Die Geschichte des christlichen Bekenntnisses

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Helmut Aßmann

Herzogstraße 74, 67435 Neustadt

Die Bekenntnisse der drei Weltreligionen Islam, Judentum und Christentum.

 Alle drei großen Weltreligionen haben ein Bekenntnis. Das Judentum hat das „Schema“, das  „Höre Israel, Adonai ist dein Gott, Adonai ist einer“. Der Islam hat das Bekenntnis: „Allah ist Allah und Mohammed ist sein Prophet.“ Das Christentum hatte anfangs ein Bekenntnis, das sich unter dem Geheimzeichen des Fisches verbarg; denn das griechische Wort für Fisch, ichthys, bedeutet, wenn man die Anfangsbuchstaben Iota, Chi, Theta, Ypsilon, Sigma als Jesus Christus, Sohn Gottes, Erlöser liest, ein Glaubensbekenntnis. Es verhält sich aber mit diesem anders als mit den beiden vorherigen, die im Wesentlichen das Bekenntnis zu dem einen Gott enthalten, wozu im Bekenntnis des Islam der Prophet Mohammed hinzutritt und im Bekenntnis des Judentums die Anrede an das Volk Israel hinzukommt, so dass zwischen den dreien der folgende Unterschied besteht: Judentum und Islam haben ein Bekenntnis zu Gott und im weiteren Verlauf auch eine Geschichte mit Gott, wohingegen das Bekenntnis zu dem Christus selbst eine Geschichte hat, in deren Verlauf es entstand und aus deren Verlauf die Geschichte der Kirche entstand. Diese will ich nun erzählen. 

1. Der präexistente Sohn Gottes im Christushymnus im Philipperbrief des Paulus

 

Eines der ältesten Bekenntnisse im Neuen Testament ist der Christushymnus nach Phil 2,5-11, der den Christus als präexistenten Sohn Gottes beschreibt. „Ein jeglicher sei gesinnt, wie Jesus Christus auch war: welcher, ob er wohl in göttlicher Gestalt war, nahm er es nicht als einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward gleich wie ein anderer Mensch und an Gebärden als ein Mensch erfunden. Er erniedrigte sich selbst und war gehorsam bis zum Tode, ja, zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus der Herr sei, zur Ehre Gottes, des Vaters.“ Im Blickpunkt steht hier das Verhalten des Gottessohnes, das zum Vorbild für alle werden soll. „Ein jeder sei gesinnt, wie Jesus Christus auch war.“ Hier erhält Jesus den Titel Herr, der in der griechischen Übersetzung des Alten Testamentes, der Septuaginta, für den Namen Gottes, hebräisch Adonai, steht.

 

2. Die Apostelgeschichte des Lukanischen Geschichtswerks

 Ebenso erinnerte man sich an das Gottesknechtlied des Jesaja, in dem es von dem Knecht Gottes heißt: „Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der von Gott geschlagen und gemartert wäre. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten und durch seine Wunden sind wir geheilt“ (Jes 53,7;8). Die christliche Rezeption dieses Textes zeichnet das Bild Jesu in das des Gottesknechts hinein und lässt Jesus zum Knecht Gottes werden. In der Erzählung der Apostelgeschichte von der Taufe des Kämmerers aus dem Morgenland durch Philippus wird die christologische Deutung dieses Textes zum Anlass für die Taufe (Apg 8,26-40). Der Äthiopier liest die Textstelle und fragt Philippus, ob der Prophet damit sich selber oder einen andern meint, woraufhin Philippus antwortet, der Prophet spricht hier von Jesus Christus und gibt damit die Auslegung der ersten Kirche wieder. Diese Auslegungsmethode wird als Methode der Typologie von Paulus und den christlichen Kirchenvätern häufig verwendet, um den Christus als den Messias des Alten Testamentes auszuweisen.

 

3. Das Präskript des Römerbriefs des Paulus

Paulus verkündigt nach dem Präskript des Römerbriefs (Röm 1,1-4) „das Evangelium Gottes von seinem Sohn Jesus Christus, unserm Herrn, der geboren ist aus dem Geschlecht Davids nach dem Fleisch, und nach dem Geist, der da heiligt, eingesetzt ist als der Sohn Gottes in der Kraft durch die Auferstehung von den Toten.“ Diese beiden christologischen Titel wurden in den Geburtsgeschichten der Evangelien des Matthäus und des Lukas durch Stammbäume ergänzt, die die Abstammung Jesu von David belegen sollten und durch die Hinzufügung der Zeugung Jesu durch den Heiligen Geist, die die Gottessohnschaft bezeugen sollte, die bei Paulus, wie wir sahen, durch die Kraft seiner Auferstehung bezeugt war; denn Paulus kennt keine Geburtsgeschichten.

