|
|||||||||||
|
„Das
Meer brause und was darinnen ist ... die Ströme sollen frohlocken“ (Psalm 98, 7a.8a)
–
die Ozeane als Gotteslober und Lebensspender Ein Thementag
zum Nachhaltigkeitsgedanken am Beispiel der Ozeane am 26. September 2010 in Homburg Vorbemerkungen Im
Rahmen der „Woche der Nachhaltigkeit“ vom 25.9. bis 3.10.2010 im Saarland, in
Kooperation Evang. und Kath. Büro Saarland und der ASKO Europa-Stiftung fand am
26.9.2010 in der Stadtkirche Homburg ein Thementag zum Thema Ozeane statt. Im
Rahmen der zwölf Bücher zur Nachhaltigkeit „Forum für Verantwortung“ wurde das
Thema anhand des Buches von Stefan Rahmstorf und Katherine Richardson „Wie
bedroht sind die Ozeane?“ ausgesucht. Stimulierend hat ein Besuch der
Ausstellung „ozean der zukunft“ der Kieler Meereswissenschaften gewirkt, die
2009 ins Saarland geholt wurde und auf dem Treidelschiff „anna leonie“ am
Saarufer in Saarbrücken zu sehen war. Allgemeine Verortung
in der „Woche“: Im
Rahmen der „Woche der Nachhaltigkeit“ sollte die Schönheit der Natur und die
Verantwortung der Menschen für sie anhand verschiedener Themen deutlich gemacht
werden. In zwölf katholischen und evangelischen Veranstaltungen im Saarland
wurde auf den Schöpfungsauftrag Gottes hingewiesen und darauf, dass die von
Gott geschenkte Natur nicht nur zum „ökonomischen Verbrauch“ nutzbar gemacht
werden darf, sondern dass zu dem Bebauen auch das Bewahren in Form von
nachhaltiger Bewirtschaftung gehört – im Bewusstsein, dass auch künftige
Generationen eine bewohnbare Erde zum (Über-) Leben brauchen. Ziel der Themenreihe war es, ein stärkeres Bewusstsein dafür zu schaffen, dass
die Meere Grundlage unseres Lebens sind
und zwar viel mehr, als wir es gemeinhin wahrnehmen. Schon in der Bibel ist von
den Urmeeren die Rede. Sie regulieren unser Klima und sind wichtiger
Nahrungslieferant. Doch wir zerstören sie durch globale Erwärmung, Überfischung
und Verschmutzung. Zugleich soll in Erinnerung gerufen werden, welche wichtige
Rolle die Bewahrung der Schöpfung im christlichen Glauben allgemein und welche
Bedeutung die Meere in der Bibel haben (z.B. Psalm 98). Mit
Stefan Mörsdorf, früherem Umweltminister des Saarlandes und seit April 2010
Geschäftsführer der ASKO- Europa-Stiftung, wurde für die Homburger
Veranstaltung ein überzeugter katholischer Christ und Umweltfachmann gewonnen,
der über die biologische und
physikalische Bedeutung der Ozeane Auskunft geben konnte. Kirchenrat
Frank-Matthias Hofmann hat die biblische Bedeutung der Meere beleuchtet und
dabei die beiden Zukunftsvisionen am Ende des Buches von Rahmstorf/Richardson
profiliert („Trübe Aussichten: Die Ozeane im Niedergang“ oder „Rosige Zukunft:
Die Menschheit im Einklang mit dem Meer“) und dazu ermutigt mitzuhelfen, dass
die ozeanischen Ökosysteme wirkungsvoll geschützt werden. Bezirkskantor
Stefan Ulrich (Homburg) hat musikalisch das Thema aufgegriffen und einen Teil
der „Walgesänge-Orgelwerke“ von Hermann
Seidl (2009) „Über dem Meere – Tanz auf den Wellen“ aufgeführt. Naturwissenschaftliches
Statement: Warum sind die Ozeane für unser Klima so wichtig? (Stefan Mörsdorf) Vor
zwei, drei Jahren schenkten wir unserem damals zehnjährigen Sohn Moritz ein
Puzzle zu Weihnachten. Aber es war kein gewöhnliches Puzzle, wie ich es aus
meiner Kindheit kannte, sondern ein so genanntes 3-D-Puzzle, mit dem man die
Erdkugel zusammensetzen konnte. Wir nutzten die Ruhe der Weihnachtstage und begannen
die 499 Teile zusammenzusetzen. Zunächst begannen wir mit den farbig angelegten
