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Ökumenisches Pfarrkolleg Pfalz mit beeindruckendem Besuchsprogramm*

Frank-Matthias Hofmann
Johanna-Wendel-Straße 15, 66119 Saarbrücken

Ein  beeindruckendes Besuchsprogramm in Polen hatten Pfarrerin Christine Klein-Müller und Ordinariatsrat Michael Schmitt für das Ökumenische Pfarrkolleg in den Herbstferien vorbereitet. Dreißig Pfarrerinnen und Pfarrer aus der Evangelischen Kirche der Pfalz und Pastoralreferentinnen und Priester aus der Diözese Speyer machten sich wie alle zwei Jahre auf die Socken, um vom 12. bis 21. Oktober 2010 an Lernorten außerhalb der Pfalz die gesellschaftliche und kirchliche Wirklichkeit kennen zu lernen. Auch der für das Kolleg typische und bewusst gewollte informelle und ungezwungene Austausch über die ökumenische Zusammenarbeit  im der Pfalz kam dabei nicht zu kurz.

Da teilweise weite Anfahrten zu den Besuchsstätten zu bewältigen waren, kam es zu einer ökumenische Weggemeinschaft, die ihresgleichen anderswo in Deutschland sucht. Denn nur in der Pfalz gibt es eine so geartete ökumenische Studienfahrt. Erstmals war im Programm auch aufgenommen worden, dass Teilnehmende selbst christliche Persönlichkeiten vorstellten, die zu dem Besuchsland eine Beziehung haben, etwa der polnische Papst Paul Johannes II, von dem in jeder polnischen Stadt eine Statue in der Kirche oder auf öffentlichen Plätzen zu finden ist. Aber auch Hedwig von Schlesien, der liberale Theologe Friedrich Schleiermacher oder der Reformator Ostfrieslands, Johannes a Lasco, der aus Lask bei Lodz stammt, wurden einander vorgestellt. Da auch bei Fahrten die Morgenandachten unterwegs stattfanden, entwickelte sich der Reisebus zur Andachtsstätte und zum Seminarraum gleichermaßen.

Die Teilnehmenden waren von der Gastfreundschaft an der „Basisstation“, dem auch mit Mitteln aus dem Fonds der „Deutsch-Polnischen Versöhnungsstiftung“ zur katholischen  Bildungsstätte umgebauten Schloss von Groß Stein (heute Kamien Slaski), beeindruckt. Aus der fast völlig von deutschen Besatzern und russischen Soldaten zerstörten Schlossruine entstand ein Ort der Besinnung durch die Sanierung des umgebauten Geburtszimmers des Heiligen Hyazinth, der heutigen Kapelle, und der Reflexion über Kirche und Öffentlichkeit.

In der Diözese Oppeln, dem Gebiet des früheren deutschen Oberschlesiens, konnten die katholischen Deutschen zwar bleiben, mussten sich aber zwangspolonisieren lassen. Der Gebrauch der deutschen Sprache war unter kommunistischer Herrschaft verboten. Nach 1989 mussten mühsam wieder deutsche Gesangbücher und religiöse Schriften bereitgestellt werden, um eine Renaissance der Sprache und Kultur auch öffentlich zu ermöglichen. Viele Ortsschilder sind mittlerweile zweisprachig.

Schlimm traf es die Protestanten in Niederschlesien, die völlig vertrieben wurden. Bis heute sind die Protestanten in Polen eine extreme Minderheit, die es nur schwer schafft, sich Gehör zu verschaffen, obwohl viele Gemeinden lebendig sind und auch die Diakonie lokal begrenzt präsent ist und Menschen hilfreich zur Seite steht. Die vielen Referenten ließen die Teilnehmenden nachvollziehen, welche schmerzhaften Wunden die Vertreibungen nach Polen (Russen), in Polen selbst (Ostpolen) und aus Polen heraus (Deutsche) hinterließen, die nur in einem langen Prozess geheilt werden können.

