„Fernstudium Feministische Theologie” – wie ist es entstanden?

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Informationen einer Zeitzeugin, die leicht verloren gehen könnten

Helen Schmidt
Pranckstraße 47, 67061 Ludwigshafen

Der so lebendige Aufbruch der Bewegung „Feministische Theologie” wäre ohne den Namen Elisabeth Moltmann-Wendel nicht denkbar. Sie war die Hauptinitiatorin der Werkstätten, erst 1979 in Wiesensteig[1], und dann jedes Jahr in der Evangelischen Akademie Bad Boll, mit vielen Frauen aus allen Lebensbereichen, jung und alt, Theologinnen und Laiinnen, allein Lebende, Geschiedene, Verheiratete, Verwitwete, Lesbierinnen, Evangelische, Katholische, Ausgetretene.

Zwei dieser Freuen, Dr. Herta Leistner, spätere Mitbegründerin des „Frauen Studien und Bildungszentrum” der EKD in Gelnhausen, und Heidemarie Langer, Studienleiterin der Evangelischen Akademie Bad Boll, hatten Elisabeth Moltmann-Wendel zur Seite gestanden. Manchmal kam auch Catharina Halkes dazu, die einen Lehrstuhl für Feministische Theologie in Nijmwegen hatte.

Diese Werkstattstreffen gehören zu den schönsten Erfahrungen, die ich je mit Kirche gemacht habe. Wir waren alle gleichermaßen mit unseren Lebens- und Glaubenserfahrungen eingebunden; es war ein lebendiger Austausch. Niemand stand vorn und redete so lange, bis niemand mehr im Publikum die Chance hatte, selber etwas zum Thema beizutragen.

Wir gruben auch alte Bücher aus der Ersten Frauenbewegung wieder aus, z.B. Elisabeth Cady Stanton’s „Woman’s Bible” in frauengerechter Sprache.

Elisabeth Moltman-Wendel ist die einzige Theologin, die sich von Anfang an feministische Theologin nannte, ohne ängstlich nach den Reaktionen der etablierten Gesellschaft zu fragen, und ohne Angst zu haben, dass ihr Ehemann, selber Theologe, das Weite suchen könnte, oder dass ihre vier Töchter ihre vielen Abwesenheiten auf Vortragsreisen nicht akzeptieren würden.

Im Englischen gibt es einen treffenden Ausdruck für Zögerliche: „sitting on a fence”. Man sitzt auf der Höhe eines Gartenzauns, wartet ab und schaut, auf welcher Seite die Saat besser aufgeht; dann erst springt man hinunter. Eine ganze Reihe heute anerkannter feministischer Theologinnen verhielt sich so.

Von diesen Risiken hat Elisabeth Moltmann-Wendel meines Wissens niemals gesprochen. Sie war ihrer Sache sicher und schrieb ein Buch nach dem anderen, am Anfang besonders Bibelarbeiten. Viele Theologinnen haben ihre Erkenntnisse als Initialzündungen übernommen.

Der Anfang war hart. Eine ganze Reihe von Theologen mit Rang und Namen, so zum Beispiel ein noch amtierender Professor für Sozialethik, Martin Rock, schossen ihre Pfeile ab; und Schuldekan Karl Fischer fühlte sich dazu berufen, einer jungen Theologin, die Arbeit in der Kirche suchte, folgenden Brief zu schreiben:

„Aber warum wollen Sie als Frau partout etwas tun, was die Männer genauso gut, vielleicht sogar noch besser können als Sie? Und warum verdrängen und versagen Sie sich das, was die Männer nicht können, nämlich Kinder kriegen? In ein paar Jahren werden sich die Pfarrer auf den Zehen herumtreten. Niemand wird dann daran interessiert sein, auch noch Frauen im Pfarramt zu beschäftigen. Ihrer Berufstätigkeit wird die öffentliche Anerkennung ganz und gar versagt bleiben. Haben Sie sich schon einmal überlegt, warum die Männer selten einmal Dinge machen wollen, die bisher immer Frauen getan haben, und die Frauen immer häufiger Männerarbeit machen wollen. Das kann doch wohl nur am intakten Selbstwertgefühl der Männer und am gestörten der Frauen liegen. Woher sollte denn das Kompensationsstreben der Frauen sonst kommen! […] Wer hat Ihnen den den Floh ins Ohr gesetzt, dass die üblichen Männertätigkeiten wichtiger seien als die menschheitserhaltenden Fähigkeiten, Kinder auf die Welt zu bringen …”[2]

