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„Wir
sind die wahren Christen“ Von „erkennbar vollkommener“ bis
„sichtbar heilig“: Über den Anspruch des christlichen Perfektionismus. Im
Anhang ein Dialog-Dokument als Muster für ähnliche Fälle Es ist heute kaum
noch bekannt, dass schon die Anfänge des kirchlichen Pietismus etwa ab 1680 sehr
radikal gewesen waren: separatistisch, perfektionistisch und mit einem
religiösen Totalanspruch auf die Lebensführung. Es hat schon damals längerer
Zeit der Auseinandersetzung bedurft, um die Propagandisten eines
„vollkommeneren“ Christentums usw. verbal bzw. literarisch herauszufordern, um
die theologischen Klärungen durchführen zu können, die radikalen
Frömmigkeitsforderungen dann doch die kirchliche Anschlussrationalität in
begründeter Weise verweigern konnten. Der Katholizismus hatte und hat es hier ja
scheinbar leichter: „Erkennbar vollkommener“ ist hier immer eine ungefährliche,
weil lebenstranszendente Feststellung: Seligsprechungen von Lebenden sind
ausgeschlossen, und erst recht verlangt dort die kirchlich sanktionierte
Feststellung von „Heiligkeit“ einen Beweis, der nur lange nach Abschluss der
frommen Musterexistenz in einem aufwendigen Verfahren „festgestellt“ werden
kann. Der Umgang mit
Musterfrommen oder Heiligen im neuen reformatorischen Kontext musste mühsam
gelernt werden und erweist sich darin heute immer noch mehr als schwierig: Es
verwundert nicht, dass hier, wo es weder Seligsprechung noch Heiligsprechung
als freilich auch hierin unverfügbar bleibendes Muster der Vollkommenheit gibt,
die perfektionistische Versuchung eben auch ganz gewiss nicht weniger manifest
geworden ist. Immer wieder hat es Anläufe gegeben, Glaube und Moral oder
theologisch gesprochen: Gesetz und Evangelium so zusammen zu rühren, dass
daraus „sichtbare Heiligkeit“ erwächst. Vor allem der betont reformierte
Frömmigkeitstypus hat mit Macht dazu beigetragen, hier die Grenzlinien zu
verwischen und den christlichen Glauben auch gerne im Verein mit dem brachium saeculare sozusagen „by objectives“ sichern zu wollen,
die man als „normative Konkretionen“ wie Karl Barth
schon seit 1909 behauptete, angeblich „ohne weiteres zu Gebote hat“[1]. Vor allem im
Einflussbereich des Barthianismus erscheint deshalb
immer wieder einmal mehr oder weniger deutlich das in der reformierten
Tradition eingefangene und darin zweifellos auch bis dato historisch
domestizierte theokratisch-sektiererische Strukturmoment, das sich, wenn es
nicht theologisch „gezähmt“ wird, schnell ungehemmt mit dem „Wort Gottes“ als
direkte Handlungsanweisung äußert. Denn der Kirchenbegriff Barths wie der
Kirchenbegriff jeder exaltierten Reformierten Theologie ist ja in der
Grundstruktur letztlich schon in der Konzeption des Heidelberger Katechismus
enthalten, der ganz ähnlich die Praxis einer durchgängigen spirituellen
Unmittelbarkeit beschreibt. Die Erkennungsmerkmale, die Schlüsselsymbole der
Kirche als „Gemeinde“ sind Predigt, Taufe und Abendmahl. Dann, fast
gleichbedeutend an Rang und Würde: der Feiertag, den der Heidelberger
Katechismus „bei der Erläuterung des (nach reformierter Zählung) vierten Gebots
implizit als eine Art sakramentalen Geschehens interpretiert“[2]. Die Frage Nr. 103 des
Heidelberger Katechismus sagt dann ganz unmissverständlich, was Gott will: „Gott will erstlich, dass das Predigtamt und die Schulen erhalten
werden und ich, sonderlich am Feiertag, zu der Gemeinde Gottes fleißig komme,
das Wort Gottes zu lernen, die heiligen Sakramente zu gebrauchen, den Herrn
öffentlich anzurufen und das christliche Almosen zu geben“ (Die sehr
zahlreichen biblischen „Beweisstellen“ sind hier weggelassen). Schon Ernst Troeltsch hat darauf hingewiesen: „Wie die Sekten stellen
die Gemeinden des Heidelberger Katechismus ihre Angehörigen unmittelbar ohne
kirchliche Vermittlung auf den überweltlichen Lebenszweck ein, der ihrem Dasein
Sinn und Halt gibt“[3].
Sagen wir es nüchtern: Das Gemeindeideal des Heidelberger Katechismus ist im
Grunde kein Konzept mehr von „Kirche“, sondern es korrespondiert weitgehend dem
Sektentypus: Das Äußere ist unmittelbar wichtiges direktes Signal des Inneren. Eine Vermittlungskultur mit vielen für
sich jeweils legitimen Zwischenstufen existiert nicht – jedenfalls nicht
offiziell. Der Gehorsam des Glaubens entspricht exakt dem Zwang zum Nachvollzug
der elementaren, den religiösen Grundnormen zugeordneten sozialen
Verhaltensweisen. Anders als es z.B.
der Präses des „Gnadauer
Verbandes“ 2005 darstellt[4],
ist im reformatorischen Kirchenkontext gerade unter solchen reformierten
Einflusslagen auch der Beginn des Pietismus selbstredend ein brisant doppelter
gewesen: Schon „seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts (ist) es üblich
geworden, bei Darstellungen des Pietismus zwischen einem meist nicht als
kirchlich bezeichneten, aber innerhalb des Kirchentums
angesiedelten faktisch kirchlichen Pietismus und einem gesonderten ‚radikalen‘
Pietismus zu unterscheiden“[5].
Dessen nähere Charakterisierung ist in der auch mit reformierten Theologen
nicht gering bestückten Pietismus-Forschung bis heute freilich heftig
umstritten: Eine Mehrheit akzeptiert hierfür inzwischen zumindest aber die
Formel „Christlicher Perfektionismus“. Was gehört aber nun
genau unter diesen Titel? Relativ unumstritten ist, dass die Forschung den
kirchlichen Pietismus mit Spener beginnen lässt, der
die Bucerschen Versuche der Gründung von
„christlichen Gemeinschaften“ fortführt und innerkirchlich als eine Art
kirchliches „Intensivchristentum“ zum dauernden Erfolg bringt. Damit ist dann
auch endgültig die kommunitäre „katholische“
christliche Tradition in reformatorisch-laizistischer Umformung auch innerhalb
der reformatorischen Bewegung existent. Aber ebenso unumstritten ist:
Gleichzeitig mit den gemäßigten, d.h. ohne perfektionistische Lehren auftretenden
Formen „frommer Intensität“ regt sich aber auch schon ebenso kräftig der
sektenhafte, eben ganz andere „radikale Pietismus“ eines mehr oder weniger
einzig „wahren Christentums“. Erstaunlich ist
dabei, dass sich diese Antriebe von Anfang an auch innerhalb des Kirchentums in den damaligen Verhältnissen sehr offen
entfalten konnten, sofern freilich die politischen Verhältnisse dies
ermöglichten. Auch zu Speners Zeiten hatte sich der
berühmte August Hermann Francke einem von der kirchlichen Umgebung sofort
kritisch wahrgenommenen, weil unübersehbar religiös überspannten bis annähernd
wahnhaften religiösen Perfektionismus mit Vorstellungen „erkennbar größerer
Vollkommenheit“ hingegeben: Francke propagierte auf diese Weise nicht nur eine
aggressive Kritik an den von ihm beurteilten „unfrommen“ kirchlichen Zuständen,
sondern eben auch eine positive, stramme Ideologie einer sichtbar heiligen
Kirchlichkeit, die ein rigide eingefordertes Lebenskonzept vorstellte[6]. Im deutlichen
Gegensatz zu Speners innerkirchlichem Pietismus baute
Franckes frühe extreme Frömmigkeitslehre eine
perfektionistische Radikalität christlich-normativer Lebensdesiderate auf, die
bei näherer Betrachtung dann auch keine zeitliche Begrenzung auf die „Frühphase“
mehr erlaubt: Franckes Perfektionismus wechselt zwar
irgendwann doch das rigide Vokabular: Das Schwarz-Weiß-Schema gläubig-ungläubig
bekommt auch bei ihm einige wenige Zwischentöne. Aber Francke wechselt damit
noch nicht die innere Grundsätzlichkeit der Richtungsnahme: „Vollkommener“ zu sein bzw. zu werden wird
bei ihm und seinen Schülern ein ebenso problematisches wie zwanghaftes
Frömmigkeitsmuster. Franckes neues Gewand seiner
frommen Radikalität war freilich ganz speziell und von einer jetzt subtilen
Radikalität, „insofern Francke ja gar nicht zur Gründung separatistischer
Gemeinden aufrief, sondern andersherum vorging und gewissermaßen einen
‚umgekehrten Separatismus‘ praktizierte: Er und einige seiner Schüler
versuchten die Gemeindeglieder auszuschließen, die sie nicht für wahre Christen
hielten. Das heißt, sie versuchten Gemeinden zu bilden, die tendenziell keine
volkskirchlichen Gemeinden mehr waren. Hier spielten freilich auch
calvinistische (bzw. puritanische) Züge eine Rolle… Hier wie dort wollte man
definieren, wer ein wahrer Christ sei und wer nicht“[7]. Auch wenn Franckes zusammen mit dem numerischen Wachstum seiner
Anhängerschaft dann bald doch etwas nachdunkelnder frommer Perfektionismus im
kirchlichen Feld und später jedenfalls auch im kirchlichen Pietismus Gnadauer Zugehörigkeiten an den Rand gedrängt wurde: Seine
Ideen einer „erkennbar größeren Vollkommenheit“ und die religionspolitischen
Antriebe dazu sind über den Puritanismus und den amerikanisierten Methodismus
bis in den modernen Evangelikalismus spürbar geblieben. Sie kehren 100 Jahre
später mit ihrer transatlantischen Aufladung eines religiösen
Machbarkeitsanspruchs und Herrschaftswillens wieder nach Deutschland zurück. Zu ihren Fundamenten
gehören nicht nur Wesleys vielfältige geistige
Bezugnahmen auf Franckes
Vollkommenheits-Radikalismus, sondern auch spätere radikale Ideen innerhalb des
Methodismus selbst, wie an einer methodistischen Sekte, der „Kirche des Nazareners“,
nun auch innerhalb unserer Landeskirche gleichsam an einem lebendigen Modell
studiert werden kann. Aber eben auch nicht nur hier: Auch weniger radikal
firmierende Bewegungen wie „Kein anderes Evangelium“ oder im Grunde der gesamte
heutige Allianz-Evangelikalismus, der anders als noch in den 1960er Jahren
jetzt nur noch „Wiedergeborene“ als Christen anerkennt, unterfallen fraglos
zumindest kategorial allesamt diesem frommen Sichtbarkeits-Muss einer
eigentlichen oder dann doch immer auch sichtbar höheren Christlichkeit, oder
besser: Sie überfallen mit einem von ihnen an aktuellen Kontroversen
geschärften, eben typisch A. H. Franckeschen Anspruch
von „Sichtbarkeit“ des Glaubens die kirchliche Lebenswelt. Im Einzelfall einer
Beleuchtung kritischer Vorgänge oder Verhaltensweisen innerhalb der Kirche mag
dies nicht selten sogar ganz plausibel aussehen, sodass die entsprechenden
„Urteile“ oder frommen „Verurteilungen“ auch vom gesunden Menschenverstand
ansatzweise durchaus nachbegriffen werden können. Was dabei dennoch immer
problematisch bleibt, ist die Frage der Kriterien, über die zu verhandeln und
Klarheit zu gewinnen seit A. H. Francke eine ständig neue Herausforderung
geblieben ist. I. Die Motivation des Perfektionismus Ein überaus
sprechendes Exempel heftiger Konvulsionen dieser Fragen betreffend die
„christliche Vollkommenheit“ und der damit aufgeworfenen Problemhorizonte
liefert auf dem Gebiet der Landeskirche seit gut zwanzig Jahren die
Frankenthaler Gemeinde der „Kirche des Nazareners“. Diese „Kirche des
Nazareners“ „entstand um die (vorletzte, KRZ) Jahrhundertwende in den USA
innerhalb des amerikanischen Methodismus“[8]. Ihr Ursprung und Schlüsselmotiv ist eben die
schon von A. H. Francke virulent gemachte Idee einer „christlich perfekten
Kirche“, die dann auch so hieß: „Heiligungskirche Christi“ (Holiness
Church of Christ, so ein erster Name). Als ihr
eigentliches Gründungsdatum gilt der 13. Oktober 1908 mit dem Zusammenschluss
zweier neuer „Heiligungsgemeinschaften“ zur „Kirche des Nazareners“ (KdN). In Deutschland gibt
es diese KdN seit 1960: Ein Dr. Jerald
Johnson begann in Frankfurt mit einem Bibelkreis, der vor allem durch die
Mitgliedschaft eines Dr. Zanner bis 1980 sich auch
überregional ausweitete. Nach dem Stand vom 31.12.1995 hatte die KdN in Deutschland 1.943 Mitglieder. Heute sind es in 20
Gemeinden nur noch „1.300 Mitglieder und Besucher“ (www.nazarener.de,
1.2.2011). Die „Kirchenverwaltung“ der KdN (Eurasia Regional Office of the Church of the
Nazarene) war früher in Hanau angesiedelt, heute ist
sie in 78266 Büsingen, Junkerstr. 60, wo die KdN einige Hausnummern weiter ein Theologisches Seminar für
den ganzen europäischen Bereich betreibt (Europ.
Bibelschule und Theolog. Seminar – European Nazarene Bible College). In der
Pfalz gibt es zwei Gemeinden: Die genannte deutschsprachige in Frankenthal,
deren zeitweilig selbständige Filialgründung in Ludwigshafen-Edigheim auch nicht mehr besteht, und eine
englischsprachige Gemeinde mit deutschem Pastor innerhalb der 28
Pentagon-offiziellen „Off Base Churches“ der
„Kaiserslautern Military Community“ (KMC) der US-Army. Die zentralistisch
verfassten KdN-Gemeinden unterhalten keine geregelten
Kontakte zu den verfassten Kirchen: Die KdN ist nicht
Mitglied der ACK, wohl aber der Vereinigung evangelischer Freikirchen (VEF).
Dies verwundert nicht: Die VEF-Mitgliedschaft beinhaltet keine Anerkennung
eines Bekenntnisses oder einer erklärten Ekklesiologie. Die VEF ist lediglich
ein loser Dachverband „autonomer Kirchen“ [9] zur Interessenvertretung ihrer Mitglieder,
„um gegenüber den staatlichen Behörden und den Großkirchen gemeinsame Belange
vertreten zu können“[10].
Überhaupt: Was hier unter der Decke des VEF-Freikirchen-Status „Kirche“
bedeutet, ist bei den meisten ihrer Mitglieder völlig ungeklärt: Bis heute hat
diese Vereinigung keine klare Auffassung von einem gemeinsamen „freikirchlichen
Kirchenverständnis“ zustande gebracht, auch wenn Mitglieder und „Pastoren“ der KdN sich in ökumenischer Selbstpräsentation mit erhabenen
Worten auf ihre Mitgliedschaft in der VEF wie auf ihre „Kirchenorganisation“
berufen. Die VEF ist aber
trotz der kirchenpolitischen Freundschaftsarbeit und Reputationshilfe von
Seiten der EKD immer noch keine „Kirchenorganisation“, sondern eben tatsächlich
nur eine technisch-organisatorische Interessen-Plattform für ganz verschiedene
religiöse Organisationsformen. Sie kann hierbei auch gar nicht mehr als
bestenfalls eine „Arbeitsgemeinschaft“ sein, da innerhalb der verschiedenen
Mitglieder der VEF (darunter auch die EmK mit rund
60.000 Mitgliedern, die sogar die Leuenberger Konkordie
der Reformatorischen Kirchen unterschrieben hat!) „die theologischen
Unterschiede besonders im Bereich des Kirchenverständnisses zu fundamental
waren“[11]. Mit anderen Worten:
Sobald wirklich theologisch
gesprochen wird, gibt es innerhalb der VEF-Plattform keinerlei Einigkeit. Für
die KdN gilt hier der Vollständigkeit halber noch
eine kleine Besonderheit zu registrieren: Die KdN-Berlin
(nur diese) ist Mitglied im „Ring Missionarischer Jugendbewegungen“ (RMJ),
dessen Vereinsgrundlage „die Bejahung des Missionsauftrags darstellt, wie er in
der Lausanner Verpflichtung zum Ausdruck kommt“[12]. Der RMJ seinerseits ist korporatives
Mitglied in der „Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland“
(AEJ). Außerdem ist er – eine weitere Besonderheit – seinerseits nicht zuletzt
wegen des Engagements des „Jugendwerk(s) des Blauen Kreuzes“ im RMJ „als
Fachverband Mitglied im Diakonischen Werk der EKD“[13]. Um diese „Nazarener“
zu verstehen, muss man zur Kenntnis nehmen: Die historischen Wurzeln dieser
amerikanischen Heiligungsbewegung „liegen im Methodismus. Dessen Gründer John
Wesley (1703-1791) hatte die Forderung der ‚vollen Heiligung’ betont“[14], ihre „Sichtbarkeit“
aber, wie schon A. H. Franckes ständiges verbales
Ausweichen besonders seit 1790 vorführt, öffentlich nicht mehr genau zu
klassifizieren gewagt. Kurt Hutten hat gemeint, dass die nach dem
amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) innerhalb der methodistischen Gemeinden
in den USA entstehende „soziale Kluft“ der Grund sei für die „Bildung von Heiligkeitsgruppen.
