ [3]
Die folgenden Überlieferungen beschäftigen sich mit der Frage, welche Formen von Schlägen möglich sind. Dabei wird immer wieder betont, dass ein Mann seine Frau nicht heftig schlagen soll. Wenn er das Maß übertrat und so gewalttätig wurde, dass seine Frau starb, wurde er als Wiedervergeltung getötet. [4]
Gute Ehefrauen sind Gott und ihren Männern gehorsam, das ist mit „demütig ergeben“ gemeint. Als das Verborgene, das die Frauen hüten sollen, werden genannt: Die Scham, ihre Person, d.h. ihr gutes Benehmen, die Ehe und das Vermögen des Mannes. [5]
Tabari schreibt, unterschiedlicher Auffassung waren die Ausleger darüber, was als Auflehnung der Frauen zu verstehen ist. Auch hier werden viele Beispiele genannt, unter anderem die Verletzung der ehelichen Pflichten. [6] Wenn die Frau ihre häuslichen und ehelichen Pflichten verletzt, dann ist das Schlagen nach Sure 4:34 erlaubt und geboten. Aber, und das betonen die Ausleger immer wieder, nicht heftig.
Baidawi (gest. 1286) [7]
Baidawi ist der Standardkommentar des späten Mittelalters und immer noch sehr angesehen. „Und schlagt sie…“. Baidawi betont wie Tabari, dass das Schlagen nicht heftig und nicht entstellend sein soll. Auch soll der Mann seine Frau nicht dreimal hintereinander schlagen.
„Gott ist erhaben und groß.“ Mit dem Hinweis auf die Gnade und die Barmherzigkeit Gottes ermahnt Baidawi die Männer zu vergeben.
Qutb (1906-1966) [8]
Qutb, ein Islamist und Vertreter der Muslimbrüder, wurde unter Nasser hingerichtet.
Qutbs Kommentar, der überwiegend im Gefängnis verfasst wurde, und seine anderen Schriften sind in der islamischen Welt hochaktuell. Qutb weist in der Einleitung zu Sure 4 darauf hin, dass diese Sure Direktiven und wesentliche Prinzipien des Islams enthält. Dazu gehören die Aussagen über die Stellung des Mannes in der Familie. Er ist der von Gott beauftragte und qualifizierte Partner, der die Familie leiten soll. Die Aufgabe der Frau besteht darin, Kinder zu bekommen und diese aufzuziehen. [9]
Zu den wesentlichen Aufgaben der Frau gehört, hingebungsvoll und gehorsam zu sein. Das Ausbrechen einer Rebellion der Frau gegen dieses Rollenverständnis darf nicht abgewartet werden. „Dem (Mann), der beauftragt ist (für das Wohl der Familie zu sorgen), ist es erlaubt, einige disziplinarische Schritte zu unternehmen, die oft erfolgreich sind. Er unternimmt sie nicht als Vergeltung oder um den Partner zu erniedrigen oder zu quälen, sondern um Aussöhnung zu erlangen und um die Familie im Anfangsstadium eines Streits zu bewahren.“ [10]
Zu den „Disziplinarmaßnahmen“ gehören die Ermahnung und dass die Frau im Bett allein gelassen wird. Wenn das alles nicht hilft, dann ist das Schlagen als letztes Mittel von Gott verordnet. Schlagen, nicht, damit die Frau ein Leben unter unbefriedigenden Bedingungen akzeptiert, sondern so, wie ein Vater oder Lehrer es anwenden. Es sind Maßnahmen, die bei einem guten Verhältnis zwischen Mann und Frau nicht in Frage kommen. [11] Das Beispiel des Propheten setzt Schranken gegen Exzesse in jede Richtung. Er sagte, am besten sind die Männer, die sich am besten gegen ihre Frauen verhalten. [12]
Mawdudi (1903-1979) [13]
Mawdudi war Journalist, Theologe, muslimischer Erneuerer und Politiker. Sein Kommentar wird nicht nur von der jungen Generation geschätzt und gelesen. Mawdudi schreibt, Ermahnen, im Ehebett meiden und Schlagen sind nicht zugleich zu ergreifen. Die Maßnahmen sollen jeweils der Schuld angemessen sein. „Wo immer eine leichte Berührung ausreichend scheint, sollte jemand nicht zu härteren Maßnahmen greifen.“ [14] Immer, wenn Muhammad die körperliche Bestrafung der Frau erlaubt habe, habe er gezögert und sein Missfallen ausgedrückt. Der Prophet habe angewiesen, einer Frau nicht in das Gesicht zu schlagen, nicht hart zuzuschlagen oder etwas zu benützen, das Spuren hinterlässt.