Kontinenten und erzielten zügig Fortschritte. Als wir jedoch damit fertig waren
und uns dem atlantischen, dem pazifischen und dem indischen Ozean widmen
mussten, geriet unser bisheriges Tempo ins Stocken. Und am 2. Weihnachtstag
nach vielen Stunden geduldigen Puzzelns und geringer Forstschritte stellte
Moritz lapidar fest: „Papa, die Grundfarbe der Erde ist eindeutig blau!“, und
traf damit den Nagel auf den Kopf. Unser blauer Planet ist von den Meeren
geprägt, die entscheidend das Klima und unser Leben bestimmen. 71
Prozent der Oberfläche unseres werden von Wasser bedeckt. 97 Prozent des
Wassers unseres Planeten befinden sich in den Meeren. In
den Meeren ist 50 Prozent mehr Kohlenstoff gebunden als in unserer Atmosphäre.
Jährlich werden mehr als 100 Millionen Tonnen Fisch den Ozeanen entnommen.
Diese wenigen Fakten zeigen, welche Bedeutung die Ozeane für unser Leben haben. Und
doch ist eine große Besonderheit, und auch als Naturwissenschaftler darf man
dieses als Wunder bestaunen, dass es auf unserem Planeten Wasser in flüssiger
Form gibt. Unser Nachbarplanet Venus, der rund 108 Millionen Kilometer von der
Sonne entfernt ist, weist eine Durchschnittstemperatur von 453 Grad Celsius
auf. Flüssiges Wasser hätte auf der Venus keine Chance. Und unser Nachbarplanet
Mars, bereits 227 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt, ist mit einer
Durchschnittstemperatur von minus 43 Grad Celsius viel zu kalt, um Wasser in
seiner flüssigen Form zu haben. Die Erde hat mit einem Abstand von 150
Millionen Kilometer zur Sonne genau die richtige Durchschnittstemperatur um das
Wasser weder zu verdampfen, noch als Eisblock die Sonne zu umkreisen. Dass die
Erde mit ihrer Masse genügend Schwerkraft entwickelt, um unsere Lufthülle
festzuhalten, ist ein weiterer glücklicher Umstand, der erst das Leben auf
unserem blauen Planeten ermöglicht. Aber
wie gehen wir mit diesem Planeten und seinen Ozeanen um? Das
Leben in den Ozeanen entzieht sich weitgehend unseren Blicken und daher neigen
wir dazu, ihm nicht sonderlich oft unsere Aufmerksamkeit zu schenken. Dennoch
ist Meer für uns und unsere Umwelt von zentraler Bedeutung. Und gerade weil wir
so selten in direktem Kontakt mit der Natur im Ozean kommen, machen wir uns oft
nicht klar, dass der Mensch die Biologie und die Lebensbedingungen in den
Meeren Stück für Stück verändert. Überfischung,
Veränderung des Nährstoffhaushaltes, globale Erwärmung, Zunahme der
Kohlendioxidkonzentrationen in der Atmosphäre, Versauerung der Meere sind vom
Menschen gemachte Vorgänge, die sich auf das Leben im Meer dauerhaft auswirken. Biblischer Impuls:
Die Ozeane als Gotteslober und Lebensspender (Frank-Matthias
Hofmann) Das
Leben begann biologisch gesehen im Meer. Im Lauf der Zeit wurden Ozeane zur
Heimat zahlloser faszinierender und schöner
Pflanzen und Tiere. Von den geschätzten zehn Millionen Arten in den
Ozeanen sind erst 30.000 wissenschaftlich erfasst. In der Sicht der biblischen
Schöpfungsgeschichte schuf Gott die Erden, die Arten und den Menschen – in
übertragenem Sinne – auch aus dem
Wasser: Er schied die Urwasser, die in der Bibel auch Chaoswasser genannt
werden, und schuf so Trockenes, einen bewohnbaren Raum für Menschen, Tiere und
Pflanzen, die miteinander und voneinander leben sollen. „Und siehe, es war sehr
gut“, heißt es, nachdem Gott sein schöpferisches Werk vollendet hatte. Menschen
leben mit und vom Wasser, besonders an Küstenstreifen und Wasserläufen konnte