Diese wollten sich einfach an John Wesleys Lehre von
der Christlichen Perfektion halten und die/ihre methodistische Kirche auf diese
ursprüngliche Basis zurückführen. Sie fühlten sich außerdem durch die wachsende
Hinwendung einflussreicher (methodistischer) Kirchenmänner zu ‚modernistischen
Anschauungen’ beunruhigt“[15]. Hier dürften freilich
doch mehrere Ursachen zusammengekommen sein: Darunter ganz gewiss auch die
Nachwirkung der Tatsache, dass die Sieger des hier schon sehr totalen
US-Bürgerkrieges dann auch landesweit sofort nun ihre Götter in die Tempel der
Verlierer stellen, sprich: Der siegreiche Deismus der US-Unionisten erzeugt ab
1865 im religiösen Feld einen massiven Moralisierungsdruck: Glaube muss
sichtbar sein und zwar zuerst der alles umfassende Glaube an die Erwählung des
ebenso perfekten wie heiligen Volkes der US-Amerikaner selbst. Die von Kurt
Hutten vermutete „Flucht in die Religion“ war wohl viel weniger „Flucht“ als viel mehr das gewollte Mitschwimmen
in der Konjunktur einer mit vielen berühmten Worten jener Zeit neu aufgeladenen
unionistischen „mentality“, die die Praxis religiösen
Glaubens nur dann anerkennt, wenn sie auf die richtige, was meint: hier und
jetzt erfolgreiche Moral
zurückgeführt werden kann. Hier ist dann auch
einem versierten Apologeten wie Kurt Hutten einmal doch eine entscheidende
Veränderung des religiösen Paradigmas entgangen, die diese neuen Heiligkeitsgruppen kennzeichnet: Der neue „double faith“ in den USA erzeugt eine politisch motivierte
„Zweitcodierung der Religion durch Moral“ (Niklas Luhmann 1993), die von ihren
Akteuren zuweilen in einem raffinierten Wechselspiel präsentiert wird. Die
Verdoppelung des Glaubens richtet den christlichen Glauben auf einen ebenso
primitiven wie konfus-biblischen Fundamentalismus einerseits und auf einen
ebenso primitiven wie rigiden Sozial-Moralismus andererseits aus. Genauer
gesagt: Sie reduzieren mit ihrer bemüht inszenierten „Heiligkeit“ das
christliche Gottesverständnis auf einen sehr
subjektiv-gesellschaftsfunktionellen Gott, dessen Erkennbarkeit an eine bereits
vor der Glaubensentscheidung im Detail voraus festgestellte Lebenspraxis
gebunden ist. Gott „ist“ aber weder „Morallieferant“ oder „Moralkontrolleur“ noch
kognitiv „erkennbarer Gegenstand“. Die Sprache des
Glaubens benötigt weder das eine noch das andere, sondern es ist hier mit dem
christlichen Glauben so, wie es Hartmut von Sass sehr
schön auf den Begriff bringt: „Dieser Glaube erklärt nicht das noch Unerklärte,
sondern stiftet einen verantwortlichen Umgang mit dem Unerklärbaren; er
versichert nicht zuerst die unumstößliche Wahrheit, um dann im Leben
orientieren zu können, sondern indem dieser Glaube durchs Leben leitet, ist er
für diejenigen, die ihr Herz an ihn hängen, wahr“[16]. Solcher sagen wir:
authentischer christlicher Glaube ist freilich nicht willentlich „machbar“ oder
zu einem Heiligkeitsprogramm auf- oder umzurüsten.
Aber genau dies wird in typischer US-Manier in praktisch allen Gruppierungen
des neuen christlichen Perfektionismus behauptet: Wenn man will, funktioniert
alles, auch die Sache mit dem Glauben usw..
Selbstredend kann der kontinentale Methodismus diese evangelikal-amerikanische
Attitude der Machbarkeit nicht
übernehmen und wird deshalb die ihn heute mitten in Europa hart bedrängenden
Heiligungsbewegungen made in USA auch nicht
integrieren können und wollen. Sagen wir es so: Der deutsche Methodismus kann
hier ein Stück kirchliche Solidarität und Beistandschaft aus den Landeskirchen
gegen seine ihn „verwandtschaftlich“ bedrängenden KdN-Kritiker
wohl sehr gut gebrauchen. Er wird im ökumenischen Feld in seiner religiösen
Eigenheit auch gröblich missachtet, wenn
Kirchenvertreter ausgerechnet die KdN-Agenten hofieren,
worüber zu sprechen ist. Das Problem für die
großen Kirchen wie auch für die EmK als die alte
„Großkirche“ der KdN ist, dass der typische
Amerikanismus einer Normativität aller religiösen „Erfolgs-Erfahrungen“ auch in
Deutschland inzwischen auf breite Resonanz stößt. Auch kirchlich weithin
unwidersprochen kann der US-Religionsimport öffentlich behaupten, das Absinken
der Kirchen in gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit sei nur ein typisches
europäisches Problem und damit vor allem ein Problem der europäischen „alten“
Theologie und unmodernen Kirchen-Theologen. Dass dies überhaupt nicht zutrifft,
ist mit etwas geistigem Aufwand auch statistisch einfach und klar zu beweisen.
Menschen orientieren sich praktisch im gesamten kontinentalen Kulturzusammenhang
in der Tat nicht einfach nur am ökonomischen Nutzen ihrer „Religion“, sondern
an einer in Europa überwiegend noch anders verstandenen Wirklichkeit religiöser
Praxis: Diese
kirchlich-religiöse Praxis vermittelt einem Menschen, „was es genau bedeutet,
Gott zu erfahren“[17]
schon bevor er selbst zu diesem Verständnis kommt. Niemals kann der dann darin
vielleicht oder hoffentlich entstehende Glaube dann solche subjektiv-exaltierte
Bedeutsamkeit bekommen, wie es die Heiligkeitsbewegung
behauptet. Niemals stehen die Fragen eines Glaubens an „Gott“ im
kirchlich-religiösen Feld auf einer Ebene mit Nutzenfragen und
technisch-rationalen Erfolgskriterien: Christlicher Glaube ist unverfügbarer, religiös-transzendenter
Glaube, dessen „Übernahme“ ein nicht organisierbares Widerfahrnis ist und
bleibt. Er ist damit nicht nur eine andere, die Alltagstechniken ergänzende,
ähnlich wie Kunstfragen oder moralische Einstellungen halbwegs rational (d.h.
deistisch oder zivilreligiös) einholbare Perspektive auf die Welt, die
vielleicht sogar ermöglichen würde, die Weltverhältnisse „kritisch“ zu sehen,
sondern eben doch die Erfahrung einer ganz anderen, von vielen ebenfalls schon
„erfahrenen“ Verfügung und Gewissheit ebenso „von außen“ wie „von innen“ über
den Menschen selbst. Christlichen
Perfektionismus und sozialmoralische Heiligkeitsphantasien
so kritisch wahrnehmen zu können, wie sie wahrgenommen werden müssen, ist nicht
selbstverständlich und von den Agenten einer religiösen Willenskultur meist gar nicht erst angedacht:
Selbstkritik findet hier in der Regel nicht statt. Für diese moderne Art
„Heiligen“ liegen religiöse Dinge auf einer Ebene mit allen Dingen, die das Individuum selbst entscheidet und entscheiden
kann. Sie kennen diesen innerlichen, nicht
habituell unmittelbar verwertbaren Glauben in der Regel nicht (mehr). Wenn
dann nicht schon sofort das Gespräch verweigert wird, dann kann man beim
Nachfragen vielleicht Glück haben und dann doch wenigstens ein Zugeständnis
bekommen: Dass ihre Art Entscheidung
zum Glauben bedeutet, dass die Entscheidung eines Menschen zwischen divergenten
Bedürfnissen erfolgt und dass diese Entscheidung in der Tat noch nichts mit dem
Glauben an Gott zu tun haben muss. Aber mehr wird in der
Regel nicht mehr eingeräumt: Dass der Glaube, den die Seligpreisungen der
Bergpredigt über alle menschlichen Sollzustände setzen, auch über die scheinbar
„aus Religion“ aufgedrängten moralischen
Bedürfnisse hinausgeht, wäre in US-Kontexten schon ein religiöser Exotismus.
Dort ist von Ausnahmen in anglikanischen, baptistischen
und lutherischen Inseln abgesehen selbstverständlich, dass ein Christ in
pathetischen Vorführungen von stets sozialmoralisch ausgewiesener „Heiligkeit“
ein als religiöses „Muss“ funktionierendes Ziel und Lebensmuster sowohl
vorgeführt bekommen als auch finden kann, das eine dem „Glauben“ inhärente
weltlich-moralische Glücksverheißung „aus Religion“ propagiert. Natürlich zeigt
auch die Bergpredigt in den Seligpreisungen „Exempel“ des vor Gott rechten
Lebens. Aber es sind Exempel, die nur Gott selbst beglaubigt und die niemand
als moralischen Titel für sich selbst vor anderen in Anspruch nehmen kann und
darf. Es ist klar: Jede Art
noch so bemüht religiös zweckgebundene Moralisierung
verfehlt den Kern religiöser Wirklichkeit: Denn blitzschnell verwandeln sich
dann religiöse Werturteile in Kapitalien der sozialen und politischen
Selbstbehauptung einerseits und menschlicher Unterdrückung und Ausbeutung
andererseits. Wirklich religiöser Glaube
schafft persönliche Gewissheiten, die niemand anders teilen muss. Aber dies wird in den Heiligkeitsgemeinden natürlich ganz anders gesehen. Die historischen
Gründe für den relativen Erfolg der Ausbreitung und des sozialen Gestaltgewinns
eines christlichen Perfektionismus nicht nur in den USA sind zu benennen:
„Historisch nimmt die Heiligungsbewegung ihren Ausgang bei dem großen
Erweckungsprediger Charles Finney. Er hatte, wie seine Autobiographie ausweist,
eine Bekehrung und eine ‘instantaneous sanctification’ (eine sofortige plötzliche Heiligung), die
er als ‚Taufe des Heiligen Geistes’ interpretierte, gab seinen Anwaltsberuf auf
und predigte hinfort ‚das Evangelium’. Dabei führte er neue Methoden (new measures) ein, die als
besondere ‚Erweckungstechniken’ (revival techniques) in die Geschichte eingegangen sind (...)
William Boardmans immer wieder überarbeitetes Buch ‚The Higher Christian Life’
(das höhere christliche Leben) aus dem Jahr 1858 und (im Blick auf den
Heiligungsradikalismus noch wichtiger) A.B. Earles
Abhandlung ‚Rest of Faith’ (Haltepunkt des Glaubens)
aus dem Jahre 1859 gehören in den Umkreis Finneys“[18]. Es ist zum tieferen
Verständnis der KdN unumgänglich, diese
innermethodistische Diskussion aus jener Zeit zu kennen, „zumal Finney selber
sich auf Wesley beruft“[19].
Denn der
methodistische Grundgedanke der „Heiligung der menschlichen Seele, des Herzens,
des Geistes und des Willens“[20]
kann ja, wie es geschehen ist, „durchaus kirchlich verstanden und kirchlich
eingebunden werden, was insbesondere auf den Methodismus zutrifft“[21]. Doch nach der Meinung
der neuen radikalen „Heiligungsdissidenten“ ist dieser Methodismus immer noch
nicht der „neutestamentliche Standard der Religion“. „Durch ihre Sendung von
Gott (a mission from God)“[22]
glauben sie, dass erst jetzt wieder bei ihnen das wahre Christentum
wiederentdeckt wird, in dem „die Lehre von der Bekehrung oder Wiedergeburt für
das Leben der Kirche fruchtbar gemacht“[23] werden müsse. Sagen wir es so: „Die
Heiligungsbewegung erhält ihr Selbstverständnis und ihr Sendungsbewusstsein aus
der Tatsache, dass sie sich als das
besondere Werkzeug Gottes für seine Kirche jetzt und für die Zukunft
betrachtet“[24]. Und sie
trennt sich mit diesem elitären „höheren“ Glaubensbewusstsein dann auch
endgültig vom alten Methodismus und von allen alt-etablierten Kirchentümern sowieso. Wie sieht dieses
„höhere christliche Leben“ aber nun eigentlich aus? Es lehrt zunächst wie auch
schon A. H. Francke es theologisch grenzwertig vorgeführt hat, tatsächlich „essentielle Stufen“[25] der christlichen Erfahrung des Glaubens.
„Die erste Stufe besteht aus einem Bewusstsein der Sünde (Stufe 1)... Nur wenn
dieses Bewusstsein vorhanden ist, kann es überhaupt zu einer Bekehrung (Stufe
2) kommen. Das ist dann die nächste Stufe“[26]. Die neue, von Gott den
„Heiligungsdissidenten“ geschenkte Lehre fügt dem aber nun eine weitere Stufe
hinzu: Jetzt aber, wo der Mensch „auf der Seite Christi (ist), ... kann er sich
durch einen Akt der Weihe (consecration) darauf
vorbereiten, dass Christus beginnt, ihn von aller Sünde zu reinigen, damit er
für das himmlische Erbe zugerüstet wird (Stufe 3). Es ist die Stufe, auf
der ein gläubiger Christ im Vertrauen auf Christus den Geist erbittet, der zu einer völligen Übergabe des Willens an
Gott anleitet“[27].
„Heiligung ist damit das Prinzip des Fortschritts im Leben aus Gott... Die völlige Heiligung soll die Christen von
dem befreien, was John Wesley ‚die Sünde in den Gläubigen’ genannt hatte (sanctification brings cleansing). ... Die Heiligung (soll) zu einem ‚höheren
Leben’ führen, das alle Christen erfahren können“[28]. Wesleys
umständliche, aber irgendwie noch sprachlogisch nachvollziehbare Unterscheidung
zwischen „perfect“ und „perfected“
wird dabei am Ende eindeutig in eins zusammengezogen und überhaupt völlig
vergessen, was in Phil. 3,12 steht: „Nicht dass ich es schon ergriffen habe...“. Mitten in dem von
Wesley als innerkirchliche Reformbewegung begründeten „alten Methodismus“, der
zwar nicht „eine absolut vollkommene Heiligkeit der Seele“ annimmt bzw. lehrt,
aber eben doch „ein mehr an Heiligkeit
als bei den Lutheranern“[29]
behauptet, entsteht dann in der neuchristlich-amerikanisierten Fassung des
Methodismus mit der KdN und dann nachfolgend vielen
weiteren, ähnlichen neuen Gemeinschaften ein völlig neuer, auch mit der
Gesamtbreite der christlich-monastischen Tradition in nichts mehr kohärenter
neuer Typus eines erfolgreichen
christlichen Heiligkeitsverständnisses. Sein
jahrzehntelanges numerisches Wachstum in den USA und dann längere Zeit auch auf
dem europäischen Kontinent ist für den Methodismus ein Problem geworden, vor allem
in der Theologie. Der Methodismus lehrte noch „die Reinigung des Herzens als
Werk des Geistes nach der Bekehrung oder Wiedergeburt ... (und behauptet, dass
dies) die Lehre der Schrift sei“[30].
