Inklusion – Einblicke in das gelobte Land

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Dr. Ludwig Burgdörfer
Ebernburgstraße 14, 76829 Landau

Wo kommen wir her – wo gehen wir hin? Das christliche Menschenbild als Fundament diakonischen Handelns

Vorbemerkung

Das Land Rheinland-Pfalz hat in diesem Jahr einer UN-Resolution folgend beschlossen, auf dem Wege der Integration von Menschen mit Behinderungen, neue Wege zu gehen. Dabei soll es in der Tat keine getrennten Räume mehr zwischen Behinderten und Nichtbehinderten geben. Von der Kindertagesstätte bis zum Arbeitsmarkt sollen Menschen grundsätzlich zusammen leben und lernen, unabhängig vom Grad ihrer Begabung bzw. ihrer handicaps.

Diese grandiose Vorgabe ist so bemerkenswert wie problematisch. Sie weckt nicht nur Hoffnungen für das Überwinden alter Vorurteile im Umgang mit Behinderung, sondern auch Ängste bei all denen, die in der institutionalisierten Diakonie arbeiten und von der Unverzichtbarkeit ihrer Einrichtungen überzeugt sind.

Auf diesem Hintergrund hat das Gemeinschaftswerk für Menschen mit Behinderungen GmbH am 20. September eine Zukunftskonferenz in Ramstein veranstaltet, bei der das Phänomen Inklusion auch unter der regen Beteiligung so genannter behinderter Menschen kontrovers diskutiert wurde.

Zum Auftakt der Veranstaltung habe ich das folgende Impulsreferat gehalten:

1. Wo kommen wir her?

Ich will ganz persönlich anfangen. In der Mitte des letzten Jahrhunderts geboren. In dem Dorf meiner Kindheit hatten wir Inklusion der besonderen Art. Wie auf einer Insel lebten die Menschen zusammen. Und ein paar Kilometer weiter in den anderen Dörfern war das nicht anders. Es gab eine kleine Dorfschule, eine Kirche, einen Bürgermeister, einen Gesangverein, jede Menge Kinner uf de Gass, viel Vieh, viel Mist. Junge, Alte, Kranke, Fleißige, Faule, Erfolgreiche und Versager.

Ich sehe im Album meiner Kindheit Männer mit Kriegsversehrung, ohne Bein, ohne Arm. Man sprach verschämt von dem einen oder anderen Spinner. Vom Krieg traumatisierte, die zitterten und keinem Menschen in die Augen schauen konnten. Es gab Verwirrte und Verrückte, manche wurden sogar eingesperrt, andere lebten auf den Bauernhöfen einfach mit, erledigten still und unauffällig einfache Handarbeiten. Kehrten den Hof und lasen die Kartoffeln mit auf. Es gab begabte und schwache Kinder, manche konnten Fahrradfahren, andere nicht, oder hatten keins. Jede Menge schiefe Zähne, schielende Augen, verschobene Hüften, gebeugte, ja krumm geschaffte Menschen.

An eine alte Frau kann ich mich erinnern, deren Gesicht habe ich nie gesehen, so gebeugt ist sie gegangen. Sie war die Mutter vom Bäcker und hat uns das Brot verkauft. Alte Menschen ohne Zähne, ohne medizinische Versorgung. Mit 60 alt, steinalt. Und alle lebten sie irgendwie zusammen und waren doch dramatisch unterversorgt, mitten drin, zumindest dabei irgendwie, aber hoffnungslos allein, einsam, ohne Ansprache, Förderung, Hilfe, Trost, Stärkung, Zuspruch. Das war womöglich inkludiert, aber es war auch isoliert und verloren und auf Lebenszeit festgelegt auf das Dilemma.

Nein, die gute alte Zeit, war nicht wirklich so gut, nur anders eben. Und es hat lange gedauert bis man angefangen hat von Behinderung zu sprechen, die einer besonderen Hilfe bedarf, bis Kinder endlich in Kindergärten und Schulen gehen konnten, die ihnen eine Chance gaben im Rahmen ihrer Möglichkeiten voran zu kommen und an Lebenstüchtigkeit, an Lebensqualität und Lebensfreude zu gewinnen, wo endlich betroffene Familien Entlastung und Hilfe erfuhren. Dass dann womöglich das eine Elend durch ein anderes ersetzt wurde und viele Menschen ins Ghetto ausgesiedelt wurden, das ist nicht zu leugnen. Es scheint mir ein sehr menschliches Phänomen zu sein, dass wir bestimmte Fehler korrigieren oder sogar abstellen, um postwendend die Hände frei zu haben, um andere, neue Fehler zu machen.

