Dokumentation aus dem Pfälzischen Pfarrerblatt 1924

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Die Zentralisation der Pfründen

Seit vielen Jahren setzten sich die pfälzischen Pfarrer und der Pfarrverein, ihre Organisation, für eine Zentralisation der Pfründen ein. Die Gründe sind leicht erkennbar. Der einzelne Pfarrer sollte von Dingen ferngehalten werden, die nicht zu seinem Aufgabenkreis gehören. Seine landwirtschaftliche Tätigkeit sollte auf ein Minimum beschränkt werden, damit er seine ganze Kraft für seinen Seelsorgerberuf frei habe. Er sollte von allen lästigen Verhandlungen und Auseinandersetzungen mit den Pächtern entbunden werden, die ihm oft Mißhelligkeiten in der Gemeinde bereiteten und so seine Tätigkeit als Seelsorger erschwerten. Wichtiger war noch ein anderer Gesichtspunkt. Es sollte die Abhängigkeit der Gehaltsbezüge von dem Ertrag der Pfründe beseitigt und eine Alter, sowie Familienstand berücksichtigende Gehaltsordnung entsprechend dem Vorbild der staatlichen Beamtenbesoldungsordnung geschaffen werden. Schon vor der Zentralisation der Pfründen gab es Dienstalterszulagen, die der Staat gewährte. Auch wurde dem Pfarrer sein Pfründeeinkommen auf seine staatlichen Gehaltsbezüge angerechnet. Aber die staatlichen Bezüge und Ergänzungen berücksichtigten lediglich das fassionsmäßige Pfründeeinkommen. Die Differenz zwischen Fassion und tatsächlichem Pfründeeinkommen war bald klein, bald groß und bewirkte Ungleichheiten in der Bezahlung gleichaltriger Pfarrer, die oft recht bedeutend waren. So ist es zu erklären, daß das Einkommen der Geistlichen bis zu einem gewissen Grade von der einzelnen Stelle abhängig war, sich steigerte oder verringerte je nach dem Orte der Verwendung. Die Zulagen aus der Kirchensteuer minderten diese Ungleichheiten, hoben sie aber nicht auf. Die instruktiven Normen über die Besetzung erledigter Pfarrstellen bestimmten, um die Gehaltsvorrückung, welche die Ernennung auf eine Pfarrstelle mit guter Pfründe mit sich brachte, vornehmlich den älteren Bewerbern zugänglich zu machen, inwieweit diese älteren Bewerber die jüngeren von der Aufnahme in die Bewerberliste ausschlossen. Die Gehaltsverhältnisse rechtfertigten diese Bestimmungen, die andererseits die Folge hatten, daß besonders gut dotierte Stellen nur mit älteren Pfarrern besetzt wurden und überhaupt die Belange der Gemeinden nicht immer die nötige Berücksichtigung fanden. Mit der neuen Kirchenverfassung verschwanden diese Bestimmungen der instruktiven Normen und seit 2 Jahren haben wir die Zentralverwaltung der Pfründen. Nunmehr war das Einkommen der Geistlichen unabhängig von der jeweiligen Stelle geworden. Der Stelleninhaber hatte mit der Pfründe nichts mehr zu tun. Finanziell war der Geistliche den Staatsbeamten gleichgestellt. Ein lang ersehntes Ziel war erreicht.