Die dahinterstehende Motivlage ist unzweideutig: „Es geht um den Sieg über die
Sünde“[31] – für den sich
erst spät unter dem religiösen und politischen Druck des US-Baptismus zur
Kirche verselbständigenden Methodismus freilich ein im Diesseits nie wirklich
sicher abgeschlossener Weg. Diese deutliche
theologische Zurückhaltung gegenüber in reformatorischer Perspektive fragwürdig
bleibenden Glaubensmethoden und menschlichen Feststellungen irgendwelcher „Heiligkeitszustände“ hat auch dazu geführt, dass jedenfalls
der deutsche Methodismus sich theologisch ebenso überzeugend wie glaubwürdig
unter das Dach der „Leuenberger Kirchengemeinschaft“ einfinden konnte. Dies war
ein bemerkenswertes Ereignis, denn: „Das Leuenberger Modell der
Kirchengemeinschaft setzt den Konsens in der Lehre voraus, aber bedingt auch –
mehr oder weniger unausgesprochen – eine strukturelle Kompatibilität.“ Das
hängt freilich auch damit zusammen, dass der Methodismus inzwischen durch die
Erschütterungen der Abspaltungen (wieder) noch mehr „Kirche“ geworden und
neumethodistische Sekten vom Typus der KdN sich wegen
der Dogmatisierung ihres Stufen-Schemas des Glaubens (zuerst Sünden-Bekehrung,
dann Heiligungs-Bekehrung) sich in einer Jahrzehnte dauernden kritischen
Ablösung dann endgültig vom Methodismus abgewandt haben. II. Wie man nicht nur „vollkommener“, sondern sogar
„heilig“ wird Seit gut hundert
Jahren existiert nun dieser noch weiter als Franckes
früher „Perfektionismus“ vom Hauptstrom reformatorischer Frömmigkeitslehre
entfernte Typus des KdN-Heiligkeitsverständnisses
einer methodistischen Sekte. Sie präsentiert ein Heiligkeitsverständnis,
das nicht nur christliche Ausschließlichkeit beansprucht, sondern auch in
klassischer Klarheit die Grundgedanken eines großen Teils des evangelikalen
US-Imports spiegelt: Vom ersten Augenblick der „zweiten Bekehrung“ an, d.h. also mit dem Eintreten der „zweiten
Erfahrung“, die „instantaneous“, d.h. sofort wirkend
den „Sieg über die Sünde“ dokumentiert, ist wie behauptet der menschliche Wille
insgesamt („full, entire, complete, unreserved, all-embracing“ – vollständig, ganz, restlos, vorbehaltlos,
allumfassend[32]) in
Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen. Dennoch wird in der Regel innerhalb
der Verkündigung der KdN auch hierbei ein (weiteres)
Wachsen nicht völlig ausgeschlossen. A.M. Hills, ein
repräsentativer Vertreter der Heiligungslehre, sagt es so: „Die göttliche
Ordnung des Wachsens sei zuerst die Reinheit (State of
Clean) – durch die zweite Erfahrung – und dann das Wachsen zur Reife“[33]. Die soziale
Wirklichkeit der nazarenischen „Gemeinde“ muss
deshalb ständig mit zwei Sorten Gläubigen umgehen: „Wahre Heilige“, die
„sichtbar“ auf dem Weg zum Endstadium sind, und „noch-nicht-ganz-wahre-Heilige“[34]. Gegen alle menschliche
Erfahrung werden dadurch so oder so ganz normal ständig weiter „sündigende“,
weil einfach auch immer noch irrende Menschen in den erhabenen religiösen Stand
eines künftigen oder definitiven Nicht-Sünders als Dauervorbild und
Autoritätsgeber gezwängt und die gesamte Kommunikation in den Dienst zur
Erhaltung der Fassade einer „heilen Gemeindewelt“ gestellt, wie sie der
Heiligungs-Ideologie entspricht. Sagen wir es so: Sünde vor Gott wird damit zu
einer Frage der kontrollierbaren menschlichen Moral oder noch schärfer: Die
Kriterien des Glaubens werden zu unmerklichen Kriterien des menschlichen Images
innerhalb der sozialen Bezugsgruppe KdN und
umgekehrt. Mit einem Wort: Glaube wird zweckverwendet und damit auch
zweckentfremdet. Die Dogmatisierung
dieser nazarenischen Heiligkeits-Lehren
ist seit langem abgeschlossen: „Die KdN hat ihre
Lehre in 16 Glaubensartikeln zusammengefasst, die im sog. ‚Manual’ niedergelegt
sind. Betont wird die persönliche Erfahrung der Heiligung, die aber nicht als
Sonderlehre verstanden wird“[35]
– sie ist für die KdN der Normalfall des
Christentums, alle anderen christlichen Lebensformen gelten als mangelhaft: Die
„Hingabe und Heiligung des Gläubigen“ ist die „rechte Voraussetzung für ein
fruchtbares und wirkungsvolles Leben in der Nachfolge“ (Manual 7). Das Manual
10 trägt die Überschrift „Völlige Heiligung“. Es unterscheidet dann im
Abschnitt 14 „zwischen Reinheit des
Herzens, die durch völlige Heiligung erlangt wird (!), und der Reife der
Persönlichkeit, die ein Wachstum der Gnade beinhaltet“[36]: „Wir glauben, dass die völlige Heiligung
auch das Verlangen einschließt, in der Gnade zu wachsen“ (Manual 14). Das Leben
in der „völligen Heiligung“ ist deshalb von festen Pflichten erfüllt: wer diese
Pflichten, die die „Christusähnlichkeit“ herstellen sollen, nicht erfüllt, kann
freilich die Gnade wieder verlieren und selbst verloren gehen (Manual 14). Die Pflichten sind:
„Verkündigung des Evangeliums und der Gebote Gottes, Freundlichkeit und
Hilfsbereitschaft, das Tun des Guten, das Geben des Zehnten und zusätzlicher
regelmäßiger Opfer, Gottesdienstbesuch, Bibelstudium und Hausandacht sowie das
ständige Bemühen, selbst ein geistliches Leben zu führen“[37]. Zu diesen positiven Pflichten gehört
selbstverständlich auch das, was zu vermeiden ist: „voreheliche und
außereheliche Beziehungen, Perversität in jeder Form und unschickliche
Lebensführung, ebenso Gewohnheiten und Verhaltensweisen, von denen bekannt ist,
dass sie dem körperlichen und geistigen Wohlbefinden schaden, dazu auch: Musik,
Schrifttum und Unterhaltung, die Gott entehren (Manual 26). So sind den
Mitgliedern der KdN Logenzugehörigkeit, Kinobesuch.
Alkohol und Nikotingenuss nicht erlaubt, vom Tanzen wird abgeraten und auch
empfohlen, möglichst wenig und nur gezielt fernzusehen. Gebete um Heilungen
sind üblich. Die Gemeindeglieder werden hierin ermutigt, jedoch wird die
Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe nicht abgelehnt“[38]. Die Mitgliedschaft
selbst ist demnach „nicht allein von der Taufe, sondern vor allem von der
erlebten und bezeugten Wiedergeburt abhängig und von der Anerkennung der
‚Glaubenserklärungen, die für die christliche Kirche grundlegend sind’ (Manual
25). Das Manual 107 nennt sogar drei Voraussetzungen: „die persönliche
Heilserfahrung, die Zustimmung zur Lehre der Kirche und (die) Bereitschaft, in
ihr zu wirken und zu dienen“. Auch in rechtlicher Hinsicht kann überhaupt nur
der zumindest einfach Wiedergeborene in die Mitgliederlisten eingetragen
werden. Mehr noch als die Mitgliedschaft durch Wiedergeburt verlangt die
Übernahme von Ämtern obligatorisch dann auch die „zweite Bekehrung“. Viel wichtiger als
der Pastor, dessen Funktion nicht als ein z.B. durch
theologisch-wissenschaftliche Ausbildung qualifizierter „geistlicher Stand“
gilt, ist deshalb die tragende Säule der Gemeinde: Die Klasse der „höheren
Christen“, die „sichtbar“ die „zweite Bekehrung“ oder „zweite Erfahrung“ erlebt
haben. Sie sind zwar keine rechtlich abgegrenzte Gruppe innerhalb der KdN, aber allein aus solchen „höheren Christen“ wird der
Stand der „ordinierten Ältesten“ (Manual 404) gebildet. Nur ein solchermaßen
doppelt Bekehrter, der dadurch Träger oder Besitzer der „völligen Heiligung“,
als typisch US-amerikanisch glaubensgecheckter „Clean“ und Musterchrist nun
endgültig auf dem Weg der Gnade ist, darf die nächste Stufe erwerben. Sie ist
mit der Bedingung einer vierjährigen Ausbildung auf einer Bibelschule, einem
Seminar oder College verknüpft, der mindestens zwei Jahre Praktikum als
Prediger folgen. Wer alle Prüfungen im Komitee für Amtseinsetzung bestanden und
(die) Bestätigung durch den Bezirkskirchentag erfahren hat, darf dann Mitglied
des einzigen „geistlichen Standes“ werden, den die KdN
kennt: die „Ordinierten Ältesten“. Mit fast allen
anderen Freikirchen hat die KdN inzwischen auch dies
gemein, dass sie heute ein deutliches „Null-Wachstum“ oder wie bei der KdN in Deutschland seit einigen Jahren auch ein
signifikantes „Minus-Wachstum“ verzeichnet: Alle Freikirchen kämpfen allesamt
und in der Regel mit denselben Schwierigkeiten wie die Landeskirchen[39]. Sie haben große Mühe,
trotz des eingeforderten und überall nur teilweise geleisteten „Zehnten“ und
vieler Sonderopfer ihre Finanzen in den schwarzen Zahlen zu halten, die
Gehälter ihrer „Pastoren“ ohne Abschläge oder Verzögerungen zu zahlen und vor
allem haben sie Probleme, neue Mitglieder zu gewinnen. Die Versuchung liegt
auf der Hand, durch aggressive Werbemethoden und neue PR-Aktionen „besser zu
sein“ als die Konkurrenz und fortwährend „zu wachsen“ – ein zwingendes Moment
der eigenen Glaubensideologie. Wo Wachstum gelingt, handelt es sich in den
allermeisten Fällen der gewonnenen Neumitglieder um schon „benachbarte
Einstellungen“: Bevorzugt sind so auch bei der KdN
Frankenthal frühere Mitglieder der Stadtmission, des Gemeinschaftsverbandes und
des EC „eingemeindet worden“. Dazu kommen einige wenige sozial desintegrierte
Jugendliche vor allem aus Scheidungsfamilien, die in der starken menschlichen
Zuwendung eine Art Ersatzfamilie finden, was in seiner Positivität nicht
kleingeredet werden kann. Aber die Betreffenden zahlen dafür eben auch einen hohen
menschlichen Preis, der ihnen erst bewusst wird bzw. über den erst gesprochen
wird, wenn sie die KdN wieder verlassen. Mit der Landeskirche
scheinbar gemeinsam hat die KdN die Praxis der
Kindertaufe und das Patenamt. Dies wird im
Dialog-Fall dann auch sofort wortreich als „Gemeinsamkeit“ beschrieben, hat
aber faktisch keine Bedeutung für das religiöse Leben innerhalb der KdN: die Taufe ist völlige Nebensache, ein
gewohnheitsmäßiger Pflichtakt. Die Bekehrungsmeldung im Gottesdienst ist
unendlich viel wichtiger. Zudem gibt es auch innerhalb der KdN
einen unübersehbar mehrheitlichen Trend zur Erwachsenentaufe als Gläubigentaufe[40].
Konsequent führt das intensive Gemeindeleben zu einer Überlagerung aller
individuellen Regungen durch das „abstrakte Leben“ einer aus moralischen
Versatzstücken konstruierten, mit Bibelworten armierten Heiligkeit oder Christusförmigkeit. Das sozialmoralische
Geflecht der „Heiligungspflichten“ wird durch die Gruppe der Gemeindemitglieder
mit der „zweiten Erfahrung“ ständig bestätigt. Es wehrt wie eine abschirmende
Wand jeden auch nur leisen Einwand aus der Alltagserfahrung als
Glaubensschwäche oder „Versuchung“ (wenn nötig als Akt des Teufels) ab. Damit
ist jedes analytisch-nachfassende Gespräch über den Glauben immer sofort in
eine religiös-autoritaristische Einbahnstraße
gewiesen, die die Anwesenheit des Heiligen Geistes allein bei den Inhabern der
„zweiten Erfahrung“ suchen und finden lässt. Das Erleben des „höheren christlichen
Lebens“ kopiert sich selbst fortwährend mit sehr geringen Variationen weiter
und wertet auf diese Weise auch alles andere auch kommunikativ als „niederes
Christsein“ ab. Diese in der KdN standardisierte Struktur religiöser Kommunikation
überlagert sehr schnell alle eigenen Regungen und löscht, wie bei vielen
ähnlichen Gruppierungen auch zu beobachten, die eigenen
Unterscheidungsmöglichkeiten auch in anderen Lebensbereichen nachhaltig aus.
Norbert Elias nennt es zutreffend die „Verwandlung zwischenmenschlicher
Fremdzwänge in einzelmenschliche Selbstzwänge“[41]. Praktisch in den Folgen illustriert heißt
dies: Vor allem das normale Familienleben wird durch die Ideologie des nazarenischen Heiligungszwangs völlig verändert; die
Familie verliert ihre soziale Souveränität und wird wie fast immer auch in den
freien christlichen Gemeinden zur funktionalen Untereinheit der Gemeinde. Sehr ähnlich wie die
Neuapostolische Kirche mit ihrem System der „Segensträger“ präsentiert die KdN als ihre Hauptsache eine bestimmte Auffassung vom
menschlich richtigen Leben als unfragbares Gebot und
Gesetz Gottes und bestätigt diese Auffassung durch die Gruppe der (doppelt)
„Geistbekehrten“, weil deren Willen mit dem Willen Gottes ja völlig identisch
geworden ist. An die Stelle der offen bleibenden Verkündigung der Gnade Gottes
(Glaube – und du wirst selbst wissen, was du zu tun und zu lassen hast) tritt
eine für den unbeteiligten Beobachter direkt ins Auge springende schicht- oder gruppenspezifische Lebens-Interessen zum
verdeckten Verkündigungsinhalt machende Predigt. Sie spiegelt in der KdN wie in den Anfängen der amerikanischen
Heiligungsbewegung oft sehr deutlich eingrenzbare soziale Interessen. Ihre
Verwechslung gruppenrepräsentativer Stabilitäts-Interessen mit dem „Reich
Gottes“ selbst gehört innerhalb der KdN freilich zur
Glaubens-Routine. Was als persönliche „Glaubenserklärung“ gemeint ist, ist dann
in Wahrheit viel mehr eine gruppendynamisch gesteuerte Selbstverleihung
sozialer Anerkennung innerhalb der „Glaubens-Gemeinde“ als ein Akt echten neu
gewonnenen Gottvertrauens: Zu den machtvollen Gruppenzwängen gehört vor allem
der „hilfreiche Zwang zur Abgabe des Zehnten“ und zu weiteren, nur von der
Setzung und Meinung der „Ältesten“ abhängigen obligatorischen Sonderopfern. Es ist dann aber noch
nicht einmal dieser merkwürdige „doppelte Glaube“, der die KdN
als extreme „Heiligkeitskirche“ (relativ)
zusammenhält: Der Leim des Zusammenhalts ist das religiös-ethische Programm
einer religionsgesetzlich bestimmten Lebensführung, das innerhalb der eigenen
kleinen „Kirche“ zu subjektiv außerordentlichen religiösen Machterlebnissen
über sich und real oder virtuell auch über andere führt oder vielleicht noch
besser: verführt. Die Selbsterhöhung der KdN zum
weltweiten Herold einer neuen christlichen „Perfektheit“
liefert die Zielprojektion, für die alle Aktivität verbraucht wird: ein
religiös-sportives Leistungsprogramm ohne Ende. Hier bleiben freilich dann all
die schwierigen ethischen und gesellschaftlichen Gegenwartsprobleme außen vor,
die einer akademisch gebildeten Theologie und einer reflektierten
landeskirchlichen Praxis bei entsprechender Bemühung aber immer noch zugänglich
sind. Unübersehbar spielen
in allen Heiligkeitsgemeinden wie schon auch im frühen,
eben auch sehr radikalen und durchaus auch annähernd pfingstlerisch geprägten
Methodismus suggestive Praktiken und hochemotionale „Erweckungstechniken“ eine
zentrale Rolle, bei deren Praxis die Grenze zum Esoterismus
sich schnell unscharf stellt. Sie überwältigen wie fast alle modernen
Psychotechniken die seelischen Widerstände der Teilnehmer ihrer Veranstaltungen
durch religiös fest vorgeformte emotionale Ausdrucksformen und durch eine bis
in sprachliche Einzelheiten hinein sich präsentierende Paradoxie programmierter Spontaneität. Durch eine
trainierte Gruppendynamik mit hohen aktuellen Reizen (oft enormer Einsatz von
Akteuren für den permanenten Wechsel von Schauspiel, Musik und Medieneinsatz),
durch rituell initiierte psychologische Zwänge biographischer Selbstentblößung
von Gemeindegliedern“ („Ich war ein … Sünder“) und mit u.U. sehr direkter, die
Grenzen von Intimität und Privatheit willentlich verletzender aktiver (N.N.,
komm auch nach vorne!) und passiver Einbindung der Gottesdienstteilnehmer (Mitteilung
genauer existentieller Notlagen und Krankheit von Gemeindegliedern zur Füllung
des gemeinsamen Betens) wird in fast allen Heiligkeitsgruppierungen
sozusagen frömmigkeitstechnisch ein außerordentlich hochgespanntes religiöses
Klima erzeugt. Dies ist möglich,
weil die Akteure sich bewusst und zielgerichtet mit der aktuellen psychischen
Befindlichkeit von Personen beschäftigen, aber damit wenig soziale
Nachhaltigkeit bewirken können: Psychische Zuwendung und Aufmerksamkeit muss
immer wieder neu nachgeladen werden. Eine sich von subjektiven Leiderfahrungen
her nahelegende Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragen und
überindividuellen Problemzusammenhängen findet im Prinzip nicht statt. Auch
eine religiöse Reflexionskultur, die sich kommunikativ den hier bewegten
theologischen Fragen genauer zuwendet, existiert nicht. Da auch bei der KdN die üblichen Sättigungs- und Ermüdungserscheinungen
entstehen, die wie bei den Landeskirchen das Bedürfnis nach Tradition, nach dem
Schatz erprobter Erlebnisinhalte wecken, bleibt zwangsläufig auch innerhalb der
KdN die religiöse Radikalität in ein festes
Erlebnis-Schema gepresst, dessen Ritualismus und Routine eines gewiss nicht
mehr verträgt: kritische, persönliche Rückfragen nach der Stimmigkeit und dem
Wahrheitsgehalt des Vorgeführten und Behaupteten. III. Neue Methoden
kirchlicher „Freundschaftsarbeit“ Im Jahre 1997 kam es
in Frankenthal/Pfalz erstmals zu umfänglicheren, auch juristisch munitionierten
Kontroversen von Mitgliedern der Landeskirche mit der dortigen KdN-Gemeinde. Der Grund: Nach entsprechender öffentlicher
Werbung hatten einige Familien am Ort ihre Kinder in den Schulferien auf ein
„Englisch-Camp“ der KdN geschickt, das
organisatorisch von dem wegen des aggressiv-evangelikalen Stils und der religiös-repressiven
Glaubenslehre einschlägig bekannten „Janz-Team“ durchgeführt wurde: Ein
organisatorischer Service für kleinere „freie Gemeinden“, die sich hier u.a.
