Seelsorge, Kommunikationskompetenz, Handlungskompetenz und die eigene Identität

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Ulrich Rost
Grüninger Straße 25, 70599 Stuttgart

Das KSA-Lernmodell – Ansatz, Inhalt, Arbeitsweise

Einleitung: Was geschieht in einem KSA-Kurs? [1]

In den letzten Jahren habe ich mir als Studienleiter des Seminars für Seelsorge-Fortbildung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg zur Aufgabe gemacht, KSA zu verschiedenen Anlässen immer wieder aus einer neuen Perspektive möglichst einfach zu erklären. Dabei bin ich auf viele überraschte und interessierte Ohren gestoßen. Mir wurde klar, dass es hilfreich ist, den basalen Beitrag der KSA zu einer zeitgemäßen und professionellen Wahrnehmung pastoraler und ehrenamtlicher Aufgaben in unserer Kirche weiterhin zu erklären.

Die KSA kann auf eine 90jährige Erfahrung mit ihrem Lernmodell zurückgreifen. In dieser langen Geschichte hat sie sich kontinuierlich weiterentwickelt. In folgender Darstellung habe ich meine gegenwärtigen Perspektiven möglichst übersichtlich, kurz und zum Teil thesenartig zusammengestellt. Ich möchte dabei deutlich machen, dass ich in dem Lernmodell der KSA in unserer heutigen kirchlichen und gesellschaftlichen Situation mehr denn je eine elementare Grundlage für die kirchliche Praxis sehe. Dabei geht es nicht nur darum, das Seelsorgegespräch im engeren Sinne angemessen zu gestalten. Sondern, wie die Ausführungen und die abschießenden Überlegungen zeigen, leistet es für die Gestaltung des kirchlichen Lebens insgesamt einen elementaren Beitrag.

1. Kontext: Seelsorge und die Kirche

1.1. Seelsorge – Muttersprache der Kirche als cura animarum specialis und cura animarum generalis

1.1.1. Seelsorge ist die Muttersprache der Kirche [2]. Einerseits äußert sich diese Sprache ausdrücklich im Seelsorgegespräch, das neben Predigt, Lehre und Diakonie eine primäre Grundaufgabe der ganzen christlichen Gemeinde ist (cura animarum specialis). Andererseits durchzieht der Geist dieser Sprache implizit alle Handlungsfelder der Kirche (cura animarum generalis). Sie ist der Grundton, auf den kirchliches Handeln gestimmt ist [3]

1.2. Die Entwicklung der Kompetenz Seelsorge ist für die Zukunft der Kirche wichtiger denn je.

1.2.1. Kirche wird erfahrbar nur da, wo auf dem Grund des Evangeliums Kommunikationsräume entstehen, in denen gegenseitiges Verstehen und Verstehen des Glaubens möglich wird. Dafür ist die Kompetenz Seelsorge in unserer ausdifferenzierten und pluralisierten Gesellschaft wichtiger denn je.

1.2.1.1. Diesen Raum bietet die Organisation Kirche nicht per se. Er ist heute in einem interkulturellen Kontext bewusst zu eröffnen und im Gemeindeleben bewusst einzuüben. Die Kompetenz Seelsorge entwickelt die Fähigkeiten, die gegenseitiges Verstehen in der heutigen Vielfalt möglich machen.

1.2.1.2. Die Bedeutung der Seelsorge beschränkt sich nicht auf Einzelpersonen und Einzelbereiche. Möglichst viele seelsorglich ausgebildete Pfarrerinnen und Pfarrer und Ehrenamtliche sind heute für ein überzeugendes kirchliches Leben insgesamt unabdingbar. In der Kirche gibt es keine seelsorgefreien Bezirke.

1.2.3. Umfragen zeigen, dass die Menschen von den Kirchen an erster Stelle Seelsorge erwarten.

1.3. Die Kompetenz Seelsorge braucht eine hervorragende Ausbildung

1.3.1. Die Kirche nimmt diese Aufgabe wahr, indem sie sowohl Pfarrerinnen und Pfarrer als auch ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kompetenz Seelsorge professionell ausbilden lässt.

1.3.2. Eine wirkungsvolle Seelsorgeausbildung bewegt sich auf dem hohen Niveau heutiger Begleitungsformen und kommunikationswissenschaftlicher Erkenntnisse.

1.3.2.1. So kann Kirche im Kontext unserer heutigen Gesellschaft zu einem Raum der Begegnung werden, in dem die Gemeinde Jesu Christi angemessen gestaltet wird.

1.3.2.2. So kann den Erwartungen an die Seelsorge professionell und glaubhaft begegnet werden. Unsere heutige Gesellschaft nimmt Kirche mit Gespür für Authentizität wahr.

1.3.2.3. So können seelsorglich Ausgebildete diese Aufgabe profiliert in klarer Korrelation und Abgrenzung gegenüber den zahlreichen anderen Begleitformen (von der klassischen Therapie über Beratung bis zu spirituell-esoterischen Angeboten) ausüben.

1.3.2. Eine zeitgemäße Seelsorgeausbildung muss sich daran messen lassen, inwiefern sie die Personenkompetenz entwickelt und Menschen ermöglicht, einen sehr persönlichen Lernweg wirkungsvoll zu gehen. [4]

1.3.2.1. Die Kompetenz Seelsorge bezieht sich sowohl auf das Einzelgespräch als auch auf die alle Handlungsfelder durchziehende Grundhaltung der Persönlichkeit, die viel Arbeit an der eigenen Person braucht.

1.3.2.2. Die Handlungsfelder der Seelsorge sind in unserer ausdifferenzierten und multikulturellen Gesellschaft sehr unterschiedlich. Jeder Mensch und jede Situation braucht eine eigene Weise der Begegnung. Es kann nicht nur nach einem Schema und nach einer Methode vorgegangen werden. Vielmehr braucht es eine hohe persönliche Intuition und Rollenklarheit.

1.3.2.3. Die Kommunikation des Evangeliums ist weniger denn je durch ein Amt autorisiert, sondern muss durch die Person beglaubigt und überzeugend vermittelt werden.

1.3.2.4. Die Kompetenz Seelsorge lebt vor allem von einer persönlichen Begegnung, die authentisch und glaubhaft ist. Seelsorgende brauchen eine hohe Beziehungskompetenz.

1.4. Die Antwort der KSA auf die gegenwärtigen Herausforderungen

1.4.1. Die herausragende Stärke des KSA-Lernmodells [5] ist die Entwicklung einer Seelsorge-Kompetenz, die die ganze Person durchdringt. Darauf ist das KSA-Lernmodell besonders ausgerichtet. Es fördert konsequent einen je eigenen Lernweg der Teilnehmenden als selbstbestimmten und kontinuierlichen Weg durch die gesamte Kurszeit. Dieser Weg ist durchgehend mit den konkreten beruflichen und persönlichen Realitäten der Einzelnen verbunden, die in der Gruppe erfahrungsbezogen kommuniziert werden und von da aus mit theoretischen Konzepten verbunden werden. Somit ist der Lernweg sehr nachhaltig.

1.4.2. Drei Zugänge zur persönlichen Aneignung sind für das KSA-Lernmodell besonders kennzeichnend und werden ineinander verschränkt:

1.4.2.1. Die Aneignung der Inhalte, neuer Erkenntnisse und Entwicklungsschritte geschieht in Verbindung mit der eigenen Praxis. Jede und jeder der Teilnehmenden bekommt in einem Kurs mehrmals Raum zur persönlichen Besprechung des eigenen mitgebrachten Materials (Gesprächs-, Predigt-, Fallbesprechungen). Dadurch, dass die Einzelnen sich immer wieder mit ihrem Material einbringen, können sie sich für ihre Praxis ganz konkrete Lernschritte vornehmen (learning by doing), die im weiteren Kurs fortlaufend durch das unterstützende und kritische Feedback der Gruppe begleitet werden. So ist eine persönliche Entwicklung möglich.