Wie hat sich die Zentralisation bewährt? Nach 2 Jahren kann man von einer Bewährung oder Nichtbewährung eigentlich noch nicht sprechen. Selbst in normalen Zeiten würde erst die Erfahrung einer größeren Reihe von Jahren eine zutreffende Antwort auf die oben gestellte Frage gewährleisten. Wie viel mehr werden wir in dieser außergewöhnlichen Zeit mit ihren abnormen Währungsverhältnissen mit unserem Urteil vorsichtig sein müssen. Vieles was auf das Schuldkonto der Zentralisation gesetzt wurde, würde richtiger á Konto Währungsverfall gebucht. Wie war es denn auf anderen Gebieten? Die Kirchensteuer, die im letzten Jahre erhoben wurde, hat nichts eingebracht, weil sie in dem Zeitraum zwischen Erhebung und Ablieferung völlig entwertet worden ist. Es hat 1923 Monate gegeben, in denen alle eingegangenen Reichssteuern noch nicht 1 Prozent der Ausgaben des deutschen Reiches deckten. Wem fiele es deshalb ein, die Kirchensteuer oder sämtliche Reichssteuern als unpraktisch und unbrauchbar zu bezeichnen? Sicherlich hat der Pfründeverband insbesondere 1922 nicht in dem Maße, wie es erwartet worden ist, die Gehälter der Geistlichen auffüllen können. Aber es ist kein Zweifel, daß die Geldentwertung, dieser schlimmste Feind der Pfründeverwaltung, fast ausschließlich daran schuld gewesen ist. Diese Geldentwertung hat sich in dem Maße, wie sie erfolgt ist, nicht voraussehen lassen. Die Pachtverträge waren darauf nicht eingestellt. Sie lauteten vielfach auf Papiermark. Und selbst die Verträge jüngeren Datums, die eine automatische Anpassung an die Geldentwertung vorsahen, erwiesen sich z. T. als mangelhaft, wie zwischen dem Tag, der für die Berechnung maßgebend war, und dem Zahlungstermin ein zu großer Zwischenraum lag. Sodann wollten sich die Pächter an vielen Orten 1922 noch nicht daran gewöhnen, daß die Geldentwertung bei der Festsetzung der Pachtsumme voll zu berücksichtigen sei. Die Erhebung konnte in dem genannten Jahre, bei all den Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, nur allmählich vorgenommen werden. Doch selbst, wenn die Pachterträgnisse auch mit der größtmöglichen Beschleunigung eingezogen worden wären, bei einem so rapiden Währungsverfall, wie wir ihn in den letzten Jahren erlebt haben, hätten sich Verluste nicht vermeiden lassen. Daraus die Schlußfolgerung zu ziehen, der Pfründeverband habe sich nicht bewährt und sei deshalb aufzulösen, hätte nur dann einen Sinn, wenn man gleichzeitig annehmen würde, daß der Währungsverfall der letzten Jahre sich noch lange Zeit fortsetzen werde. Das ist aber sehr unwahrscheinlich.

Doch auch für den Fall, daß eine neue starke Inflation sich einstellen sollte, wäre erst noch festzustellen, ob wirklich die vollständige Rückgabe der Pfründen an die einzelnen Pfarrer einer centralisierten Verwaltung vorzuziehen sei. Mit mir werden die meisten Kollegen auf dem Standpunkte stehen, daß das Urteil, die zentrale Verwaltung der Pfründe habe sich in der Zeit des Währungsverfalles nicht bewährt, unzutreffend ist. Ich weise auf das Jahr 1923 hin. Der Staat rechnet seit einigen Jahren die Pfründe nach dem Reinertrag des vorhergegangenen Jahres an. Die rasche Geldentwertung bewirkte, daß der Reinertrag 1922 gemessen an den großen Papiermarkbeträgen des Jahres 1923 so gering war, daß eine nennenswerte Anrechnung des Pfründeertrages nicht erfolgte. Der Staat zahlte infolgedessen 1923 für die Kollegen mit Pfründe und für die ohne Pfründe die gleichen Ergänzungen. Die Pfründe beeinflußte die Höhe der Besoldungen so gut wie gar nicht. Hätten wir 1923 keine zentrale Pfründeverwaltung gehabt, so hätte sich folgende Lage ergeben. Die Kollegen ohne Pfründe hätten sich mit den staatlichen Bezügen begnügen müssen. Die Kirche, durch die Geldentwertung ohne Mittel und außerstande Kirchensteuern zu erheben, mit denen