auch vom „Janz-Team“ ihre Angebotspalette vervollständigen lassen. Dieses
„Englisch-Camp“ war wie so viele evangelikal-fundamentalistische Angebote
freilich eine „Trichterveranstaltung“: Mit dem Köder eines allgemeinen
Bedürfnisses als attraktiver Einstieg war eine spezielle Absicht am Ende
verbunden, d.h. das „Camp“ hatte eine in der Ausschreibung nicht kommunizierte,
aber unübersehbar klare Zweckbestimmung: Bekehrungsarbeit unter Kindern zu
leisten, die das fromm-radikale Stufen-Programm hier auch bei Kindern
„durchzieht“. Umfänglich wurde
damals und auch noch in den Jahren danach in den evangelikalen Medien für diese
„Englisch-Camps“ des Janz-Teams geworben und auch für die von dort angebotenen
Folgeseminare, wie sogar im Allianz-Gebetskalender zu lesen ist: „Teilnehmer
von Englisch-Camps des Janz-Teams nehmen das Angebot wahr, mit Mitarbeitern
über ihre Lebensfragen zu reden. Beten Sie, dass auch in diesem Jahr vielen der
11- bis 13-Jährigen in seelsorgerlichen Aussprachen geholfen werden kann“[42]. Es kann kaum
verwundern, dass bei solchen Absichten zur Vermittlung von „Gottes Maßstäben
für gelingendes Leben“ für 11-13 jährige
Kinder (so der O-Ton der „Wegweiser“ für die Allianz-Gebetswoche 2006) nach
der Rückkehr der Kinder und der Kenntnisnahme dessen, was nach deren
Berichterstattung in diesen „Englisch-Camps“ tatsächlich stattfand, einige
Eltern jedenfalls sich grob getäuscht sahen. Diese Eltern führten
dann beim landeskirchlichen „Sektenbeauftragten“ Klage und suchten Hilfe für
die Bewältigung der belastenden Folgen für ihre Kinder: Das „Englisch-Camp“ sei
in Wahrheit ein fundamentalistischer Indoktrinationskurs für Kinder gewesen,
die dort mit totalitärer Frömmigkeit konfrontiert worden seien, die die Kinder
nicht verarbeiten können. Das Janz-Team habe ganz konkret den Kindern mit der
intensiven Betonung des Bösen und des Teufels offensichtlich nachhaltig
existentielle Angst gemacht usw.. An diese am Ort über
die Schul-Elternschaft schnell die Runde machende Konfliktlage lagerte sich
eine ebenfalls schon länger vorhandene Gegnerschaft anderer Eltern gegen die KdN an, die nun den Mut hatten, ihre Erfahrung nach außen
zu kehren, dass sie eine für sie unerklärliche Entfremdung ihrer eigenen,
plötzlich sehr „fromm“ gewordenen Kinder erlebt hatten, nachdem diese über ein
Gymnasium am Ort bzw. über die dort für die KdN-Jugendarbeit
werbenden Kinder von Mitgliedern und vor allem auch von den Kindern des KdN-Pastors in einen eine gewisse menschliche Abhängigkeit
erzeugenden Dauer-Kontakt mit der KdN gekommen
waren. Die Abwiegelung der
schon damals zweifellos kritisierbaren Verhältnisse beim Janz-Team und dann
auch bei der Frankenthaler KdN war von deren Seite
total und militant: Kritik an ihrer Kinder- und Jugendarbeit wie auch speziell
an den von ihnen weiterhin beworbenen „Englisch-Camps“ wurde nicht akzeptiert
und stattdessen die Eltern-Kritiker wie auch der ihnen beistehende
landeskirchliche Beauftragte in wie von solchen Akteuren gewohnt grenzwertiger
Weise erst einmal mit allen Mitteln zu diffamieren versucht. Man übersehe
nicht: Erst im Jahre 2010 hat dann auch innerhalb des Evangelikalismus endlich
einmal sogar eine evangelikale Pressemeldung in „Idea-Spektrum“
kritische Stimmen zum „Janz-Team“ gebracht[43], die die dort übliche manifeste Drohung mit
dem Zorn Gottes problematisierten: In einer Pressemitteilung unter der
Schlagzeile: „Allianz lehnt Gehirnwäsche ab“ distanzierten sich sogar die in
der Freiburger „Allianz“ zusammengeschlossenen evangelikalen Gruppen, Kreise
und freien Gemeinden „in aller Deutlichkeit“ vom Janz-Team: „Sie lehnten
Gehirnwäsche, Drohungen und Druck im Zusammenhang mit Bekehrungsaufrufen ebenso
ab wie totalitäre Absolutheitsansprüche einer Sekte“[44]. Was hier 2010 in
einigen wohlgemerkt sogar evangelikalen Pressemeldungen vorgeführt wird, haben
die Frankenthaler Eltern freilich schon 1997 genau so empfunden und gesagt,
aber damit damals öffentlich nicht durchdringen können: Entsprechende
Leserbriefe an die Lokalzeitung wurden nicht gedruckt, die Presse „sprang nicht
an“. Auch die informationelle Aufklärung und der aus menschlichen wie
theologischen Gründen auch uneingeschränkt zu leistende kommunikative Beistand
des landeskirchlichen Weltanschauungsbeauftragten in der Öffentlichkeit (mit
einem diesbezüglich auf die Problem-Lage abgestimmten kritischen Vortrag in
einer Frankenthaler Kirchengemeinde) vermochte die öffentliche Stimmung und
Diskussionslage noch nicht umzudrehen, nachdem einige Leitfiguren des
landeskirchlichen Establishments samt dem in aparter Weise damals auch eine
Zeitlang mit einer neuen „Reformierten Konferenz“ innerkirchlich hausierenden
Frankenthaler Dekan sich einer kritischen Betrachtung oder gar kirchlichen Distanznahme gegenüber der KdN
glatt verweigerten. Die Gründe für dieses
sehr merkwürdig einrastende kirchliche Bundesgenossentum
mit einer in kirchlich-theologischer Perspektive doch eigentlich unübersehbar
sektenhaften Heiligkeitslehre lagen damals und liegen
heute immer noch in einer barthianisch-ultrareformierten
Affinität zu einem apodiktisch als reale Möglichkeit behaupteten religiösem
Perfektionismus. Der fromme Rigorismus der KdN ist
dem religiös-politischen Prophetismus, der Theologen
als jahrzehntelanger Dauer-Beitrag der Linksprotestanten aus allen Synoden und
Kirchengremien wohl vertraut ist, in der Tat strukturell sehr verwandt: „So
gegensätzlich die Theologien und Frömmigkeitspositionen in ihrer inhaltlichen
Bestimmungslage sind, die die politische Linke und die in den letzten Jahren
zunehmend politisierte Rechte im deutschen Protestantismus wesentlich prägen –
im Programm für die Überwindung der Volkskirche und die soziale Grundstruktur
der neuen Kirche stimmt man überein. Diese erstaunliche
Grundübereinstimmung zeigt sich etwa in der Tendenz, die eigene Frömmigkeitshaltung
zu der innerhalb der Kirche allein legitimen zu erklären, im Versuch, die Diffusität der innerkirchlichen Meinungsvielfalt durch neue
‚Eindeutigkeit‘ zu überwinden, und
schließlich in der Suche nach einem nachindividualistisch kommunikativen christlichen
Lebensstil“[45] – so
Friedrich Wilhelm Graf in hier noch sehr freundlicher Kritik. In all diesen
Geschlossenheit und Eindeutigkeit propagierenden religiös oder politisch
sektenhaften Ausdrucksformen von „Religion“ geht es um Normen und Gesetze, die
vom „Glauben“ direkt und unmittelbar abgeleitet werden: Ihre Führer und
Propheten sind als „Theologen und Politiker“ oder öfter auch in eins gesetzt
als „Ethiker“ grundsätzlich und zu allererst übersäkular oder moralisch engagiert
und hierbei von annähernd totalitären Botschaften und Denkstrukturen geprägt,
die offensichtlich keine Probleme damit haben, Opfer zu verlangen und zu
erzeugen, auch wenn es sich um Kinder handelt. Sagen wir es so: Hier wie dort
geht es um die Hinführung zu kollektivem Gehorsam, der die religiöse Botschaft
eines göttlichen „muss“ stets mit einer mehr gruppenkohäsiv orientierten
religiösen oder total kollektivistisch orientierten
politisch-gesellschaftlichen Moralisierung verbindet. Dieser zivilreligiös
moralistischen Identität und Parallelität von Linksprotestantismus und auf
Heiligkeit und „Wiedergeburt“ fixiertem Evangelikalismus kann in der Tat nicht
ausgewichen werden: Was die KdN sozusagen als
Anspruch auf die Verbesserung des Individuums ausgerichtet hält, ist auf der
gesellschaftlichen Ebene strukturgleich die kirchliche Reklamation eines
besonderen kirchlichen Öffentlichkeitsauftrags und politischen Wächteramtes,
die seit 1945 einen bis dato ungekannten machtvollen Anlauf zur Moralisierung des gesamten öffentlichen Lebens der
Bundesrepublik unternommen hat. Das entsprechende Selbstbewusstsein auch seiner
kirchlichen Protagonisten ist beeindruckend: In einem nach dem Krieg
erfolgenden jahrzehntelangen Aufbau einer „moralischen Öffentlichkeit“ wird so
nicht nur die Kirche, sondern die gesamte politische Struktur der neuen
Bundesrepublik von einem zutreffend so bezeichnet linksprotestantisch
durchgefärbten religiös-politischen Religionshabitus umgeformt, der durch die
normative Verknüpfung politischen Handelns mit bestimmten religiös-moralisch
aufgeladenen „Grundwerten“ unübersehbar den alten „protestantischen Traum vom
wahren Staat“[46]
weiterträumt. Im Großen wird so von
den „höchsten Personen“ (Hammelsbeck) der Nomenklatura
des Linksprotestantismus kaum anders als im Kleinen von den „sichtbaren
Heiligen“ der KdN der Traum vom „heiligen, perfekten
Leben“ als Lebensnorm verkündet. Hier wie dort wurden und werden immer im
utopischen Gedanken-Ambiente die religiösen Spitzenbegriffe grundsätzlich „so
verwendet, dass mit ihnen nicht nur eine bestehende Wirklichkeit beschrieben
werden konnte, sondern dass sie ein Bedeutungspotential enthielten, das über
die Beschreibung des faktisch Bestehenden hinausging, auf etwas Zukünftiges
verwies und so den gesellschaftlichen Zustand als einen zu verändernden, zu
verbessernden Zustand auswies“[47].
Es sind freilich
nicht nur religiös-habituelle Grundsätzlichkeiten und
strukturelle Affinitäten, auf die das 1997 vorgeführte kirchliche
Sympathisantentum mit der KdN zurückgeführt werden
können: An der Positionierung gegenüber und mit den „Nazarenern“ hängen
mindestens indirekt gewichtige „ökumenische Interessen“ und d.h. nicht geringe
Interessen kirchenpolitischer Personengeflechte, die von der EKD-Nomenklatura
erkennbar abhängig sind. Denn die KdN ist ja nicht
die einzige neue fromme Gemeinschaft, die „Aktivität“ zur religiösen Totalnorm
macht und gemacht hat: Machtvoll grassiert der früher so genannte „radikale Pietismus“
mit einer radikal aktivistischen Missionsattitude innerhalb des
Allianz-Evangelikalismus, aber er wirkt auch schon als innerkirchliche
Zwangskrankheit. Die Versuchung für kirchliche Mitarbeiter ist sehr groß, sich
mit frommer Aktivismus-Propaganda ein kirchliches
Machterlebnis abzuholen. Vor allem ein nur
noch politisch agierendes kirchliches Establishment hat keine Hemmungen mehr,
in einer religiös erkaltenden Kirchenlandschaft jeden Strohhalm zu ergreifen,
mit dem man ein frommes Feuerchen anzünden oder unterhalten kann, für das einem
selbst der Brennstoff leider fehlt: Es hat dafür auch evangelikale
Gruppierungen ins Visier der kirchenpolitischen Ökumeneausweitung
genommen, die unstreitig zum Spektrum des radikalen christlichen
Perfektionismus gehören. Unverhohlen hat für die EKD-Kirchenwelt die 2003 dann
noch einmal ausdrücklich gemachte „persönliche Initiative“ des früheren
Ratsvorsitzenden hier auch innerkirchliche Widerstände überrollt, die nie
zugestimmt hätten, dass die EKD sich als so etwas wie eine „Dachorganisation“
auch für religiösen Radikalismus verstehen könnte. Aber auch unabhängig von
solchen kirchenpolitischen Wunsch-Szenarien ist deutlich, dass der gesamte
bestehende Komplex ökumenischer Kooperationslagen in der ACK und der AMD (Arbeitsgemeinschaft
missionarischer Dienste im Diakonischen Werk der EKD) von einem Konflikt mit
der KdN nicht unberührt bleibt, weil es in diesen
Gremien-Organisationen genügend Gruppen gibt, deren Problempotential wohl kaum
geringer als der KdN ist. In der Optik nicht weniger
Kirchenleute wäre dann sofort auch das gesamte ökumenische Klima „gefährdet“,
wenn hier über die KdN und damit auch sofort über
alle ähnlichen Gruppen das Sektenurteil gefällt wird. Es war deshalb ein
schon mit vielen verschiedenen Interessen voraus befrachteter, kirchenpolitisch
vielsagender Vorgang, dass ein beachtlicher Tross von Vertretern der KdN und zwei Mitgliedern aus der Führungsriege des
Janz-Teams am 29.7.1997 sogar im Speyerer Landeskirchenrat vom Dezernenten für
die Weltanschauungsarbeit (und den Bereich Ökumene) zusammen mit dem
Personal-Oberkirchenrat wegen der vom landeskirchlichen
Weltanschauungsbeauftragten ihnen verursachten „Unannehmlichkeiten“
freundschaftlich empfangen wurde. Offensichtlich sollte diese Begegnung so
etwas wie eine kirchlich-regionale Innovation und deshalb auch eine
bedeutsamere kirchenpolitische oder ökumenepolitische
Aktion sein oder eine solche werden: Ohne irgendeine
vorherige Klärung des doch offensichtlich kontroversen Sachstands wurde damit einer
prinzipiell ökumenefernen, eindeutig zum Spektrum des
„radikalchristlichen Perfektionismus“ gehörenden Gruppierung wie der KdN und einer extrem bibelfundamentalistischen Gruppierung
wie dem „Janz-Team“ zugleich im theologischen Blindflug eine voll und ganz auf Freundschaftsnahme gestimmte uneingeschränkte
kirchlich-regionale Ökumeneoffenheit signalisiert.
Die beiden „linksprotestantischen“ Oberkirchenräte wollten damals damit wohl
rückhaltlose kirchliche Partnerschaft schenken und beachteten nicht ihren
Preis. Sie sahen wohl hauptsächlich die kirchenpolitische Dividende dieser
Aktion: Denn natürlich wurde damit auch gegenüber der EKD und deren VEF-Avancen
ein vermeintlich positiv gedachtes Signal gesetzt, weil ein solches „offenes“
Engagement die ebenfalls längst dominant auf Konsensproduktion ausgerichtete
große politische Linie der EKD übernimmt, im „Schulterschluss mit dem
Evangelikalismus“ die Chance zu ergreifen, dass die Kooperation auch mit den
Repräsentanten eines perfektionistisch-fundamentalistischem Religionshabitus
„den Landeskirchen bei der geistlichen Profilierung helfen“[48] möge. Was in dieser
Konferenz der beiden Oberkirchenräte mit der Abordnung aus der KdN und dem „Janz-Team“ damals 1997 in Speyer geschah, ist
exemplarisch für die kirchliche Entwicklung der gesamten EKD-Kirchenwelt. Es
ist auch überhaupt nicht verwunderlich, wenn sich auf ein solches Abenteuer
stets besonders die Häupter, kirchlichen Frondeure und Mitläufer des
„Linksprotestantismus“ einlassen, die in ihrer in allen Landeskirchen
präsenten, gewohnt monistischen Religions-Attitude mit ideologischen
Einheitskonzepten der genauen Analyse und Kenntnisnahme der wirklichen
kirchlichen Lage ausweichen, weil sie das Ergebnis einer kritischen Bestandsaufnahme
schon ahnen: Dass es aus der Sackgasse der von ihnen mit dem Konzept der
„öffentlich-politischen Kirche“ ja machtvoll vorangetriebenen
Selbstsäkularisierung und Enttheologisierung
grundsätzlich nur noch einen Weg gibt, rückwärts.