Muhammad Asad (1900-1992) [15]
Muhammad Asad gilt als einflussreicher muslimischer Intellektueller eines liberalen Islams. Seine Übertragung und Auslegung des Korans in Englisch ist in viele Sprachen übersetzt. Asad betont, dass Muhammad schon den Gedanken, eine Ehefrau zu schlagen, verabscheut hat. Nach einer anderen Überlieferung hat er überhaupt verboten, eine Frau zu schlagen. Nach der Offenbarung von Sure 4:34 hat der Prophet bei der Abschiedspilgerfahrt die Bedingung gestellt, dass eine Frau nur geschlagen werden darf, wenn sie sich in offenbarer weise unmoralisch verhalten hat. Das dann erlaubte Schlagen darf keinen Schmerz verursachen. Es soll mehr oder weniger symbolisch sein.
Yusuf Ali (1872- 1953) [16]
Yusuf Ali wurde in Bombay geboren und hat eine englische universitäre Ausbildung erhalten. Er erlebte ein friedliches Zusammenleben von Muslimen und Hindus in Indien. Seine Koranübersetzung und Auslegung werden in England im Studium benützt und sind auch sonst weit verbreitet. Yusuf Ali schreibt, bei Streit in der Familie gibt es vier Schritte. Wenn wörtliche Zurechtweisung und Ermahnungen nicht reichen, kann das sexuelle Verhältnis aufgehoben werden. Wenn auch das nicht genügt, „mögen einige leichte körperlichen Bestrafungen angeraten sein. Obwohl Imam Shafii es nicht für empfehlenswert, aber für erlaubt halte und alle Autoritäten einstimmig jede Form von Grausamkeit verurteilen…“ [17]
Kommentar im Bavaria Verlag [18]
Diese Koranübersetzung mit Kommentar ist unter deutschen Muslimen verbreitet. Einige Mitarbeiter sind bekannt, werden aber nicht genannt. Bei der Auslegung wird sehr selektiv, um nicht zu sagen willkürlich, zurückgegriffen auf Asad, Yusuf Ali, Qutb, Abduh, Mawdudi und andere. Die klassischen Kommentare werden, soweit ich sehe, nicht beachtet. In Sure 4:34 werden die arabischen Worte für „und schlagt sie“ unzutreffend mit „und straft sie“ übersetzt. Das ist eine deutliche Verharmlosung des Textes. Der oder die Ausleger schließen mit der Anmerkung: „…alle Gelehrte (betonen), dass ‚Schläge’, wenn man überhaupt zu diesem Mittel greifen muss, mehr oder weniger symbolisch erteilt werden sollen.“ [19] Eine Aussage, die ich nicht bestätigt gefunden habe.
Die klassischen Ausleger versichern, dass ein Mann, wenn er befürchtet, dass seine Frau sich gegen ihn auflehnt, zur Wahrung der Ehre und für den Bestand der Familie seine Frau schlagen darf und soll, wenn sonst nichts hilft. Es werden einzelne Überlieferungen genannt, die sagen, dass Muhammad sich in dieser Angelegenheit zögerlich verhalten habe. Aber dann sei die Anweisung für das Schlagen in Sure 4:34 offenbart worden. Die durchgängige Aussage der Ausleger ist: schlagen, aber nicht heftig. Diese Meinung vertreten auch die zeitgenössischen Ausleger Qutb und Mawdudi. Yusuf Ali, Asad und der Kommentar des Bavaria Verlags geben Überlieferungen zu dem Koranvers einseitig verkürzt wieder und versuchen m.E. die harten Worte des Korans, „und schlagt sie“, abzumildern und zu entschärfen.
B) Die Sunna
Neben dem Koran ist die zweitwichtigste Quelle die Sunna. Sie enthält die Überlieferungen aus dem Leben Muhammads und seiner Gefährten, die in verschiedenen Sammlungen vorliegen.
