Nachfolge – Mystik – Martyrium. Studien zu Dietrich Bonhoeffer, Edition ITP-Kompass

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Friedrich Grotjahn
Brandtropstraße 73c, 44795 Bochum

Paul Gerhard Schoenborn, Nachfolge – Mystik – Martyrium. Studien zu Dietrich Bonhoeffer,

Edition ITP-Kompass, Münster 2012, 253 Seiten, 18,00 Euro, ISBN: 978-3-9813562-3-6.

„Wer sich heute mit Bonhoeffer befasst, begibt sich in die erste Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, in eine ferne Welt, in eine untergegangene Kultur, Gesellschaft, Politik und Kirche“, schreibt Paul Gerhard Schoenborn am Schluss seiner „Studien zu Dietrich Bonhoeffer“. Das ist richtig. Andererseits, so fern können diese Welt und dieser Mann gar nicht sein, wenn Schoenborn im Jahre 2012 einen Aufsatzband über ihn herausbringt, in dem Bonhoeffers Aktualität auf nahezu jeder Seite zu spüren ist.

Bonhoeffer ist aktuell. Das gilt auch für ihn als Feindbild: Unter der Überschrift „Eklat in Eisenach“ berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ am 4. Juni 2012 von einem Streit über rassistische Gesinnungen in der „Deutschen Burschenschaft“. Der Streit entzündete sich an der Wiederwahl eines Mannes zum Schriftleiter der „Burschenschaftlichen Blätter“, der noch vor kurzem in einem Pamphlet Dietrich Bonhoeffer als „Landesverräter“ bezeichnet und geschrieben hatte, heute gelte es „als en vogue, jede Kritik am Nationalsozialismus zu glorifizieren, auch wenn die damaligen Kritiker sich zu Lasten von Deutschland und seiner Volksangehörigen wendeten.“

Doch bleiben wir bei Paul Gerhard Schoenborn und seinem neuen Buch: Unter dem Titel: „Nachfolge – Mystik – Martyrium. Studien zu Dietrich Bonhoeffer“ hat er auf 253 Seiten in chronologischer Reihenfolge acht Aufsätze und Reden zu Dietrich Bonhoeffer aus den Jahren 1979 bis 2010 versammelt.

Das Buch wird eröffnet mit einer Textcollage für den Gottesdienst einer Bonhoeffer-Tagung. Zum Thema: „Nachfolge Jesu Christi“ sind dort Worte von Sören Kierkegaard und Dietrich Bonhoeffer einander gegenüber gestellt.

Eine erste Themengruppe behandelt das Verhältnis von „Mystik und Politik“ bei Bonhoeffer – „politisches Leben in der Nachfolge Jesu hat für Bonhoeffer eine mystische Tiefe“ (S. 38) –, seinen „Widerstand gegen die Judenverfolgung im Dritten Reich“, in dem er von der Kirche, auch der „Bekennenden“, völlig im Stich gelassen wurde sowie sein „umstrittenes Martyrium“. In der Tat hat es 50 Jahre gedauert, bis die evangelische Kirche seinen gewaltsamen Tod als „Märtyrertod“ anerkannt hat.

Im Rahmen des großen Themas „Ökumenische Aspekte einer Theologie des Martyriums“ geht es in zwei Vorträgen um den katholischen Kriegsdienstverweigerer Franz Jägerstätter und den Lutheraner Dietrich Bonhoeffer. – Die Reflexion darüber, was das Martyrium als ökumenisches Phänomen „für die Ökumene, ihren Dienst und ihr Zeugnis in der Welt bedeutet, steht erst am Anfang. Aber dieser Aufgabe können wir uns nicht mehr entziehen“ (S. 184).

In seinem umfangreichsten Aufsatz: „Bonhoeffer in Lateinamerika“ deckt der Autor Spuren prophetischen Zeugnisses Bonhoeffers in der lateinamerikanischen Befreiungstheologie auf. Hier schlägt das Herz Paul Gerhard Schoenborns! „Weil eine innere Verbindung zwischen Bonhoeffer und den Befreiungsbemühungen der Lateinamerikaner vorhanden ist, haben sich Gutiérrez, Sobrino, Hinkelammert mit ihm so eingehend befasst“ (S. 122). Aber auch diese Entsprechung gilt: „Auch den lateinamerikanischen Märtyrern, genau so wie es dem ermordeten Bonhoeffer widerfuhr, (wird) bestritten, dass sie im echten Sinn als solche anzusehen seien.“ „Sie gelten für den Vatikan ‚nur’ als Opfer politischer Gewalt“ (S. 125).

Der jüngste Aufsatz schließlich spricht noch einmal von „Politischem Protest und christlichem Martyrium“: „Immer wichtiger wurde mir, Bonhoeffer nicht als Solitär zu sehen, sondern als nur einen in der großen Schar der umstrittenen ‚Märtyrer des Reiches Gottes’“ (S. 8). Und dann werden eine ganze Reihe von ihnen aufgeführt: angefangen vom dänischen Pastor Kaj Munk bis hin zu der brasilianischen Gewerkschafterin Margarida Alves. Sie mussten allesamt sterben, „weil sie sich mit den herrschenden Umständen, mit der aktuellen Politik nicht abfinden wollten“ (S. 244).

Es ist wichtig, dass es diesen Aufsatzband endlich gibt. Alles, was bislang in völlig verschiedenen Zusammenhängen vorlag, zum Teil in Zeitschriften erschienen war, die es gar nicht mehr gibt, ist nun hier, in diesem schönen roten Buch, zusammengetragen.

Die Aufsatzform der vorliegenden „Studien“ erlaubt es, sich dem Thema / den Themen zuzuwenden, die einen vorrangig interessieren – für mich wären das zur Zeit Bonhoeffers Mystik und sein Weiterwirken in Lateinamerika – ohne gleich alle 253 Seiten lesen zu müssen. Und es ist ein Gewinn, sich so den verschiedenen hier zusammengekommenen Facetten zuzuwenden, Bonhoeffer gewissermaßen aus verschiedenen Perspektiven sehen und kennen zu lernen.

Insgesamt gesehen geht es in den hier versammelten Aufsätzen um so etwas wie das „Lebensthema“ Paul Gerhard Schoenborns. Dazu gehört aber unbedingt auch sein 1996 im Hammer Verlag/Wuppertal herausgekommenes Buch: „Alphabete der Nachfolge. Märtyrer des politischen Christus“. Schoenborn schreibt im Vorwort dieser Aufsatz-Sammlung, dass er sich nicht erst seit 1979 mit Bonhoeffer befasst habe, sondern schon in seiner Schüler- und Studentenzeit – „Bonhoeffer wurde bei uns in der Familie gelesen“ – , während er weder im Religionsunterricht noch in den Vorlesungen und Seminaren seines Theologiestudiums und auch nicht im Predigerseminar vorkam.

Und so erfährt man vieles über Dietrich Bonhoeffer, seinen Glauben, seine Theologie und seine Wirkungen, aber auch manches über den Autor und seine Intention: „Man sollte sich nicht mit Bonhoeffer vergleichen oder ihn zu imitieren suchen. Man sollte auch nicht das, was man selbst durchfechten muss, mit seiner Autorität, mit Schlagworten und Zitaten aus seinem Werk absichern. Man sollte lieber auf eigene Rechnung und Gefahr agieren“, schreibt er in seinem Schlusswort.

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