und kann man Früchte und Getreide anbauen – ohne Wasser kein Leben. Der Mensch
machte sich im Laufe der Zeit immer stärker das Meer nutzbar, durch Schifffahrt
und das Kennen lernen neuer Kontinente, den Fischfang bis hin zum heutigen
Ausbeuten von Ölvorkommen in der Tiefsee. Heute
prüfen Wissenschaftler, inwieweit man den Wassermangel beheben könnte, indem
man die unerschöpflichen Wasservorräte der Meere durch Entsalzung nutzbar
machen könnte. Israel ist in diesem Bereich weltweit führend, eine der größten
Anlagen steht in Ashkelon, denn ohne diese Möglichkeit wäre die
Wasserversorgung im unter Dürre leidenden Nahen Osten nicht gesichert. Der See
Genezareth trocknet immer mehr aus. Nach der Bibel führte Mose die erste
Entsalzung in der Wüste Sinai durch: Indem er ein Stück bitteres Holz dem
Wasser einer bitteren Quelle zufügte, machte er es trinkbar. Die
Ozeane werden in der Bibel als Quell allen Lebens vorausgesetzt. Am Anfang war
die Erde wüst und leer – und voller Wasser. Wasser in der Bibel, das war schon
immer Segen und Fluch zugleich. Die Chaoswasser, von denen die Bibel redet,
zeugen von einer unwirtlichen Vor-Welt, die kein Leben zuließ. Erst das
schöpferische Eingreifen Gottes, dass die Wasser weichen sollen, die
„Wasser-Scheidung“, bringt die trockene Erde und fruchtbares Land hervor, auf
dem Leben möglich ist. Aber
nach wie vor drohen Sintfluten, die Ozeane können sich aufbäumen in ihren
Urgewalten und Leben, das auf trockenes Land angewiesen ist, zerstören. Die
biblische Sintflutgeschichte zielt zwar auf die Errettung der Menschheit –
durch Gottes Warnung an Noah und den Bau der Arche wird das Menschengeschlecht
gerettet – , ist aber ein Motiv, das im Laufe der Geschichte wiederkehrt, von
der „groten Manndränke“ am 16. Januar 1362 mit 100.000 Toten, bei der die
sagenumwobene friesische Stadt Rungholt in den Fluten versank, bis hin zum
schweren Tsunami an Weihnachten 2004 und dem Hurrikan Katrina, der 2005 New
Orleans zerstörte. Dabei verstärken menschliche Eingriffe in die Natur die
Effekte der Fluten, etwa durch das Abholzen von Mangrovenwäldern in Thailand,
die Zerstörung von Korallenriffen durch Umweltgifte; wenn die Wälder und Riffe
intakt gewesen wären, hätten die tödlichen Flutwellen weit weniger ins Land
vordringen können als es dann geschehen ist. Die Ozeane sind auch lebendige
Organismen, durch Strömungen, unterschiedliche Salzgehalte und andere
biologische und chemische Prozesse sind sie in einem sensiblen ökologischen
Gleichgewicht gehalten. Bei
dem in Hamburg stattfindenden „Sturmflutkongress 2010“ machen Forscher die
zunehmende Nutzung und Bebauung der Küsten in aller Welt sowie das Eindämmen
von Strömen, die massive Entnahme von Sand aus küstennahen Meeresgebieten und
das Absenken des Grundwassers verantwortlich dafür, dass das Risiko von
Jahrhundertfluten sich für die Hafenstädte bis 2070 vervielfacht. Beim
beispiellosen schnellen Anstieg der CO 2-Konzentration und der Ausbeutung der
Meere müssen wir umsteuern. Wenn wir die fragilen Meere erhalten wollen – lange
Zeit haben wir auf den biblischen Auftrag des „Bebauens“ den Schwerpunkt
gelegt, nun muss das „Bewahren“ an erster Stelle stehen. Die
Ozeane und ihre Wasser sind Lebensspender in der Sicht der biblischen
Schöpfungsberichte – sie wollen ein Segen sein. Aber wir können sie uns auch
zum Fluch werden lassen, wenn wir Gottes Auftrag der guten Haushalterschaft und
der Bewahrung der guten Lebensbedingungen auf dieser Erde für kommende
Generationen nicht nachkommen. Eine