Al-Bukhari (810-870) [20]
Sahih Al-Bukhari ist die berühmteste Sammlung sorgfältig auf ihre Zuverlässigkeit überprüfter Überlieferungen. Aussagen über die Stellung der Frau finden wir im Buch über die Heirat. [21]Folgende Themen nehmen einen breiteren Rahmen ein: Wer wen heiraten darf, Mitgift und Heiratsvertrag, Hochzeit und Vollzug der Ehe, Verhalten bei mehreren Ehefrauen, Scheidung und Witwenschaft. Insgesamt gilt die Aufforderung, höflich und freundlich zu den Frauen zu sein. [22]
Die Frau ist verantwortlich für den Haushalt und zur sexuellen Gemeinschaft verpflichtet. Wenn sie sich weigert, begeht sie eine Sünde. [23] Mit Bezug auf Sure 4:34 heißt es, der Mann soll seine Frau leicht schlagen, ohne ihr große Schmerzen zuzufügen. Muhammad hat gesagt, niemand solle seine Frau wie einen Sklaven schlagen und am Ende des Tages Geschlechtsverkehr mit ihr haben. [24]
Wir sehen, dass bei Bukhari nur wenig zu dem Schlagen der Ehefrau überliefert wird. Die eigentlichen Fragen im Blick auf die Ehe sind eben ganz andere.
Abu Dawud (gest. 888)
Dawud überliefert, dass ein Mann nicht gefragt wird, warum er seine Frau schlägt. [25]Das Schlagen ist erlaubt, wenn eine Frau rebellisch ist, aber es sind nicht die besten Ehemänner, die das tun. [26] Dawud überliefert: Thabit schlug seine Frau und brach ihr einiges. Da beschwerte diese sich bei dem Propheten. Der befahl dem Mann, sich von ihr zu trennen. [27]
Ich habe in den anerkannten Sunna-Sammlungen keine grundlegend anderen Überlieferungen gefunden. Für Sure 4:34 gilt: Schlagen ja, aber nicht heftig. Es ist die Überzeugung, die sich in den klassischen Kommentaren und in denen der Modernisten findet. Hier zeigt sich die große Bedeutung der Sunna, die keinen Raum gibt für eine humanistische Hermeneutik eines Abu Zaid oder Asma Barla [28], geschweige denn für eine historisch kritische Exegese. Kritische Anfragen zur Stellung der Frau in der Ehe bewegen sich auf akademischem Niveau. [29]
C) Islamisches Recht
Viele islamische Staaten und solche mit muslimischer Mehrheitsbevölkerung haben unter westlichem Einfluss in einigen Bereichen europäisches Recht übernommen. So hat zum Beispiel 1875 französisches Zivil- und Handelsrecht in Ägypten Eingang gefunden. [30] Im Bereich des Familienrechts aber gilt für Muslime bis heute das religiöse Recht, die Scharia, die sich auf Koran und Sunna stützt.
In einem Standardwerk zum islamischen Familienrecht [31] wird der Bereich der Kontrolle des Mannes über die Ehefrau genannt. [32] Dazu gehört, dass die Frau dem Mann gehorsam sein muss, nicht ohne seine Zustimmung das Haus verlassen darf und anderes mehr. Die umstrittene Frage des Rechtes eines muslimischen Mannes, seine Frau zu strafen oder zu züchtigen zeige, das die Gelehrten generell davon abraten würden. Dass aber, wenn eine Frau gegen grundlegende Prinzipien des Islams verstoße, es nötig sei, sie in moderater Weise zu schlagen.[33] Wir sehen, dass an Sure 4:34 kein Weg vorbeiführt.