Wo wir herkommen, da hat es eine große Einsamkeit und Isolation gegeben für alles, was irgendwie nicht normal war. Gott sei Dank sind wir weiter als vor 50/60 Jahren.

Einrichtungen wie das Gemeinschaftswerk haben entscheidend dazu beigetragen, dass ein Netz gewebt wurde, das angefangen hat eng genug zu sein, damit niemand in die große Leere und Verlorenheit mehr fallen muss, nur weil die Konditionen seines Körpers und seines Geistes defizitär, behindert, reduziert, dezimiert sind.

Dabei hat uns ganz wesentlich das so genannte christliche Menschenbild geholfen, auf dessen Grundlage auch die Leitlinien des Gemeinschaftswerkes und vieler anderer diakonischer Einrichtungen stehen. Und das christliche Menschenbild ist eine Zumutung und ein Glücksfall zugleich:

2. Das christliche Menschenbild

Es beruft sich auf den biblischen Befund: Wie wird da vom Menschen gesprochen? Welche Koordinaten markieren sein Profil? Was sind die Signaturen seiner Beschaffenheit?

1. Wir sind Geschöpfe Gottes, gewollt, bejaht in unserer Eigenart.

2. Wir sehen Gott ein bisschen ähnlich, sind nach seinem Bild geschaffen – und das sieht man auch dem einen oder der anderen manchmal ein bisschen an. Aber nicht unbedingt Montags.

3. Wir sind ganz entgegen unserer Selbstwahrnehmung nicht perfekt. Im Gegenteil: Der Schöpfungsplan sieht vor, dass wir vollkommen unvollkommen sind und deshalb angewiesen auf Ergänzung, auf ein Gegenüber. Das erst macht uns fähig zu sozialer Kompetenz zu gelangen, weil wir einander brauchen.

4. Wir sind ganz entgegen unserer Überzeugung nicht unsterblich, machen Fehler, sind bis auf Weiteres jenseits von Eden, also nicht paradiestauglich, weil wir gerne nach dem falschen Obst greifen, wir haben das Talent zu Neid und Streit, lieben weder Bruder noch Schwester so richtig konsequent, sind wunderbar und schrecklich zugleich – und trotzdem liebt uns der Schöpfer und schmeißt seinen Regenbogen über unser Jammertal und gibt uns Zeit und eine neue Chance.

5. Jesus selbst hat dieses Menschenbild überzeugend verkörpert. Ehe er öffentlich auftritt, macht er einen Crashkurs in der Wüste, 40 Tage survival training und arbeitet dabei die entscheidenden teuflischen Fragen ein für allemal ab:

– Bin ich unabhängiger Selbstversorger oder brauche ich Gott wie das tägliche Brot?

– Bin ich unverletzlich und falle immer in die Arme schützender Engel, die mich vor allem Bösen bewahren?

– Kann ich selber alles beherrschen, bin omipotent und omnipräsent, oder hänge ich an der Nabelschnur der Liebe Gottes?

All diese Fragen hat Jesus beantwortet für sich und für uns:

Ich bin und bleibe in Gottes Hand. Angewiesen auf seine bewahrende Nähe, ich bin wahnsinnig verletzlich und gefährdet, man legt mich aufs Kreuz wos nur geht, aber ich gehe nicht unter, lebe ein sinnvolles und ewiges Leben, vor und nach dem Tod, ich kann und darf nicht alles, aber ich habe alles, wenn ich nur die Verbindung zu Gott halte und mich lieb habe, schon aus Respekt vor dem, der mich so gemacht hat, und dann nach dem Motto: Wie Gott mir, so ich Dir sogar andere lieben kann, die bekanntlich auch anders sind.