große Rolle spielt in der Bibel auch, dass die gesamte Natur, ja auch Ozeane
und Meereswellen in den Dienst des Lobens Gottes gestellt werden: „Das Meer brause und alles was
darinnen ist ... die Ströme sollen
frohlocken“, heißt es in Psalm 98 Vers 8. Hier reden die biblischen Autoren von
den Ozeanen und der Natur, wie wenn sie lebendige Subjekte und nicht tote
Objekte seien. Das ist ein Hinweis darauf, dass wir Menschen Leben inmitten von
Leben sind, das auch leben will (Albert Schweitzer). Die Ozeane sind nicht nur
Lebensspender, sondern auch Gotteslober. Ein wunderschönes Bild, das wir mit
nach Hause nehmen können: Die Wipfel der Bäume schlagen zusammen und
applaudieren dem Schöpfergott des Himmels und der Erden, die Wellenspitzen der
Meereswasser schlagen zusammen, es klingt wie ein gewaltiger Applaus
zusammenklatschender Hände, die Kreatur huldigt ihrem Schöpfer, das Geschaffene
will nicht selber Schöpfer und Gott sein, sondern verbeugt sich vor des
Souveränität des Gottes, der der Gott Israels und der Vater Jesu Christi ist,
der selber die Vollmacht hatte, über Wind und Wellen zu gebieten. Wir sind als
treue Haushalter beauftragt, diese Erde zu bebauen und zu bewahren – Gott zum
Lob, uns Menschen zum Nutzen – aber eben nur in dem Maße, wie wir unsere
natürlichen Grundlagen erhalten und in der Anerkennung der von Gott uns
gesetzten Grenze des „Bebauens“ Gott alleine die Ehre geben. Naturwissenschaft und
Theologie im Gespräch: Was können wir tun, um die Ozeane zu schützen? (Stefan Mörsdorf und
Frank-Matthias Hofmann) Frank-Matthias Hofmann: Bei
der Abiturfeier im Leibniz-Gymnasium Neustadt/Weinstraße 1978 habe ich, weil
ich Pate für Unterstufenschüler war, für soziales Engagement das Buch des
Psychoanalytikers und Sozialphilosophen Erich Fromm geschenkt bekommen. Ich
habe es als frischgebackener Abiturient damals auch gelesen: Als angehender
Theologiestudent an der Kirchlichen Hochschule Bethel hat mich darin besonders
beeindruckt, wie Fromm darin mahnend formuliert: „Wir waren im Begriff, Götter
zu werden, mächtige Wesen, die eine zweite Welt erschaffen konnten, wobei uns
die Natur nur die Bausteine für unsere neue Schöpfung zu liefern brauchte.“ Er
zeigt damit bereits 1976 das Dilemma auf, in das wir durch unsere rein
wissenschaftlich-technische Orientierung geraten sind: Aus dem ursprünglichen
Vorgaben, sich der Natur zu unterwerfen, um sie nutzen zu können, erwuchs die
Möglichkeit, die Natur zu unterwerfen, um sie auszubeuten. Heute sind wir
deutlich an die Grenzen einer Auffassung und Lebenseinstellung gestoßen, die
besagt, Naturverbrauch sei unendlich möglich, wir brauchten uns um einen
nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen wenig zu sorgen. Die Natur habe sich
doch bisher immer auch zu helfen gewusst, sich generiert, indem alte Arten
ausgestorben und neue Arten und
Lebensformen hervorgebracht worden seien, die sich den veränderten Lebensbedingungen
auf der Erde angepasst und somit Menschen, Tier- und Pflanzenarten
überlebensfähig gemacht hätten. Ich
sehe in den Worten Fromms auch das biblische Anliegen widergespiegelt: Gott hat
uns die Schöpfung zur Nutzung anvertraut, wir können sie urbar machen und
haushalterisch verwalten. Aber wir haben aus einem missverstandenen
Bewusstsein, die „Krone der Schöpfung“ zu sein, sie unterworfen, arbeiten oft
gegen sie und nicht mir ihr und beuten sie schamlos aus. Was über Millionen
Jahre gewachsen ist, verzwecken und vernutzen wir innerhalb weniger Jahrzehnte.