sie hätte etwas anfangen können, hätte nicht die Möglichkeit gehabt, die staatlichen Bezüge dieser Geistlichen in nennenswertem Maße zu ergänzen. Die Kollegen mit Pfründen, in ihren staatlichen Bezügen den anderen ungefähr gleichgestellt, hätten noch den vollen Ertrag ihrer Pfründe empfangen. Ihr Gesamteinkommen hätte das der Beamten der Klassen X und XI z. T. wesentlich überschritten, während die anderen nicht unbedeutend unter diesem Niveau der Beamten mit gleicher Vorbildung geblieben wären. Die Ungleichheit der Vorkriegszeit hätte sich, weil die Geldentwertung auf das Einkommen der Kollegen mit und der Kollegen ohne Pfründe in ganz entgegengesetzten Sinnen gewirkt hätte, ungeheuer verschärft. Der Staat hat diese Situation anscheinend nicht erkannt, auf jeden Fall hat er dort, wo noch die Geistlichkeit im Genuß ihrer Pfründe sind, z. B. in der katholischen Kirche, nichts getan, die dadurch entstandenen Härten zu mildern. Die zentrale Pfründe-Verwaltung in unserer pfälzischen protestantischen Kirche hat verhindert, daß solche ungerechtfertigten Ungleichheiten in die Erscheinung traten. Sie hat für einen gewissen Ausgleich gesorgt, indem sie die Kollegen ohne oder mit geringer Pfründe aus den reichen Pfründen speiste. Das war gut biblisch gedacht und gehandelt. Mag die Durchführung noch so unvollkommen gewesen sein, es bleibt ein Verdienst des Pfründestiftungsverbandes, daß der Ausgleich bis zu einem Grade erreicht worden ist. Wenn es in dem Rundschreiben des Landeskirchenrates dem Sinne nach – der Wortlaut ist mir nicht gegenwärtig – geheißen hat, die zentrale Verwaltung würde nach den Erfahrungen der letzten Jahre nicht mehr eingerichtet werden, so möchte ich im Gegenteil behaupten: Wenn wir 1923 keine zentrale Verwaltung gehabt hätten, hätte sie eigens geschaffen werden müssen, um ein schreiendes Unrecht hintanzuhalten. 

Damit ist zugleich über die Tätigkeit der Pfründeverwaltung im Jahre 1923 das Urteil gesprochen. Was sie geleistet hat, war notwendig und gut, mag auch im einzelnen manches zu tadeln sein. Gutzuheißen ist vor allem, daß die Pfründeverwaltung bemüht war, aus den Erfahrungen des vorhergegangenen Jahres zu lernen. Sie hat eingesehen, daß die Gelderhebung durch die Zentrale die Pfarrer um den Ertrag der Pfründe gebracht hätte und hat diese mit der Einziehung der Pachten betraut. Die Pfarrer konnten die Pachterträgnisse vor einem raschen Schwund dadurch sichern, daß sie Naturalien und wertbeständiges Geld in Empfang nahmen. Sie hat dadurch zugleich einen Beamtenabbau der Zentralkasse ermöglicht und den Gegnern der Zentralverwaltung, die gerne darauf hinweisen, daß die Verwaltung zu viel Geld verschlinge, ein Argument entwunden. Daß die Verteilung nicht ganz befriedigte, ist nicht zu verwundern. Die Pfründeverwaltung kannte noch gar nicht die Erträge der Pfarrgüter, als sie die Verteilung vornahm. In vielen Orten mußte erst noch die Einigung mit den Pächtern durchgeführt werden. Dieses Ergebnis konnte nicht abgewartet werden, und so blieb nichts anderes übrig als die Verteilung nach dem groben Maßstabe der Größe der Güter durchzuführen. Dadurch ergaben sich manche Härten. Sollten diese Härten und Ungleichheiten nicht nachträglich beseitigt oder wenigstens gemildert werden? Am einfachsten wäre es zweifelsohne, wenn unter das Jahr 1923 ein Strich gemacht und gesagt würde: wir fangen mit 1924 neu an. Allein der einfachste Weg ist nicht immer der Weg, der empfohlen werden kann. Wenn das Einfache nur zu haben ist auf Kosten der Gerechtigkeit, dann ist es besser, den Weg einzuschlagen, der mehr Arbeit macht. Eine größere finanzielle Belastung braucht dadurch für die Kirche nicht zu entstehen; denn, wenn sie für 1923 keine Mittel mehr zur Verfügung hat, so kann sie sich damit begnügen, daß sie die Verteilung zunächst