Doch die Erwartung zu
haben, dass solcherart Mahnungen an linksprotestantische Adressen fruchten
würden, wäre Selbsttäuschung. Dies zeigen schon die Umstände, dass und wie die
EKD-Nomenklatura auch angesichts der Kritik am Reformpapier „Kirche der
Freiheit“ von 2006 weiterhin ihre nur noch grenzwertigen Visionen verbreitet:
Dass die Kirche „gegen den Trend wachsen können muss“. Dass hier der
Kirchenöffentlichkeit als religiöse „Marktchance“ verkauft wird, was, „darin
ist sich die Forschung einig, eine Religion (ist), die weitgehend ohne Gott und
Kirche auskommt“[49] –
also nur die neue Volksreligion Esoterik im weitesteten Sinn betrifft – kann
ein landeskirchlicher Weltanschauungsbeauftragter nur der üblichen
Beratungsresistenz der Kirchenelite zuschlagen. Der
Religionssoziologe Detlef Pollack kommentiert deren Utopie(n) nüchtern: „Ich
denke, dass die Kirchen in Deutschland und in anderen Ländern Mittel- und
Westeuropas tatsächlich in einer Krise stecken, in einer Krise, die einmalig
ist und die es so in der Geschichte des westeuropäischen Christentums seit der
Reformation nicht gegeben hat. Wir erleben Abbruchsprozesse im Hinblick auf die
Mitgliederzahlen, im Hinblick auf die Beteiligung am Gottesdienst, aber auch im
Hinblick auf den Glauben an Gott, die in der Geschichte des Christentums
einzigartig sind und möglicherweise nicht mehr rückgängig gemacht werden
können“[50]. Und Pollack
fährt ebenso richtig fort: Diese Krise „kann nicht auf die Nachlässigkeit und
das mangelnde Engagement der Pfarrerschaft
zurückgeführt werden, wie das einige amerikanische Religionssoziologen in
Unkenntnis der kirchlichen Lage in Deutschland tun“[51] – und wie es eben auch das im Juni 2006
herausgekommene EKD-Zukunftspapier nun unberührt von allem kritischen
Bewusstsein nachahmt. Pollacks Krisenrede, „dass wir derzeit nicht wissen, wie
wir aus der Krise wieder herauskommen“[52], bleibt selbst freilich vorsichtig abgeschirmt im soziologischen
Deutungsrahmen. Pollack vermeidet
damit die jetzt fällige religiös-theologische Ursachenforschung und damit vor
allem das Einfangen der kirchenpolitisch brisanten Diagnose, dass und wie hier
in EKD-Breite durch eine Kirchen-Konzeption von „politischer Kirche“ der sehr
wohl nicht weniger sowohl zur Ideologiekritik als auch zu einer anspruchsvollen
gottesdienstlich zentrierten Gegenkultur fähige, aber immer noch
glaubensbestimmte, in der Form protestantischer Gewissensreligion schon
Minderheitsstatus gewonnene religiöse
Protestantismus an den Rand gedrängt ist. Sagen wir es in der nötigen Klarheit:
Die EKD-Ideologen vermeiden konsequent gerade die theologischen und
denkerischen Erkenntnisquellen, die offenlegen würden, dass für die religiöse
Präsenz und Vermittlungsarbeit in der Gesellschaft die Kirchenorganisation
schon fast vollkommen einflusslos gemacht worden ist. Und sie verschließen die
Augen vor der Erkenntnis, dass dies alles damit zu tun hat, dass hier seit der
Weimarer Republik im kirchenpolitischen Kampf in wechselnden Farben immer nur
politisch tendenziell totalitaristische Konzepte verfolgt und die spezifisch religiösen Arbeitsfelder innerhalb der
Kirche mit der Diskreditierung alles nicht institutionell kontrollierbaren
Individuell-Religiösen auch systematisch innerkirchlich entwertet worden sind. Sagen wir es knapp
und klar: Die kirchliche Nomenklatura in inzwischen fast allen Landeskirchen
vermeidet die Arbeiten am Wiedergewinn eines religiösen Bewusstseins in der
Kirche, weil sie längst ein anderes, primär politisches Bewusstsein hat, das
keine Ressourcen mehr abgeben kann. Und sie vermeidet deshalb natürlich auch
die Kenntnisnahme und kirchliche Umsetzung der stets sektenkritischen
apologetischen Arbeit. Denn Apologetik hat unausweichlich mit Aufklärung über religiöse Differenzen und d.h. mit
Abgrenzungsarbeit in dem Sektor Religion, Theologie und praktischer
Kirchenarbeit zu tun. Ihre Leitperspektive ist, dass es kirchliche Identität
auch niemals ohne Abgrenzung gibt und geben kann und die Aufgabe der Versöhnung
unterschiedlicher Religionstypen und -interessen primär Sache des säkularen
Staates und seines Religionsrechts ist, der bei seiner Aufgabe,
gesellschaftlichen Frieden herzustellen und zu bewahren, hier mit ganz anderen
ausschließlich vernunftgeleiteten Leitbegriffen operiert und sich mit der
Analyse von religiösen Differenzen
nicht aufhalten kann. Sich um Aufklärung
dieser grundlegenden religiösen
Differenzen zu bemühen und institutionell in solche Aufklärung und
Abgrenzungsarbeit Kräfte und kirchliches Kapital zu investieren, setzt kirchlicherseits umfänglichen geistigen Dauer-Aufwand und
die Schaffung von Personalkompetenzen voraus, die mit dieser Kompetenz
natürlich auch evtl. unbequeme Kritik an im eigenen Feld getroffenen kirchlichen Entscheidungen ermöglichen
könnten. Weil jede apologetische Erkundung allseits nebenbei als unfreiwilliges
religiöses „Controlling“ wirkt und so auch kirchenpolitisch nicht
kontrollierbar ist und d.h. für das kirchliche Establishment immer auch im
eigenen Feld unerwartete, unkontrollierbare Ergebnisse bringen kann, gibt es in
diesem Sektor Apologetik EKD-weit, von Ausnahmen abgesehen, nur das absolute
Minimum an kirchlichen Investitionen, das heute meist kaum größer ist als das
Etikett. Man darf sich in der
Zukunft dann nur über die Folgen nicht mehr wundern, die heißen: Dass
ideologische Voreingenommenheiten und fromm-erbaulich
ummänteltes autoritäres Bewusstsein nicht mehr als
solche erkannt und markiert werden können und die Bedeutung der Offenheit einer
wirklich anspruchsvollen religiösen
Gesprächslage auch gegenüber Sektierern nicht mehr als religiös-kulturelle
Praxis gezeigt und gepflegt werden kann. Die erkenntnisbegrenzende Verweigerung
der Anerkennung apologetischer Abgrenzungsarbeit funktioniert, weil diese
Zensur eben längst eine eminent kirchenpolitische Funktion hat: Durch die aus
politischen Gründen absichtlich herbeigeführte Bedeutungslosigkeit von religiösen Differenzen politischer Einheitlichkeit zuzuarbeiten
und so die laufenden Machtstrategien der Kircheneliten zu sichern. Statt die Risiken und
die längst erkennbaren katastrophalen Folgen der jahrzehntelangen
unaufhaltsamen Politisierung der EKD-Kirchenwelt zu erkennen und endlich
Konsequenzen (es bleibt schon lange nur noch die Notbremse) zu ziehen,
verstärkt die kirchliche Nomenklatura immer noch die laufende
Selbstsäkularisierung des Kirchenprotestantismus, wenn sie mit der quasi
öffentlichen Anerkennung und der Mit-Finanzierung der fundamentalistischen
Religionswirtschaft in vielen Bereichen aus den weniger werdenden
Kirchensteuern den selbst permanent nur hart an der wirtschaftlichen Kante
agierenden religiösen Fundamentalismus nähren und seine Propagandisten
kirchlich mit ins Boot holen will. Und wenn sie das tut, dann deshalb, weil
sie, wie immer wieder in Idea-Spektrum zu lesen, von
der Annahme ausgeht, dass diese religiös hocherhitzten Leute im Beiboot der
Kirche für die Bewahrung des religiösen Feuers sorgen sollen, das sie als die
Verantwortlichen für die kirchliche Lehre selbst nicht mehr entfachen können
und wollen. Dabei wird mutwillig
die menschliche Ambivalenz alles behauptet sichtbar, angeblich echt oder wahr
Religiösen ignoriert, wie selbst der „SPIEGEL“ nicht unzutreffend anmahnt: „Die
Vermessenheit religiöser Menschen ist das Gefährlichste in der heutigen Welt“[53]. Man kann dies mit dem
jüdischen Philosophen Jacob Taubes (1996) freilich auch etwas allgemeiner
formulieren: Das Theologische „ist ein gefährliches Feld, mit lauter politisch aufgeladenen
oder explosiven Begriffen“[54].
Wer hier leichtfertig religiöse Ausschließlichkeitsansprüche propagiert oder
von Dritten auch nur unwidersprochen propagieren lässt, muss mindestens wissen,
was damit angerichtet werden kann. Dass und wie
jedenfalls schon 1997 hier kirchenpolitisch und vor allem ökumenepolitisch
vorsätzlich hinter dem Rücken des Weltanschauungsbeauftragten wie ebenso auch
hinter dem Rücken des bis 1998 amtierenden und hier auch noch die
kirchenbewusst protestantische Linie einer anspruchsvollen Verbindung von
Glauben und Vernunft wie auch von liturgischen Qualitäts-Ansprüchen haltenden
alten Kirchenpräsidenten operiert wurde, um eine dem „Linksprotestantismus“
nützlich und nötig erscheinende neue Ökumene-Politik vorzubereiten und im
konkreten Fall zum Erfolg zu bringen, das offenbarte sich dann fünf Jahre
später in vollem Umfang: Bei einer 2002 stattgefundenen erneuten Eskalation der
Konflikte mit der KdN wegen systematischer und in
apologetischer Sicht auch unlauterer Abwerbung von Kirchenmitgliedern
präsentierte ihr Frankenthaler Pastor dem landeskirchlichen
Weltanschauungsbeauftragten triumphierend die Existenz des bis dato unbekannt
gebliebenen Gesprächsprotokolls dieser Veranstaltung im Landeskirchenrat in
Speyer vom 29.7.1997: In aparter Selbstüberschätzung und religiöser
Vermessenheit zugleich gedachte der KdN-Pastor mit
einer Berufung auf dieses Protokoll seinen landeskirchlichen Kritiker nun sogar
„kirchlich“ disziplinieren zu können. Der skandalöse Inhalt
dieses Protokolls, das dann zur peinlichen Überraschung vieler vom Dezernenten
im Landeskirchenrat als authentisch bestätigt werden musste, muss hier nicht
wiederholt werden. Nur soviel: Man hat damals, 1997,
klammheimlich der KdN und dem „Janz-Team“ ebenso (!)
eine künftige vollständige innerkirchliche Zensur aller Kritiken und jedes
Kritikers versprochen, eine kirchliche Zensur, die nicht nur die KdN und das „Janz-Team“, sondern auch alle Vorgänge
hinsichtlich AMD und den Gesamtbereich des Evangelikalismus von kirchlichen
Verurteilungen besonders des kirchlichen Weltanschauungsbeauftragten frei
halten würde. Der Haken daran: Man hat damals noch nicht gewagt und wegen der
wasserklar reformatorisch begründet kirchlichen
Positionierung des damaligen Kirchenpräsidenten in anderen, ähnlichen Vorgängen
1997 noch nicht wagen können, dies öffentlich mitzuteilen oder auch nur in
einer förmlichen Dienstanweisung für den landeskirchlichen Beauftragten
niederzuschreiben. Keiner der Akteure
von damals ist heute mehr im Amt. Aber kirchlich inzwischen flächendeckend „im
Amt“ ist diese in den 1990er Jahren endgültig manifest gewordene Auffassung von
Ökumene wie auch von kirchlicher Apologetik, die sich prinzipiell und
umfänglich von aller kritischen Abgrenzungsarbeit möglichst entfernt hält und
Apologetik zu allererst als Pflicht zur „Freundschaftsarbeit“ versteht. Diese
„Freundschaft“ geht inzwischen so weit, dass sogar eine reguläre
Sonntagspflichtkollekte auch für „Bibel-TV“ mit erhoben wird, ein unübersehbar
grenzwertiges Unternehmen der neoevangelikalen Religionswirtschaft, dessen doch
sehr seltsame, meist kommerziell ausgerichtete Anbieter- und Produktpalette die
Grenzen jeder kirchlichen Anschlussrationalität offenkundig längst überschritten
hat, was die EKD nicht hindert, hier mit Gestellung von Mitarbeiterschaft und
Finanzen diese Sache zu fördern. Es fehlt hier wie bei
allen ähnlich ökumenischen Unsäglichkeiten einfach
die systematische Kontrollarbeit: Seit Jahren müssen hier immer wieder
erfolgende Schnellschüsse kirchlicher Institutionen und Einzelpersonen in
Sachen Kooperation mit frommem Extremismus, in Sachen blauäugiger kirchlicher
Verhinderung negativer Äußerungslagen im evangelikal-fundamentalistischen Feld,
in Sachen ökumenischen Aufruf zur Einstimmung in Freundschaftsbezeugungen auf
dem Feld der ACK oder der AMD oder zuletzt auch in Sachen kirchlicher
Stellungnahme zu den Anträgen auf Verleihung der Körperschaftsrechte für die
Zeugen Jehovas von denen leise korrigiert oder stumm ertragen werden, die über
einen anderen, eben sehr viel genaueren Kenntnis- und Sach(ver)stand verfügen und eben sehr schnell als ökumenische
Spielverderber gelten, wenn sie ihre kritischen Einwände allein schon
innerkirchlich äußern. Dieser Zustand ist
inzwischen durchaus manifest zu nennen: Ökumene-Politik der Kirchenleitung(en)
ist offensichtlich viel mehr von politischen Koalitionsbedürfnissen als von
theologischer Aufklärungsarbeit bestimmt, deren Störpotential vermieden wird.
Das Vorurteil ist inzwischen auch innerhalb der kirchlichen Nomenklatura
ziemlich weit verbreitet, dass „religiöse Minderheiten“ selber keine Vorurteile
haben und dass man dazu auch nicht einmal mehr die Gegenprobe machen muss.
Solche Gegenprobe muss sich
innerkirchlich ja geradezu verbieten, wenn doch sogar der EKD-Ratsvorsitzende
wie auch der Präsident des Kirchenamtes der EKD seit 2003 bei allen möglichen
Gelegenheiten intensiv die „Vertiefung der kirchlich-evangelikalen
Zusammenarbeit“[55]
propagieren, ohne dass dieser Propaganda eine ernste substantielle Prüfung
ihrer Möglichkeit(en) und Hindernisse überhaupt vorausgegangen wäre. Wer dann
gegen den ökumenischen Mainstream bei unabweisbaren Problemanzeigen eines
religiösen Missbrauchs christlicher Gruppen dann doch einfach kritische
Stellungnahmen abgeben muss, steht
vor der schwierigen und regelmäßig auch ziemlich undankbaren Aufgabe, im
Geltungsbereich seiner Kritik zunächst einmal die innerkirchlichen Mechanismen
kirchenpolitischer Realitätsabschirmung überwinden zu müssen. Die 2002 wegen der
überraschend einseitigen Veröffentlichung des Gesprächsprotokolls von 1997
durch den KdN-Pastor gerade auch für die betreffenden
Mitglieder der Kirchenleitung aktuell völlig verfahrene Konfliktlage konnte der
landeskirchliche Weltanschauungsbeauftragte mit dem Vorschlag entschärfen, eine
Art internes „Religionsgespräch“ mit der KdN
abzuhalten, das mit drei Personen von jeder Seite und unter dem Vorsitz des
ACK-engagierten Baptistenpräsidenten Dr. Wolfgang Lorenz in Berlin stattfinden
sollte, der damals gleichzeitig auch Präsident der VEF war. Dieser Vorschlag
wurde sehr schnell allseits angenommen und so fand dieser erste „kleine Dialog“
mit der KdN am 29.11.2002 im baptistischen
Diakoniewerk „Bethel“ in
Berlin tatsächlich statt. Von Seiten der Landeskirchen nahmen an diesem Treffen
die landeskirchlichen Weltanschauungsbeauftragten Pfr.
Thomas Gandow (Berlin), Pfr. Eduard Trenkel (Kassel) und Pfr. Dr.
