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Dr. Dirk Kutting
Hermann-Ehlers-Straße 10a, 55112 Mainz

Eilert Herms, Zusammenleben im Widerstreit der Weltanschauungen. Beiträge zur Sozialethik, Tübingen (Mohr Siebeck) 2007, XVIII+457 Seiten, 99,- Euro

Eilert Herms bietet Theorie für eine erfolgreiche pastorale Praxis. Das ist so in seinen frühen Veröffentlichungen: „Theologie – eine Erfahrungswissenschaft“, München 1978, und „Theorie für die Praxis“, München 1982; das ist auch so in seiner jüngsten Aufsatzsammlung: „Zusammenleben im Widerstreit der Weltanschauungen“, Tübingen (Mohr Siebeck) 2007. Es gibt darin keinen Aufsatz, der nicht für die Mühe einer konzentrierten Lektüre belohnt. Ich gestehe gerne: Ich könnte meine Arbeit als Pfarrer im Schuldienst nicht mit der Überzeugung und der Klarheit erledigen, wenn ich mir nicht immer wieder in vielen einzelnen ethischen Fragen und in der Gesamtperspektive meiner Tätigkeit Rat und Hilfe bei Eilert Herms holen würde.

Ich nenne kurz die wichtigsten Themen der dreiundzwanzig Aufsätze des Buchs:

Christliches Menschenverständnis; Zusammenleben, Zusammenhalt und Zusammenleben; Vertrauen und Religion; Willensfreiheit und Hirnphysiologie; Elitekonkurrenz und Wirtschaftsethik; Verantwortung in Wissenschaft und Technik; Implantationsdiagnostik und Stammzellenforschung; Sport und Spiel; Pluralismus und Identität; öffentliches Bildungswesen und evangelische Schulträgerschaft; Frauenforschung, Liebe, Sexualität und Ehe.

Mit der Aufzählung der Themen ist jedoch wenig gesagt. Denn wichtig für die Praxis ist nicht nur, dass jedes Thema mit erhellenden Sachkenntnissen auf allerhöchstem Niveau dargestellt wird, sondern vor allem exemplarisch für die gesellschaftliche Perspektive christlicher Daseinsgewissheit generell steht. D.h., im Nachvollzug von Herms’ Denken, wird uns Pfarrerinnen und Pfarrern ein Instrumentarium zur Verfügung gestellt, mit dem wir uns selbst eigenständig wichtige Themen pastoraler Arbeit erschließen können. Herms Aufsätze sind nicht deshalb handlungsrelevant, weil man durch sie einige schlagende Argumente im Widerstreit der Weltanschauungen bekommt, (die man einfach „nachbeten“ könnte). Nein, man wird dank Herms in die Lage versetzt, die besondere Perspektive des christlichen Wirklichkeitsverständnisses (wieder) so ernst zu nehmen, dass ihr Gehalt für eine universale Sicht menschlichen Zusammenlebens fruchtbar wird. 

Das geschieht in der unhintergehbaren gesellschaftlichen Situation des Pluralismus. Wenn diese nämlich beinhaltet, dass es neben der christlichen Daseinsgewissheit eine Vielzahl anderer Gewissheiten gibt, dann ist diese Tatsache weder durch selbstverliebte Beliebigkeit noch durch fundamentalistische Vernagelung zu beantworten. Herms’ Antwort ist weitreichender und prinzipiell pluralistischer: Das Verständnis der eigenen Vorgegebenheit einer universalen Sicht (das nennt man auch Glaube) schließt notwendig ein, andere Daseinsgewissheiten anzuerkennen und ernst zu nehmen. Dies wiederum beinhaltet zweierlei: 1. Die Teilnehmer am gesellschaftlichen Zusammenleben müssen oft zunächst einmal nach ihrer eigenen Daseinsgewissheit gefragt werden. Schon diese Frage ist eine unschätzbare Hilfe, die aus der christlichen Perspektive gegeben werden kann. Diese Frage beinhaltet möglicherweise für unsere (oft relativistischen) Mitmenschen das Ende eigener Selbstrelativierung und der Anfang wirklicher Selbstwahrnehmung. 2. Mit der Forderung nach Explikation der je eigenen Daseinsgewissheit geht auch eine solidarisch kritische Auseinandersetzung einher.

Die Aufgabe, die sich daraus ergibt lautet in Herms Worten wie folgt: „In der Gegensätzlichkeit der weltanschaulich-religiösen Globalorientierungen selbst muss eine dauerhaft friedliche Gestalt der Einheit des Zusammenlebens gefunden werden.“ Eine solche friedliche Gestalt des Zusammenlebens kann gefunden werden, wenn sich gegenseitig ein Ringen darum unterstellt wird, in perspektivischer Gewissheit universale Handlungshorizonte auszubilden, die sich möglichst genau auf die einephänomenale Wirklichkeit zu beziehen suchen.

Was also für unsere pastorale Arbeit ansteht, ist vor allem die Einsicht in die Öffentlichkeitswirksamkeit unserer Praxis. Die Pflege christlich-frommer Innerlichkeit bedeutet zwar auch seinen Frieden mit Gott zu machen bzw. zu finden, aber das doch so, dass wir aufgeschlossen werden für eine private und öffentliche Lebensgestaltung im kritisch-konstruktiven Zusammenleben verschiedener Weltanschauungen in einer Gesellschaft. Wer dies an einzelnen Fragestellungen nachvollziehen und für mögliche eigene Problemkonstellationen entwickeln möchte, sollte Herms lesen, für eine erfolgreiche pastorale Praxis!

Der Autor ist Pfarrer im Schuldienst und Schulseelsorger am Rabanus-Maurus-Gymnasium in Mainz.

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