Dr. Karlheinz Lipp
Friedrich-Wilhelm-Straße 42, 12103 Berlin
Im November 1928 lud Karl Wilhelm Wien, der zu dieser Zeit Pfarrer in Heuchelheim war, zu einer Zusammenkunft auf den Diemerstein für den 26. November ein. Das Gesprächsthema sollte die kirchenpolitische Situation innerhalb der Pfälzischen Landeskirche sein. Den Auftakt bildeten kurze Referate zu den entsprechenden Gruppierungen der Landessynode nach der Wahl vom Mai 1927, also: liberal, positiv, religiös-sozialistisch und parteilos (bzw. Friedenspartei, wobei sich der Begriff nur auf den Frieden innerhalb der Landeskirche bezog).
Im Anschluss an die Referate fand eine Aussprache statt, die folgende Aspekte beinhaltete: Neues Testament und Parteien, Gemeinde Jesu und Glieder, die Organisationsform der Landeskirche und die Parteien sowie Grund, Aufgabe und Zukunft der Kirche Jesu. Mit Parteien waren nur die verschiedenen kirchenpolitischen Positionen gemeint. Die Einladung ging an: Damian, Kopp, Stempel, Brünings, Roland, Neumüller, Sutter, Gross, Köhler, Schaller, Schmidt, Hust. Die religiös-sozialistische Position sollte von Damian dargestellt werden.
Im Sommersemester 1912 studierte Oswald Damian (1889-1978) in Zürich bei Leonhard Ragaz (1868-1945) und erfuhr durch ihn seine entscheidende theologische und politische Prägung. Ragaz gehört zu den Begründern des religiösen Sozialismus und vertritt einen demokratischen, genossenschaftlichen und pazifistischen Sozialismus. Im Zentrum seiner Theologie steht die Botschaft vom Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit für die Erde. Dieser zentrale Ansatz lässt sich auch bei Damian mehrfach nachweisen.
Nach dem Ersten Weltkrieg konstituierten sich in einigen Teilen Deutschlands religiös-sozialistische Gruppen, ab 1926 vereint im Bund der religiösen Sozialisten Deutschlands. Der organisatorisch starke Landesverband in Baden (Erwin Eckert, Heinz Kappes) half tatkräftig mit beim Aufbau des Volkskirchenbundes evangelischer Sozialisten in der Pfalz. Am 28. November 1924 predigte Oswald Damian in Speyer als erster religiöser Sozialist der Pfalz. Neben ihm wirkten seine Kollegen August Kopp (Rehborn) und Georg Wambsganß (Neuhofen) als religiös-sozialistische Pfarrer.
Die Wahlen zur Landessynode fanden im Mai 1927 statt. Vorausgegangen war ein regelrechter Wahlkampf mit entsprechenden Veranstaltungen. Lediglich zu dieser Wahl einer Landessynode trat eine religiös-sozialistische Liste (auch mit Arbeiterinnen und Arbeitern) an und erreichte 11,7 % der Stimmen. Die traditionell vorherrschende bürgerliche Dominanz der Liberalen (44,3 %) und Positiven (38,4 %) blieb unangetastet. Diese beiden landeskirchlichen Gruppen teilten sich die 18 Dekanatsposten je zur Hälfte.
Damians handschriftliches Referat, das hiermit erstmals veröffentlicht wird, gliedert sich in insgesamt vier Punkte, in denen er sich zunächst skeptisch zu den anderen kirchenpolitischen Gruppierungen äußert, um danach seinen eigenen religiös-sozialistischen Standpunkt zu erläutern.
Warum bin ich „Religiöser Sozialist“?
Lassen Sie mich zunächst sagen, warum ich alles andere nicht bin.
1. Warum nicht positiv?
Schon der Name klingt anmaßend u. beleidigend gegenüber denen, die nicht zur „Pos. Partei“ gehören. Positiv, inwiefern denn? Machen ihre Parteiangehörigen im Leben mehr Ernst mit Jesu Willeals andere Christen? Gewiß nicht – vielleicht ganz Ernst mit dem Bibelwort? jedem Wort?