1.4.2.2. Die Aneignung geschieht in der expliziten Verbindung mit den eigenen Erfahrungen und Beziehungen im Hier und Jetzt der Lerngruppe. Die Interaktionen und Dynamiken der Gruppe werden für die Entwicklung jedes Einzelnen bewusst genutzt. Im Hier und Jetzt der gelebten Gruppenbeziehungen spiegeln sich die Kommunikations- und Handlungsmuster des Alltags und können so direkt und unmittelbar bearbeitet werden. Das KSA-Lernmodell fördert das Lernen in einer möglichst bewussten Beziehung zu den anderen Teilnehmenden und zu sich selbst.

1.4.2.3. Die Aneignung geschieht in Verbindung mit einer bewussten Auseinandersetzung mit der eigenen Person. Diese wird gezielt angeregt und der offene und möglichst ehrliche Austausch in der Gruppe über eigene Stärken, Schwächen, Krisen, Fragen, Verhaltensmuster und die wichtigsten biographischen Prägungen gehören zum Standard. Durch die selbsterfahrungsbezogenen Gruppengespräche findet ein komplexes wechselseitiges Lernen statt. In Anlehnung an Friedemann Schulz von Thun kann Sinn und Zweck dieser Übung etwas salopp so ausgedrückt werden: Willst du eine gute Seelsorgerin oder ein guter Seelsorger sein, dann schau erst mal in Dich selbst hinein.

1.4.2.4. Die folgenden Kapitel werden diese Punkte im Einzelnen ausführen und weitere markante und hilfreiche Besonderheiten der KSA-Lernmethode beschreiben.

1.4.3. Die KSA- Ausbildung entwickelt

·             •die seelsorgliche Grundhaltung der Person, in der sich cura animarum specialis und cura animarum generalis verbinden

·             •die Fähigkeiten zur angemessenen Gestaltung von Seelsorgegesprächen

·             •die Kommunikations- und Handlungskompetenz

·             •die pastorale und geistliche Identität

·             •den Blick für das System Kirche und die eigene Rollenklarheit

1.4.4. Das vielfältige KSA-Kursangebot richtet sich an Personen im

•              Haupt- und Ehrenamt der Gemeinde

•              Sonderamt, wie zum Beispiel Krankenhaus, Altenheim, Gefängnis und Diakonie

•              Religionsunterricht

1.4.5. Die KSA-Lernmethode ist offen für Menschen

•              unterschiedlicher theologischer und geistlicher Prägung

•              unterschiedlicher Seelsorgeansätze

1.4.5.1. Die Begegnung ganz unterschiedlicher Menschen, Lebensentwürfe, Lebensformen und theologischer Überzeugungen gehört zum Lernmodell. Es leistet dadurch einen wichtigen Beitrag zum gegenseitigen Verstehen in der Kirche.

2. Theologische Begründung und Zielbestimmung

2.1. Theologische Bestimmung der Seelsorge

2.1.1. In der Seelsorge konkretisiert sich das Evangelium Jesu Christi im ausdrücklichen Seelsorgegespräch und in Begegnungen, die von einer seelsorglichen Grundhaltung getragen sind, für unterschiedliche Menschen auf vielfältige Weise in deren individuelle Situationen hinein.

2.1.2. Seelsorge gibt der annehmenden Nähe Gottes in der persönlichen Begegnung Raum: Im Gespräch oder schweigendem Dasein, im Segen, Gebet und geistlichen Texten oder durch behutsame Berührung. [6]

2.1.3. Seelsorge wendet sich anderen Menschen um deren selbst willen im Bewusstsein der liebenden Gegenwart Gottes zu. Die seelsorgliche Zuwendung zum Mitmenschen gründet in Jesus Christus, in dem sich Gott ganz und gar auf den Menschen eingelassen hat und darin seine vorbehaltlose Liebe für Menschen zur Erfahrung werden lässt. [7]

2.2. Die Basis der Ausbildung: Im Bewusstsein des Evangeliums annehmend da sein, verstehend und verständlich kommunizieren

2.2.1 Gestaltender Grundsatz der Seelsorge ist die Rechtfertigungslehre – die bedingungslos annehmende Liebe Gottes.

Menschen erfahren: Ich werde mit meinen hellen und dunklen Seiten gesehen, ausgehalten, angenommen und geliebt. Sie beginnen sich selbst mehr zu spüren und anzunehmen. Wo diese Liebe bei Menschen erlebbar ankommt, geschieht Umwälzendes. Alte Wertmaßstäbe werden im konkreten Kontakt fühlbar auf den Kopf gestellt. Menschen erspüren eine neue Lebensqualität: Ich darf sein! Ohne Bedingungen angenommen zu werden, gehört unauflöslich zum Spezifikum christlicher Seelsorge. Was selbstverständlich klingt, wird von Christen häufig durch Bewertungen und Bedingungen eingeschränkt. Wo Jesu vorbehaltlose Liebe Menschen erfahrbar trifft, wird Rechtfertigung erlebt und entwickelt sich Reich Gottes.

2.2.1.1. Paradoxerweise setzt die Entwicklung zum Reich Gottes da ein, wo zunächst das, was ist, eine spürbare Annahme erfährt. Auf dem Boden des Angenommenseins können die Dinge gesehen werden, wie sie sind, und ausgehalten werden. Von diesem realen Grund aus können sich nachhaltige Veränderungen entwickeln. Im erlebten Angenommensein ereignet sich die Revolution des Evangeliums.

2.2.1.2. Nicht selten äußern Christen die Sorge, dass doch alles beliebig wird, wenn der vorbehaltlosen Liebe ein so großes Primat eingeräumt wird. Dem ist zu entgegnen, dass die Liebe Jesu Christi alles andere als beliebig ist, wo sie in uns wirklich Raum bekommt. Sie bewirkt von innen heraus eine klare Herzensbildung, die ein wirklich menschliches Menschsein intendiert und dafür auch die angemessenen lebensförderlichen Formen findet. Nicht selten machen Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer diese Erfahrung ganz konkret. Augustinus bringt dies in seiner Auslegung zum 1. Johannesbrief in dem kurzen und bekannten Satz auf den Punkt: „Liebe und tue dann, was Du willst.“

2.2.1.3. Zu der Einsicht, dass die Selbst- und Fremdannahme für Menschen die Grundlage schlechthin ist, ist auch die Psychologie gekommen. Wo christliche Seelsorge dahinter zurückfällt, gibt sie ihr ureigenes Feld auf. Christliche Seelsorge kann über die psychologische Ebene hinausgehen, weil das vorbehaltlose Annehmen im Bewusstsein des Evangeliums noch einmal eine ganz neue Qualität bekommt und die tiefen Seinsstrukturen erfasst.

2.2.2. Die große Herausforderung christlicher Seelsorge ist, diesem Spezifikum der erfahrenen Annahme in heutiger Zeit zu entsprechen.

2.2.2.1. Seelsorgende geben stellvertretend etwas von der annehmenden Liebe Gottes weiter. Sie tun das, indem sie

– im Bewusstsein des Evangeliums in einer seelsorglichen Grundhaltung präsent sind

– eine annehmende Gesprächsführung praktizieren.

2.2.3. Basisziel der Ausbildung sind darum zwei Dinge:

·      Die innere Entwicklung einer seelsorglichen Grundhaltung, die im Bewusstsein des Evangeliums annehmend da sein kann.

·      Das Erlernen einer klaren Kommunikation, in der sich andere gesehen, verstanden und angenommen fühlen und in der verstanden wird, was Seelsorgende sagen wollen.

2.2.3.1. Um diese Basis umsetzen zu können, begeben sich SeelsorgerInnen in der Regel auf einen intensiven Lernweg. Es braucht viel innere Entwicklung, Selbstreflexion, Selbsterfahrung (auch eine Erfahrung der Annahme!), geistliche und kommunikationspsychologische Erkenntnisse und praktisches Üben. Dies wird in den folgenden Kapiteln genauer beschrieben. Was einfach klingt, ist schwer und braucht viel Sorgfalt.