Aber auch die sich für die katholische Kirche verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen durch zunehmende pluralistische Gesellschaft und kapitalistische Wirtschaftsform wurden zur Sprache gebracht. Der pensionierte Erzbischof der Diözese Oppeln, Alfons Nossol, wurde seinem Ruf als Grandseigneur der deutsch-polnischen Versöhnungsarbeit gerecht und beeindruckte durch seine Biographie, fleischgewordene Menschenfreundlichkeit Gottes, die die Auswirkungen der durch mehrere Teilungen leidensvolle Geschichte des polnischen Volkes widerspiegelt. Deutlich wurde, dass das Bewusstsein der Menschen in dem zerteilten Land für einen einheitlichen Nationalstaat nur durch das einigende Band des Glaubens in der katholischen Kirche erhalten geblieben war. Dass Lech Walesa und die Fahnen der Gewerkschaft Solidarnosc auch in katholischen Kirchen wie selbstverständlich ihren festen Platz finden, ist ohne diesen kulturellen Hintergrund für Westeuropäer, die die stärkere Trennung von Kirche und Staat gewohnt sind, nicht verständlich.

Der Besuch der traditionsreichen Städte, des ehemaligen österreichischen Krakau und des früher deutschen Breslau, ließen die ökumenische Gemeinschaft ein Gespür für die frühere Geschichte und die heutige Kultur dieser Städte bekommen. In der deutschsprachigen lutherischen Gemeinde in Breslau gestaltete Kirchenrat F.-M. Hofmann den Sonntagsgottesdienst mit und regte unter Bezugnahme auf die Ostdenkschrift der EKD an, ähnlich dem Deutsch-Französischen Geschichtsbuch auch ein deutsch-polnisches gemeinsames Geschichtsbuch zu erarbeiten.

An Auschwitz-Birkenau setzten sich die Teilnehmenden mit einem der schlimmsten Verbrechen der Menschheit auseinander und verharrten zu einem stillen Gebet vor der Zelle des Märtyrers Maximilian Kolbe, der von den Nazis ermordet worden ist. Die Auseinandersetzung mit den grausamen Foltermethoden und die barbarischen Ermordung in Todeszellen und Gaskammern raubte manchen Teilnehmenden den Schlaf.

Der Besuch des Wallfahrtsortes Tschenstochau ließ die tiefe Volksfrömmigkeit der Polen wahrnehmen und die feierliche Verhüllung mit „Pauken und Trompeten“-Begleitung des Bildes der „Schwarzen Madonna“ jagte auch manchen überzeugtem Protestanten einen Schauer über den Rücken. Auch am Annaberg konnte die Marienfrömmigkeit ablesen  werden.

Am Ende waren alle beeindruckt von dem, was sie gesehen und erlebt hatten. Der Dank der Gruppe ging nicht nur an Pfarrerin Christine Klein-Müller und Ordinariatsrat Michael Schmitt, sondern auch an den aus Oberschlesien stammenden Hornbacher Priester Gerhard Poete, der die Fahrt akribisch mit vorbereitet hatte und der viele Erläuterungen aus seinem persönlichen Erfahrungsschatz bereichernd zum Besten geben konnte, und alle noch einmal anders Polen zu verstehe  begannen. Oberkirchenrat Manfred Sutter schließlich blieb es vorbehalten, Michael Schmitt für die dreißig (!) Jahre Begleitung des Ökumenischen Pfarrkollegs zu danken. Er überreichte ihm als Präsent sein eigenes Ansteckkreuz der Evangelischen Kirche der Pfalz und lud Schmitt ein, beim Pfarrkonvent in zwei Jahren, die dann schwerpunktmäßig wieder von der evangelischen Seite vorbereitet werden soll, erstmals dann als reiner „Gast“ ohne organisatorische Verpflichtungen teilzunehmen.

Wohin es künftig hingehen soll, ist noch völlig offen. Sicher aber ist, dass diese Art ökumenischer Weggemeinschaft äußerst sinnvoll ist und erhalten bleiben sollte. Denn nirgendwo sonst in der Ökumene in der Pfalz kommt man einander über längere Zeit so nahe, wie auf dieser „Lebens- und Gebetsgemeinschaft auf Zeit“.

* Ordinariatsrat Michael Schmitt für 30-jährige Begleitung des Ökumenischen  Pfarrkollegs (1982-2010) in Dankbarkeit und Freundschaft zugeeignet

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