Der Eindruck wird wohl vor der Gemeinde erweckt, aber die Verbalinspiration ist auch hier längst aufgegeben. Prinzipiell stehen die posit. Theologen der Bibel ebenso gegenüber wie die Liberalen, nämlich kritisch. Warum das nicht offen zugeben? Die Gefahr der Heuchelei liegt hier nahe. – Positiv gegenüber der Kirchenlehre? Wohl schleppen sie Bündel von Kirchenlehren mit als andere Christen, aber wie vieles sind Worte, Worte, Worte! Was einst wirkliches Bekenntnis u. Leben war, ist zum Dogma erstarrt, auch für die positiven Christen tot. Es wird nur noch „geglaubt“. In Glaubenslehren, Ansichten über Gott u. Christus wird das Heil gesucht, als ob Jesus jemals einen Menschen nach seinen Ansichten über Gott gefragt hätte! Das Leben war ihm alles, die Lehre nichts. (weil ich bei den Positiven eine unberechtigte Schätzung, ja Überschätzung der Lehren finde, viel Gesetzesgeist, zu wenig christl. Tat u. Leben darum werde ich dieser Partei nie angehören.) [Dieser Satz in Klammern wurde mit Bleistift durchgestrichen.] –
Positiv gegenüber der Welt u. der Wirklichkeit des Lebens? Ja, nur allzu positiv gegenüber den bestehenden u. gewesenen Mächten. Die Religion bleibt etwas rein Innerliches, ein Gebiet für sich, es fehlt an der Kraft der Weltumgestaltung. Reaktion ist Losung statt Aktion. Man schwärmt noch immer für Thron und Altar, Rasse und Panzerkreuzer [Im Jahre 1928 billigte der Reichstag den Bau des Panzerkreuzers A.].
Gott wird nur in die Vergangenheit gerückt statt in [die] Gegenwart u. Zukunft. In ihrer engen Verbindung mit der „Deutsch-Nationalen“ Partei (auch so eine Anmaßung!) ist eine wirkliche soziale Betätigung unmöglich (siehe Unterstützungsaktion gegenüber den Ausgestoßenen!). Die „Innere Mission“ ist wohl eine Ambulanz der vom Leben Zerschlagenen, fasst aber nicht das Übel an der Wurzel, ist keine soziale Tat. Was den Positiven Hauptsache, ist mir Nebensache u. umgekehrt. Darum nicht positiv.
2. Warum nicht liberal?
Die Zeit des Liberalismus liegt hinter uns. Wohl hat er das große Verdienst, die Kirche vor völliger Erstarrung bewahrt zu haben. Ohne ihn wäre die intellektuelle Welt der Kirche gänzlich verloren gegangen. Er vertritt den gesunden evgl. Grundsatz der Glaubens- und Gewissensfreiheit u. die rechte Erkenntnis, dass „Glauben“ an Lehren, u. wären sie noch so alt-ehrwürdig, nicht selig macht. Der Liberalismus hat dadurch, daß er oft übers Ziel schoß, auch die Positiven zu einem kleineren oder größeren Maß von Liberalismus bekehrt, er ist der Vater der „Modern-Positiven“.
Insofern die Gefahr der Gewissensvergewaltigung in unserer Kirche noch immer besteht, hat der Liberalismus noch immer [einen] Wächterdienst zu leisten. Aber kann eine solche rein negative Aufgabe (die negative Aufgabe gibt ihm wenigstens das Gepräge) genügen? –
Eine Kraft der Weltumgestaltung (Weltüberwindung) geht von ihm auch nicht aus. Religion ist ihm bloße Stimmung, auch (wie bei den Positiven) etwas rein Innerliches. Er findet sich mit den herrschenden Mächten gar zu gern ab. Einseitige Richtung auf das Jenseits kann man ihm allerdings nicht vorwerfen, aber allzu große Kulturfreudigkeit, Verklärung der Welt, wie sie ist. Zu wenig fromme Kühnheit; die Gefahr des Philistertums ist groß. Seine Bindung an die politischen liberalen Parteien hindert ihn an sozialen Taten. Eigengesetzlichkeit von Wirtschaft u. Politik ist sein Schlagwort.