 

4. Die Zwei-Naturen-Lehre

 Die beiden Titel des Christus als Gottessohn und Davidssohn führten später in den altkirchlichen Bekenntnissen von Nicäa (325), Konstantinopel (381) und Chalcedon (451) zur Zwei-Naturenlehre, nach der Jesus eine göttliche und eine menschliche Natur hatte, die aber in der Einheit der Person, der sogenannten Hypostatischen Union, ungetrennt und unvermengt beieinander gedacht war.

 

5. Das Markusevangelium als Buch der geheimen Offenbarungen 

Mk 3,11-12 heißt es: „Und wenn ihn die unsauberen Geister sahen, fielen sie vor ihm nieder und sprachen: Du bist Gottes Sohn! Und er bedrohte sie hart, dass sie ihn nicht offenbar machten.“ Dieser „Geheimhaltungsbefehl“ des Offenbarers zieht sich durch das ganze Markusevangelium hindurch. Er wird sogar von den drei Frauen am Ostersonntag Morgen befolgt; wo es heißt: „Und sie sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich“, obwohl sie hier ja durch das Wort des Engels vom Geheimhaltungsbefehl ausdrücklich entbunden worden waren, der zu ihnen gesagt hatte: „Gehet aber hin und saget seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa“ (Mk 16,7-8). Das Bekenntnis zu Jesus als dem Sohn Gottes kommt im Markusevangelium vor bei der Taufe (Mk 1,11), wo die Stimme vom Himmel sagt: „Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen“, bei der Verklärung auf dem Berg, wo die Stimme sagt: „ Das ist mein lieber Sohn, den sollt ihr hören“ (Mk 9,7) und zuletzt nach der Kreuzigung, als der römische Hauptmann bekannte: „Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen“ (Mk 15,39).

 

6. Das Petrusbekenntnis des Matthäusevangeliums 

Bei Matthäus finden sich im Petrusbekenntnis die beiden Titel Jesu: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16, 13-20). Hier ist das Bekenntnis zu Jesus als dem Sohn Gottes schon selbstverständlich geworden. Wenig später lesen wir einen Text, in dem Jesus Petrus zurückgewiesen hat, weil er ihn nach der ersten Leidensweissagung daran hindern wollte, den Leidensweg einzuschlagen, mit den Worten: „Hebe dich, Satan, von mir!“ (Mt 16,21-23) Dieser Widerspruch zwischen dem Bekenntnis des Petrus und dem Versuch des Petrus, sich dem Leidensgeschick Jesu in den Weg zu stellen, zeigt, dass das jüdische Messiasverständnis einen leidenden Messias nicht kannte und dass die Kreuzigung Jesu eine Korrektur des jüdischen Messiasverständnisses darstellte. Diese Korrektur kommt in dem Titel des leidenden Gottesknechts des Jesaja zum Ausdruck. Paulus drückt sie mit den Worten „ein Ärgernis für die Juden“ (griechisch: Skandalon) und „eine Torheit für die Griechen“ (griechisch: Moria) aus (1. Kor 1,18-25). Für den Glauben ist aber die Torheit der Verkündigung, die Moria, Gottes Weisheit, seine Sofia, und das Skandalon des Kreuzestodes, die Erniedrigung Jesu, die Kenosis, wird durch die Erhöhung des Christus in der Auferstehung, die Apotheose, aufgehoben, die Torheit Gottes wird zur Weisheit Gottes.

 

7. Der präexistente Logos des Johannesevangeliums

Bei Johannes ist Jesus von Anfang an der Sohn Gottes, den er im Hymnus auf den Logos (Joh 1,1-2) mit dem präexistenten Logos Gottes gleichsetzte und den er in seinen Abschiedsreden sagen lässt: „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,30). Aus dieser Ich-Aussage des johanneischen Christus entstand später im altkirchlichen Bekenntnis von Konstantinopel 381 die Lehre von der Wesensgleichheit (griechisch: Homoousie) von Vater und Sohn und Vater und Geist, der später die Wesensgleichheit von Sohn und Geist im Athanasianum des 6. Jahrhunderts durch die Hinzufügung der Wendung „Ausgegangen vom Vater und dem Sohn“ (lateinisch: filioque) folgte. Thomas bekennt, nachdem er die Wundmale Jesu mit seinen Augen gesehen und mit seinen Händen betastet hatte: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28). Der Kyriostitel ist hier mit seiner Bedeutung Gott (hebr. Adonai) schon zu einer Einheit geworden, weil der Christus für Johannes von Anfang an und nicht erst seit der Taufe, wie im Markusevangelium, oder durch die Auferstehung, wie bei Paulus, der präexistente Logos ist.