Dies widerspricht dem biblischen Schöpfungsverständnis, das in der Genesis von
„bebauen u n d bewahren“ spricht. Lieber
Herr Mörsdorf, wo zeigen sich Ihrer Ansicht nach die Grenzen? Spielt in Ihrem
Denken und Handeln als Politiker und auch als Geschäftsführer der
ASKO-Europa-Stiftung, der biblische Auftrag, diese Erde als gute Haushalter zu
bebauen und zu bewahren, eine Rolle, und wenn ja welche? Stefan Mörsdorf: Die
Bewahrung der Schöpfung spielt in meiner Arbeit eine ganz herausragende Rolle.
Sowohl in den vergangenen zehn Jahren, in denen ich als Umweltminister dieses
Landes wirken konnte, als auch jetzt, wo ich als Geschäftsführer der ASKO-Europa-Stiftung
mich in das Projekt „Mut zur Nachhaltigkeit“ mit voller Kraft einbringen kann.
Es ist aber mehr als nur berufliche Aufgabe und Job. Sondern als Vater von zwei
Kindern ist es mir ein ganz persönliches und wichtiges Anliegen, dass wir den
kommenden Generationen eine Welt übergeben, in der sie in Frieden, Freiheit und
Wohlstand leben können. Und als Christ formuliere ich diesen Anspruch nicht nur
für Europa und die westliche Welt. Auch die Menschen und die künftigen
Generationen auf der Südhalbkugel haben den Anspruch auf ein gutes und
würdevolles Leben. Deshalb will ich nicht nur als ehemaliger Minister und
Geschäftsführer sondern auch als Mensch und Christ dazu beitragen, eine
lebenswerte Zukunft auf diesem Planeten zu gestalten. Der Anspruch ist hoch,
aber es gibt hierzu keine Alternative. Wir haben nur eine Erde, mit ihr müssen
wir sorgsam und verantwortungsbewusst umgehen. Frank-Matthias Hofmann: Ich
habe vorhin bewusst nicht von einer biblischen Schöpfungslehre gesprochen,
sondern vom Schöpfungsverständnis. Damit will ich dem Missverständnis wehren,
als würde der biblische Bericht in Konkurrenz zu naturwissenschaftlichen
Forschungen, Erkenntnissen und Lehren stehen. Dazu
möchte ich zweierlei sagen: Zum einen machen sich die Autoren des Buches
Genesis ja gerade das damalige wissenschaftliche Weltbild zunutze. Sie lehnen
eine wissenschaftliche Weltsicht gerade nicht ab, sondern machen sie für ihren
Glauben dienstbar: Die Erde ist eine Scheibe, die durch ein Dach, den Himmel,
überwölbt ist, an dem Mond, Sonne und Sterne befestigt sind. Unter diesem Dach
ist die Luft zum Atmen auf der Erde gesammelt. Unter der Scheibe fließen die
Urwasser, die die Schutzhülle der Erde umgeben. In den Büchern Mose ist von den
Chaoswassern die Rede, die auch Vernichtung bringen können, wenn sie ungeordnet
strömen. Auch
die Sintflutgeschichte erzählt davon, wobei die Pointe dieser „sagenhaften“
Erzählung ja gerade nicht die Vernichtung der Erde ist, sondern dass Gott Noah
und seinem Geschlecht die rettende Arche bauen lässt und der Mensch und die
Tierarten erhalten werden, obwohl Gott allen Grund hätte, aufgrund des sündigen
Lebens der Menschen alles zu vertilgen. Aber seine Gnade reicht, soweit der
Himmel ist und die Wolken gehen – bis an die Enden der Erde, also bis in die
letzten Sonnensysteme und Planeten hinein. Das zeigt: Meere und Ozeane,