Seht welch ein Mensch! – sagt man und schaut auf Jesus, der Model steht für das, was gemeint ist. Er ist das Menschenbild schlechthin. Auch in der Art und Weise, wie er sich ein Bild von seinen Mitmenschen gemacht hat, wie er auf Gesunde und Kranke zuging, Tabus überwand und Nähe zu lies, Berührung und Zärtlichkeit, wie er die Außenseiter nach innen stellte und die Insider außer sich waren deshalb, wie er Kleine groß macht und die Großen dabei klein bei geben mussten, wie er gesellschaftliche Schablonen und Vorurteile sprengte und integrierte, was angeblich nicht zu integrieren war, wie er Grenzen überwand, auch die eigenen sogar, wie er Menschen half, sich zu finden, gut sogar, und damit eine Mitte und einen Weg – auch durch Leid und Kummerland.

Und so können wir festhalten: Das biblisch-christliche Menschenbild ist ein Bilderbuch und kein geklontes Standardprodukt, es ist ein all inclusiv-Entwurf: Da ist alles drin, Stärke und Schwäche, Glaube und Zweifel, Sanftmut und Zorn, Gelassenheit und Wahnsinn, Friedfertigkeit und Radikalität, Streiten und Streicheln, Lachen und Weinen, gesunden und erkranken, Gelingen und Versagen, helfen und heilen, feiern und fasten, zurückweisen und herbeirufen, ausweichen und entgegentreten, kommen und gehen, zu etwas kommen – und wieder abgeben, schenken und beschenkt werden, geboren werden und sterben, alles zu seiner Zeit – Wiege und Bahre – und darüber hinaus sogar Perspektive für die Ewigkeit.

Christliches Menschenbild kennt also weder die Kategorie „normal“ noch „unnormal“. Sondern nur SO und SO weder perfekt noch imperfekt, sondern es ist immer ein Sondermodell, eigenartig mit mehr oder weniger vielen handicaps und Abstrichen, immer ein einmaliger Entwurf, unverwechselbar und ganz schön schwierig.

Es gibt kein einziges Modell, das nicht eine Macke hätte, manche haben davon sogar viele, andere weniger, niemand ist ganz ohne …

Nur im Grad unserer Behinderungen unterscheiden wir uns – und das auch oft nur äußerlich.

Viele sind bei vermeintlicher Vollkommenheit arg amputiert nach innen und bei glänzender Haut und perfektem body ein nobody!

Und weil das so ist, sollten wir endlich aufhören mit dem Geschwätz vom gelingenden Leben, uns verabschieden von der gnadenlosen Erwartung vollkommenen Glücks, von der menschenverachtenden Sichtweise, es gäbe so etwas wie Vollkommenheit, unbedingte Gesundheit, unbeschadete Biographien, angstfreie Lebenslust zweifelsohne Zonen.

Wir sind nicht grenzenlos aber auch nicht chancenlos. Wir sind nicht zweifellos und nicht gottlos, das schon gar nicht, wir sind Menschen mit Behinderungen der verschiedensten Arten und Weisen wir brauchen einander sehr, das ist unser Leitbild für Freud und Leid.

So gesehen ist der Aktionsplan des Landes überraschend visionär und adäquat. Er antwortet dem Leitbild konsequent und radikal. Und das ist wahrscheinlich auch seine starke Schwäche:

3. Der AP als Gelobtes Land

Der Aktionsplan setzt meines Erachtens die UN Konvention konsequent um. Ja es ist eine Maxi-Version gewinnenden Zusammenlebens, aber mit der euphorischen Annahme, dass es die dazu passenden menschlichen Bedingungen gibt. Behinderung als genuiner Bestandteil menschlichen Lebens anzusehen, ja sogar als Quelle kultureller Bereicherung – das ist großartig, visionär und absolut wahr, aber es setzte eine Befindlichkeit und innere Bereitschaft, eine Qualität menschlicher Grundhaltung voraus, die wir leider noch nicht einmal tendenziell erreicht haben.

Kitas, Schulen, Betriebe für alle, kein Drinnen und Draußen mehr, durchmischte Gemeinschaft mit Achtsamkeit für jeden Einzelnen in seiner ganz eigenen Determination, das ist großartig, himmlisch sogar, das ist Paradies, wir aber leben jenseits von Eden, vorerst noch und müssen feststellen, dass wir diese wunderbare Idee zwar haben, aber nicht die passenden Leute dazu.