 

8. Das Lamm Gottes im Johannesevangelium 

Neben dem „Hoheitsbogen“ (Klaus Wengst, Kommentar zum Johannesevangelium, Stuttgart, 2. Auflage 2007), der von der Logoslehre zum Bekenntnis des Thomas führt, kennt Johannes aber auch einen „Niedrigkeitsbogen“. Jesus ist für ihn auch das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt trägt (Joh 1,29). Das konkretisiert Johannes bis dahin, dass Jesus an dem Tag gekreuzigt wurde, an dem man die Passahlämmer zu schlachten pflegte, dem Tag vor dem Passah. Die damit verbundenen Probleme werden erst deutlich, wenn man fragt, ob Jesus denn das Passahmahl habe feiern können, wie es die Synoptiker darstellen, wenn er ja das wahre Passahlamm selbst ist. Dieses Dilemma kann nur durch die Hypothese von Anni Jaubert beseitigt werden, dass Jesus das Passahmahl zu einem früheren Termin als dem nach dem offiziellen jüdischen Kalender gefeiert hat, und zwar zu dem Termin des essenischen Kalenders, nach dem die Essener das Passahmahl jeweils an einem Dienstag feierten. Diese Hypothese hat Anni Jaubert 1957 in ihrer Dissertation: „La date de la cène. Calendrier biblique et liturgie chrétienne“ (Paris, 1957) der Sorbonne vorgelegt und ist damit erfolgreich gewesen, wenn auch nicht in der Fachwelt. Die Passionsereignisse hätten demnach wie folgt stattgefunden:

 

Am Samstag die Salbung in Bethanien; am Sonntag der Einzug in Jerusalem; am Montag der Einkauf des Passahlamms und der Zutaten zum Passahmahl und die Anmietung des Saales; am Dienstag die Mahlfeier, anschließend der Gang zum Ölberg, der Verrat des Judas und die Gefangennahme durch das Synhedrium; am Mittwoch Verhör durch Hannas und Kaiphas und das Synhedrium; am Donnerstag Todesbeschluss durch das Synhedrium und Überstellung Jesu an Pilatus; am Freitag Todesurteil des Pilatus, Geißelung, Kreuzigung, Kreuzabnahme und Beisetzung im Grab von Josef von Arimathia; am Samstag Grabesruhe; am Sonntag Besuch der drei Frauen am Grab. Sie finden das Grab leer und fliehen vom Grab (Mk 16,8).

 

Die Jünger ziehen die Konsequenz aus dem leeren Grab, dass Jesus auferstanden ist. Jesus erscheint dem Petrus und den Zwölfen, danach allen andern Aposteln und zuletzt 500 Brüdern auf einmal als der Auferstandene in Galiläa und zuletzt dem Paulus (vgl. 1. Kor 15,3-8; 1. Kor 9,1) Im Apostelkonzil 48 n. Chr. erhält Paulus von Petrus und Jakobus den Auftrag zur Heidenmission. Petrus und Jakobus bleiben in Jerusalem, wo Jakobus, der Sohn des Zebedäus, 44 n. Chr. als Märtyrer stirbt (Apg 12,1-2).

 