Yusuf al-Qaradawi (geb. 1926)
Yusuf al-Qaradawi ist ein bekannter sunnitischer Rechtsgelehrter mit Verbindung zur Muslimbruderschaft. Er ist Präsident der „Internationalen Union muslimischer Gelehrter“, Fernsehprediger und Autor, der seit 1961 in Katar lebt. In Rechtsfragen ist er für sehr viele Muslime unserer Zeit richtungsweisend. Qaradawi schreibt in seinem Standardwerk [34], im Kapitel Heirat und Familienleben, von der nötigen gegenseitigen Toleranz zwischen Mann und Frau. [35]
Aber der Mann hat die Verantwortung für die Familie und kann bei Auflehnung und Streit von seiner Frau Gehorsam und Zusammenarbeit verlangen. [36]Demgemäß ist es der Frau nicht erlaubt, sich gegen seine Autorität aufzulehnen. Wenn der Mann Ungehorsam bemerkt, soll er versuchen, mit freundlichen Worten, leichter Überredung und vernünftigen Argumenten seine Frau zu überzeugen. Wenn alles nicht greift, soll er getrennt von seiner Frau schlafen. Als letztes Mittel ist ihm gestattet, seine Frau mit Händen leicht zu schlagen, aber nicht ins Gesicht oder auf andere empfindliche Bereiche. Auf keinen Fall darf er einen Stock oder einen anderen Gegenstand nehmen, der Schmerzen und Wunden verursacht.
Auch die Ausführungen Qaradawis halten sich an Sure 4:34 und deren traditioneller Auslegung. Schlagen ist erlaubt, aber nicht hart. Von einer neuen Sicht oder einem neuen Zugang zur Stellung der Frau in der Ehe finden wir nichts.
D) Länderbeispiele
Algerien [37]
Das algerische Familiengesetz von 1984 folgt der malakitischen Rechtsschule. Es ist eine von vier Rechtsschulen, die für die Auslegung des islamischen Rechts bei Sunniten bis heute bestimmend sind. Artikel 4 des algerischen Familiengesetzes bestimmt, dass die Ehe ein Vertrag zwischen Mann und Frau ist. In diesem Vertrag werden die Zahlung des Brautgeldes, die Versorgung der Frau im Todesfall des Mannes und anderes geregelt. Die Rechte des Mannes werden nicht aufgeführt.
Die Pflicht des Mannes nach Artikel 37 besteht darin, dass er für den Unterhalt der Frau und den seiner Kinder aufzukommen hat. Die Frau ist nach Artikel 39 verpflichtet, dem Mann zu gehorchen, ihn, seine Eltern und Verwandten zu achten. In allen Fällen, in denen das Familiengesetz keine Regelung enthält, gilt nach Artikel 222 die Scharia. Der Mann hat dementsprechend das Recht, seine Frau körperlich zu bestrafen, aber so, dass keine bleibenden Spuren entstehen. [38]
Iran
Das iranische Zivilgesetzbuch von 1928 wurde zuletzt 2006 aktualisiert. [39] Zur Ehe werden in Kapitel 8 die gegenseitigen Pflichten nach Ansicht der Schiiten wie folgt festgelegt:
§ 1103: Mann und Frau sind verpflichtet, ein freundliches Verhältnis zu schaffen.
§ 1104: Sie müssen zum Wohlergehen der Familie und der Erziehung der Kinder zusammenarbeiten.
§ 1105: Die Position des Hauptes der Familie ist ausschließlich Recht des Mannes.
§ 1106: Die Unterhaltskosten muss der Mann bestreiten.
§ 1107: Zum Unterhalt gehören Wohnung, Kleidung, Nahrung, Möbel und ggf. Diener.
§ 1108: Wenn eine Frau sich weigert, die Pflichten einer Frau zu erfüllen, verliert sie das Recht auf Unterhalt.
§ 1111: Wenn der Mann den Unterhalt verweigert, kann sich die Frau an ein Gericht wenden.
§ 1114: Die Frau muss, wenn nicht anders geregelt, in der Wohnung bleiben, die der Mann bestimmt hat.
§ 1115: Wenn das Zusammenleben von Mann und Frau im selben Haus zum Risiko körperlicher und finanzieller Verletzung, Kränkung oder Schädigung der Frau führt, kann diese eine getrennte Wohnung wählen.
§ 1119: Im Ehevertrag kann festgelegt werden, dass, wenn ein Mann „der der Frau nach dem Leben trachtet, oder sie so hart behandelt, dass das Zusammenleben unerträglich wird, die Frau ermächtigt ist …, die Ehescheidung zu erlangen“.