grundsätzlich ändert und 1924 tatsächlich berichtigt. Wie aber soll sie das machen? Unmöglich kann die Pfründeverwaltung resp. die Landeskirchenkasse die Pfründeerträgnisse den einzelnen Pfarrern einfach in Papiermark gutschreiben und anrechnen; denn dieses Verfahren würde zu den vorhandenen Ungleichheiten eine neue hinzufügen. Dem Pfarrer, der das gleiche Quantum Naturalien erhalten hatte wie 4 Wochen vorher sein Kollege, würde dieses Quantum vielleicht 1000mal so hoch angerechnet wie seinem glücklicheren Amtsbruder. Das wäre ein Unding. Nicht minder zu tadeln wäre es, wenn die Kirche den Reinertrag der Pfründe, der in diesem Monate von den Pfarrämtern festzustellen war und der dem Staate als Grundlage für die Gehaltsregelung dient, einfach ohne weiteres für ihre Regelung übernehmen zu wollen. Die Ertragsberechnung der Pfründen, wie sie neuerdings vorzunehmen war, erfaßt zwar die Naturallieferungen u. Zahlungen in wertbeständigem Gelde, dagegen waren Zahlungen in Papiermark zu buchen ohne Berücksichtigung des Zeitpunktes der Zahlung nach dem Umrechnungskurs: 1 Billion = 1 Goldmark. Infolgedessen bleiben alle Papiermarkzahlungen vor dem 15. November im allgemeinen unberücksichtigt. Der Kirche und der Gesamtheit der Pfarrer kann das ja recht sein. Aber welche unsinnigen Ungleichheiten durch diese Bestimmung geschaffen werden, soll ein Beispiel dartun. Ein Pfarrer erhält aus der Pfründe anfangs September den Wert von 100 Zentnern Korn in Papiermark. Er kauft damit noch am nämlichen Tage das gleiche Quantum Korn oder eine gleichwertige andere Ware. Sein Nachbarkollege nimmt zur gleichen Zeit das Korn in natura in Empfang. Diesem werden ca. 800 Goldmark, jenem 0 Goldmark angerechnet. Ein dritter Pfarrer empfängt ebenfalls für 100 Zentner den entsprechenden Wert in Papiermark und zwar Ende November. Mit dem Gelde kann er nicht mehr anfangen wie sein Kollege, der die Papiermark anfangs September erhalten hat. Aber gleichwohl ist der Pfründeertrag, bei dem ihm mit 1000 Goldmark, bei ersterem mit 0 Goldmark angenommen. Ist das recht? Die Kirche resp. die Pfründeverwaltung kann daraus lernen, wie sie es nicht machen soll. Und nunmehr ein positiver Vorschlag! Es dürfte sich empfehlen, wenn von der Pfründeverwaltung zunächst festgestellt würde, was der einzelne Pfarrer und was die Gesamtheit an Goldmark aus der Pfründe empfangen haben. Diese Berechnung ist nicht sehr kompliziert, weil in den meisten Pachtverträgen, auch sofern Zahlung in Papiermark vorgesehen und erfolgt ist, irgend ein fester Bewertungsmaßstab angegeben ist (Korn, Heu etc.). Weiterhin wäre festzustellen, welchen Anteil aus der gesamten Pfründe (in Goldmark) dem einzelnen Geistlichen ungefähr zukommt. Mit Hilfe der Grundzahlen, die der Gehaltszahlung Ende 1923 zugrundelagen, ließe sich das bewerkstelligen. Es bräuchte bloß zu den Grundzahlen, die die Vertrauensmänner in den Finanzbezirken errechnet hatten, die Grundzahlen, die für die kirchliche Besoldungsordnung (ungekürzter Bezüge der Gehaltsklassen X und XI) maßgebend sein müßten, errechnet zu werden. Mit der Differenz der beiden Grundzahlen wäre das kirchliche Ergänzungsgehalt und damit auch die Goldmarkbezüge aus der Pfründe festzustellen. Aus einem Vergleich mit den tatsächlich empfangenen Bezügen aus der Pfründe würde ersichtlich werden, wieviel Goldmark die einzelnen Geistlichen zu viel resp. zu wenig erhalten haben. Bei der nächsten kirchlichen Ergänzungszahlung wären dem einen die zu viel empfangenen Beträge anzurechnen, den anderen die zu wenig erhaltenen nachzuzahlen. Ein Vorschlag soll das nur sein. Vielleicht finden sich Vorschläge, die leichter durchführbar sind. Die Hauptsache ist, daß in irgendeiner Form ein gerechter Ausgleich erfolgt. Dann erst können m.E. die Gehaltsakten des Jahres 1923 geschlossen werden.