2.2.3.2. Auf diese Grundlage der Ausbildung müssen sich alle einlassen, die an der KSA-Ausbildung teilnehmen wollen. Es braucht die Bereitschaft, komplexe und sehr persönliche Lernwege in der Gruppe zu gehen (siehe unten). Voraussetzung für die Aufnahme in die Kurse ist nicht von vorne herein eine hohe soziale Kompetenz, sondern die Bereitschaft, sich auf diesen Lernweg einzulassen.

2.2.4. Ist dieser Lernweg die Voraussetzung für das Wirken des Heiligen Geistes? Nein, das Wirken des Heiligen Geistes bleibt unverfügbar. Die verheißungsvolle Aufgabe der Seelsorge aber ist es, auf dem Resonanzboden der schon geschenkten Liebe Gottes, sich um eine entsprechende Grundhaltung und entsprechendes Kommunizieren zu bemühen. Dazu nutzt sie humanwissenschaftliche, psychologische und kommunikationspsychologische Erkenntnisse. Seelsorge versucht der Liebe Jesu Christi mit den heute zur Verfügung stehenden Mitteln zu entsprechen. So ist zum Beispiel die Kommunikationspsychologie keine Bedingung für das Wirken des Heiligen Geistes, sondern deren Nutzung gehört selbstverständlich in eine seelsorgliche Haltung, die dieser Liebe antworten und entsprechen möchte.

2.3. Weiterführende Varianten

2.3.1. Von dieser Basis ausgehend sind dann verschiedene Wege möglich, die von der Situation des Gespräches, vom Gegenüber und von dem Seelsorgeansatz der Seelsorgenden abhängt. Die unterschiedlichen Seelsorgeansätze müssen heute nicht mehr alternativ gesehen werden, sondern können als komplementäre Zugänge zu dem Ziel, der Nähe Gottes Raum zu geben, gesehen werden. [8] In den Kursen pflegen wir diese integrative Haltung. Hier werden sie grob in fünf sich ergänzende Grundvarianten eingeteilt, die individuell ausgestaltet werden und sich in einem Gespräch auch phasenweise abwechseln können:

2.3.1.1. Es bleibt beim Verstehen. Wenn jemand die Erfahrung des Angenommenseins macht, hat sich schon ein Stück Evangelium ereignet

2.3.1.2. Es kommt zu Gebet, Segen, Beichte.

2.3.1.3. Es wird zu einem Beratungsgespräch, d.h. eine Lösung wird gesucht.

2.3.1.4. Es kommt zu einem Meinungsaustausch: Seelsorgende bringen ihre eigene Überzeugung ein und beziehen ausdrücklich eine andere und eigene Position. Die Herausforderung hierbei ist, die andere Position nicht abzuwerten. So entsteht ein Gespräch auf Augenhöhe. Konfrontation kann dazu gehören.

2.3.2. Maßgebende Basis für die komplementären Varianten ist:

– dass es stimmig geschieht, d.h. in die Situation passend, dem Gegenüber angemessen und der Person des Seelsorgers entsprechend.

– dass es auf dem Boden des Angenommenseins geschieht. Es ist ein Unterschied, ob ich jemand verurteilend konfrontiere, oder ob ich es im Raum des Angenommenseins und Verstehens tue.

2.4. Die implizite und explizite Seite des Bewusstseins der liebenden Gegenwart Gottes

2.4.1. Die annehmende Liebe Gottes kommt implizit in jedem annehmenden Seelsorgegespräch und Handeln zum Tragen. Explizit wird sie je nach Situation des Gespräches und Anliegen des Gegenübers in unterschiedlicher Gestalt.

2.4.1.1. Implizit bekommt das Evangelium da Raum, wo Menschen sich auch mit ihren hellen und dunklen Seiten gesehen und angenommen fühlen. Wo dies wirklich geschieht, geschieht schon Evangelium. Auszubildende brauchen in der Regel lange, um anzuerkennen, dass schon allein darin viel Heilsames geschieht. Dies gilt es dann praktisch umzusetzen. Das Vertrauen in die Wirkung der Gegenwart Gottes ist für die Seelsorgearbeit tragend. Der Lernweg der Auszubildenden führt sie zur Beschäftigung mit ihrer eigenen Biographie und Spiritualität.

2.4.1.2. Ob die geistliche Dimension dessen, was hier geschieht, auch explizit werden soll, hängt von der Situation ab. Seelsorgende entwickeln ein Gespür, wann und wie es stimmig ist, geistliche Themen in Sprache zu bringen. Das richtige Wort zur falschen Zeit, kann das Gegenteil dessen bewirken, was es will. Prinzipiell sind Seelsorgende in der Lage, mit völlig säkularisierten Menschen in deren Sprache über deren Leben zu sprechen – und von da aus ihren Glauben in Sprache zu bringen. Für die Zukunft unserer Kirche ist es unabdingbar, dass Amtstragende in unserer ausdifferenzierten Gesellschaft mit ganz unterschiedlichen Milieus sprachfähig bleiben. Dazu gehört wache Fremdwahrnehmung, tiefes Einfühlungsvermögen, die Fähigkeit, vom anderen her zu denken, und auf Augenhöhe einen eigenen Standpunkt einzubringen.

2.4.2. Aus dieser Unterscheidung zwischen expliziter und impliziter Dimension des Evangeliums folgt, dass das Spezifikum der seelsorglichen Begegnung nicht an den expliziten Inhalten des Gespräches festgemacht werden kann. Es besteht in einer seelsorglichen Grundhaltung, die im Bewusstsein des Evangeliums präsent ist.

3. Inhalt

3.1. Die eigene Person als Schwerpunkt der Ausbildung

3.1.1. Die eigene Person ist das wichtigste Handwerkszeug, das Seelsorgende in ihre Arbeit mitbringen. Aber sie ist nur das Handwerkszeug. Das Wirken des Heiligen Geistes bleibt unverfügbar. In diesem Bewusstsein arbeitet KSA schwerpunktmäßig an der Person.

3.1.1.1. Die Arbeit an der eigenen Person kann im Sinne von 2. Kor 3,3 auch als Herzensbildung verstanden werden: „Ist doch offenbar geworden, dass ihr ein Brief Christi seid, zubereitet durch unsern Dienst, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist, des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln, nämlich eure Herzen“(2. Kor 3,3).

3.1.1.2. Dass die Person im Zentrum der Ausbildung steht, entspricht auch kommunikationswissenschaftlichen Erkenntnissen. Untersuchungen sagen zum Beispiel, dass der verbale Anteil einer Begegnung nur 7% bis 25% (je nach Untersuchung) der Wirkung ausmacht, der Rest ist nonverbal. Das hat zur Folge: Wenn die nonverbale Ebene nicht mit der verbalen übereinstimmt, kommt das, was ich sagen will, nicht wirklich an.

3.1.2. Alle theologischen und kommunikationswissenschaftlichen Erkenntnisse, Konzepte, Theorien und Gesprächstechniken werden mit der jeweiligen individuellen Person stimmig in Verbindung gebracht. Ihre Vorgaben und Entwicklung sind Leitfaden der Ausbildung. Die dazu gehörende Theorie und Methoden führen folgende Kapitel aus.

3.1.2.1. Da das Lernen der KSA mit der eigenen Erfahrung und dem eigenen Tun beginnt (siehe Punkt 4.), werden die nicht wegzudenkenden theoretischen Konzepte nachfolgend in Kapitel 5 erörtert.

3.1.2.2. Allgemein kann gesagt werden, dass es um die Entwicklung einer annehmenden Grundhaltung der Person, um die Entwicklung des inneren Standings, um die Entwicklung einer klar kommunizierenden Person, um das Erlernen stimmiger Kommunikations- und Handlungstechniken und um Rollenklarheit im System geht.