9. Die paulinische Mission

Paulus gründet Gemeinden in Galatien, Philippi, Thessalonich, Korinth und Ephesus. Er schreibt 49 n. Chr. von Korinth aus den 1. Thessalonicherbrief und 55 n. Chr. bei seinem zweiten Korinthbesuch den Römerbrief. Von Ephesus schreibt er die beiden Korintherbriefe, den Philipperbrief und den Galaterbrief. Aus dem Philemonbrief wissen wir von seiner Gefangenschaft in Rom. Er war unter Felix, Prokurator von 52-60 n. Chr., in Jerusalem verhaftet worden und war zwei Jahre unter Festus, Prokurator von 60-62 n. Chr., in Cäsarea inhaftiert, bevor er entweder als Gefangener nach Rom gebracht wurde oder als freier Mann dorthin reiste. Die Jerusalemer Gemeinde wurde von 34 bis 64 von dem Herrenbruder Jakobus geleitet, der unter Nero hingerichtet wurde. Er organisierte nach der Darstellung von David Alvarez Cinero (Die Religionspolitik des Claudius und die antipaulinische Mission) eine Kampagne gegen Paulus, die die Heidenchristen auf die Beschneidung und das Halten des jüdischen Gesetzes verpflichtete, was Paulus ihnen erlassen hatte (vgl. Apg 21,21), wo die Abgesandten der Jerusalemer Gemeinde Paulus bei seiner Ankunft eben dies als Charakteristikum der von ihm gegründeten „Sekte“ entgegenhalten. Jakobus machte sich zum Handlanger der Politik des Claudius, der 49 n. Chr. ein Edikt erlassen hatte, das Änderungen in religiösen Überlieferungen unter Strafe stellte. Dieses Gesetz war auch der Grund, weshalb Paulus erst nach dem Tod des Claudius (54 n. Chr.) nach Rom reisen konnte. Durch Aquila und Prisca war er über deren Ausweisung aus Rom (49 n. Chr.) informiert worden und war auch selbst in Korinth durch den Synagogenvorsteher Sosthenes angezeigt worden und folgte unter anderem wegen diesen Schwierigkeiten dem Ehepaar Aquila und Prisca nach zweieinhalbjähriger Tätigkeit in Korinth nach Ephesus, wo er zwei Jahre lang wirkte.

 

10. Der Hebräerbrief

Nach Adolf von Harnack wurde der Hebräerbrief von Prisca geschrieben, der Mitarbeiterin des Paulus in Korinth und Ephesus. Die Verfasserin dieses Briefes bekennt sich zu Jesus als dem Hohenpriester und Mittler des neuen Bundes (Hebr 8,1; 9,15; 12,24). Sie wendet sich an die Vollkommenen, die die Anfangslehren des Christentums, „die Lehre vom Abtun der toten Werke, vom Glauben an Gott, vom Taufen, vom Händeauflegen, von der Toten Auferstehung und vom ewigen Gericht“ bereits kennen gelernt haben (Hebr 6,1). Alle diese Lehren hat Paulus in seinen Briefen an die Römer und die Korinther behandelt. Die Verfasserin stellt die alttestamentlichen Belegstellen für das hohepriesterliche Amt Jesu zusammen. Es ist ein Priestertum nach der Weise Melchisedeks, ein ewiges Priestertum. Das Blut Jesu schreit lauter als das Blut Abels (Hebr 12,24). Es ist das Blut der Besprengung und Jesus ist der Hohepriester, der am Ende der Zeiten einmal erschienen ist, durch sein eigenes Opfer ein für alle mal (griechisch: ef hapax; Hebr 7,27) die Sünden zu vergeben (Hebr 9,26). Diese Begrifflichkeit stammt aus dem Geschehen am Jom Kippor, dem Versöhnungstag. Paulus erwähnt den Gnadenstuhl, das Hilasterion, in Röm 3,25: „Den hat Gott für den Glauben hingestellt als Sühnopfer, damit Gott erweise seine Gerechtigkeit“, und folgert daraus, dass der Mensch gerecht werde aus Glauben und nicht aus Werken. Auch wenn die lutherische Übersetzung des Hilasterion mit „Sühnopfer“ den Begriff des Hilasterion, der wörtlich Gnadenstuhl, Deckel der Bundeslade, bedeutet, auf den das Blut des Opfertieres gesprengt wird, nicht trifft, so ist doch der Sachverhalt der Sühne damit bezeichnet, den der Hebräerbrief mit „Blut der Besprengung“ intendiert hat. Dabei ist die paulinische Aussage: „So lebe ich denn im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich dahingegeben hat“ (Gal 2,20), durchaus im Blick. Der Christus hat sich selbst als Hoherpriester des neuen Bundes geopfert, sein Blut ist das Blut der Besprengung, er ist das Hilasterion, das Sühnopfer für unsere Sünden; denn das Blut der Besprengung, das Sühnopfer und der Hohepriester gehören in dieselbe Metaphorik des Versöhnungstages, der zufolge es keine Vergebung ohne Blutvergießen gibt. „Denn nach dem Gesetz wird fast alles mit Blut gereinigt, und ohne Blutvergießen geschieht keine Vergebung“ (Hebr 9,22). Der Begriff des Passahlamms (Joh 1,29; 1. Kor 5,7) dagegen stammt aus der Bildsprache des Passahfests.