Im Übrigen gelten nach der Verfassung die Scharia und damit die Bestimmungen nach Sure 4:34. Das heißt, wir finden in dem iranischen Zivilgesetzbuch kein neues Verständnis vom Verhältnis von Mann und Frau in der Ehe, wohl aber eine rechtliche Verbesserung der Stellung der Frau. Es gibt aber Berichte, dass in unserer Zeit die bestehenden Normen in der Gesellschaft intensiv debattiert werden. [40]
England
Zu den Auswirkungen muslimischer Heiraten in England ist bei Pearl und Menski zu lesen [41]: Jenseits der intimen Sphäre der Sexualität gibt es in der Frage weiblichen Gehorsams alte und neue Spannungen. Diese werden aber nicht direkt angesprochen, sondern in Ehescheidungsverfahren versteckt. Es ist aber nicht so, dass eine Frau bedingungslos gehorsam sein muss und der Mann eine Art absolutes Recht hat. Doch ist dies noch nicht vor einem englischen Gericht thematisiert worden.
Nebenbei: In einem Leserbrief der englischen Zeitschrift „The Muslim News“ wurde das Thema Gewalt in der Ehe offen angesprochen und darüber geklagt, dass niemand etwas dazu sagt, obwohl es oft vorkommt. Auch die Imame griffen es nicht in ihren Ansprachen auf. [42]
Im Bereich des Rechts haben sich die traditionellen Vorstellungen über das Verhältnis von Mann und Frau gehalten. Das gilt nicht nur für die islamischen Staaten und die mit großen muslimischen Mehrheiten, sondern auch für die Muslime in Europa.
Es bleibt bei der Überzeugung vom Gehorsam der Frau und der ehelichen Gewalt des Mannes. Es gibt Tendenzen der Abmilderung und Einschränkung, aber die
Auffassungen werden nicht grundsätzlich in Frage gestellt.
Zusammenfassung
Wir haben die Aussagen von Sure 4:34 in den Kommentaren und in der Sunna bestätigt gefunden. Die Rechtsauffassungen zum Verhältnis von Mann und Frau in der Familie und die eingesehenen Ländergesetzgebungen ergeben kein neues Bild.
Es muss aber hinzugefügt werden, dass die Stellung der Frau in der islamischen Welt nicht rein religiös bedingt ist. Sehr oft werden islamische Prinzipien von lokalen Auffassungen und Brauchtum überlagert, die den Bewegungsraum der Frau weiter einengen. [43] Wie bedrückend das sein kann, zeigt Akbar Ahmed am Beispiel afghanischer und belutschischer Stämme. [44]Bei diesen Stämmen ist die Frau entweder die „gute Mutter“, oder , wenn ihre Keuschheit und Reinheit und damit die Ehre ihres Mannes und der Familie in Frage stehen, die „Schwarze“, die Böse, die ihr Leben verwirkt hat. In solchen Fällen hat die Frau keine andere Wahl als den Suizid, weil sie vom Stamm weder Nahrung noch Schutz erhält. [45]
Diskriminierung und schlechte Behandlung der Frauen sind aber kein Spezifikum der islamischen Welt, sondern ein weltweites Phänomen, das in allen Ländern und in allen Schichten vorkommt. [46] Auch Deutschland ist davon betroffen. Nicht nur, dass es bis 1957 einen Gehorsamsparagraph (§ 1354 BGB) gab, sondern auch die eheliche Gewalt war meines Wissens bis Ende der 1960 er Jahre gesetzlich verankert. [47] Nach einer EU-Studie hat jede dritte Frau in Deutschland sexuelle oder körperliche Gewalt erlebt. [48]
Das Besondere der islamischen Welt ist die religiöse Verankerung ehelicher Gewalt. Und, um es noch einmal zu sagen, ich sehe keine Hoffnung, dass die religiöse Begründung, die im Koranverankert ist, in absehbarer Zeit durch neue hermeneutische Ansätze oder Wege wegfällt. Eine humanistische oder kontextuelle Auslegung ändert nichts daran, denn letztlich ist die Sunna, das Vorbild des Propheten, verbindlich. Die Sunna zeigt: Schlagen ja, aber nicht heftig.
Ob und in wieweit Sure 4:34 in muslimischen Ehen zum Tragen kommt, das ist eine andere Frage. Oft sind persönliche und örtliche Faktoren stärker als religiöse.