3.2. Die Person als Einheit von Geist, Seele und Leib

3.2.1. Ein zentrales Anliegen bei der Arbeit mit der Person ist die Verbindung von Verstand und Gefühl.

3.2.1.1. Erst, wenn Menschen auch ihre Gefühle wahrnehmen und ausdrücken können und sich mit diesen als angenommen erfahren, werden Begegnungen ganz. Viele Psalmen zeigen, welch großes Gewicht die Gefühle auch im Glauben haben. 2. Kor 3,3 drückt dies auf seine Weise aus: „Ihr seid ein Brief Christi, … geschrieben auf … eure Herzen.“

3.2.1.2. Meist ist die rationale Intelligenz bei Menschen wesentlich besser ausgebildet als die emotionale Intelligenz, die oft verkümmert ist. Darum liegt auf der Arbeit mit den Gefühlen ein besonderer Schwerpunkt. Die Arbeit mit den Gefühlen geschieht nicht auf Kosten des Verstandes, sondern mit dem Ziel, Verstand und Gefühl in Balance zu bringen.

3.2.1.3. Wirkliche Lösungen eröffnen sich nur dort, wo die dazugehörigen Gefühle wahrgenommen und zugelassen werden. Auch da, wo ein Problem äußerlich nicht gelöst ist, kann eine große Erleichterung eintreten, wenn die dazugehörigen Gefühle adäquaten Ausdruck finden. Ein wichtiger Lernmoment vieler Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer ist, zu entdecken, dass das Sprechen über Gefühle noch nicht bedeuten muss, dass sie auch gespürt werden. So können die radikalen Stimmungsumschwünge in vielen Psalmen gesehen werden. Die Betenden schreien ihren verzweifelten Zustand mit schmerzlichen Gefühlen vor Gott hinaus und plötzlich, von einem Satz auf den anderen, kommt Freude zum Ausdruck. Warum? Die Betenden kommen beim emotionalen Ausdrücken ihres Schmerzes irgendwann auf den Grund. Freude und Vertrauen, die tief unten auch da sind, bekommen wieder Raum und können gespürt werden, ohne dass sich die äußeren Umstände geändert haben (vgl. Psalm 69).

3.2.2. Die Wahrnehmung des Körpers findet in den Kursen besondere Beachtung.

3.2.2.1. Nur über unseren eigenen Körper kommen wir mit unseren Gefühlen in Kontakt. Der Körper ist Sitz der Gefühle.

3.2.2.2. An der Körpersprache des Gegenübers können wir viele nonverbale Signale ablesen. Der Körper lügt nicht und sagt oft, was Menschen nicht ausdrücken können oder wollen.

3.2.2.3. Die Ablehnung des Leibes in der kirchlichen Tradition war eine unchristliche Fehlentwicklung, die den von Gott mit Geist, Seele und Leib geschaffenen Menschen verraten hat. Diese Einheit bringt 1. Thess 5,23 klar zum Ausdruck: „Der Gott des Friedens heilige euch durch und durch und bewahre euren Geist samt Seele und Leib unversehrt.“ Z.B. Psalm 69,1ff und 32,3 zeigen, wie Gefühl und Körperempfindung korrelieren.

3.3. Analog zum Dreifachgebot der Liebe kommt die Person in dreifachem Bezug in den Arbeitsfokus

• die Person in der Beziehung zu sich selbst,

• die Person in der Beziehung zum Gegenüber,

• die Person in der Beziehung zu Gott.

3.3.1. Die Person in der Beziehung zu sich selbst: Nur wer sich kennt, kann stimmig agieren. Was ich in meiner eigenen Geschichte verdränge, nicht verarbeitet habe oder ablehne, kann ich bei anderen weder annehmen noch aushalten. Folgende Schwerpunkte finden besondere Beachtung:

• meine Lebensgeschichte und meine Einstellung zu ihr,

• meine Stärken und Schwächen,

• meine Erfahrungen mit Krisen,

• meine Kommunikationsmuster und ihre Herkunft.

3.3.2. Die Person in der Beziehung zum Gegenüber: Die Begegnung mit dem Du ist jedes Mal wie das Betreten von Neuland. An der Entwicklung folgender Kompetenzen arbeiten wir besonders:

• Selbst- und Fremdwahrnehmung in emotionalen, sozialen, kulturellen und spirituellen Bezügen einüben,

• die Dynamik in der Beziehung erkennen und mit ihr umgehen, Projektion und Übertragung,
• Methoden der Gesprächsführung reflektieren und in Übereinstimmung mit der eigenen Person erproben,

• hermeneutische Kompetenz entwickeln.

3.3.3. Die Person in der Beziehung zu Gott. „Ihr seid ein Brief Christi, geschrieben durch den Heiligen Geist.“ Folgenden Themen widmen wir uns besonders:

• eigene Glaubensgeschichte,

• spirituelle Wurzeln,

• Gottesbilder,

• mein Glaube und meine Arbeit,

• meinen Glauben stimmig in Sprache bringen,

• biblische Glaubensdeutungen, geistliche Traditionen und Ausdrucksformen reflektieren und angemessen zum Ausdruck bringen,

• reflektierter Umgang mit Gebet, Segen, geistlichen Texten, Symbolen und Ritualen.

3.4. Ein eigenes Seelsorgeverständnis entwickeln

3.4.1. Die Teilnehmenden setzen sich mit unterschiedlichen Seelsorgekonzepten auseinander und entwickeln ein eigenes in der Praxis erprobtes authentisches  Seelsorgeverständnis, das sie der Gruppe präsentieren.

3.5. Nähe und Distanz in der persönlichen Begegnung

3.5.1. In Seelsorgegesprächen entsteht eine große Nähe, die Seelsorgende bis zu einer bestimmten Grenze eingehen müssen – aber nur bis zu einer bestimmten Grenze. Da Seelsorgende in gewisser Hinsicht in einer Machtposition sind und die Seelsorgesuchenden hilfsbedürftig sind, haben sie eine hohe Verantwortung. Sie brauchen ein exaktes Empfinden, wann das Gegenüber in seiner Würde verletzt wird und die Grenze überschritten ist. Seelsorgende haben ein Gespür dafür zu entwickeln, wann sie eigene, persönliche, emotionale oder körperliche Bedürfnisse in der Seelsorge befriedigen. Dazu setzen sie sich mit ihrer eigenen Bedürftigkeit auseinander.

3.6. Entwicklung der eigenen Identität und beruflichen Selbststeuerung

3.6.1. Bei diesem Lernen mit der eigenen Person, das in den folgenden Kapiteln noch anschaulicher wird, entsteht ein neues Empfinden für sich selbst. Die eigene Identität entwickelt sich.

3.6.1.1. Den Teilnehmenden wird klarer, wer sie sind und wie sie wirken, was sie wollen und was sie nicht wollen, wozu sie sich berufen wissen und wozu nicht, wie sie glauben und wie sie nicht glauben.

3.6.1.2. Die Teilnehmenden lernen das Eigene und Andere besser zu unterscheiden und die Unterschiede auszuhalten.

3.6.1.3. Den Teilnehmenden werden die eigenen Stärken und Schwächen bewusster, sie werden realistischer, lernen zu ihnen zu stehen und können ihre Arbeit entsprechend gestalten.

3.6.1.4. Indem die Teilnehmenden mehr mit sich selbst – ihrer Gottebenbildlichkeit – identisch werden, brauchen sie nicht mehr fremden Idealen hinterher hecheln und anstrengende Fassaden aufrechterhalten. Durch das Loslassen fremder Selbstbilder wird viel Energie frei und werden die Menschen lebendiger.

3.6.2. Bei diesem Lernen mit der eigenen Person vergrößert sich das Potenzial zur beruflichen Selbststeuerung und Rollenklarheit.

3.6.2.1. Die Anforderung der Selbststeuerung an Pfarrerinnen und Pfarrer wird leichter möglich. Denn da, wo sie wissen, zu was sie ja sagen, können sie zu Anderem leichter nein sagen und dieses Nein auch nachhaltig vertreten. Die vielbeschworene Konzentration im Pfarramt kann nachhaltig da gelingen, wo die Betroffenen ihre Position in möglichst hoher Übereinstimmung mit sich selbst geklärt haben.

3.6.2.2. Durch dieses Lernen mit der eigenen Person wächst das Bewusstsein für die unterschiedlichen Rollen im System des Arbeitsfeldes und somit mehr Rollenklarheit und Professionalität. Zum Beispiel wächst das Gespür, wie eine seelsorgliche Grundhaltung mit Konfrontation und Dienstaufsicht verbunden werden kann.

