Luther und die Literatur

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Dr. Baldur Melchior
Am Bahndamm 12, 66869 Kusel

Matthias Luserke-Jaqui: „Ein Nachtigall die waget“. Luther und die Literatur,

Tübingen 2016, ISBN 978-3-7720-8590-1, 239 Seiten, 32,90 Euro.

Im Jahre 1955 veröffentlichte der namhafte Heidelberger Theologe und anerkannte Luther-Forscher Heinrich Bomkamm sein Buch „Luther im Spiegel der deutschen Geistesgeschichte“. Es war der theologischen Fakultät der Universität Uppsala gewidmet, als ein Zeichen des Dankes für die dem Verfasser verliehene Ehrendoktorwürde.

Bornkamm beschreibt das Anliegen seiner Untersuchung so: „Jede Darstellung und Beurteilung Luthers und der Reformation bedeutet eine Auseinandersetzung mit den Grundlagen unserer neueren Geschichte. Wie keine andere Gestalt hat die Luthers immer von neuem zu einer umfassenden Besinnung sowohl über die religiösen und geistigen wie über die politischen Probleme unseres Lebens gezwungen. Keine Bewegung, keine Epoche konnte diesen Fragen ausweichen“ (a.a.O.S. 11).

Diese Sätze Heinrich Bornkamms könnten auch für das im ersten Halbjahr 2016 veröffentlichte Buch eines Nicht-Theologen zutreffen, nämlich für Matthias Luserke-Jaqui, Ordinarius für Neuere deutsche Literaturwissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt und Leiter des dortigen Instituts für Sprach- und Literaturwissenschaft. Sein im Mai dieses Jahres erschienenes Buch trägt den Titel: „Ein Nachtigall die waget”. Luther und die Literatur.

Luserke-Jaqui sieht sich als Literaturwissenschaftler bei der historisch-kritischen Lektüre von ausgewählten exemplarischen Textstudien über Martin Luther durchaus nicht in einer Konkurrenzsituation zur Theologie: Beide Disziplinen, Literaturwissenschaft und Theologie, sollten „geschwisterlich diese Aufgabe weiter verfolgen“. Freilich sieht Matthias Luserke-Jaqui für seine Person doch einen Hang zur Theologie. Mit den Worten eines Zitats von G.E. Lessing (1778) bekennt er: „Ich bin ein Liebhaber der Theologie, und nicht Theolog.“

Mit dem Blick des Literaturwissenschaftlers und zugleich des „Liebhaber-Theologen“ spürt Luserke-Jaqui dem Wandel und der Fortentwicklung des Lutherbildes im Verlauf von 500 Jahren deutscher Literatur- und Kulturgeschichte nach. Der literarhistorische Bogen spannt sich von der „Wittenbergisch Nachtigall” (1523), einer lobpreisenden Allegorie auf Martin Luther von dem Nürnberger Meistersinger Hans Sachs – bis hin zu literarischen Zeugnissen der Moderne (z. B. Rolf Hochhuth, 9 Nonnen fliehen, 2014).

Nicht berücksichtigt hat Luserke-Jaqui in seinem Buch „die Menge der flachen, trivialen Luther-Erzählungen, Luther-Romane und Luther-Gedichte des 19. Jahrhunderts. Ebenso bleiben auch nationalsozialistische Elaborate außen vor. Die Zeit hat hier ihr Urteil gesprochen und es ist nichts mehr aus diesen Texten zu lernen“ (A.a.0., S. 9f.).

Matthias Luserke-Jaqui gliedert sein Buch in folgende Abschnitte:

Vorwort

1. Einleitung – Martin Luther und die Literatur

Exkurs: Sechs Bemerkungen über die Deutung von literarischen und religiösen Texten

2. Zwischen Bekenntnis und Verachtung – Das Luther-Bild in der Frühen Neuzeit

3. „Bruder Martin“ – Das ,neue’ Luther-Bild im 18. Jahrhundert

4. Zwischen Hymnik und Trivialisierung – Das Luther-Bild im 19. Jahrhundert

5. Das Luther-Bild der Moderne

Anhang

Bibliographie

Register

Fazit: Matthias Luserke-Jaqui hat ein ungemein lesenswertes Buch vorgelegt, dessen Anschaffung sich auf jeden Fall lohnt. Ein wertvoller, interessanter, kenntnisreicher Beitrag zum großen Luther- und Reformationsjubiläum 2017.

Der Autor: Univ.-Professor Dr. Matthias Luserke-Jaqui, geb. 1959, verheiratet, 4 Töchter, lehrt Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der TU Darmstadt. Studium der Germanistik, Philosophie, Ev. Theologie und Komparatistik in Tübingen und Saarbrücken. Promotion 1986 (Wirklichkeit und Möglichkeit. Modaltheoretische Untersuchung zum Werk Robert Musils, 1987). Habilitation 1993 (Die Bändigung der wilden Seele. Literatur und Leidenschaft in der Aufklärung, 1995). Seine Lehr- und Forschungsgebiete umfassen die Literatur vom Beginn des Buchdrucks bis zur Gegenwart mit den Schwerpunkten Kulturgeschichte der Literatur, 18. Jahrhundert, Literatur der klassischen Moderne und Literaturtheorie. Matthias Luserke-Jaqui lebt mit seiner Familie in Kusel. Die Ehefrau unterrichtet als Studienrätin am dortigen Gymnasium und ist Presbyterin in der örtlichen Kirchengemeinde.

Eine stattliche Anzahl von Buchveröffentlichungen Luserke-Jaquis ist in den letzten drei Jahrzehnten zu verzeichnen – beginnend mit „Tractatur methodo-logicus. Zum modalkategorialen Aspekt einer Literaturästhetik“ (1988) und bis jetzt endend mit dem besprochenen Buch „’Ein Nachtigall die waget’. Luther und die Literatur“ (2016).

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