3. Warum nicht parteilos?
Weil es das für uns Menschen nicht gibt. Nur Gott ist parteilos, d. h. über den Parteien stehend, das Wahre und Falsche erkennend. Es ist wohl sehr bequem, keine Farbe bekennen zu müssen; wer aber allzu gerecht sein will, tut allen unrecht. Nur in der Partei, wenn auch einseitig, kann man eine Idee erfolgreich vertreten. Wir haben das Gefühl, dass zu religiöser Kraft nun einmal eine gewisse Einseitigkeit, ja Engigkeit (Barth) gehört. Wohl ist es wahr: solange Parteien sind, solange [ist] Kampf. Und dieser Kampf entspringt dem tiefen Gefühl, dass die Wahrheit immer nur eine sein kann. Aber nicht dass wir kämpfen, ist von Übel. Kampf erhält frisch und gesund. Alles kommt darauf an, wie wir kämpfen, ob in Fanatismus u. Verketzerungssucht oder im Geist der Freiheit, ob in Demut oder in Hochmut, ob wir die Wahrheit in Theorien erblicken oder in Kräften u. Wirklichkeiten. Wir müssen die grenzenloseste Weitherzigkeit üben in der demütigen Ehrfurcht vor der Wahrheit Gottes, die uns noch nicht bis in ihre letzten Tiefen bekannt ist (1. Kor. 13, 9f.). Vertreten wir die Wahrheit die wir zu kennen glauben, in Treue u. Lauterkeit des Herzens, sei es im Kampf, sei es in Frieden, u. überlassen wir’s Gott, die ganze Wahrheit zu offenbaren.
4. Warum „Religiöser Sozialist“?
Weil ich hier das positivste Christentum finde, weil die Wahrheit, die die Positiven zu vertreten meinen (ernst zu machen mit dem Christentum) und die Liberalen vertreten (Gewissensfreiheit), hier voll und ganz vertreten wird. Liberal sind wir Rlg.-Sozialisten, weil wir jedem Gewissensfreiheit garantieren, die Meinungen der Menschen über rlg. Dinge auf sich beruhen lassen, Kirchenlehren haben für uns nur ein historisches Interesse. Die Bibel ist uns kein Lehrbuch, auch kein Gesetzbuch, sondern ein Buch des lebendigen Gottes. Weil das Leben widerspruchsvoll [ist], stoßen wir uns auch nicht an den Widersprüchen der Bibel, noch suchen wir sie zu verwischen, sondern stehen ihnen frei gegenüber. Weil wir den lebendigen Gott kennen, haben wir auch Achtung vor dem Geheimnis Gottes in einer fremden Seele. Anstelle des Richters tritt das Verstehen. Christi-Lehren darf man nicht sagen; denn er hatte keine – Christi Wille ist uns einzig u. allein maßgebend. Aus seinen Worten hören wir heute noch den gegenwärtigen Gott zu uns reden. Kirchenlehren vergehen, seine Worte sind ewig. Sofern wir mit seinem Willen ernst zu machen suchen in der ganzen Wirklichkeit der Welt (nicht etwa mit den Kirchenlehren), sind wir positiver als die positivsten Kirchenchristen. –
Wir bejahen auch mit Jesus das leibliche Leben des Menschen. Ein gesunder Materialismus, den andere für ihre werte Person stets vertreten, nur für ihre Mitmenschen nicht immer, erscheint uns notwendig. Das Leibliche ist uns die Grundlage, auf dem das relg. sittl. Leben sich aufbaut. Wo das Fundament nicht in Ordnung [ist], kann das ganze Gebäude nicht bestehen. Darum zuerst das Leibliche, dann das Geistige! (General Booth: „Man kann von den Menschen nicht [ein] rlg. sittl. Leben verlangen, die dauernd an kalten Füßen leiden.“ – Schiller: „Zu essen gebt ihm, zu leben! Habt ihr die Blöße bedeckt, gibt sich die Würde von selbst!“ Naumann: „Der Mensch muß erst zu leben haben, wenn er christlich leben soll!“).
Das Christentum ist uns nicht eine, sei’s übernatürliche, sei’s natürliche Weltanschauung, sondern ein Versuch die Welt praktisch u. seelisch (beides gehört stets zusammen) umzugestalten, eine lebendige Geschichte, die auf Erlösung des Einzelnen u. der Gesamtheit geht. Nicht lassen wir etwa das Religiöse im Sozialen aufgehen, sondern dehnen das Religiöse auch auf das Soziale, überhaupt auf das ganze Leben aus. Wir sagen: Gott u. die Seele u. der Bruder. Darum religiöse (christl.) Sozialisten. – Sozialisten sind wir, nicht nur sozial, weil wir in der kapitalist. Wirtschaftsordnung, die am Profit, nicht am Menschen orientiert ist, das Hindernis für eine leibliche, geistige u. seelische Gesundung der Menschheit erblicken. Ihr gilt unser Kampf. Unsere Forderung ist eine Wirtschaftsordnung, die vom Menschen ausgeht u. einzig den Menschen zum Ziel hat: die sozialistische, d.i. die christliche. Wir leugnen nicht, dass der Mensch, der eine gewisse Höhe des Christentums erreicht hat, mit jeder Wirtschaftsordnung für seine Person sich abfinden kann, aber die große Masse der Ausgebeuteten kann’s nicht. Wir glauben nicht, daß die sozial. Ordnung bereits das Reich Gottes auf Erden darstelle, aber dass sie ein Weg dahin sei, glauben wir allerdings.