Wie soll es in Zukunft werden? Bei Beantwortung dieser Frage genügt es nicht die Erfahrungen der Vergangenheit zu Rat zu ziehen, die uns keinen Anlaß geben, uns für eine Auflösung des Pfründeverbandes einzusetzen. Wir müssen auch alle Eventualitäten der Zukunft ins Auge fassen. Mit was für Möglichkeiten wirtschaftlicher Gestaltung haben wir zu rechnen? Ich sehe drei solcher Möglichkeiten. Es kann ein neuer Sturz des augenblicklich stabilen deutschen Geldes eintreten. Wir können feste, wertbeständige Geldverhältnisse behalten. Und zum dritten wir können durch eine politische Umwälzung (Loslösung vom Mutterland) vorübergehend oder dauernd die Staatszuschüsse zu unserem Einkommen verlieren. Die zuletzt genannte Möglichkeit, die wohl kaum Wirklichkeit werden wird, würde unserer Kirche die Pflicht auferlegen die vorhandenen Mittel, mögen sie auch gering sein, gerecht zu verteilen. Das Gewissen der Kirche und das Gewissen der Pfarrer mit Pfründe dürfte es dann gar nicht zulassen, daß die Pfarrer ohne Pfründe der schlimmsten Not preisgegeben bleiben. Bei einem nochmaligen Währungsverfall, der hoffentlich nicht eintreten wird, würde gerade eine zentrale Verwaltung der Pfründen Härten mildern und die Aufgabe erfüllen, die sie unter katastrophalen Währungsverhältnissen im letzten Jahre vollbracht hat. Bei stabilen Geldverhältnissen und weiterlaufenden Ergänzung des Seelsorgeeinkommens durch den Staat würden viele der Einwände, die gegen die Zentralisation erhoben wurden, hinfällig werden. Die Naturalbezüge könnten eliminiert werden und der reine Geldverkehr bei der Erhebung der Pachtgelder durchgeführt werden. Die Kasse in Speyer könnte die Verteilung wieder vornehmen ohne befürchten zu müssen, durch die Geldentwertung Verluste zu erleiden. Die Kirchensteuer würde, ohne daß der Erhebungssatz überspannt zu werden bräuchte, Erträge liefern, die die erstrebte Gleichstellung mit den Beamten der Klassen X und XI ermöglichen würde. Kurzum! Ich wüßte nicht, welche Zukunftsmöglichkeiten die Aufhebung der zentralen Verwaltung empfehlen könnte. Was immer auch kommen mag, es wird gut sein, wenn wir die Zentralisation behalten. Das allerdings ist zuzugeben: Auf manches, was durch die Pfründeablösung erstrebt wurde, wird mindestens für die nächsten Jahre verzichtet werden müssen. So wird der Pfarrer von der Mitarbeit an der Verwaltung nicht entbunden werden können. Seine Mithilfe bei der Verpachtung und wohl auch bei der Pachterhebung wird nötig sein. Ein in jedem Dekanat aufzustellender sachkundiger Pfarrer wird gegebenenfalls bei Verpachtungen die Pfründekasse zu vertreten haben. Die Pfarrer werden manche Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen müssen. Sie dürfen aber dabei das Gefühl haben, daß sie der Gesamtheit ihrer Kollegen einen Dienst leisten. Sie werden den Pächtern gegenüber viel entschiedener als wenn sie selbst ausschließlich Nutznießer ihrer Pfründe wären, auftreten und sich darauf berufen können, daß sie es ihren Kollegen und der Kirche schuldig seien, möglichst viel aus der Pfründe herauszuschlagen. Bei gewünschten Pachtnachlässen oder bei Differenzen können sie die Entscheidung der Zentralkasse anrufen und sind durch deren Entscheidung gedeckt. Ein Kollege hat das Wort Sozialisierung, das nach dem, was wir in den letzten Jahren erlebt haben, einen etwas üblen Beigeschmack hat, auf die Zentralisation der Pfründen angewandt und er wollte vermutlich damit sagen, wir hätten durch die Pfründeverwaltung einen Betrieb erhalten, dessen Einnahmen nicht nur deshalb gering seien, weil die Verwaltungsunkosten einen großen Teil der Einnahmen verschlingen würden – diesem Einwand wird durch eine Mitwirkung der Pfarrer bei der Verwaltung begegnet – sondern auch weil keine am Ertrag der einzelnen Pfründe unmittelbar