Wassermassen, können Fluch oder Segen bringen. Auch heute werden wir beinahe
mehrmals jährlich mit Naturkatastrophen
konfrontiert, die uns zum einen unsere Grenzen aufzeigen, zum anderen gemahnen,
mit der Umwelt, besser: Mit-Welt, verantwortlicher umzugehen, denn manches sind
hausgemachte Probleme. Gott aber steht zu seiner Verheißung, dass er Menschen
segnen und nicht fluchen will, auch wenn er uns die Freiheit gelassen hat,
Dinge zu tun, unter deren Fluch wir dann leiden müssen. Das
zeigt ein zweites: Die Schöpfungsgeschichten der Bibel sind grandiose
Menschheitserzählungen. Sie wollen nicht den natürlichen Verlauf der Evolution
und wissenschaftlich die Weltentstehung protokollieren. Es sind
Glaubenserzählungen, die angesichts der damaligen Erfahrungen bezeugen wollen,
dass Gott als Aus-dem-Nichts-ins-Sein-Rufender die Welt im Letzten trägt und
hält, dass wir als geschaffene Lebewesen ihm gegenüber im Umgang mit unseren
Mitmenschen, den Tieren und Pflanzen und der Natur ihm gegenüber verantwortlich
sind. Kreationisten, die die biblischen Berichte wortwörtlich verstehen und
jegliche naturwissenschaftliche Erkenntnis leugnen, wie dies christliche
Fundamentalisten tun, wird damit aber nicht das Wort geredet. Sie haben nicht
verstanden, dass hier auf ganz verschiedenen Ebenen gesprochen wird. Wie
sehen Sie diese beiden Dinge, Herr Mörsdorf: Dass unsere Weltbilder aufgrund
fortschreitender naturwissenschaftlicher Erkenntnisse sich auch heute noch
ständig wandeln, zeigt das, dass wir immer an Grenzen unserer Erkenntnis stoßen
werden? Oder erklären der Urknall und eine mögliche Entdeckung der sog.
Weltformel alles? Bleibt bei allen Forschungen noch Platz für Gott, oder
vertreiben wir ihn aus unserem Denken, wie dies jüngst ja Wissenschaftler wie
die Astrophysiker Stephen Hawking und Leonard Mlodinow in ihrem Buch „Der große
Entwurf“ vormachen? Stefan Mörsdorf: Naturwissenschaft
und Glaube sind keine Gegensätze. Jedenfalls nicht für mich. Gerade lese ich
das von Ihnen angesprochene Buch. Da es erst in diesem Monat erschienen ist, habe
ich es noch nicht vollständig gelesen. In den ersten Kapiteln fasst Stephen
Hawking nochmals die Inhalte seiner früheren Bücher zusammen, aber neugierig
wie ich bin, habe ich schon mal vorgeblättert. Den „großen Entwurf“ bleibt er
auch in diesem Buch schuldig. Die Weltformel wird auch in diesem Buch ein
weiteres Mal angekündigt, aber nicht geliefert. Die Zusammenführung von
Quantenmechanik und Astrophysik findet eben nicht statt. Und selbst, wenn sie
in Zukunft gelingen sollten, die auch von Hawking gestellten Fragen „Warum gibt
es etwas und nicht einfach nichts?“, „Warum existieren wir?“, „Warum dieses
besondere System von Gesetzen und nicht irgendein anderes?“ zu beantworten: Die
Existenz von Gott lässt sich nicht beweisen, aber auch genauso wenig lässt sich
seine Nicht-Existenz beweisen. Mir persönlich geht es so, dass ich je mehr ich
über unsere Natur und unser Universum lerne, umso mehr gerate ich in
ehrfürchtiges Staunen und in Begeisterung über unsere Schöpfung und unseren