 

Die Verfasserin des Hebräerbriefes weiß um die Freilassung des Timotheus aus der Gefangenschaft in Rom (Hebr 13,23), wo dieser mit Paulus inhaftiert war, wie Paulus im Philemonbrief mit eigner Hand schreibt. Sie hofft Timotheus bald mit den Brüdern zu sehen und schickt auch die Grüße der Brüder aus Italien. Auch das bestätigt, dass sie zum engeren Kreis der Mitarbeiter des Paulus gehört. Da sie die Grüße der Brüder aus Italien übermittelt, ist der Brief wahrscheinlich aus Italien, respektive aus Rom an verschiedene von Paulus gegründete Gemeinden in Griechenland geschrieben, etwa an die in Korinth, Thessalonich, Philippi oder Ephesus. War Prisca die Verfasserin, so ist sie bei Abfassung des Briefes wieder zurück in Rom und setzt den Tod des Paulus voraus. Sie spricht von den unter Claudius (49-54 n. Chr.) und dann auch unter Nero (54-68 n. Chr.) vom Glauben abgefallenen Christen und schließt sie von der zweiten (erneuernden) Buße aus. „Denn es ist unmöglich, die, so einmal erleuchtet sind und geschmeckt haben die himmlischen Gaben und teilhaftig geworden sind des heiligen Geistes und geschmeckt haben das gütige Wort Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt, und dann doch abgefallen sind, wiederum zu erneuern zur Buße, sie, die für sich selbst den Sohn Gottes abermals kreuzigen und zum Spott machen“ (Hebr 6,4-6). Dieses Urteil über die vom Glauben Abgefallenen wird nur verständlich, wenn die Verfasserin des Briefes die Autorität besaß, in dieser wichtigen Frage eine Entscheidung zu treffen und legt nahe, dass sie die Leiterin der römischen Gemeinde war. Der Hebräerbrief ist zeitlich zwischen den Paulusbriefen und den Evangelien anzusiedeln und füllt die Lücke, die durch den Tod der Apostel entstanden ist.

 

11. Der 1. Timotheusbrief

In 1. Tim 2, 3-6 heißt es: „Solches ist gut und angenehm vor Gott, unserm Heiland, welcher will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Jesus Christus, der sich selbst gegeben hat für alle zur Erlösung, dass solches zu seiner Zeit gepredigt würde.“ Hier ist Christus der Mittler zwischen Gott und den Menschen wie in Hebr 9,15. Hatte Paulus in Gal 2,20 gesagt: „Das Leben, das ich jetzt in diesem vergänglichen Körper lebe, lebe ich im Vertrauen auf den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich dahingegeben hat“, so heißt es jetzt in einer erweiternden Perspektive: „ Der Mensch Jesus Christus, der sich selbst gegeben hat zur Erlösung für alle“. Das ist anders, vor allem deshalb, weil der Mensch Jesus Christus an die Stelle des Sohnes Gottes tritt, aber die Metaphorik der Erlösung ist die gleiche. Es zeigt, um es mit den Worten des Herbert Brauns zu sagen, dass die Anthropologie die Konstante ist und die Christologie die Variable.

 

12. Das Lukasevangelium

Im Lukasevangelium taucht, als Unikat unter den Evangelien, ein Loblied auf Gott, den Heiland, aus dem Mund der Maria auf, das Magnifikat. Darin preist Maria den Herrn und Gott, ihren Heiland, weil er die Niedrigkeit seiner Magd angesehen hat, mit den Worten: „Meine Seele erhebet den Herrn, und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilands; denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Siehe, von nun an werden mich seligpreisen alle Kindeskinder. Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und des Name heilig ist. Und seine Barmherzigkeit währet immer für und für bei denen, die ihn fürchten. Er übet Gewalt mit seinem Arm und zerstreuet die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn. Er stößet die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen erfüllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen. Er denket der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf, wie er geredet hat unsern Vätern, Abraham und seinen Kindern ewiglich.“

 

Dieser Text liest sich wie ein messianisches Programm, das Maria vor der Geburt des Heilandes verkündigt. Er wird mit seinem Arm Gerechtigkeit schaffen und sich der Barmherzigen annehmen. Gleichsam eine Vorwegnahme der Seligpreisungen des Matthäus scheint Marias Loblied zu enthalten. Die Hungrigen werden satt, die Barmherzigen werden von Gott angenommen, die Gewaltigen werden von ihrem Thron gestürzt, die Niedrigen werden erhöht, so wie auch Maria aus ihrer Niedrigkeit erhoben wird durch die Geburt des Erlösers. Hier bekommt Jesus bereits sein Geschick in die Wiege gelegt, das er als Messias erfüllen wird. Obwohl der Lobpreis Gott, dem Herrn gilt, wird doch deutlich, wer mit dem Herrn gemeint ist, der noch nicht geborene Sohn Gottes, der Heiland. Die Präexistenz des Sohnes Gottes, die wir bei Paulus und Johannes kennen gelernt haben, wird hier Maria, der Mutter Jesu, in den Mund gelegt. Das Magnifikat ist Dichtung und Bekenntnis zugleich. Als Hymnus der Maria ist es der Ausgangspunkt aller späteren Mariologie.