Das Reich Gottes auf Erden, das Christi u. unser Ziel ist, kommt durch Gott, nicht durch uns, aber wir sind seine Wegbereiter, Gottes Handlanger. Wenn wir das Reich Gottes mit Jesus auf Erden erwarten („Dein Reich komme!“, „Es ist mitten unter euch“, nicht „in euch!“) u. herbeisehnen, so bedeutet das noch nicht, dass wir auf eine ewige Bestimmung jeder Seele verzichten. Ein neuer Himmel u. eine neue Erde ist unsere Hoffnung. Also nicht weniger als die anderen kirchl. Parteien erwarten wir vom Christentum, sondern viel, viel mehr. Darum bin ich Rlg. Sozialist.
Dahn, den 22. XI. 28
Oswald Damian
Damians Bewerbung nach St. Ingbert im Jahre 1928 scheiterte, daher wechselte er ein Jahr später von Dahn nach Pirmasens und trat der SPD bei. Die Schuhmetropole zählte zu den Hochburgen der NSDAP in der Pfalz. Bereits 1924 wählten 23% den nationalsozialistischen „Völkischen Block“, und 1929 zogen nach den Kommunalwahlen NSDAP-Bürgermeister in die Rathäuser von Pirmasens und Kusel.
Schon im Vorfeld der Berufung Damians protestierten Industrie und Wirtschaft von Pirmasens in einem Brief vom 8. Oktober 1928 an den Landeskirchenrat gegen den Religiösen Sozialisten. Auch der Presbyter Gaubatz sprach sich 1929 gegen Damian aus. In Pirmasens wurde Damian als „Genossenpfarrer“ diffamiert. Angesichts dieses gesellschaftlichen Drucks konnte es nicht verwundern, dass sich Damian Anfang 1931 auf die Stelle eines Gefängnisseelsorgers in Celle bzw. Breslau, also weit weg von der Pfalz, bewarb – allerdings erfolglos.
Neben dem Engagement für soziale Gerechtigkeit gehörte nach dem Erfolg der NSDAP bei den Reichstagswahlen vom 14. September 1930 der Kampf gegen den deutschen Faschismus zu dem zentralen Anliegen der religiös-sozialistischen Bewegung. In Predigten und Artikeln in der religiös-sozialistischen Presse demaskierte Damian mutig die menschenverachtende und kriegstreibende Politik der NSDAP und kritisierte Pfarrer, die sich für den Stahlhelm und den Nationalsozialismus aussprachen. Rechte Kreise in Pirmasens versuchten 1930/31 den religiös-sozialistischen Pfarrer durch ein kirchliches Dienstverfahren und eine öffentliche Herzkampagne aus dem Amt zu drängen – jedoch vergeblich. Als Nachrücker für seinen religiös-sozialistischen Kollegen August Kopp, der Sozialpfarrer der Landeskirche wurde, zog Damian 1930 in die Landessynode ein. Im Jahre 1932 wurde Damian beim religiös-sozialistischen Jahresfest in Pirmasens zum Landesvorsitzenden der Religiösen Sozialisten der Pfalz gewählt.
Im gleichen Jahr publizierte er seine prophetische Schrift Die Religion ist in Gefahr! Damians Hauptthese lautet: Die Religion ist bedroht, aber nicht durch den Sozialismus, sondern durch de deutschnationale und nationalsozialistische Einstellung vieler kirchlicher Kreise. Im ersten Kapitel seiner Schrift entlarvt der Religiöse Sozialist das „positive Christentum“ der NSDAP als arisch-völkischen Rassismus. Im dritten und umfangreichsten Kapitel sieht der Pirmasenser Pfarrer die Religion durch die vielen Kriegstheologen gefährdet, die der Friedensbotschaft Jesu und dem fünften Gebot diametral gegenüber stehen.