Karl Richard Ziegert (Ludwigshafen am Rhein) teil, von Seiten der KdN deren Pastoren Ache (Frankenthal), Schaar (Stuttgart)
und ihr Superintendent Vollenweider (Berlin). IV. Unausweichliche Fragen an (christliche)
Perfektionisten Im Anhang ist die
Original-Sitzungsvorlage mit dem Fragenkatalog an die KdN
abgedruckt, die von Karl Richard Ziegert im Einvernehmen mit den Kollegen 2002
angefertigt wurde. Zum Katalog der Fragen ist zu bemerken, dass die Frage 1d)
auf der Sitzungsvorlage noch nicht enthalten war. Sie hat sich freilich im
Verlauf des Gesprächs als wichtig herausgestellt und ist dann nachträglich in
diesen Fragenkatalog und Problemaufriss kirchlicher Wahrnehmung der KdN aufgenommen worden. Ebenfalls gegenüber dem
Originaltext geringfügig verändert, d.h. auf die neue Lage nach der
Tauferklärung der ACK vom 29. April 2007 hin aktualisiert ist der einleitende
Kommentar zum Abschnitt „2. Taufe“. Es hätte von der Sache zwar nahe gelegen,
das Thema „Taufe“ z.B. in der Perspektive des theologisch klar abgestuften
Sakramentsverständnisses der Confessio Augustana zum Thema zu machen, die hier nicht wie beim
dogmatischen Kern der Lehre die Ebene
theologischer „Reinheit“, sondern die Plausibilität und Widerspruchsfreiheit
des Charakters der religiösen Handlung
einfordert und deshalb gerade die freikirchlichen Sakramentsauffassungen in
hervorragender Weise ganz sachlich zur Erklärung ihrer Positionalität
betreffend Sakramentsverständnis herausfordern kann. Natürlich hätte man
auch in der Perspektive einer Erwägung der neutestamentlichen Grundlagen ganz
direkt die theologisch interessanten Grenzen des Taufthemas im Verständnis der
Berufung Jesu selbst in den Blick nehmen können[56]. Doch schon aus Zeitgründen hätte diese Art Grundsätzlichkeit ein Nebenthema (mehr ist das Taufthema
nicht und darf es auch nicht werden) hochgezont. Man
hätte damit ganz sicher vom Hauptthema abgelenkt, das mit der Thematisierung
des Problems der Willensfreiheit, wie sich dann auch ganz praktisch
herausstellte, genau richtig zentriert war. Weiter war vorgesehen,
das zuletzt abgedruckte „Landeskirchliche Dialog-Statement“ zur vertiefenden
Diskussion in der Schlussphase bereit zu halten. Dazu kam es dann aber nicht
mehr. Der Dialog-Habitus der KdN-Vertreter war von
einer hinhaltenden Passivität geprägt, die alle Erwartung einer kommunikativen
Beweglichkeit konterkarieren musste. Die anfangs von Seiten der KdN-Vertreter hartnäckig geleugnete zielgerichtete
Abwerbung von engagierten Kirchenmitgliedern wurde durch die Vorlage
einschlägiger Dokumente einwandfrei belegt, was den Vorsitzenden Dr. Lorenz
überhaupt nicht erfreute und das Gespräch auch durchgängig belastet hielt,
nachdem diesen „Glaubens-Taten“ der KdN-Missionare
gegenüber eben auch die sehr deutlich anderen
Verpflichtungen der gerade vor kurzem, im Juli 2002 verabschiedeten „Charta Oecumenica“ ausführlicher angesprochen wurden. Das Ergebnis dieses
ersten „Berliner Dialogs“ mit der KdN fasste
VEF-Präsident Dr. Lorenz am Ende wie folgt zusammen: 1. Die KdN, insbesondere die Frankenthaler Gemeinde entschuldigt
sich für die mit der öffentlichen Verwendung des Kriteriums Aktive/Passive
Kirchenmitglieder geschehene Verletzung der landeskirchlichen Eigenständigkeit. 2. Die dieser
Konferenz vorgelegten Fragen richten sich an die KdN,
berühren aber den Bereich der Heiligungskirchen insgesamt (auch Gemeinde Gottes
usw.), sodass diese Fragen auch dort
weiter bearbeitet werden können. 3. Die Fragen an
die KdN formulieren legitime Anfragen der
landeskirchlichen Weltanschauungsbeauftragten an die Heiligungskirchen, die damit
indirekt auch die Homogenität des Selbstverständnisses der VEF-Mitgliedskirchen
betreffen. Die VEF wird diese Fragen auch in den Diskurs mit der EKD und noch
mehr: in den internationalen theologischen Diskurs einbringen. 4. Die KdN wird prüfen, ob sie nicht doch mit der ACK Kontakt
aufnimmt mit dem Ziel, zumindest einen Gaststatus zu erreichen und sich auf
diese Weise in einen Dauerdiskurs mit den anderen ACK-Kirchen zu begeben. 5. Ende Februar
2003 soll an die Adresse des Autors der landeskirchlichen Vorlage eine erste
zumindest vorläufige Antwort der KdN gehen, für die
die Zentrale in den USA die Verantwortung zu übernehmen hat … Was den drei
landeskirchlichen Weltanschauungsbeauftragten in den eigenen Beiträgen des
VEF-Vorsitzenden Dr. Lorenz dann allerdings am meisten auffiel, eben auch weil
es von diesem mehrfach wiederholt wurde, war die ebenso selbstbewusste wie
sprachlich frontale Relativierung der Bedeutung des in den letzten Jahren von
der EKD aus massiv verstärkten Kontaktes zur VEF und die auch für diesen
Zusammenhang reklamierte stets zugleich auch stimmlich entschiedene Betonung
des „internationalen Diskurses“, was signalisieren sollte: Die Weltgeltung des
„internationalen“ US-Religionsparadigmas gibt auch für die deutschen
Verhältnisse längst den normativen Rahmen für alle Religionspolitik und für das
Verständnis von Ökumene vor. Hier haben die EKD-Strategen den Wert und die
Bedeutung ihrer Ökumenepolitik und die
Motivationslage ihrer „Partner“ aus der VEF vielleicht doch etwas verkannt. Die EKD hat viel zu
unkritisch in immer mehr Kooperationen die VEF (und viele Evangelikale
inzwischen ebenso) zum EKD-Partner hochgemendelt und die damit erfolgende
Selbsteinordnung in ein ganz anderes „internationales“ Ökumeneverständnis
schlicht ignoriert. Und die EKD-Strategen überschätzen den Sinn und Wert ihrer
diesbezüglichen VEF-Ambitionen womöglich immer noch: Der eigentliche Rückhalt
und die religionspolitische Adresse aller Bemühungen der VEF wie des
Allianz-Evangelikalismus insgesamt auch ist gewiss nicht die EKD, sondern die
transatlantische Gemeinschaftlichkeit mit ihren US-Partnern in
Religionswirtschaft und politisch-ideologischen Vernetzungen und Zielsetzungen,
die ihrerseits von den politischen Vorgaben der US-Zivilreligion als ihrer
gemeinsamen Oberreligion deutlich abhängig sind und wohl auch in dominanter
Weise abhängig bleiben werden. Die KdN-Vertreter haben sich, wie schon Bonhoeffer 1939 in
ähnlicher Lage in den USA wahrgenommen hat, „im typisch amerikanischen Stil“
niemals mehr gemeldet. Auch dies kann nicht überraschen, in Bonhoeffers Worten:
US-Religionsvertreter meiden grundsätzlich eine „ernsthafte Begegnung, die eine
verpflichtende Auseinandersetzung erfordert … In der Alternative Flüchten oder Standhalten haben sich die
Amerikaner für das erstere entschieden“[57]. Auch die bei dieser ja nun doch
unausweichlich förmlichen Begegnung mit der KdN
erlebten sehr merkwürdigen Berliner „Dialog“-Verhältnisse sind deshalb weder
tragisch zu nehmen noch irgendetwas etwas Besonderes: Die deutschen KdN-Vertreter sind vom kulturellen Habitus ihrer US-Mutter
voll und ganz abhängig und demonstrieren so noch einmal „die amerikanische Form
der Konfliktbewältigung durch Ausweichen“[58]. Es ist hier wie immer auch bei Pfingstlern
und bei fast allen Evangelikalen: Wenn die religiöse
Machtaufführung wankt und die Suggestion der Worte nicht mehr funktioniert,
dann heißt es, wie es ganz typisch sogar auch der US-Leitphilosoph Richard
Rorty vorführt, wenn es in der Diskussion für ihn unangenehm oder schwierig
wird: „Let us change the subject“[59]. Es ist hier genau so wie es schon Bonhoeffer registrierte: Die
Abgesandten der US-Religionskultur pflegen zwar stets eine exzessive
Begeisterungssprache, mit der sie ihre Projekte verbal befeuern und ihre eigene
„historische“ Sendungsidee unendlich erhaben und heilsnotwendig stellen wollen,
doch sie können nicht mit einfachen sozialen Normbegriffen umgehen, die die
Religionsfragen im ökumenischen Gespräch sauber und klar regeln. Die Begegnung
mit der KdN macht dieses Defizit in der Theologie wie
in der religiösen Organisation geradezu „perfekt“ anschaulich. Sie zeigt, dass
auch die christliche Ökumene nicht ohne einen klaren Begriff von Religion oder
Weltanschauung auskommt, der die auch im kirchlichen Kontext schon angekommenen
typisch amerikanischen utilitaristischen Verkürzungen und den „Verzicht auf das
letzte Austragen der Wahrheitsfrage“[60]
auch in seinen inhärenten materiellen und politischen Interessen beharrlich und
genau hinterfragt. Die hier
dokumentierten kirchlichen Statements und Fragen an die KdN
haben deshalb auch einen über diesen Fall grundsätzlich hinausweisenden
kirchlichen Gebrauchswert: Was bei diesem extremen KdN-Heiligungsmethodismus
von landeskirchlicher Seite nachgefragt wird, betrifft, wie schon der
VEF-Präsident zutreffend meinte, eben nicht nur die KdN,
sondern praktisch alle mit dem
Heiligungsgedanken operierenden evangelikalen Gruppen und vor allem auch die
religiöse Macht-Aufführung der Pfingstgemeinden, die sich in ihrer autoritären
Gemeindepraxis nur unwesentlich vom religiösen Habitus der KdN
unterscheiden, der bei kritischer Betrachtung insgesamt denn auch mehr eine
Karikatur christlicher Heiligkeit denn eine überzeugende, weil Möglichkeiten
der Selbstkritik und Korrektur der Praxis einschließende Form davon
präsentiert. Sagen wir es einmal schonungslos offen: Es liegt immer etwas
Störendes, ja Abstoßendes darin, wenn eine Gemeinschaft sich selbst in
menschlich völlig überzogener Weise als „heilig“ aufführt, aber zugleich alle
verbale Rechtfertigung für ihren Anspruch, die „visible
saints“ zu sein, ablehnt. Und es passt dann auch
dazu, dass im dann doch situativ unausweichlichen gewordenen kontroversen
Gespräch beim Auftauchen von zu verantwortenden Schwierigkeiten und „Sünden“
das Gespräch plötzlich beendet wird. Auch für den
landeskirchlich sozialisierten und hier nicht vorurteilsmäßig auf einen
parteilich geschlossenen Linksprotestantismus festgelegten Theologen ist es
immer wieder eine neue, erstaunliche Erfahrung, dass und wie sich Menschen
innerhalb einer solchen radikalfrommen Heiligungsgemeinschaft in grenzwertiger
Weise in ihren Lebensentscheidungen wie ihrer sozialen Orientierung und
Alltagskultur durch einen Entscheidungskontext bestimmen lassen, der ihre
berufliche Toleranz gegenüber anderen Positionsnahmen, ihre Privatheit und ihre
familiäre Abgrenzung grundsätzlich außer Kraft setzt. Aber dies ist schon lange
auch innerkirchlich eine tolerierte Normalität geworden: Nicht wenige
landeskirchliche Theologen schwimmen in dieser Richtungsnahme
schon kräftig mit. Sie sind inzwischen
mit ähnlichen Methoden „am Markt“ und versuchen sich hier als die Erfolgreichen
und kirchlichen „Musterknaben“ auch gegenüber der für sie „zurückbleibenden“
Kollegenschaft zu profilieren. Sie unterschlagen dabei nicht nur alle von den
eigenen kirchlichen Grundsätzen her mögliche wie auch notwendige Kritik an den
neuen religiösen Erfolgsstrategien, sondern glauben sogar selbst, bei ihrer
damit unvermeidlich verbundenen theologischen Windbeutelei
auf dem richtigen, weil angeblich einzig erfolgreichen Gleis zu sein, weil eben
unsere menschliche Wahrnehmung auf extreme Erfahrungen stärker reagiert als auf
langsame, nur schrittweise Mitteilungsprozesse und in das normale Leben
eingebettete Entwicklungen. Inszeniert „Neues“, Lautes, emotional Exaltiertes
wirkt immer stärker als das Ruhige, scheinbar Langweilige, sachlich heruntergekühlt „Alte“. Dass bei der bemüht neuen
fromm-heiligen Marktschreierei vielfältig gegen die Prinzipien der Achtung von
Privatheit und Intimität verstoßen wird, hindert die Akteure nicht. Sie behaupten: Es
geht ja gar nicht um eigene Interessen, sondern angeblich nur um „das Heil“
anderer und um die Rettung der Welt überhaupt. Und hier stören die u.U.
katastrophalen Folgen bei ja immer nur einigen wenigen Einzelnen überhaupt
nicht: Die von den Propheten dieses Heils dann behauptete „Wahrheit“ erträgt
wie bei jeder Utopie alle notwendigen Opfer fraglos und es sind in solchen
Zusammenhängen gewollter Heiligkeit immer menschlich unerhörte Opfer, die dann
in der Praxis leider doch nicht selten die Grenze zum religiösen Missbrauch
überschreiten[61], bei Erwachsenen
nicht weniger als bei der frommen Bearbeitung von Kindern. Was von den meisten
Propagandisten einer sichtbaren Heiligkeit und eines größtmöglichen
christlichen Perfektionismus dann freilich nicht ertragen wird, ist eine
kritische Veranstaltung mit einer kommunikativen Zerstörung ihrer „Wahrheit“
durch genaue Rückfragen, denen sie nicht standhalten können. Sie können und
wollen im Gespräch, sofern es überhaupt dazu kommt, das „Prinzip der säkularen
Vernunftbasis“ nicht anerkennen. Denn der Zwang zum rationalen Kommunizieren
gerade auch religiöser Forderungen zwingt die Beteiligten, für ihre religiösen
Überzeugungen bzw. für das religiös richtige Moral-Verhalten, wie sie es
meinen, adäquate Vernunftgründe anzugeben. Dies wäre freilich genau jenes Sprechen
„ratione evidente“, wie Luther 1521 in Worms als
reformatorisches Prinzip der neuen Koppelung von Glaube und Vernunft, wie Carl
Heinz Ratschow einmal sagte: als „denkende Religion“,
formulierte. Wenn solche Koppelung
von Glaubenszeugnis und Vernunftrede freilich verweigert wird, muss der
religiöse Diskurs mehr oder weniger zur ideologischen Affirmation einer
sozialen Tugendfassade degenerieren, wie sie auch die KdN
als Teil des US-Religionsimports in Deutschland demonstriert. Damit solche
unechten Verhältnisse mit der Verwechselung von Religion und Moral (klassisch:
von Gesetz und Evangelium) nachhaltig vermieden werden, sollte bei religiösen
Diskursen heute, worauf der Philosoph Robert Audi in einem exemplarischen
Streit mit Jürgen Habermas einmal demonstrativ hingewiesen hat, „das Prinzip
der säkularen Vernunftbasis unbedingt ergänzt werden durch ein Prinzip der säkularen Motivation“[62].
Nicht primär der Inhalt, sondern die Motivationsfrage ist sozusagen die
Achillesferse aller modernen Ethiküberlegungen. Gemeint ist damit die Frage: Weshalb will der, der sagt: wir sollen
oder müssen…, dass wir „moralisch“ sind? Moralische
Orientierung aufzuklären, kritisch zu hinterfragen ist heute nicht mehr möglich
ohne eine „motivierende Antwort“ zu geben, was meint: Nur solche religiösen
Überzeugungen sind als wirklich gerechtfertigte Grundlagen religiösen Handelns
anzusehen, „für die auch entsprechende nichtreligiöse
Motive benannt werden können“. Diese Forderung gilt dann natürlich auch für
die kirchliche Diakonie. Die heute hier notwendig folgende Forderung nach
Erklärung der eigenen Motivation zeigt, dass auch auf der Ebene der
Handlungsmotivationen ein Entsprechungsverhältnis zwischen Religiösem und
Säkularem immer irgendwie tatsächlich auch besteht und deshalb ebenso
aufzuklären ist wie der religiöse Lehrinhalt. Wer religiöses Verhalten will oder gar einfordert, muss nicht nur
erklären, weshalb dieses Verhalten auch gesellschaftlich, menschlich
„vernünftig“ ist, sondern weshalb oder mit welchen Absichten und Zielsetzungen
er/sie selbst mit solchen Forderungen hier in Gesellschaftsbreite (oder sogar
global) moralpolitisch aktiv ist. „Solange keine entsprechenden säkularen Motivationen
für dieses Engagement benannt werden können“[63], was meint: solange sie nicht auch vernünftig begründet werden können
oder ihre ungenannte oder verdeckte Begründung offengelegt wird, ist das
Gespräch darüber noch nicht zu Ende. Es wäre fatal, wenn
im neuen, vom damaligen VEF-Präsidenten bemühten transatlantischen
Ökumene-Paradigma das reformatorische Christentum ohne Prüfung von Sinn und
Zweck dem „modernen Mythus vom gelingenden Leben“ auf den Leim ginge[64], der die
US-Religionsmentalität und seine Religionsexporte wie auch den deutschen
Evangelikalismus schon fast vollständig im Griff hat. Unermüdlich sind ihre
Propagandisten dafür seit langem auch innerhalb der EKD am Werk: Sie „transportieren
alle die Vorstellung der grundsätzlichen Machbarkeit von Leben“ – und damit
auch von religiösem Erfolg: „Und wenn du nur genug an dir arbeitest, dann wirst
du das Ziel, das eigentliche Leben auch erreichen“[65]. „Glücklichsein“
und „Heiligsein“ verschwimmen dann in ein wolkiges Ganzes, das das Verhalten
eines Menschen durch angeblich übermächtige göttliche oder heilige
Lebensgesetze steuert, die aber menschlichen Interessenzusammenhängen und den
Gesetzen institutioneller Machtpolitik nicht entrinnen. Wer hier in solchen
Feldern sichtbarer Heiligkeit die gesellschaftliche Konkretheit steuert,
behauptet eine Christlichkeit, die der christlichen Überlieferungsgemeinschaft
nicht mehr wirklich anschlussrational ist. „Wer glaubt, wird glücklich“, hat
einmal die Zeitschrift „Hör Zu“ getextet: „Wenn man diesen Satz genauer
betrachtet, dann wird durch die Selbstbezogenheit nichts geändert, außer einer
persönlichen Phantasie“[66].