In unserem Land braut sich gerade wieder einmal eine menschenfeindliche Stimmung zusammen, Fremdheit wird diffamiert, die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander, das Vertrauen in Politik und glaubwürdige Führung geht verloren. Und in diesem Kontext davon zu sprechen, dass Erziehung, Bildung, Arbeit, Wohnen, Kultur, Leben umfassend integrativ, grenzüberschreitend, inkludierend gesehen kann, das ist so erstrebenswert wie aussichtslos, wie mir scheint, weil vorerst alte Ängste, Vorurteile, Egoismen noch im Vordergrund stehen. Das sind die eigentlichen Barrieren, die uns behindern zusammen zu leben.

Interessant finde ich die in der letzten Woche veröffentlichte Studie der GfK Nürnberg, die mehr als 1000 Menschen in Deutschland nach dem wichtigsten Wert befragt hat. Was ist Ihnen wichtig, wertvoll, absolut primär bedeutsam? Die Leute sagen mehrheitlich: die Sicherheit! Ich will sicher sein in meinem Leben, in meinem Land, in meinem Beruf, sicher in meiner Beziehung, in meinem Auskommen und Einkommen, in meinem Umfeld, ich will mit Sicherheit wissen, was kommt, wie es geht, sicheres Leben will ich.

Dieser Befund ist eindeutig und markiert ein Problem: Denn, wenn etwas sicher ist, dann das: Dass das Leben ein einziges Sicherheitsrisiko darstellt. Nichts ist sicher. Du kannst Dir nie sicher sein, Verunsicherung auf der ganzen Linie ist angesagt. Ob ich gesund, glücklich, aufgehoben, versorgt bin und bleibe – ist nicht gewiss.

Um diesem unbändigen Gefühl, dieser Sehnsucht, sicher zu sein, entgegen zu kommen, tun wir alles Mögliche und vor allem Unmögliche. Ich will ein Beispiel nennen, das zu unserem Thema besonders gut passt: In diesem Sommer hat der Bundesgerichtshof erlaubt, bei künstlich erzeugten Embryonen, die so genannte Präimplantationsdiagnostik PID vorzunehmen. Drei Tage nach der Befruchtung werden dabei Zellen auf Gen-Schäden untersucht. Die Eltern können anhand des Befundes dann entscheiden, ob der Embryo in den Mutterleib eingesetzt wird oder nicht. Da alle Eltern natürlich gesunde Kinder wollen, so viel ist sicher, sind sie jetzt in die Lage versetzt, über lebenswertes Leben zu entscheiden.

Aber wer kann sagen, ob ein Gendefekt wirklich zu einer Krankheit oder Behinderung führt? Das Erbgut eines wenige Tage alten Embryos wird nach Schäden abgesucht. Dabei weiß man längst, dass ein defektes Gen nicht zwangsläufig bedeutet, dass jemand krank wird. Aber mit dem Bedürfnis nach Sicherheit, Machbarkeit, souveränem Beherrschen werden hier Maßnahmen in die Wege geleitet, die alle Beteiligten in eine Verantwortung werfen, die sie niemals verantworten können.

Was ist lebenswert? Nur noch das Designer-Kind? Das fehlerfrei produzierte Leben mit Hand und Fuß? Mit diesem Beschluss sind wir jetzt an der Stelle angekommen, wo zukünftig jede Mutter und jeder Vater eines behinderten Kinder, sich rechtfertigen muss, verteidigen, weil Behinderung ja vermeidbar zu sein scheint. Behinderung wird zum verschuldeten Übel, das nicht korrigiert worden ist.

Die Solidarität mit behinderten Menschen wird dadurch aufgegeben. Denn alle Untersuchungen am ungeborenen Kind suggerieren, man könne Behinderungen ausschließen. Dabei sagen die Mediziner gleichzeitig, dass mindestens 75 % der angeborenen Behinderungen weder mit der PID noch mit Untersuchungen im Mutterleib vor der Geburt festzustellen sind. Aber das will niemand hören. Wir sind unsere eigenen Erfinder. Wir machen uns clean, schön, tadellos makellos. Unsterblich. Und wer das nicht schafft, wem das nicht gelingt, der hat sich schlicht seiner Verantwortung entzogen.

In einer self made-Gesellschaft hat ein Defekt kein Alibi mehr. Die Unvollkommenheit hat ihre Daseinsberechtigung verloren und muss entsorgt werden. Nach dem neusten Stand der Dinge, gäbe es mich und dich vielleicht gar nicht, wegen des genetischen Befundes. Mich hätte man wahrscheinlich gar nicht erst in die Produktion aufgenommen.