[1] Eigene Übersetzung
[2] Al-Tabari, Abu Jafar Muhammad; Jami al-Bayan an TawilAy al-Qur´an, arabisch, im Internet unter: info@omelketab.net
[3] ebd., Nr. 7373
[4] ebd., Nr. 7378
[5] ebd., Nr. 7387 ff.
[6] ebd., Nr.7397 ff.
[7] Al-Baidawi, Abd Allah ibn Umar; Anwar al-TanzilwaIsrar al-Tawil, arabisch, 58. Auflage, Dschidda, o.J., S. 111
[8] Qutb, Sayyid, FiZilal al-Qur´an, in englischer Übersetzung: In the Shade of the Qur´an, im Internet: tafsirzilal.files.wordpress.com/2012/0%/al-mukminun
[9] ebd., Sure 4, S 109 f.
[10] ebd., S. 114 , übersetzt
[11] ebd., S. 115
[12] ebd., S. 116
[13] Mawdudi, Sayyid Abu al-A´la; Tafhim al-Qur´an, englische Übersetzung: Towards Understanding the Qur´an, Bd. 2, Markfield UK 1989, repr. 2004
[14] ebd., S.36, Anm. 59
[15] Asad, Muhammad; The Message of The Qur´an, 1980, deutsche Übersetzung, Düsseldorf 2009, S. 158, Anm. 45
[16] Ali, Abdullah Yusuf; The Glorious Qur´an, Leicester UK 1978
[17] Yusuf Ali, a.a.O., S. 190, Anm. 547, Übersetzung
[18] Der Koran, Sure An-Nisa´, Bavaria Verlag München o.J. und ohne weitere Angaben
[19] ebd., S.32, Anm. 91
[20] Al-Bukhari, Abu Abdallah Muhammad b. Ismail ; Sahih Al-Bukhari, Arabic-English, New Delhi repr. 1987
[21] ebd., Bd. 7, Buch 62
[22] ebd., S.80
[23] ebd., S.82 und 93
[24] ebd., S. 100 f.
[25] im Internet bei : sunnah.com unter dem Stichwort „beat“, page 1, S. 2
[26] ebd., page 1, S.8
[27] ebd., page 2, S.3
[28] siehe dazu: Abu Zaid, Gottes Menschenwort, Freiburg i.Br., 2008, S. 159 ff. und Amirpur, K., Den Islam neu denken, München 2013, S. 169
[29] Kacia Ali in: Progressive Muslims, ed. Omid Safi, Oxford 2003, S. 163 ff.
[30] Konrad Dilger in: Der Islam in der Gegenwart, Hg. W. Ende u. U. Steinbach, München 1989, S. 181
[31] Muslim Family Law, ed. David Pearl u. Werner Menski, 3. Aufl. London 1998
[32] ebd., S. 177 f.
[33] ebd., S. 178, Abs. 7-07
[34] Al-Qaradawi,Yusuf, Al-Halalwal-Haramfil Islam, englisch „The lawful und the prohibited in Islam“, 1. Aufl. 1960, 20. Aufl. Plainfield 1999
[35] ebd., S. 204 f.
[36] ebd., S. 205 f.
[37] Christine Lienemann-Perrin, Anmerkungen zum Verständnis der Menschenrechte im Islam, in: CIBEDO 1991 Nr. 6/6, S. 170 ff.
[38] ebd., S. 171
[39] im Internet zugänglich in Englisch: Civil Code of the IslamicRepublicof Iran, Stand Dezember 1985, bei: refworld.org
[40] ParinasParhisi, Frauenrechte in Iran, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament“ Nr.49/2009, S. 23 ff.
[41] A.a.O., S. 228 ff.
[42] Al-Islam, Zeitschrift von Muslimen in Deutschland, Nr. 3/1998, S. 4 f.
[43] Pearl u. Menski, a.a.O., S.178
[44] Ahmed,Akbar.S., Discovering Islam, London, rev. ed. New Delhi 2003, S. 187 ff.
[45] ebd., S. 188
[46] Khola Maryam Hübsch im Magazin „fluter“ der Bundeszentrale für politische Bildung Nr. 57, 2015/2016, S. 38
[47] Das habe ich 1961 in Marburg erfahren, als ich die Polizei zu einem Paarstreit rief.
[48] Hübsch, a.a.O.
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