3.6.2.3. Durch das erhöhte innere Standing wird die Grundlage für dialogisches Kommunizieren gelegt, bei dem der eigene Standpunkt ohne Abwertung des Gegenübers vertreten werden kann. Das erspart viele Verletzungen und Konflikte.

4. Arbeitsweise

4.1. Sieben Grundprinzipien sind in der KSA-Arbeit leitend

4.1.1. Selbstbestimmtes Lernen

4.1.1.1. KSA sieht in den Teilnehmenden autonome Menschen, die ihren Lernweg selbstbestimmt gehen und unter den in Punkt 2.2.3. genannten Bedingungen selbst erkennen, was sie lernen wollen und können. KSA setzt auf die inhärente natürliche Intuition derer, die sich weiter entwickeln wollen. Die Kursleitung gibt Impulse, fordert heraus und konfrontiert auch, aber immer so, dass ihr Gegenüber selbst entscheiden kann, was es annimmt und welche Schritte es gehen möchte. Die Leitungskunst besteht darin, entstehenden Abhängigkeiten kontinuierlich entgegenzuwirken. Die Kursleitung fördert die Einzelnen und die Gruppe insgesamt als Souverän ihres eigenen Prozesses und macht sich selbst tendenziell überflüssig.

4.1.1.2. KSA geht davon aus, dass die Lernschritte, die Menschen aus eigener Überzeugung selbst gehen wollen und in Eigenverantwortung gehen, nachhaltig sind.

4.1.2. Prozessorientiertes Lernen: Es gibt keine allgemeingültigen Normen, wie die Einzelnen sein sollten. Vielmehr wird mit jedem Teilnehmenden dessen nächster persönlicher Schritt entwickelt. Die Unterschiedlichkeit wird ernst genommen und gewürdigt. Jede und jeder geht unter den ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ein Stück auf ihrem persönlichen Entwicklungsweg weiter.

4.1.3. Learning by doing und eigenes Praxismaterial: Das Lernen in der KSA beginnt mit dem eigenen Tun und Ausprobieren. KSA arbeitet mit dem Material, das die Teilnehmenden einbringen. Diese brauchen immer ein eigenes Praxisfeld, aus dem sie ihr Material und ihre Erfahrungen in den Kurs einbringen und in dem sie Gelerntes wieder ausprobieren können, um es erneut im Kurs mit der Gruppe zu reflektieren. Auch Gesprächstechniken werden in der eigenen Praxis erprobt.

4.1.3.1. Somit ist die Ausbildung immer ganz dicht an dem dran, was die Teilnehmenden tatsächlich brauchen und diese eignen sich neue Erkenntnisse unmittelbar im Feld der eigenen Praxis an.

4.1.3.2. Aus diesem Grund ändern sich die Themen in der KSA entsprechend den Themen, die in der Kirche aktuell sind. So waren in den 70er und 80er Jahren mehr sozialethische Fragen im Vordergrund, heute sind es häufig geistliche Themen.

4.1.4. Ressourcenorientiertes Lernen: KSA legt Wert darauf, dass die Teilnehmenden neben der Arbeit an schwierigen Seiten immer auch mit ihren Stärken in Kontakt bleiben. Einerseits gibt KSA Impulse, die eigenen Stärken zu entdecken, ihnen zu glauben und sie zu leben. Andererseits werden die ungeliebten Schatten angeschaut und ein angemessener Umgang mit ihnen erarbeitet.

4.1.5. Lernen im Beziehungsgeflecht der Gruppe: Das Lernen findet in einer kleinen Gruppe statt (acht bis zehn Personen), deren Interaktionen und Dynamiken für die Lernprozesse gezielt genutzt werden. Die Einzelnen finden durch das unterstützende Korrektiv der Gruppe zu einer intensiven und  realitätsbezogenen Selbst- und Fremdbegegnung.

4.1.6. Lernen im Hier und Jetzt: Im ständigen interaktiven Kontakt erkennen Teilnehmende im Hier und Jetzt der Gruppe immer mehr ihre Kommunikationsmuster, weil sie in den kontinuierlichen  intensiven Kontakten sich selbst und anderen sehr intensiv und zunehmend ehrlicher begegnen. Auf dieser ehrlichen Begegnung basiert die ganz Arbeit, weil nur in ihr die wesentlichen Kompetenzen für die Seelsorge erlernt werden können. Die Teilnehmenden kommen dabei häufig an ihre Grenzen. Das ist gewollt. Seelsorge hat viel mit unseren Grenzen zu tun. Die Kursleitung achtet darauf, dass die Einzelnen nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten gefordert werden, die Atmosphäre konstruktiv bleibt und immer wieder zum Vertrauen zurückgefunden wird. Viele  Gespräche werden mit Hilfe von kommunikationspsychologischen Erkenntnissen moderiert und/oder hinterher anhand dieser Modelle erklärt.

4.1.7. Transparenz der Methoden: Kursleitende machen ihre Methoden transparent und geben Einblick in die dahinter stehenden theoretischen Konzepte. Die Teilnehmenden vertrauen sich nicht Gurus mit Geheimrezepten an, sondern arbeiten in Prozessen mit, deren Sinn und Methode ihnen erklärt wird.

4.2. Sechs Schwerpunkte des praktischen Lernens

4.2.1. Zu dem erfahrungsbezogenen Lernen im erlebten Gruppengeschehen gehören sechs Schwerpunkte, die auch im Praxisfeld erprobt werden und in den Materialbesprechungen (Gespräche, Fälle, Predigten, Andachten) eine spezifizierte Anwendung finden. Kennzeichnend ist die ständige Korrelation zwischen dem, was hier und jetzt in der Gruppe erlebt wird, und dem, was im Praxisfeld getan wird, aus dem das Material mitgebracht wird.

4.2.2. Feedback einholen und geben: Eine ausgereifte Feedbackkultur ermöglicht den Teilnehmenden, ihre eigene Wahrnehmung von sich selbst (Selbstwahrnehmung) und die Außenwahrnehmung der anderen miteinander zu vergleichen und die Erkenntnisse zur eigenen Selbstwerdung zu nutzen. Die Kurse leben davon, dass sich die Teilnehmenden in der Gruppe live erleben (besonders in der Selbsterfahrung in der Gruppe) und eigene Praxisbeispiele (Gesprächsprotokolle, Predigten) miteinander besprechen. Durch das ehrliche Feedback werden eigene Reflexionsprozesse angestoßen. Sie merken, wo sie sich entwickeln möchten und für eine professionelle Seelsorge auch weiterentwickeln müssen. Ihre Erkenntnisse besprechen sie in der Gruppe und versuchen dann neue Schritte ganz konkret in der Gruppe und im Praxisfeld umzusetzen. Die Gruppe gibt darauf erneut Feedback und die Protagonisten können realistisch erspüren, was sich wirklich ändert.

4.2.2.1. Durch das Feedback werden die Teilnehmenden auf blinde Flecken aufmerksam. Sie lernen Seiten an sich kennen, die sie an sich selbst nicht wahrnehmen konnten, aber die anderen wahrnehmen. Das können Stärken und Schwächen sein. Die blinden Flecken sind in hohem Maße dafür verantwortlich, dass Menschen wiederholt Wirkungen erzielen, die sie nicht verstehen.

4.2.2.2. Nicht zuletzt lernen die Teilnehmenden unterschiedliche Feedbackformen kennen und lernen, selbst angemessenes Feedback zu geben.

4.2.3. Einander verstehen und die Beziehungsdynamik durchschauen: In den Kursen ereignen sich die Beziehungen live. Menschen mit unterschiedlichen theologischen Überzeugungen und spirituellen Praxen, mit unterschiedlichen Lebensentwürfen und Lebensformen treffen aufeinander. Dabei achtet die Kursleitung darauf, dass die Teilnehmenden sich wirklich sehen, achten und verstehen. Verstehen heißt nicht derselben Meinung sein! Techniken aus der Kommunikationstheorie finden hier Anwendung. Projektionen und Übertragungen werden aufgeschlüsselt. Die Fremdwahrnehmung wird systematisch geschult.