Aus dem Sortiment nehmen, einpflanzen, austragen… Und in diesem Klima sprechen wir von Inklusion, von einer toleranten Sanftmütigkeit, die alles Außergewöhnliche herein bittet und bei sich aufnimmt?

Das Leben als lebensgefährliches Risiko wird verdrängt. Geburt und Tod sind keine unverfügbare Widerfahrnis mehr, sondern individuell zu gestaltende Prozesse, medizinisch-technisch so manipuliert, beschleunigt, verzögert, verhindert – gesundes Leben ist jederzeit planbar und kontrollierbar.

Um aber den Aktionsplan ernsthaft umzusetzen, bräuchten wir Menschen, die vorurteilsfrei, mit der Demut eines Geschöpfes, das sich verdankt und nicht selbst erfunden daher kommt. Inklusion müsst also zuerst in Kopf und Herz der Menschen wohnen, als Grundhaltung, dann könnten wir hoffen, es  auch irgendwann ernsthaft zu tun. Aber davon sind wir vorerst noch weit entfernt und gerade dabei, uns noch weiter zu entfernen.

Der Wertewandel, die leeren Kassen, das Schrebergartendenken, die Angst vor allem, was fremd, anders, verrückt ist, das sind unsere Barrieren, gegen die wir anrennen.

Und deshalb werden wir bis auf Weiteres Übergangslösungen brauchen, weil wir noch nicht im gelobten Land angekommen sind, sondern eher mitten in der Wüste stehen und ums goldene Kalb tanzen, brauchen wir auf unserer Durststrecke vorerst noch ganz viel Lobbyarbeit mit Widerspruchsgeist und beharrlicher Verweigerung gegen den Trend. Wir brauchen Dolmetscher, die zwischen den verschiedenen Einzelzimmern im sozialen Raum hin und her übersetzen, Fürsprecher, Mittelsmänner und Frauen, Brückenbauer, die im Wartezimmer der Zukunft bereit stehen, um auf dem Weg zu einer Inklusion die Inkubationszeit zu gestalten.

Und um diese Zwischenzeit nur relativ möglicher Inklusion zu gestalten, brauchen wir tragfähige Lösungen. Ich will mit einem kurzen biblischen Beispiel schließen, das verdeutlicht, wie das gehen könnte:

4. Tragbare

Im Markusevangelium 2. Kapitel (Mk.2, 1-12) wird erzählt, dass Jesus in Kapernaum am See Genezareth eine Massenkundgebung initiiert. Die Menschen strömen zusammen, das Haus, in dem er spricht ist überfüllt und draußen stehen sie auch dicht gedrängt. Und da gibt es in dem Ort einen Gelähmten, einen Gichtbrüchigen, wie es bei Luther heißt. Der kann nicht dabei sein. Der hat keine Chance inkludiert zu werden. Alleine jedenfalls nicht. Aber jetzt kommen tatsächlich vier Träger, die nicht träge sind, und legen ihn auf eine Tragbahre und gehen los. Aber sie kommen nicht weit. Die Menge steht im Weg. Die Barrierefreiheit ist noch nicht umgesetzt.

Da steigen sie dem Jesus aufs Dach, unternehmen unglaublich Spektakuläres, decken das Dach ab, machen ein Loch rein und lassen den Gelähmten herunter, seilen ihn ab, direkt Jesus vor die Füße. Und da heißt es doch tatsächlich: Als Jesus ihren Glauben sah, also den Glauben der vier Dachdecker, da ist er offensichtlich schwer beeindruckt und wendet sich dem Gelähmten zu und macht ihn an Leib und Seele gesund.

Will sagen: Bis auf Weiteres brauchen wir Leute, die gelähmtes Leben wahrnehmen, aufheben, in Bewegung bringen und wenn es sein muss, denen aufs Dach steigen, die alles so anberaumt haben wollen, dass niemand mehr außer ihnen selbst an die Reihe kommt. Nur so können wir verhindern, dass es bei uns unerträglicher wird.

Das ist unser Beitrag, dass wir tragfähige Beförderer werden und bleiben, die solche Inklusionsübungen möglich machen. Denn: Vorerst üben wir noch.

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