In Gedanken an diesen Briefschreiber bin ich jedesmal schadenfroh, wenn ich irgendwo etwas Positives über eine Pfarrerin erfahre, und das geschieht nicht selten.

Was hatte sich der Universitätsprofessor für Sozialethik, Ausbilder von jungen Frauen und Männern, geleistet?

„Und wenn Frauen unbehaust sind, dann ‚entbergen’ sie sich hyänenhaft furchtbar, dann machen sie Angst, dann verbreiten sie Schrecken, dann werden sie eben zu ganz natürlichen, gleichsam geborenen Agentinnen des Terrors.”[3]

Im September 1982 tagten in Vorbereitung auf Vancouver die „Oekumenischen Tage” im Auftrag des „Plädoyer für eine ökumenische Zukunft” in der Evangelischen Akademie Arnoldshain, wo auch das weltweit bekannt gewordene Antirassismus-Programm seinen Ursprung hatte. Es gab viele Gruppen, Arbeitskreise und Themenbereiche. Unter dem Stichwort „Menschenrechte durchsetzen” beteiligte ich mich an einer Gruppe, die sich für ein Antidiskriminierungsgesetz in der Kirche stark machen wollte.

Auch Dr. theol. Constance Parvey, Genf, war dabei, Leiterin des Projekts „Die Gemeinschaft der Frauen und Männer in der Kirche”. Unsere Gruppe beschloss, die beiden zitierten Herren-Beiträge zur Illustration der Notwendigkeit eines Antidiskriminierungsgesetzes in der Kirche vorzutragen. Als Sprecherin der Gruppe tat ich das und erwartete Verständnis. Irrtum. Der ganze Saal, ca. hundert geistliche Männer, gröhlten vor Vergnügen, und einer rief aus dem Hintergrund laut hörbar: „Wer weiß, was der für eine Frau zu Hause hat!”

Damit war sofort ein neues Diskriminierungsbeispiel entstanden. Das versprochene Tonband, das ich am anderen Morgen haben wollte, bekam ich nicht. Es hieß, es wäre gelöscht worden „aus Versehen”.

Ich hatte mich noch nie so sehr vor Männern gefürchtet wie damals. Bei den wenigsten hätte ich angestellt sein wollen.

Sympathie für das Anliegen unserer Gruppe hatten nur Karl Herbert, Oberkirchenrat der hessen-nassauischen Kirche, der uns nachher einen Solidaritätsbrief schrieb, und Pfarrer Hans-Günter Schmidt, der sich für unsere Gruppe entschieden hatte. Zwei Hoffnungsschimmer.

Und was passiert heute?

Es gibt alles: Vom Rückfall in alte patriarchalische Strukturen bis hin zum blühenden Aufbau in Richtung „neuer Himmel und neue Erde”, in echter Gemeinschaft zwischen Frauen und Männern in der Kirche.

Vielleicht schreibt einmal jemand im Pfarrerblatt darüber.

[1] Bei nur ein paar hundert Einwohnern in Wiesensteig wurden im Mittelalter in einem einzigen Jahr 63 Frauen verbrannt. Quelle: Auke J. Jelsma, Heilige und Hexen, Konstanz (Christliche Verlagsanstalt), S. 94.

[2] Der Brief erhält noch weitere beleidigende Aussagen, abgedruckt in „Korrespondenz – die frau”, Frankfurt a. M. (Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik) 1979, S. 23.

[3] Feminine Anarchie – Nährboden des Anarcho-Terrorismus „cherchez la femme” in neuer Version, in: „rabs”. Zeitschrift für Religionspädagogik an berufsbildenden Schulen 3/79.

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