4.2.3.1. Die große Chance der kleinen vertrauten Gruppe ist:

– dass die Teilnehmenden sich im Hier und Jetzt versichern können, ob sie wirklich verstanden haben und ergründen können, was sie früher nicht verstanden haben. Die anderen begleiten dies mit ihren Beobachtungen.

– dass die Teilnehmenden ehrlich sagen können, ob sie sich wirklich verstanden fühlen und was sie brauchen, bis es soweit ist.

4.2.3.2. Dabei lernen die Teilnehmenden sehr unterschiedliche Lebensgeschichten und Lebensentwürfe kennen. Ihre Blickweite vergrößert sich.

4.2.4. Sich verständlich und stimmig ausdrücken und den eigenen Standpunkt klar vertreten: Teilnehmende können üben, sich verständlich und klar auszudrücken. Und sie können üben, sich stimmig auszudrücken, also so, dass es zu ihnen selbst und zur Situation passt. Nicht selten beginnt das für die Teilnehmenden mit einem Blick in ihre Biographie, in der viele Verhaltensmuster geprägt wurden. Der eigene Lernweg wird durch das fortlaufende Feedback der Gruppe unterstützt.

4.2.5. Sich mit anderen auseinandersetzen: Teilnehmende können lernen, Konflikte anzugehen und durchzustehen. Um hier konstruktive Erfahrungen zu machen, ist die Begleitung und Moderation der Kursleitung besonders wichtig. Häufig werden die Ängste vor Konflikten angeschaut, um die Konfliktfähigkeit zu erhöhen.

4.2.6. Gefühle spüren und ausdrücken: Da die emotionale Intelligenz bei uns in der Regel schwächer ausgebildet ist als die mentale Intelligenz, gehört es in den Kursen zum fortlaufenden Training, Gefühle im Hier und Jetzt sowohl bei sich selbst zu erspüren und auszudrücken, als auch bei anderen zu erspüren, um dann zu hören, was diese selbst spüren. Dieses Training beabsichtigt eine ausgeglichene Balance zwischen Verstand und Gefühl.

4.2.7. Seelsorge an sich und an anderen in der Gruppe live erleben und reflektieren: In den Gruppengesprächen kommen die persönlichen Krisen zur Sprache. Phasenweise wird dann Seelsorge in der Gruppe live praktiziert. Wiederum findet hier ein vielschichtiges Lernen statt, das so nur in langen und ehrlichen Gruppenprozessen stattfinden kann:

• Einzelne erleben, wie sich andere ihnen auf ganz unterschiedliche Weise (auch die Kursleitung) zuwenden, was ihnen dabei gut tut und was nicht.
•Teilnehmende erleben, wie sie selbst und andere sich auf ganz unterschiedliche Weise (auch die Kursleitung) anderen zuwenden, was diesen hilft und was diesen nicht hilft.

• Was Einzelne von sich vielleicht nicht kennen (bestimmte Ängste, Traurigkeiten, Zwänge, Süchte, Aggressionen …), erleben sie bei anderen und lernen so viel für sich.

• An diesem unterschiedlichen Vorgehen, das auch in der Gruppe reflektiert wird, können die Teilnehmenden ihren eigenen Stil entwickeln.

5. Theorie – Kommunikationspsychologie und psychotherapeutische Konzepte

5.1. Methodische Verknüpfung von Theorie und Praxis

5.1.1. Kennzeichnend für KSA ist die methodische Verknüpfung von Selbsterfahrungsanteilen im Hier und Jetzt der Gruppe, Protokollbesprechungen aus der eigenen Praxis, theoretischen Impulsen, Konzepten aus der Kommunikationstheorie, theologischen Überlegungen und geistlichen Erfahrungen, sowie Erkenntnissen aus Psychologie und Humanwissenschaften. Die Theorie soll die persönliche Erfahrung nicht normieren. Die ständige Korrelation von Theorie und Praxis dient dazu, Erlebtes zu verstehen, einzuordnen und sich zu entwickeln.

5.2. Kommunikationswissenschaftliche und psychologische Erkenntnisse

5.2.1. Kommunikationstheoretische Erkenntnisse werden vor allem in den Gruppenprozessen passend zu dem, was gerade geschieht, erläutert. Außerdem werden sie auch in separaten Theorieeinheiten zum Thema.

5.2.2. KSA nutzt auch Erkenntnisse und Methoden aus dem psychotherapeutischen Bereich (z.B. das Modell von Übertragung und Gegenübertragung). Allerdings macht KSA keine Psychotherapie und ist von ihr klar zu unterscheiden.

Erkenntnisse aus der Therapie werden nur genutzt um:

• die kommunikationsrelevanten Vorgänge im Hier und Jetzt der Gruppe und den mitgebrachten Fällen zu erhellen,

• um für Einzelne den Zusammenhang zwischen ihrem heutigen Kommunikationsverhalten und ihrer Geschichte aufzuschlüsseln,

• den Teilnehmenden Impulse zu geben, ihre gesunde Identität und ihre inneres Standing selbstbestimmt und in eigener Verantwortung weiterzuentwickeln.

Sie werden nicht genutzt, um im engeren Sinne therapeutisch zu arbeiten. Denn das hieße, dass der Fokus der Arbeit auf ein Problem der Person geht, das bearbeitet werden muss, damit die Person mit dem Leben zurechtkommt. Vielmehr werden sie von stabilen Personenselbstbestimmt genutzt, um ihre Handlungskompetenz und Kommunikationskompetenz zu erweitern.

5.2.3. KSA bildet nicht kleine Therapeuten aus. KSA bildet Menschen aus, die im Lichte des Evangeliums so kommunizieren können, dass andere sich verstanden fühlen und sie selbst verstanden werden, und die auch mit sehr schwierigen Themen offen, stimmig und in einer annehmenden Grundhaltung hilfreich umgehen können. Das ist eine hohe Kunst! Wenn normaleund stabile Menschen unter lautem Weinen von schlimmen Erfahrungen aus ihrer Geschichte erzählen, ist das noch kein Therapiegespräch im engeren Sinne. Vielmehr sind Menschen einfach nur mit dem da, was sie bewegt. Allein das kann schon sehr befreiend sein. Leider werden diese dunklen Seiten in christlichen Gemeinden nicht selten unterdrückt. Damit sie Raum bekommen können, braucht es Menschen, die damit umgehen können (das heißt nicht therapieren oder Lösungen finden). Seelsorgerinnen und Seelsorger werden dazu ausgebildet. Bei ihrem Lernweg dahin haben sie sich selbstbestimmt mit ihrer Biographie auseinandergesetzt und nutzen dazu auch psychologische Erkenntnisse.

5.2.4. Therapeutische Modelle und Konzepte werden in den Kursen genutzt, um aktuelle Vorgänge an entscheidenden Punkten zu verstehen und Impulse für den eigenen Lernweg zu erhalten. Meist gibt es verschiedene Möglichkeiten. Kursleitende bringen jeweils ihre eigenen Schwerpunkte mit. Da es nicht darum geht, ein bestimmtes Problem mit einer bestimmten Therapie zu bearbeiten, wird das Angebotsspektrum bewusst offen gehalten und die Teilnehmenden schauen selbst, was sie für sich nutzen wollen.

5.2.5. Besonders folgende Konzepte finden, je nach Schwerpunkt der Leitenden, Interesse der Teilnehmenden und je nach Gruppenprozess Anwendung: Die Personenzentrierte Gesprächsführung nach C. Rogers liefert die kommunikationswissenschaftlichen Grundkenntnisse zur annehmenden Gesprächsführung. Kommunikationswissenschaftliche Modelle aus der von Schulz von Thun gegründeten Schule der Klärungshilfe (Thomann/Prior) finden vielfältige Anwendungen: Wertequadrat, vier Seiten einer Nachricht, systemische Drehkreise, Gefühlschichten-Modell, Moderationstechniken, Inneres Team, Persönlichkeitsstile. Das Modell der Projektion und Übertragung aus der Tiefenpsychologie gehört zu den Grundlagen, ebenso das Johari-Fenster. Auch Elemente aus der Transaktionsanalyse und der Themenzentrierten Interaktion werden in vielen Fällen als hilfreich erfahren. Interventionen aus der systemischen Beratung/Therapie und Gestalttherapie gehören nahezu zum festen Bestandteil der Kurse. Häufig setzt sich ein Kurs intensiver mit einem Persönlichkeitsmodell auseinander (F. Riemann/ C.G. Jung/ R. Rohr und A. Ebert). Je nach Spezialisierung der Kursleitenden finden auch systemische Aufstellungen statt, oder werden Bibliolog-, Bibliodrama- oder Psychodramaeinheiten durchgeführt.