Schöpfer. Nein, an dieser Stelle folge ich Stephen Hawking nicht. Dennoch ein
lesenswertes, wenn auch kapitelweise schwieriges Buch. Frank-Matthias Hofmann: Nach
diesen sehr grundsätzlichen Erwägungen noch einmal zurück zum Thema Ozeane. In
dem Buch „Wie bedroht sind die Ozeane? Biologische und physikalische Aspekte“
lautet die gute Nachricht, dass wir die Zukunft unserer Meere immer noch
größtenteils in unseren eigenen Händen halten. Dann stellen die Verfasser zum
Schluss des Buches unter dem Titel „Zukunftsvisionen“ zwei mögliche Szenarien
vor: Wir Menschen können den Weg in eine düstere Zukunft mit steigendem
Meeresspiegel und einem ausgeplünderten, sauren und überwärmten Ozean wählen,
weil wir nicht aktiv genug gegen den stetig steigenden CO 2-Gehalt in der
Atmosphäre angehen. Die marinen Ökosysteme brechen dann zusammen. Es kommt zu
einer planetarischen Krise. Oder
wir entscheiden uns für einen nachhaltigen Umgang mit den Meeren, der ihre
Vitalität und Schönheit bewahrt. Der Mensch lebt im gottgewollten Einklang mit
der Natur. Ein 30 Prozent der Ozeane umfassendes globales Netz von
Meeresschutzgebieten und Meeresparks ist eingerichtet, viele Arten erhalten so
Rückzugszonen, in denen sie sich erholen können. Die Fangquoten sind begrenzt
und Fischbestände und allgemeines Meeresleben erholen sich. Wissenschaftler
haben nachhaltige und saubere Formen von Fischzucht entdeckt, sodass die Ozeane
jetzt der Weltbevölkerung reichlich Protein liefern, ohne dass die
Fischbestände geplündert werden. Der Mensch füllt ihn in der Schöpfung zugewiesene
Rolle des nachhaltig handelnden Haushalters aus: Mensch zu sein inmitten von
Leben, das auch leben will. Lieber
Herr Mörsdorf, welches dieser Szenarien halten sie für realistisch? Können wir
noch rechtzeitig umsteuern und die Meere retten? Können wir hier vor Ort etwas
tun, lässt sich durch das Verhalten eines jeden von uns dieser Prozess mit
beeinflussen? Stefan Mörsdorf: Ich
gehöre zweifelsohne zu denjenigen, die es mit den Worten von Martin Luther
halten und notorisch Apfelbäumchen pflanzen. Gott hat uns Menschen Freiheit
gegeben, auch die Freiheit, uns von ihm abzuwenden und die Freiheit, die
Schöpfung und die Erde zu zerstören. Und wir sind in der Pflicht, mit dieser
Freiheit in Verantwortung umzugehen. Das westliche Wohlstandmodell, wie wir es
leben, ist nicht übertragbar auf heute sieben Milliarden und im Jahr 2050 dann
neun Milliarden Menschen, die alle ein gutes Leben führen wollen. Sie haben
eingangs Erich Fromm angesprochen und sein Buch „Haben oder Sein“ ist heute
aktueller denn je. Ein gutes Leben wird nicht davon bestimmt, immer mehr haben
und konsumieren zu wollen. Wir brauchen ein neues Wohlstandmodell, das mehr auf
„Sein“ denn auf „Haben“ setzt. Dies kann nur gelingen, wenn wir uns alle als
„Arbeiter im Weinberg“ verstehen und jeder an seinem Platz seinen eigenen, wenn
auch nur kleinen Beitrag leistet. Gerade die Nachfragemacht der Konsumenten
kann einiges bewegen. Gebet für die Ozeane Stefan Mörsdorf: Gott,
Du Schöpfer des Himmels und der Erden, Du hast uns Deine Schöpfung anvertraut.