Und genau so ist es auch hier bei KdN und allen
verwandten Heiligkeitsgruppen und dem mit diesem
Religions-Instrument auch im Allianz-Evangelikalismus bevorzugt agierenden
Personengeflecht: Es ist bei kritischer
Prüfung solcher Heiligkeitsansprüche meist nichts
mehr dahinter außer dem bloßen Anspruch. Eine voll auf die Wirkung und die
Macht autoritativer Suggestivität setzende fromme
Phantasie einer vorgeblich erreichbaren menschlichen Vollkommenheit fordert uns
als Kirche freilich immer wieder heraus, Rückfragen zu stellen, die sowohl die
von solchen „Vollkommenen“ betriebene „Pathologisierung
des Normalen“ im kirchlich-religiösen Feld als auch die anschließende
geschäftstüchtige religiöse Therapeutisierung
„normaler Sünder“ offenlegen – und damit abgeschirmte Interessen eines
geschlossenen Systems von Wahrheit oder vielmehr auch religionswirtschaftlicher
Strategien ansprechen und aussprechen, die sonst niemand offenlegen würde. Wenn es tatsächlich
innerhalb unserer Kirchenstrukturen durch bis dato völlig undenkbare, aber offensichtlich
nun kirchliche Normalität darstellende Zensurzwänge (seit wann gibt es im
Protestantismus „die Meinung der Kirche“?) nun per ordre eines Oberkirchenrates
oder Kirchenpräsidenten oder Landesbischofs nicht mehr möglich sein soll um den
religiösen Glauben, um Theologie und Bekenntnis ungehindert und umfänglich und
genau zu ringen, dann ist, wie der US-Lutheraner Carl E. Braaten
1999 warnt, auch innerhalb der EKD-Kirchenwelt sehr bald der „point of no
return“ erreicht, ab dann eben nichts mehr an religiösem
Ernst mehr da ist „außer dem Duft einer leeren Flasche“[67]. Mit Recht hat der
Wiener Theologe Ulrich Körtner 2006 sich dazu nun
auch aufgerafft, gegen den massiv propagierten religiösen Optimismus oder
besser: gegen den kategorial linksprotestantischen Utopismus des
EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber kritisch zu erinnern: Unübersehbar „stehen
Theologen und Kirchen in der Gefahr, sich die tatsächliche religiöse Lage in
Europa schön zu reden“[68].
Auch Körtner warnt vor der Irreführung durch die
Behauptung einer „Wiederkehr der Religion“ – dies deshalb und mit Grund, weil
auch „eine säkularisierte Gesellschaft niemals völlig religionslos sei“: Die
Herausforderung der Kirchen in der heutigen Welt ist viel ernster und
komplizierter, als sich das viele Strategen in den Kirchenleitungen so
vorstellen – ein eigenes Thema. Ein kirchlich eilfertig ausgestellter
Blankoscheck für ein sprichwörtlich neu-methodisiertes Vollkommenheitschristentum,
das religiös viel oder gar alles verspricht und den religiös klamm gewordenen
Kirchen Brennstoff liefern soll für ihr erlöschendes Feuer, muss in Wahrheit
christliche Religiosität noch weiter verabschieden, wie Körtner
zutreffend erklärt: Das Christentum „drohe zu einem spirituellen Erlebnis
verkürzt zu werden, das sich weitgehend im Atmosphärischen erschöpft, in einer
diffusen Sinnsuche und neuen Formen des Personenkults“[69]. Dem zu wehren dient ganz sicher eine Kultur
des interreligiösen oder auch ökumenischen Gesprächs, in dem nicht nur Fragen
gestellt werden und gestellt werden dürfen, sondern auch Antworten erwartet und
Antworten auch gegeben werden müssen, anders als hier berichtet wird. V. Das Dokument des Berliner Diskurs-Versuchs mit der
„Kirche des Nazareners“ (KdN): Kirchliche Fragen an die „Kirche des Nazareners“ betr.
Ökumene und Christlichkeit Die Gesprächsvorlage in Berlin am 29. November 2002 1. Der Anlass zum Einstieg in den Diskurs In den
Kontaktaufnahmen von KdN mit der evang.
Landeskirche bzw. ihren Pfarrern und Gemeinden beschreibt die KdN ihre behauptete relative Achtung der landeskirchlichen
Eigenständigkeit damit, daß sie bei Veranstaltungen
in landeskirchlichen Räumen nur die
passiven Gemeindeglieder, nicht die aktiven Mitglieder der Landeskirche für die
KdN werben will. In offensichtlich theologisch
unvermeidbarer Weise erscheint „Aktivität“
als Grundmerkmal des Selbstverständnisses der KdN. Aktivität steht als eine Art „heiliges muß“, das einen angeblich begrenzten Proselytismus
rechtfertigt, der aber in kirchlicher Sicht aus legitimem Interesse zu
hinterfragen ist: die Differenzierung aktiv / nichtaktiv ist in der Praxis
nicht durchzuhalten. Fragen: 1a) Was heißt
Aktivität? Welche Lebens-Normen werden hier von der KdN
einseitig auf die landeskirchliche Wirklichkeit angewendet? 1b) Ab wann ist ein
Mitglied der Landeskirche „passiv“ bzw. „nicht aktiv“ und darf dann für die KdN legitim abgeworben
werden? 1c) Welche
dogmatischen Voraussetzungen werden in ökumenischen Situationen der
Landeskirche von Seiten der KdN zuletzt doch immer
mental übergeordnet, sodaß nicht erkennbar wird oder
werden soll, daß „Aktivität“ im Sinne
landeskirchlichen Engagements niemals dasselbe ist wie „Aktivität“ im Sinne der
KdN? 1d) Sind die für
diese auch auf das landeskirchliche Selbstverständnis ausgreifenden
theologisch-normativen Bestimmungen von „Aktivität“ dafür verantwortlich, dass
die KdN eine ACK Mitgliedschaft vermeidet, weil damit
konstitutiv der Verzicht auf einen wenn auch nur begrenzt auf „passive“
Kirchenmitglieder angewendeten Proselytismus
verbunden ist? 2. Die Bedeutung der Taufe Im Verständnis von
Ökumene ist zwar nicht für den Baptismus und damit auch für die meisten
neuchristlichen Derivate aus den USA, wohl aber für die anderen
Mitgliedskirchen der ACK ein wie 2007 noch einmal dokumentiert
übereinstimmendes Denken über die christliche Taufe enthalten, das zwar nicht
behauptet, „dass wir bei aller Wirksamkeit der Taufe jetzt schon das volle Heil
erreicht hätten“, wohl aber dieses: dass der Taufakt ein sehr genaues
Verständnis des „Taufglaubens“ aktualisiert: Er begreift die christliche Taufe
als Handeln Gottes, bei dem der Mensch völlig passiv bleibt, wie es in der
grammatischen Verwendung des Aorist bei Paulus auch eindeutig gemeint ist. Es
ist völlig gleichgültig, wer den Taufakt vollzieht oder an wem er vollzogen
ist: Hier handelt Gott allein. Es ist
dann auch nicht etwa der eigene Glaube, der das Leben durch die Taufe bewirkt,
sondern allein die Kraft Gottes. Diese Kraft Gottes ist eine absolute Realität
und wird nach der Verkündigung des Wortes Christi durch die Taufe mit dem
Wasser für den Getauften das Endhandeln Gottes sein: Ein sakramentales Zeichen
für Tod und Auferstehung zugleich. In einem Wort gesagt: die Taufe ist das „Bad
zur Wiedergeburt“, die ein ausschließlicher Akt der Barmherzigkeit Gottes ist
ohne menschliches Zutun (Tit. 3,5). Nun aber bietet die KdN auch in ihrem neuen „Manual“ ein restlos entobjektiviertes Verständnis der Taufe: Es lässt die Taufe
„nur ein äußeres Symbol“ sein, was die ACK Erklärung über die wechselseitige
Anerkennung der Taufe von 2007 aber genau nicht
toleriert. Das Taufverständnis auch der KdN fordert
religiöse Ergänzungsleistungen, in denen, wie schon Kurt Hutten erkannte, Taufe
so „nicht mehr allein Handeln Gottes am Menschen (ist), mindestens ist dieses
Handeln nicht mehr eine einseitige und vorlaufende Tat Gottes am Menschen,
sondern es ist an eine Zustimmung des Täuflings gebunden. In etwa wird er zu
einem Partner Gottes; seine eigene Entscheidung wird eine unentbehrliche
Komponente des Taufgeschehens. Die Taufe wird mit (im Blick auf Kindertaufe
auch virtuellen) Bedingungen verknüpft: der Täufling muß
eine bestimmte religiöse Qualität erreicht haben oder erreichen, damit die
Taufe gültig sei“ (Hutten, Seher 5. Aufl. 1958, 472f). Damit ist aber der
altkirchliche Konsens restlos verlassen. Fragen: 2a) Wie glaubt die KdN sich ökumenisch anschlussrational noch bzw. schon als
„Kirche“ verstehen und verhalten zu können, wenn sie das objektive Verständnis
der christlichen Taufe preisgibt? 2b) Was bedeutet die
menschliche Kooperation im Taufverständnis der KdN –
„Christian baptism... is a sacrament signifying acceptance“ (Manual 16), wenn damit in bedingender Weise
die „Acceptance of believers“ gemeint ist? 3. Die Einschätzung der Willensfreiheit Das gemeinsame
(alt)christliche Verständnis des Menschen relativiert in allen Hinsichten die
Behauptung einer vollkommenen menschlichen Handlungs-Freiheit in den
Willensentscheidungen auch sich selbst gegenüber: Die Annahme einer „freien
Willensentscheidung“ als souveräner, heroischer Auslöser auch einer
Glaubenswende wird verworfen. Stattdessen wird von der gesamten christlichen
Theologie die Willensfreiheit des Menschen aus der Sicht des Glaubens in
zutreffender Weise definiert als unbewusster oder vorbewusster Handlungsimpuls
des Menschen. Diese Sichtweise entdeckt, wie schon Luther im Anschluss an
Augustin unüberbietbar klar gezeichnet hat, alle Rede von „Willensfreiheit“ und
„freier Glaubensentscheidung“ als Konstrukt,
mit dem der Mensch sich selbst religiös betrügen kann. Auch der Ertrag
christlicher Theologie aus den monastisch-kommunitären
Zusammenhängen beschreibt sehr klar, wie die gewollte religiöse „Experience“ zum subjektiven Instrument der
Selbstbehauptung umfunktioniert werden kann. Schon immer hat die christliche
Theologie gesehen, daß sich die Behauptung einer bewußt erfahrenen Glaubensgewißheit
und persönlichen Geisterfüllung nicht
abstrakt ereignen kann, sondern schon im voraus mit der (passiven) Erfahrung einer Handlung
verknüpft ist. Dies will sagen: Jede
sprachliche Äußerung einer Glaubenserfahrung des Menschen lässt nur einen schon vorhandenen Glauben an die Erfahrung zu einer
eigenen subjektiv-persönlichen Erfahrung werden. Die „Mitteilung“ der
Glaubenserfahrung ist damit alles andere als ein ausschließlich persönlicher
Willens-Akt, der eine Lebenswende-Bekräftigung oder Glaubens-Einstellung
„authentisch“ testieren könnte: Alle behauptete Erfahrung, auch die der „vollen
Heiligung“, der „Erfüllung durch den Hl. Geist“ usw. ist das Aufscheinen eines
Handlungsvorgangs, einer Übernahme eines Verhaltensmusters, einer Erinnerung
oder einer durch Umstände aktivierten Gefühlslage, die ganz wesentlich mit
einem in bestimmter Weise durch äußere Umstände festgelegten Denken und
Sprechen über die Dinge des Glaubens zusammenhängt. Ihre Echtheit hängt daran,
dass sie immer den Gnaden- und
Geschenkcharakter eines Glaubens-Dürfens bekennt und darin eben auch die
niemals wirklich aufhebbare menschliche
Unvollkommenheit, die keine „Heiligung“ ohne Anfechtung, ohne das Kreuz kennt. Fragen: 3a) In welcher Weise
berücksichtigt die KdN den Zirkel von
Glaubenserfahrung und Abhängigkeit von bestimmten vorgegebenen
Verhaltensmustern und Regelungen für die Sprache und Beschreibung des Glaubens? 3b) Wie wird bei der KdN verwirklicht, daß mit
menschlichen Gefühlslagen umgegangen wird, deren externe Rationalisierung immer
umfängliche subjektive und intersubjektive Interessen und Abhängigkeiten
offenlegen wird? 3c) Stellt sich die KdN auch einem internen „Cleansing“
der verdeckten Interessen? 3d) Welche internen
Blockaden verhindern in der KdN die Anerkennung des
Glaubens bei Christen, die ihre Hochschätzung von Bekehrung und
Heiligungserfahrung nicht teilen,
aber für sich genauso die Christlichkeit ihrer Glaubens- und Kirchenform
beanspruchen? 3e) Wie vermeidet die
KdN ein z.B. noch von den theologisch reflektierenden
deutschen Pietisten wie Michaelis, Schrenk und Buddeberg
als Schwärmerei abgelehntes Zwei-Stufen-Denken von halben und ganzen Heiligen,
das von der Ideologie gefordert wird, daß es so etwas
wie einen subjektiv oder intersubjektiv feststellbaren „Endstand“ des Gläubigseins tatsächlich geben kann? 3f) Wie bewahrt die KdN ihre Mitglieder und Gemeinden als ganze davor, in
geistliche Überheblichkeit zu fallen, wenn sie wegen der Erhaltung ihrer
Identität und ihres Anspruchs auf ein „höheres“ Christentum eine abgestufte
Christlichkeit brauchen, die die KdN (wie „Gemeinde
Gottes“ und „Gemeinde Christi“ etc.) selbst wegen der „besseren“
religiös-sittlichen Beschaffenheit ihrer Mitglieder zum Muster und Standard für
alles Christentum propagiert? 3g) Was bedeutet
dabei für das Selbstverständnis der höchstens mäßig erreichte Erfolg? 4. Stufen des Glaubens Immer wieder auch in
der neueren Kirchengeschichte finden Auseinandersetzungen um Stufen der
Glaubenserkenntnis und um die „Prozeßhaftigkeit“ des
Bemühens um „Heiligung“ statt. Hatte noch Wesley kirchlich anschlussrational
Rechtfertigung und Heiligung als zwei zusammengehörige Aspekte des einen und
selben Gotteshandelns anerkannt, so soll in den neuen, nachwesleyanischen
Heiligungsgemeinden „ein äußerlich sichtbarer, konstatierbarer,
gesicherter Raum geschaffen werden,
in dem ein zweites Evangelium angeboten wird, das das erste zu überbieten
behauptet“ (M.Fischer). Zur Bekräftigung des „ersten“
Evangeliums wird dann ein unkontrollierbarer innerer Gewissheitsbereich auch
zum wichtigsten gottesdienstlichen Bestandteil gemacht: Ein für den
Zusammenhalt konstitutiver subjektiver Zeugnis-Enthusiasmus greift Platz, der
biblische Textstellen auf das Ziel eines christlichen Perfektionismus in
Richtung Moral, Gesundheit und erfolgreicher („gesegneter“) Lebensführung hin
auswählt („God had honored...“). Auf den biblischen Ruf zur Heiligkeit (scriptural holiness) antwortet
die Person des Gläubigen, indem sie sich selbst als „living
sacrifice presenting“ (Ph. Palmer) erkennt und bekennt. Im Ergebnis wird dadurch
ein christliches Gruppenleben kultiviert, das weithin von solchen
Gefühlsmitteilungen innerer Seelen- und Bewußtseinszustände
lebt, die normalerweise dem Bereich der Privatheit und Intimität zuzurechnen
sind. Die Verwechslung des originalen christlichen Glaubens als restloses
Vertrauen auf die Gnade und Barmherzigkeit Gottes mit einer letztlich nur im
Sinne einer christlich-bürgerlichen Moral sanktionierbaren Qualität des eigenen
frommen Ich liegt greifbar nahe. Diese Verwechslung ist überall dort aber nicht
mehr möglich, wo auf reformatorisches Gedankengut zurückgegriffen wird und die
Heilige Schrift und die Entwicklung des Kirchenchristentums auch historisch betrachtet wird. Fragen: 4a) Wenn das Manual
der KdN (14) von der „Gnade der vollständigen Heiligung“ spricht, bedeutet dies nicht
Gottes souveräne Gnadenzuwendung aus der Niedrigkeit, Anfechtung und Ungesichertheit herauszunehmen? 4b) Oder aus welchen
anderen Gründen wird Gottes Handeln gleichsam ratenweise aufgeteilt und darin
eine Abfolge nach Zeit und Qualität vorgenommen, wo doch inzwischen auch in
Manual 14 eingeräumt wird, daß diese „entire sanctification“ nur ein
„Impuls“ ist, sich der Leitung und den Regeln der KdN
für das „full membership“
(Manual 107) ein- und unterzuordnen? 4c) Wird hier nicht
in einer problematisierbaren Weise durch die „herrliche Gemeinde“, „die
Gemeinde ohne Falten und Runzeln“, die all diejenigen versammelt, die von ihren
Sünden gerettet sind (Manual 27), die Niedrigkeit des Evangeliums und das Kreuz
Christi, ja sogar das einfache Glauben selbst gering geachtet? 4d) Führt nicht das
Bemühen, die „vollkommenen Christen“ in der „vollkommenen Gemeinde“ zu
versammeln, zu einer wettbewerbsartigen, im Zeugnis sich unbewusst übertreffen
wollenden Anstachelung einer willkürlichen Leistungsfrömmigkeit von „Champions of holiness“? 4e) Wie wird der
Notwendigkeit ausgewichen, den gefeierten großen Wendepunkt im Leben auch mit
vielen ungeklärten psychologischen Mitteln zum Dauerereignis und geradezu zum
Kult einer religiösen Tugendgemeinde zu machen, die sich ihrer elitären
Glaubenshöhe immer wieder neu vergewissern muss? 4f) Wie wird
vermieden, dass das Glaubensleben ein überwiegendes „Einhalten von Verboten“
ist, das sich der Gläubige wie die gläubige Gemeinde letztlich immer selbst
bescheinigen kann? 4g) Warum erscheint
im Manual nichts, das die unausweichlich tragischen Begleiterscheinungen
menschlich besonders hochgespannter Religiosität bedenkt, dass diese ja immer eine Eigendynamik entwickeln müssen? 5. Glaube und Moral Überall, in allen
neueren christlichen Kirchen, Gemeinden, Bewegungen und Initiativen ist das
Bedürfnis nach Abgrenzung dafür verantwortlich, den Verzicht auf Proselytismus nicht zustandebringen
zu können. In der Regel hängt diese Unfähigkeit letztlich an einer primär
moralisierenden, d.h. an Verboten orientierten Wahrnehmung der Welt: Nur in
einer Reduktion des Evangeliums auf Religionsmoral, also genau normiertes
religiöses Verhalten, können die Guten und die Bösen wirklich getrennt und
damit auch Vollkommenheiten verbalisiert werden.