6. Arbeitseinheiten

6.1. Acht Kerneinheiten

Den Kursalltag eines 6-Wochenkurses prägen sieben Kerneinheiten, die in der Regel 90 Minuten dauern.

6.1.1. Selbsterfahrung in der Gruppe: Wöchentlich finden mehrere Einheiten „Selbsterfahrung in der Gruppe“ statt. Die Teilnehmenden sprechen hier aus, was sie gerade bezüglich ihres Lernweges beschäftigt, thematisieren ihre Schwierigkeiten und Krisen, sprechen konkrete Lernschritte ab, klären Beziehungen, setzen sich auseinander, holen und geben sich Feedback, nutzen die Gruppe für eigene Lernschritte, beseelsorgen und beraten sich, üben neue Kommunikationsformen ein, lernen sich auszudrücken und einander zu verstehen, teilen Ängste, Traurigkeiten, Wut, Freude und Kraft. Dabei erfahren die Teilnehmenden so viel über sich und ihre Kommunikationsmuster wie in keiner anderen Einheit. Alles, was in der Selbsterfahrung geschieht, wird spätestens am Ende der Einheit zusammen mit der Kursleitung ausgewertet und bezüglich seiner Relevanz für die Seelsorge und die eigene Handlungs- und Kommunikationskompetenz reflektiert.

6.1.1.1. Die Einheiten werden von der Kursleitung je nach Gruppenprozess und Anforderungen unterschiedlich gestaltet. Grob können drei Formen festgehalten werden:

1. Die Gruppe wird in einem offenen Prozess, der anschließend ausgewertet wird, sich selbst überlassen. Die Gruppendynamik wird dabei am stärksten erfahren und die Teilnehmenden begegnen sich selbst intensiv.

2. Die Selbsterfahrung ist eher thematisch orientiert und wird durch ein Thema etwas strukturiert.

3. Die Selbsterfahrung wird von der Kursleitung moderiert und ist dadurch strukturiert.

6.1.1.2. Das Besondere am KSA-Lernweg ist, dass die Selbsterfahrung nicht nur punktuell gemacht wird. Vielmehr gehen Erkenntnisse, Fragen und Impulse aus der Selbsterfahrung in einen mit der Gruppe kommunizierten kontinuierlichen Entwicklungsprozess über, der wiederum an die Erfahrungen und das Feedback in der Gruppe zurückgebunden wird.

6.1.2. Protokoll und Fallbesprechung: Während eines Kurses finden ca. 16 Einheiten zu mitgebrachten Protokollen und Fällen statt. Diese werden in zwei Untergruppen besprochen, so dass insgesamt ca. 32 Besprechungen stattfinden und bei acht Teilnehmenden alle vier Mal drankommen. So ist am konkreten Praxismaterial ein kontinuierliches Lernen möglich. Da sich die Teilnehmenden gut kennen, sind diese Besprechungen nahe an der Person, der persönlichen Geschichte und des persönlichen Glaubens der Einbringenden. Auf dieser Grundlage kann ein professionelles Handeln in Übereinstimmung mit sich selbst, der Situation und Aufgabe erarbeitet werden.

6.1.3. Predigtbesprechung: In einem 6-Wochenkurs für Pfarrerinnen und Pfarrer bringt jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer eine Predigt ein. Bei den Predigtbesprechungen geht es primär darum, einerseits zu erkunden, welche Botschaft die Predigerin weitergeben möchte, und andererseits zu erkunden, inwiefern sie diese spürbar ausdrückt und was davon aus welchen Gründen bei den Hörerinnen und Hörer erlebbar ankommt. Es geht weniger um dogmatische Fragestellungen und mentale Zusammenfassungen. Eine klassische Feedbackfrage an die Hörerinnen und Hörer lautet: Welche Botschaft hat mich spürbar erreicht? Nicht selten zählen Kolleginnen und Kollegen als Antwort zunächst eine Liste mit mentalen Punkten auf, die aussagt, was der Prediger oder die Predigerin sagen wollte. Es braucht oft einige Zeit, bis verstanden wird, was es heißt, auszudrücken, was mich innerlich wie erreicht oder eben auch nicht erreicht, obwohl die Predigerin das sagen wollte.

6.1.4. Einzelsupervision: Die Teilnehmenden bekommen pro Woche jeweils eine Einzelsupervision bei einem der Kursleitenden. Hier haben die Teilnehmenden die Gelegenheit ihren Lern- und Entwicklungsweg mit einem Leiter zu besprechen und Fragen zu klären. Die Leitung achtet darauf, dass die Einzelsupervision den Prozess in der Gruppe unterstützt.

6.1.5. Theorieeinheiten: Neben der in Kursprozessen verflochtenen Theorievermittlung gibt es gesonderte Theorieeinheiten. In ihnen werden die für die Gruppe besonders relevanten theoretischen Konzepte systematisch erarbeitet.

6.1.6. Wochenanfang und Wochenschluss: Wochenanfang und Wochenschluss sind feste Bestandteile im Kursrhythmus. Die Teilnehmenden teilen sich hier persönlich und konkret zusammenfassend mit, in welchem Lernprozess sie sich gerade befinden, was sie erkannt haben und was sie sich als Nächstes vornehmen – immer begleitet von den Wahrnehmungen der Gruppe. In einem prozessorientierten Lernen ändern sich die Ziele mit wachsender Erkenntnis. Die Teilnehmenden bestimmen selbst, was sie sich vornehmen und bleiben so Subjekt ihres Prozesses.

6.1.7. Schriftlicher Reflexionsbericht: Die Teilnehmenden verfassen am Ende einer jeden Kurswoche (Einzelarbeit am Wochenende) einen Reflexionsbericht, in dem sie ihren Lernweg, ihre Erfahrungen und Fragen schriftlich festhalten. Am Kursende verfassen sie einen Schlussbericht. Die Kursleitung erhält die Berichte, die Teilnehmenden vor allem für sich selbst schreiben.

6.1.8.Schriftliches Feedback der Kursleitung: Am Ende des Kurses bekommen die Teilnehmenden von einem/einer der Kursleitenden ein schriftliches Feedback. In diesem sind Beobachtungen und Fragen der Kursleiterin /des Kursleiters zum Prozess des Teilnehmenden würdigend zusammengefasst. Die Inhalte dieses Feedbacks waren im Kurs Thema und werden mit den Teilnehmenden besprochen.

6.2. Kollegiales Coaching und Konzentrative Bewegungstherapie

In Württemberg haben sich das Kollegiale Coaching und die Konzentrative Bewegungstherapie zu weiteren Kerneinheiten etabliert.

6.2.1. Konzentrative Bewegungstherapie: Die Konzentrative Bewegungstherapie hat sich in Württemberg in den 90er Jahren als eigene Kerneinheit fest etabliert. Diese Einheit gewährt, dass die eigene Körperwahrnehmung und die dazugehörigen Gefühle einen herausgehobenen Trainingsort bekommen. Zu dieser Einheit kommt eine externe Therapeutin, die die Gruppe professionell zur Körperwahrnehmung anleitet. Diese Wahrnehmungen dienen der Erdung der eigenen Prozesse und dem körperlichen Erspüren des eigenen alltäglichen Verhaltens und der damit zusammenhängenden Gefühle. In diesen Einheiten wird nicht im engeren Sinne therapeutisch gearbeitet.