interessierten Personen da seien. Der Egoismus regiere nun mal die Welt und darum müsse der Mensch durch persönliche Vorteile interessiert werden, wenn er für eine Sache etwas leisten solle. Auf viele Menschen mag das zutreffen. Von Pfarrern, die so oft vom Gemeinsinn und von der Nächstenliebe auf der Kanzel sprechen, sollte man annehmen, daß in ihrem Leben etwas vom Geist der Solidarität wahrzunehmen sein müßte und daß sie im Interesse ihrer Amtsbrüder gerne bereit seien sich dafür einzusetzen, daß die Pfründe einen möglichst hohen Betrag einbringe. Nur dann für eine Sache eifrig tätig zu sein, wenn sie dem eigenen Säckel etwas einbringt, war bisher ein Standpunkt, der weit unter dem lag, den bewußte Christen einnehmen sollten. Uebrigens haben in Neustadt gerade die Redner, die der Pfründeverwaltung am skeptischsten gegenüberstanden, betont, auch sie wollten haben, daß die Pfründeerträgnisse dem Pfarrer auf sein Einkommen restlos angerechnet werden. Nun dann sind wir Freunde und Gegner einer zentralen Verwaltung der Pfründe darin einig, daß eine finanzielle Bevorzugung der Pfründepfarrer, wie wir sie früher hatten, nicht wiederkehren darf und daß Überschüsse, die der Staat nicht anrechnet, von der Kirche anzurechnen sind. Dann brauchen wir aber auch eine Zentralstelle, welche die Anrechnung und gegebenenfalls die Verteilung vornimmt. Was hat es dann noch für einen Sinn, gegen die Beibehaltung dieser Zentralstelle zu opponieren? Nur in einem Falle hielte ich die Aufhebung der Zentralisation für geboten: wenn nämlich der Staat das Reinerträgnis der Pfründe künftig auch bei stabilen Geldverhältnissen restlos anrechnen würde. Die Pfründe wäre dann schon vollständig vom Staate erfaßt. Aber ich kann mir nicht denken, daß der Staat dieses Verfahren dauernd beibehalten wird. Es ist viel zu umständlich und lädt bei festen Geldverhältnissen die Staatsbezüge der Geistlichen variabel. Es desinteressiert die Kirche, sowie die Gesamtheit der Pfarrer am Pfründeertrag. Die Steigerung des Pfründeertrages bringt keinem Pfarrer Nutzen, die Minderung keinen Schaden. Im wohlverstandenen Interesse des Staates ist es gelegen, an die Stelle des Reinertrages wieder eine Fassion zu setzen. Sache der Pfründeverwaltung wird es dann sein, den Unterschied von Fassion und tatsächlichem Reinertrag festzustellen und auf die kirchliche Gehaltsergänzung anzurechnen. Doch das sind Einzelfragen. Die Hauptsache ist, daß durch die Erhaltung der zentralen Verwaltung Ungleichheiten in den Gehaltsbezügen, wie sie früher vorhanden waren, vermieden bleiben. Eine Rückkehr zu den früheren Verhältnissen ist übrigens schon um deswillen nicht zu rechtfertigen, weil viele Pfarrer, die große Pfründe hatten, im Hinblick auf die vollzogene Zentralisation sich auf Pfarreien ohne oder mit geringer Pfründe versetzen ließen. Sodann wären gerade die älteren Pfarrer finanziell geschädigt, weil sie einträgliche Pfründestellen, die ihnen in erster Linie gebühren würden, infolge der veränderten Bestimmungen über die Besetzung der Pfarreien schwerer erhalten könnten als früher.

Die überwiegende Mehrheit der pfälzischen Geistlichkeit hat durch den Pfarrverein und durch die Dekanatskonferenzen ihren Willen unzweideutig bekundet. Sie will ein soziales Werk, für das jahrzehntelang gekämpft wurde, nicht preisgeben, auch wenn das Chaos der Gegenwart manche Hoffnungen nicht erfüllt hat, die daran geknüpft wurden. In leitenden Kreisen unserer Kirche scheint Neigung vorhanden zu sein, den Pfründeverband aufzulösen. Kirchenregierung und Landessynode haben das letzte Wort zu reden. Diesen beiden Instanzen kann der Wille der an der Sache in erster Linie interessierten Geistlichkeit nicht gleichgültig sein. 

Richard Bergmann, Januar 1924

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