 

13. Die Offenbarung des Johannes

 Der Vollständigkeit halber sei noch ein Blick auf das letzte Buch der Bibel geworfen. Dort bekennt der Christus: „ Ich bin die Wurzel und das Geschlecht Davids, der helle Morgenstern“ (Apk 22,16) Im Präskript grüßt Johannes die sieben Gemeinden in der Landschaft Asien: „Gnade sei mit euch und Frieden von dem, der da ist und der da war und der da kommt und von den sieben Geistern, die da sind vor seinem Thron, und von Jesus Christus, welcher ist der treue Zeuge und Erstgeborene von den Toten und Herr über die Könige auf Erden! Dem, der uns liebt und erlöst hat von unsern Sünden mit seinem Blut und hat uns zu Königen und Priestern gemacht vor Gott, seinem Vater, ihm sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen“ (Apk 1,4-6). Aus diesen Worten wurde später das allgemeine Priestertum der Gläubigen abgeleitet. Aus dem Priestertum Jesu ergibt sich das Priestertum der Gläubigen. Die sieben Geister, die vor dem Thron Gottes stehen, sind die sieben Engel der Gemeinden, an die sich der Brief wendet. Sie entsprechen den sieben Erzengeln, die nach dem Buch Tobit vor dem Thron Gottes stehen, von denen einer Raphael ist. Jesus ist der Erstgeborene von den Toten (vgl. 1. Kor 15,23). Die Typologie von Adam und Christus, die Paulus an diesen Gedanken anschließt, wonach durch Adam der Tod und durch Christus die Auferstehung von den Toten gekommen ist und woraus folgt, dass wir, wie wir das Bild des sterblichen Menschen getragen haben, auch das des geistlichen Menschen tragen werden und so die Auferstehung der Christen begründet wird, fehlt hier. Paulus hatte es in Korinth mit Christen zu tun, die zwar glaubten, dass Jesus auferstanden war, die aber daraus nicht ihre eigene Auferstehung folgerten, weil sie entweder dachten, sie seien mit der Taufe bereits auferstanden (gnostisches Missverständnis) oder dass sie in ethischer Libertinage leben können, weil sie glaubten, alles sei ihnen erlaubt (moralisches Missverständnis). Paulus argumentiert nicht mit dem leeren Grab für die Auferstehung Jesu, weil er den Glauben an die Auferstehung nicht auf den Verbleib des irdischen Leibes Jesu, die Sarx, gründet, sondern auf die Gewissheit, dass ihm der Auferstandene erschienen ist. Er richtet den Blick auf die zukünftige Auferstehung der Christen und das gegenwärtige neue Leben der Christen.

 

14. Zusammenfassung

 Erst wenn man die Entwicklung des christlichen Bekenntnisses von ihrem Ende her betrachtet und sieht, dass die Wesenseinheit des Vaters und der Sohnes, die des Sohnes und des Geistes und die des Geistes mit dem Vater von Anfang an im Bekenntnis zu Jesus als dem Christus angelegt sind, und sich im Lauf der Zeit entwickelt hat, wird man den Charakter des christlichen Bekenntnisses vollständig erfassen. Diese Wesenseinheit ist aber in der Lehre von der Trinität Gottes zu Ende gedacht, weshalb sie und die Lehre von den zwei Naturen des Christus der eigentliche Inhalt des christlichen Bekenntnisses ist.

 

Literatur:

Klaus Wengst, Kommentar zum Johannesevangelium, Stuttgart (Kohlhammer-Verlag), 2. Auflage 2007 David Alvarez Cinera, Die Religionspolitik des Claudius und die antipaulinische Mission (Herders Biblische Studien 19), Freiburg 1999

Anni Jaubert, La date de la Cène. Calendrier biblique et liturgie chrétienne, Paris 1957

Die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche, herausgegeben im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession, 1930, Göttingen, 5. durchgesehene Auflage 1964

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