6.2.2. Kollegiales Coaching: Das kollegiale Coaching wird in Württemberg in den letzten Jahren immer mehr zu einem festen Bestandteil der Kurse. Während der gesamten Kurszeit coacht sich jeweils ein Paar gegenseitig nach bestimmten Regeln. Sie vereinbaren selbständig die Termine. In dem Coaching unterstützen sie sich darin, ihre Kursziele zu klären und umzusetzen. Wesentliche Inhalte des Coachings werden in der Gruppe benannt. Häufig helfen Sie sich zum Beispiel beim Ansprechen heikler Themen und beobachten die Prozesse des Anderen in der Gruppe mit besonderer Sorgfalt.

6.2.2.1. Dabei lernen die Teilnehmenden ganz praktisch ein kollegiales Coaching über einen längeren Zeitraum durchzuführen.

6.3. Weitere Einheiten

6.3.1. Neben diesen Kerneinheiten gibt es unterschiedliche weitere Einheiten: Biblische Einheiten, thematische Einheiten, kreative Einheiten (Rollenspiele, Malen, Aufstellungen …), Einzelarbeit, Referate.

6.4. Geistliche Impulse

6.4.1. Täglich finden geistliche Impulse statt, die in der Regel von den Kursteilnehmenden gestaltet werden. Je nach dem Bedürfnis der Gruppe und Schwerpunkt der Kursleitenden, hat dieses Innehalten unterschiedliche Formen. Diese Feiern werden nicht Gegenstand der Kursarbeit.
Unter anderem kann dies sein:

– Andachten,

– Tagesgebete (manchmal auch dreimal täglich),

– Sitzen in der Stille (manchmal auch angeleitet),

– Meditatives Tanzen.

7. Rahmenbedingungen

7.1. Standards der Deutschen Gesellschaft für Pastoralpsychologie

7.1.1. Um das beschriebene Lernen in der Gruppe umzusetzen, braucht es ganz bestimmte Rahmenbedingungen und Regeln im Blick auf das Setting und die Leitung. Die Standards eines 6-Wochen-Kurses sind von der Deutschen Gesellschaft für Pastoralpsychologie Sektion KSA differenziert festgelegt (www.pastoralpsychologie.de) und können dort nachgelesen werden. Diese Standards beruhen auf einer über 90jährigen Erfahrung mit dieser Lernmethode, die sich immer weiter entwickelt hat.

7.1.2. Nach zwei Sechswochenkursen können die Teilnehmenden das Zertifikat „Pastoralpsychologische Weiterbildung in Seelsorge“ bei der Sektion KSA in der DGfP beantragen.

7.2. Die vier wichtigsten Eckpunkte

7.2.1. Kurse, die einen Zeitraum von sechs Wochen umfassen. Ursprünglich waren es einmal zwölf Wochen!

7.2.2. Kleine Gruppen (in der Regel acht Teilnehmer)

7.2.3. Zwei Personen in der Leitung, die ihre Kurs- und Zusammenarbeit  in einer Kontrollsupervision reflektieren.

7.2.4. Eine hohe Leitungskompetenz und Reife der Leitenden, die diese in einer langen Ausbildung mit viel eigener Gruppenerfahrung erwerben.

Abschließende Überlegungen: Das KSA-Lernmodell und die christliche Gemeinde

Im Grunde werden mit diesem Lernmodell elementare Vollzüge der christlichen Gemeinde eingeübt. Nicht umsonst heißt es pastoralpsychologisches Lernmodell. Es ist aus der pastoralen Praxis für die pastorale Praxis entstanden. Wir können heute auch sagen, es ist aus der kirchlichen Praxis für die kirchliche Praxis entstanden. So sind auch die Ehrenamtlichen im Blick. Mit diesem Lernmodell werden Umgangsformen eingeübt, in denen sich das Liebesgebot Jesu und viele paulinische Paränesen (Trösten, Ermahnen, Lieben, einander tragen, einander belehren …) konkret und zeitgemäß umsetzen.  Dabei werden die Inhalte auch gespürt und erfahren. Unter der Voraussetzung, dass wir Kirche als Kommunikationsraum verstehen, in dem wir dem Evangelium und einander begegnen, halte ich es für fahrlässig, anzunehmen, dass sich diese Kommunikation schon irgendwie ergibt. Das geht heute in einem interkulturellen Kontext weniger denn je. Der Kommunikationsraum des Evangeliums muss heute im interkulturellen Kontext bewusst eröffnet und eingeübt werden, weil das einander Verstehen in unserer pluralisierten und ausdifferenzierten Gesellschaft immer schwieriger wird. Außerdem wachsen die Ansprüche unserer psychologisch sensibilisierten Gesellschaft. Menschen möchten auch erleben und erfahren, was verkündigt wird. Vertrauen fällt nicht nur vom Himmel, sondern ist auch sorgfältig einzuüben. Vertrauensbildung und Liebe bedürfen unserer Arbeit, die heute kommunikationswissenschaftliche Erkenntnisse nutzt. Sie ist nicht Bedingung für das Wirken Gottes, sondern Antwort auf seine Liebe. Ich verstehe sie als eine Form des Einlassens und Bleibens in der Liebe, die Gott ist (1. Joh 4).

Der Autor ist Pfarrer, Lehrsupervisor DGfP/KSA, Studienleiter im Seminar für Seelsorge-Fortbildung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und Dozent für Schulseelsorge im Pädagogisch Theologischen Zentrum Stuttgart. Zur Veröffentlichung vorgeschlagen von Claudia Enders-Götzelmann, Martinskirchweg 25, 67346 Speyer.

[1]              KSA ist die Abkürzung für Klinische Seelsorge-Ausbildung und ist eine erfahrungsbezogene (klinisch = clinical) Seelsorgeausbildung für die gesamte kirchliche Praxis. KSA ist 1925 in den USA entstanden und hat sich dort in den großen Kirchen zu einem festen Bestandteil der Ausbildung für alle Pfarrerinnen und Pfarrer etabliert. Der Grund war eine große Unzufriedenheit mit der Kluft zwischen akademischer Theologie und erfahrener Theologie. KSA trat an, um beide Dimensionen fruchtbar zu verbinden. Seit den 70er Jahren verbreitet sich KSA auch in Deutschland und ist inzwischen zu einer eigenen Sektion unter dem Dachverband der Deutschen Gesellschaft für Pastoralpsychologie (DGfP) geworden. Sie verantwortet EKD-weit die pastoralpsychologische KSA-Weiterbildung in Seelsorge und Supervision für Hauptamtliche und die Seelsorgeausbildung für Ehrenamtliche. Ihre hohen Standards unterliegen einer ständigen Qualitätskontrolle.

[2]              s. Seelsorge – Muttersprache der Kirche, Dokumentation eines Workshops der EKD, Hannover, 16. Nov. 2009

[3]              s. Prof. Dr. Birgit Weyel, Vortrag von „Die zukunftsweisende Bedeutung der Seelsorge für die kirchliche Praxis“ in der Festschrift zum vierzigjährigen Bestehen des Seminars für Seelsorge-Fortbildung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Abrufbar auf der Homepage des Seminares: www.seminar-seelsorge-fortbildung.de

[4]              s. Prof. Dr. Michael Klessmann, Vortrag „Gegenwärtige Herausforderungen an die kirchliche Praxis und die Antwort des Lernmodells der KSA“ in der Festschrift zum vierzigjährigen Bestehen des Seminars für Seelsorge-Fortbildung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Abrufbar auf der Homepage des Seminares: www.seminar-seelsorge-fortbildung.de

[5]              s. Anmerkung 1

[6]              s. Diakonisches Werk der Evangelischen Landeskirche in Württemberg (Hrsg.), Ich will euch tragen. Handbuch für die Seelsorge in der Altenpflege, Stuttgart 2006, S. 14

[7]              s. Zentrum für Seelsorge der Evangelischen Landeskirche in Baden (Hrsg.), Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden, Heidelberg 2013, S 9,12

[8]              s. Doris Nauer, Seelsorgekonzepte im Widerstreit, Stuttgart 2001

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Ulrich Rost
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