Unmittelbar nach dem Reichstagsbrand setzte die „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28. Februar 1933 die Grundrechte in Deutschland außer Kraft. In den folgenden Wochen organisierte der NS-Staat eine große Verhaftungswelle überwiegend gegen Mitglieder der SPD und KPD. Zu diesen ersten Opfern zählte auch Damian als einziger Pfarrer der Landeskirche. Der Religiöse Sozialist wurde am 20. März 1933 auf dem Weg von der Schule in seine Wohnung in „Schutzhaft“ genommen und in das Konzentrationslager „Rheinpfalz“, zeitgenössisch als „Arbeitslager“ verharmlost, bei Neustadt/Haardt eingeliefert. Die ehemalige Turenne-Kaserne diente dem NS-Staat als erstes Konzentrationslager in Bayern, Misshandlungen durch die Wachmannschaften führten zu mindestens zwei Suizidversuchen. 356 namentlich bekannte Gegner des NS-Staates wurden in diesem Konzentrationslager inhaftiert – Damian im Raum 25. Kirchenpräsident Keßler beschwerte sich am 30. März in einem Schreiben an den SA-Sonderkommissar der Kreisregierung, Fritz Schwitzgebel, über diese Verhaftung. Vermutlich als folge dieses Protests wurde Damian kurzfristig beurlaubt, aber nur um die Konfirmation an Palmsonntag in Pirmasens durchführen zu können. Insgesamt blieb der Pfarrer drei Monate inhaftiert. Danach musste er sich täglich bei der Gestapo melden – diese gravierenden Einschnitte prägten fortan sein Leben. Der massive Druck des NS-Staates zeigte weitere Folgen: Ende März löste sich der religiös-sozialistische Landesverband der Pfalz auf, Damian trat zum 1. April 1933 aus der SPD aus.
Der Landeskirchenrat beurlaubte den Pirmasenser Pfarrer am 3. April. Dekan Rieder und das Presbyterium, die Damians Verhaftung nicht kritisiert hatten, verlangten seine Versetzung. Angesichts einer unklaren Zukunft erklärte sich Damian damit einverstanden und der Ehemann und mehrfache Vater veränderte sein Verhältnis zur NSDAP leicht. So könne er eine Realisierung der „Volksgemeinschaft“ befürworten. Am 16. Juli erfolgte Damians Versetzung in den Ruhestand, am 16. April 1934 verlieh ihm die Landeskirche die Pfarrstelle in Dörrenbach im Dekanat Bad Bergzabern. In den weiteren Jahren des NS-Staates ging Damian den Weg in die innere Emigration.
Die zaghaften Versuche nach 1945 den Religiösen Sozialismus neu aufzubauen, scheiterten. Damians zweiter Antrag als Opfer des Faschismus anerkannt zu werden, hatte Erfolg – er bekam eine bescheidene Summe.
Seinem pazifistischen Standpunkt blieb Damian treu. Um 1960 schrieb er einen Zeitroman mit dem Titel Zu spät, der teilweise und posthum publiziert wurde. Darin spricht er sich für eine konsequente Abrüstung aus und lehnt, wie auch schon in der Weimarer Republik, eine Rechtfertigung des Krieges ab. Atomwaffen seien ein Grund mehr, Krieg und Gewalt zu kritisieren, da sie eine Illusion von Sicherheit bedeuteten. Der Musikliebhaber und Orgelspieler starb am 20. März 1978 in Kandel im Alter von 89 Jahren.
Am 19. März 2016 wurde an der Lutherkirche in Pirmasens eine Gedenktafel für Damian enthüllt, der von 1929 bis 1933 dort wirkte. Die Landeskirche plant ein Glasfenster zu Ehren Damians.
Quelle
Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz, Abt. 160, Nr. 175 (Abkürzungen, Rechtschreibung und Unterstreichungen folgen dem Original. Für den Hinweis auf diese Quelle danke ich Dr. Gabriele Stüber vom Zentralarchiv der Landeskirche ganz herzlich. Meine Erläuterungen stehen in eckigen Klammern.)
Literatur
Lipp, Karlheinz: Oswald Georg Damian. In: Christoph Picker/Gabriele Stüber/Klaus Bümlein/Frank-Matthias Hofmann (Hg.): Protestanten ohne Protest. Die evangelische Kirche der Pfalz im Nationalsozialismus. Band 2, Kurzbiographien, Anhang. Speyer, Leipzig 2016, S. 680-682
Lipp, Karlheinz: Gegen Nationalsozialismus und Krieg – die prophetische Schrift eines religiösen Sozialisten und Pazifisten aus der Pfalz: Oswald Damian, Die Religion ist in Gefahr! (Mannheim 1932). In: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz, 2002, 463-497