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„Santo subito“ und die
Folgen Papst Benedikt XVI. hat von seinem Vorgänger ein
in mehrfacher Hinsicht problematisches Erbe hinterlassen bekommen. Richtig
aufgefallen ist dies, als er am 28. Oktober 2007 mehr Menschen selig sprechen
musste als Johannes Paul II. in dessen gesamter Amtszeit: Es handelte sich um
498 „Märtyrer des Spanischen Bürgerkrieges“. Außer den beiden Bischöfen von
Cuenca und Ciudad Real sowie neun Laien handelte es sich um Diözesanpriester
und Ordensleute, die in den Wirren des Bürgerkrieges zwischen 1936 und 1939
angeblich von Republikanern ermordet worden waren. Reformkatholische Kreise
merkten sofort an, dass sich unter den 498 seligen Spaniern kein einziger
Priester findet, der von den Nationalisten ermordet wurde, obwohl es diese auch
gegeben hat. Diese einseitige Auswahl wird besonders anrüchig, wenn man sich
klar macht, dass der Vatikan zu den ersten Staaten gehörte, die bereits im
August 1937 – also mitten im Bürgerkrieg – die Putschisten um General Francisco
Franco y Bahamonde als rechtmäßige Regierung
anerkannten – gegen das gewählte Regierungsbündnis der liberalen,
republikanischen und sozialistischen Parteien. Benedikt XVI. musste diese
Massenseligsprechung vornehmen, weil sein Vorgänger sie initiiert hatte.
Aufhalten konnte er das Verfahren offensichtlich nicht mehr. Damit bestätigte er
nachträglich, dass diejenigen recht hatten, die immer schon die inflationäre
Zahl der Selig- und Heiligsprechungen unter Johannes Paul II. als politisches
Instrument des Vatikans kritisiert hatten. Seligsprechungen, so wurde
argumentiert, sind Parteinahmen in aktuellen Konflikten: Indem eine bestimmte
Person der Kirchengeschichte selig gesprochen wird, dokumentiert die Kirche
durch einen symbolischen Akt ihre Parteinahme, ohne dies deutlich aussprechen
zu müssen. Darauf angesprochen, kann sie sich immer auf
das Verdienst der jeweiligen Person zurückziehen; die Gläubigen jedoch
verstehen das Zeichen und dürfen sich in ihrer Haltung mit der Kirche auf dem
richtigen Weg wissen. Im Falle der 498 seligen Spanier reduzierte sich sogar
alles auf diesen letztgenannten Aspekt, denn das individuelle Verdienst jedes
Einzelnen tritt bis zur Unkenntlichkeit zurück hinter das gleiche Schicksal,
das diese Personen erleiden mussten. Damit aber wurde die Auswahl der 498 zum
eigentlichen Kriterium und damit zum Hauptangriffspunkt derer, die hier
Parteilichkeit am Werk sehen. Die Seligsprechung der 498 traf die spanische
Gesellschaft nämlich in einer Phase, in der erstmals ernsthaft versucht wurde,
die Gräuel des Bürgerkrieges und der nachfolgenden faschistischen Diktatur einer
breiteren Aufarbeitung zuzuführen. Die katholische Kirche spielte bei dieser
Aufarbeitung eine, um es vorsichtig auszudrücken, wenig konstruktive Rolle. Johannes Paul II. stellte sich mit dem
Vorantreiben der Seligsprechung für die spanischen Märtyrer sehr eindeutig auf
die Seite der Franco-Diktatur. Dazu passte schon das schnelle
Seligsprechungsverfahren für den 1975 verstorbenen Gründer des Opus Dei, Josémaria Escrivá de Balaquer y Alba nur
wenige Jahre nach seinem Tod; immerhin war das Opus Dei
neben Francos Falange-Partei eine entscheidende Stütze der Diktatur und
sicherte letztlich in den 1950er und 60er Jahren durch einen Modernisierschub in der Wirtschafts- und Bildungspolitik
das Überleben der Diktatur. Nachdem 1975 gleichzeitig Franco und Josémaria Escrivá gestorben
waren, dauerte es nur wenige Jahre, bis das Opus Dei
mit Beginn des Pontifikats Johannes Pauls II. im Vatikan eine neue Rolle fand;
es wurde in den Rang einer Personalprälatur erhoben und nahm immer mehr die
Rolle ein, die in vergangenen Jahrhunderten dem Jesuitenorden zugedacht war:
die Weltkirche an den häretischen Rändern vor massenhaftem Abfall von der
Lehramtslinie zu schützen. Wie das genau funktionierte, konnte man sich am
Niedergang der Theologie der Befreiung in Lateinamerika klarmachen: Johannes
Paul II. besiegte diese fast ausschließlich durch Personalpolitik. Am 1. Mai dieses Jahres wird Benedikt XVI.
nun Johannes Paul II. selig sprechen. Niemand wird bestreiten wollen, dass
dieser sich dann in guter Gesellschaft befindet. |
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