Wir bitten Dich, bewahre uns vor der Versuchung, alle Natur und jegliche
Lebewesen uns bedingungslos unterwerfen zu wollen und sie nur unter dem Aspekt
des Nutzens für uns selbst zu betrachten. Hilf uns, künftig noch besser das zu
schützen du zu bewahren, was Du uns geschenkt hast. Lass uns erkennen, dass wir
Leben inmitten von Leben sind, das leben will, wie es Albert Schweitzer einmal
formuliert hat. „Tiefes Meer, weit umher, wieviel zählst du Tröpfelein? Ohne
Zahl, sovielmal soll mein Gott gelobet sein“ (EG 507,5). Frank-Matthias Hofmann: Gott,
Du Schöpfer des Universums und von allem, was da lebt und atmet, Du hast uns
die beeindruckenden Ozeane dieser Welt geschenkt. Wir danken Dir für alles
Wasser und alle Lebewesen, die die Weltmeere bevölkern. Du hast die Urfluten
dieser Erde geschieden und dadurch trockenes Land hervorgebracht, auf dem wir
Menschen leben können. Aus den Wassern ging das Leben hervor und vom Wasser
leben wir bis heute. Lass uns verantwortlich mit den Meeren und den Wassern
umgehen. Lass uns sie immer besser beschützen und gib uns die Kraft, gegen
Umweltverschmutzung und verantwortungslosen Lebensstil anzugehen und schenke
uns selbst die Einsicht in eine bewahrende und nachhaltige Lebensweise –
„Tiefes Meer, weit umher, wieviel zählst du Tröpfelein? Ohne Zahl, sovielmal
soll mein Gott gelobet sein.“ Stefan Mörsdorf: Gott,
Du Schöpfer der Welt und allen Lebens, voller Wunder ist unsere Welt. Lass uns
das Staunen auch über aller rationalen Naturerkenntnis und allen wichtiger
Forschungen der Naturwissenschaften nicht vergessen. Wir bitten Dich für alle
Naturwissenschaftler, dass Du ihnen wichtige Erkenntnisse zur Erforschung des
Lebens gibst und sie neugierig und verantwortlich damit umgehen lässt. Wir
bitten Dich heute vor allem für alle, die die Meere erforschen und die
Ozeanologen, die immer wieder wichtige Erkenntnisse über die
Funktionstüchtigkeit der Meere, aber auch ihre Veränderungen und ihre
Bedrohungen öffentlich machen, um uns zu einem veränderten Umgang mit den
Meeren anzuhalten. Lass uns aufmerksamer ihnen zuhören und alle Meereskundler
und Biologen in ihrem Dienst stärken. „Tiefes Meer, weit umher, wieviel zählst
du Tröpfelein? Ohne Zahl, sovielmal soll mein Gott gelobet sein.“ Frank-Matthias
Hofmann: Gott,
Du Quell des Lebens und Born aller kreatürlichen Freude, Deine Stimme hat aus
den vielen Wassern das Leben, die Planetensysteme, das Weltall und die
bewohnbare Erde geschaffen. Du breitest die Erde aus wie ein Gewand. Du
wirbelst bis zu dem Himmel die Meereswellen. Du hast die Berge und die Meere
gegründet, damit sie Dein Lob bis an die Enden der Erde verkünden. Das Meer
braust und was darinnen ist, die Ströme frohlocken und sind fröhlich, weil Du
alles so herrlich geschaffen hast: „Und siehe, es war alles sehr gut.“ Lass uns
einstimmen in diesen Jubel der Schöpfung und alles Geschaffenen, lass uns Dich
loben und preisen: „Tiefes Meer, weit umher, wieviel zählst du Tröpfelein? Ohne
Zahl, sovielmal soll mein Gott gelobet sein.“
|
|