Überall dort, wo das Vollkommenheitsdenken eine religiöse Gemeinschaft
innerlich stark macht, wird mehr und mehr unsichtbar, dass auch mitten in ihr
selbst Gut und Böse sich stets sehr nahe sind und sie in Gefahr steht, das
Christliche in einer nichtchristlichen Gesellschaft zu verdunkeln. Fragen: 5a) Muss die
bekenntnishafte Assoziation – „Wir sind die Guten“, weil wir die „entire sanctification“ erleben
durften – nicht dazu führen, dass dieser elitäre Unterschied im
Glaubensbewusstsein als grundsätzliche Trennung von Gut und Böse aufgefasst
wird und, da es keine graduellen Übergänge zwischen Gut und Böse gibt, auch
konsequent zur Mythisierung und am meisten zur Projizierung des „Bösen“ auf
andere, in der Sicht der KdN dissidente,
unvollkommene Christen und christliche Kirchen führen? 5b) Gibt es in der
religiösen „Tugend“ der KdN nicht auch deutlich
benennbare hypertrophe Züge, die dafür verantwortlich sind, daß
daraus das Bedürfnis sich speist, die alten Kirchen geistlich „besiegen“ zu
wollen? 5c) Wird hier nicht
von der KdN ein historisches Trauma aus ihrer
Gründungszeit zum Denk- und Handlungszwang der Gegenwart? 6. Ein landeskirchliches Dialog-Statement zum Schluss: Die Trennung der
„Guten“ oder „Vollkommenen“ von den Bösen und Nichtvollkommenen befördert immer
und überall eine religiöse Radikalität, die zwischenmenschliche Gewalt
legitimiert und durchaus auch selbst erzeugen kann. Alle tatsächlich ernst
gemeinte Rede von erreichbarer „Vollkommenheit“ muss ein religiöses Axiom positivieren, das (nicht nur die Christenheit zerteilt,
sondern auch) die begriffliche Unterscheidung von Gut und Böse auf die gesamte
Realität projiziert. Die Folgen sind u.a. immer mindestens subtile religiöse
Aggressionen und soziale Ansteckungsängste der „Vollkommenen“, die besonders
bei Kindern zum Teil verheerende psychische Folgen haben. Hier sind zunächst
nur die kirchlichen Folgen dieser Trennung in „Gut und Böse“ im Blick. Sie
bilden aber den Untergrund für die gesamte soziale Weltverortung, die, wenn in
der Selbsteinschätzung der Gemeinschaft das Vollkommene rein ist und von der
Sünde losgelöst bleibt, keine Verbindung mehr mit dem Bösen haben will und
darf. In der religiösen Theorie wird zwar die Sünde vom Sünder unterschieden,
in der Wirklichkeit funktioniert dies nicht. Die auch im KdN-Manual
durchgängig verwendeten Bedeutungen von Sünde und Vollkommenheit, d.h.
letztlich von Gut und Böse, leisten genau nicht, was sie vordergründig
signalisieren: die Bösen, die Sünder selbst in die Glaubensentscheidung zu
bringen. Auch für das Vollkommenheitsdenken der KdN
und seinen sprachlichen Ausdruck im Manual, mehr noch in seiner
gottesdienstlichen Normalität, gilt immer noch Goethes Bemerkung, „daß wir mit den Tugenden zugleich unsere Fehler anbauen“.
Es ist ein unchristlicher Zwang, gegen die menschliche Erfahrung auch weiterhin
sündigende und irrende Menschen zu „Vollkommenen“ zu erklären bzw. sich
erklären zu lassen und die gesamte Kommunikation in den Dienst der Erhaltung
der Fasson einer heilen Gemeindewelt und ihrer Propaganda zu stellen. Die evangelischen
Landeskirchen rufen deshalb die KdN auf, ihren wenn
auch im neuen Manual gewiß schon etwas abgemilderten christlichen
Perfektionismus im Sinne Wesleys weiter zu öffnen und
Abstand zu nehmen von einem Absolutheitsanspruch, der die Mitglieder anderer
Kirchen, in Landeskirchen und Freikirchen, vor allem dort, wo die KdN mitgliederstark ist, in einer spürbar aggressiven und
unwürdigen Weise zum Missionsobjekt macht. Sie erinnern dabei an die ganz
anderen Anfängen in der US-amerikanischen Heiligkeitsbewegung,
wo ähnlich wie z.B. bei der Heilsarmee Mission
in sozialen Notgebieten einer Stadt den Kern der religiösen Programmatik
bildete (so ausführlich bei T. Smith: Called unto Holiness, 114). Es wäre gewiss ein im
ökumenischen Miteinander fruchtbringendes Ereignis, wenn das Gespräch über den
Glauben zwischen KdN, Landeskirche und etablierten
Freikirchen aus der religiös unübersehbar autoritaristischen
Einbahnstraße herausfände, die die Anwesenheit des Heiligen Geistes allein bei
den Inhabern einer „zweiten Erfahrung“ suchen und finden lässt. Die in der KdN standardisierte Glaubens-Abstufung ist ein
beachtenswerter psychologischer Versuch, ja auch ein religiöses Experiment,
aber gewiß kein Dogma; sie kann alleine eine sich
selbst begrenzende religiös-didaktische Funktion für eine Missionsgemeinschaft
haben, die das landeskirchliche weite Christentum achten und nicht ersetzen
will, das das Unkraut unter dem Weizen um Christi willen niemals „perfekt“
beseitigen kann und darf. [1] Karl Barth, Die Kirche und die Kultur, in: ZdZ 1926, 363-384, 364. [2] Gunter Zimmermann, Der Heidelberger
Katechismus als Dokument des subjektiven Spiritualismus, In: ARG 85, 1994,
180-204, 194. [3] Ernst Troeltsch:
Ges. Schriften Bd. 1: Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen,
1912, 362; vgl. auch bei Zimmermann aaO. 194f. [4] Vgl. Idea Nr. 17
vom 7. Februar 2005, 1: Hier hat bei der Jahresversammlung der
württembergischen Hofacker-Vereinigung der Präses des
Gnadauer Verbandes, Christoph Morgner, die Rolle des
Pietismus als eine Bewegung geschildert, „die die Kirche in ihrer Gesamtheit
erfassen und prägen will“. Dies trifft für die Anfänge so gewiss nicht zu, vor
allem nicht für den Francke‘schen Pietismus. [5] Johannes Wallmann: Kirchlicher und radikaler
Pietismus, in: Wolfgang Breul u.a.: Der radikale
Pietismus, Göttingen 2010, 19-43, 19. [6] Veronika Albrecht-Birkner und Udo Sträter: Die radikale Phase des frühen August Hermann
Francke, in: Wolfgang Breul u.a. aaO.
57-84. [7] Birkner/Sträter aaO. 71. [8] Handbuch religiöse Gemeinschaften, 4. Aufl.
Gütersloh 1993, 50ff. [9] Karl Heinz Voigt, Freikirchen und ökumenische
Bewegung, in: Freikirchenforschung 9.1999, 151-187, hier 176. Gegen Voigt:
Klaus Peter Voß: Die Vereinigung Evangelischer Freikirchen auf dem Weg zur
Kirchengemeinschaft?, in: Freikirchenforschung 9.1999, 188-205, bes. 191ff. Voß
zitiert dazu die Selbstdarstellung des VEF „Was uns verbindet“, aus den
Anfängen von vor 1926, hier aus dem Jahre 1917. Voß beruft sich in seiner
Interpretationstendenz weiter auf die Äußerung des früheren Präsidenten der
VEF, Knöppel, von 1988, „dass die VEF mehr als eine
Interessengemeinschaft für freikirchliche Anliegen sei“ (191), gibt aber dann
doch zu: „...eine genauere Antwort auf die Frage nach dem Selbstverständnis der
VEF-Gemeinschaft wurde damit nicht gegeben. Sie blieb weitgehend offen und
damit ungeklärt... Diese Unklarheit spiegelt sich auch in der aktuellen
Selbstdarstellung (des Jahres 1999) wieder, wenn es dort heißt, dass die VEF
ihren Mitgliedskirchen eine ‘Plattform für das Gespräch über gemeinsame
Anliegen und zur Zusammenarbeit auf wesentlichen Gebieten kirchlicher
Lebensäußerungen’ biete, und dann eher nachklappend angefügt wird: ‘Damit trägt
sie dazu bei, die Einheit im Glauben sichtbar auszudrücken’“ (bei Voß, 191). Es
ist freilich Mode geworden, dass auch Kirchenvertreter wie im EKD-Papier
„Kirche der Freiheit“ von 2006 in ähnlich schlichter Weise aus
technisch-organisatorischen Kooperationslagen schon eine konzeptionell
gerechtfertigte kirchliche Anschlussrationalität und sogar theologische
Legitimation ableiten! [10] Reinhard Hempelmann:
Handbuch der evangelistisch-missionarischen Werke,
Einrichtungen und Gemeinden, Gütersloh 1997, 331ff. [11] Karl Heinz Voigt aaO.
[12] S. bei Hempelmann aaO. 294f. [13] S. bei Hempelmann aaO. 294. [14] Kurt Hutten, Seher, Grübler, Enthusiasten,
5.Aufl. 1958, 442f. [15] Bei Hutten aaO.
443. [16] Hartmut von Sass:
Jenseits von Hume: Demea. Eine Rehabilitierung in
systematischer Absicht, in: NZSystTh 52. 2010,
413-439, 436. [17] Dietrich Schotte: Zur (Un)Übersetzbarkeit
religiöser Rede. Kritische Anmerkungen zu Habermas‘ neuer Religionsphilosophie,
in: Zeitschrift für Philosophische Forschung 64. 2010, 378-392, 388. [18] Erich Geldbach,
Von der Heiligungsbewegung zu Heiligungskirchen, in: Freikirchenforschung
9.1999, 21-40, hier 21. [19] Bei Geldbach aaO. 22. [20] Bei Geldbach aaO. [21] Bei Geldbach aaO. 24. [22] Bei Geldbach aaO. 24f. [23] Bei Geldbach aaO. 29. [24] Bei Geldbach aaO. [25] Bei Geldbach aaO. 30. [26] Bei Geldbach aaO. [27] Bei Geldbach aaO. [28] Alle Zitate hier bei Geldbach
aaO. 31. [29] Bei Geldbach aaO. 32. [30] Bei Geldbach aaO. [31] Bei Geldbach aaO. 40. [32] Bei Geldbach aaO. 36. [33] Bei Geldbach aaO. 36f. [34] Vgl. bei Stephan Holthaus,
Biblisch-Theologische Aspekte zum Thema „Heiligung“, in: Freikirchenforschung
9.1999, 12-20, hier 20. [35] Handbuch Religiöse Gemeinschaften aaO. 51. [36] Vgl. aaO. [37] Vgl. aaO. S. 51f. [38] Vgl. aaO. S. 52. [39] Vgl. Ralph Kunz, Von der Zucht zur Wucht.
Die Stagnation der traditionellen Freikirchen und der Boom eines
freikirchlichen Erlebnismilieus, in: NZZ, 22. Mai 1999. [40] Vgl. aaO. S. 56. [41] Vgl. bei Martin Scharfe, Die Religion des
Volkes. Kleine Kultur- und Sozialgeschichte des Pietismus, 1980, 62. [42] So Monatliches Allianzgebet
für April 2003 zum 12.04.2003. [43] Idea-Spektrum
49/2010, 8. [44] Idea-Spektrum aaO. [45]
Friedrich Wilhelm Graf: Kirchendämmerung, 2011, 143. [46] Bei Tanner aaO.
50. [47] Georg Stötzel und
Martin Wengeler in Zusammenarbeit mit Karin Böke: Kontroverse Begriffe. Geschichte des öffentlichen
Sprachgebrauchs in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1995, 392. [48] Aus einem Kommentar von Gernot Facius in „Die Welt“ 9.10.2006. [49] Isolde Karle: Reformen mit Besonnenheit, in:
Zeitzeichen, Heft 2, 2011, 40-f. [50] Pollack aaO. 116. [51] Pollack aaO. 120. [52] Pollack aaO. 116. [53] DER SPIEGEL 43/2006, 189. [54] Jacob Taubes: Vom Kult zur Kultur, München
1996. [55] So idealtypisch zusammenfassend Idea Nr. 114 vom 4. Oktober 2006. [56] Dazu sehr schön: Rainer Schwindt:
Das Jesuswort vom Sturz des Satans in Lk 10,18. Über
die Grenzen historischer Rückfrage, in: Studien zum Neuen Testament und seiner
Umwelt 34. 2009, 43-64. [57] Bonhoeffer bei K. M. Kodalle:
Deutsches Denken in Konfrontation mit dem Amerikanischen Liberalismus – Eine
Fallstudie zu Dietrich Bonhoeffer 1939, in Kurt Salamun:
Ideologien und Ideologiekritik, Darmstadt 1992, 89-106, bes. 102f. [58] Bonhoeffer aaO.. [59] Zu Rorty “immer wenn es schwierig
wird” bei David Tracy: Modernity, antimodernity, and postmodernity in the American setting, in: William M. Shea
/ Peter A. Huff: Knowledge and belief in America, Cambridge 1995, 328-334, 329. [60] Bonhoeffer aaO.. [61] Lorenz Reithmeier
(Hg.): Religiöser Mißbrauch.
Ursachen – Auswirkungen – Heilung, Hamburg 2006. [62] Zu Audi vgl. bei Thomas M. Schmidt:
Religionsfreiheit in pluralistischen Gesellschaften – Ausschluß
des Religiösen aus der politischen Öffentlichkeit?, in: Religion, Staat,
Gesellschaft, 1. 2000, 323-337, 334. [63] Thomas M. Schmidt, aaO; weiter:
Robert Audi: Liberal Democracy and the Place of Religion in Politics“, in: ders. /
Nicholas Woltersdorff (Hg): Religion in Public
Square. The Place of Religious Convictions in Political Debate, Lanham MD 1997,
1-66. Robert
Audi: Religious Commitment and Secular Reason,
Cambridge 2000. [64] Wolfgang Drechsel: Der lange Schatten des
Mythos vom gelingenden Leben, in: Pastoraltheologie 95. 2006, 314-328. [65] Drechsel aaO. 317. [66] Drechsel aaO. 321. [67] Materialdienst des Konfessionskundlichen
Instituts Bensheim [MdKI], Juni 2005, 121. [68] Idea Nr. 48 vom
24. April 2006, 1f. [69] Körtner aaO.. |
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