Tauferinnerung bei der Bestattung

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Ein Impuls aus der Diaspora

Roland Wagner
Josefstaler Straße 7, 66386 St. Ingbert

Leider habe ich es versäumt, bei der Umfrage zur Bestattungspraxis anlässlich der anstehenden Revision der Begräbnisagende dem damit betrauten Arbeitskreis für Theologie (AKL) rechtzeitig eine Rückmeldung zu geben. Ich möchte darum auf diesem Wege einen Impuls nachreichen, der zur Diskussion einer liturgischen Praxis anregen mag. Konkret geht es um die Verkündigung am Grabe und das damit verbundene Ritual.

Seit einiger Zeit praktiziere ich in diesem Kontext außer dem traditionellen Erdwurf auch eine Tauferinnerung, indem ich den Sarg, der bereits abgelassen wurde (bzw. die Urne), mit Wasser besprenge. Eine verbale Erinnerung an die Taufe anlässlich eines Begräbnisses ist weithin üblich und wird von vielen Kollegen schon lange praktiziert – warum sollte eine zeichenhafte Begleitung dessen, was gesagt wird, verkehrt sein?

Diese Praxis mag vordergründig zunächst als „typisch“ katholisch erscheinen und bei protestantischen Theologen Widerspruch hervorrufen. In der Tat habe ich mit dem Wasserritual auch erst begonnen – anfangs zögernd, aber dann mit zunehmender Gewissheit, dass es einem christlichen Begräbnis höchst angemessen ist –, seitdem ich als Gemeindepfarrer in dem katholisch geprägten Umfeld der Stadt St. Ingbert arbeite. Hier ist es üblich, dass am Grabe außer der Schaufel für den Erdwurf auch immer ein kleiner Weihwasserkessel beim Bestattungsritual den Geistlichen und der Trauergemeinde zur Verfügung steht. In früheren Zeiten tauchte bei einer evangelischen Beerdigung kein Weihwasserkessel auf; darauf wurde strikt geachtet, eben im ehemals kontroverstheologisch begründeten Wissen darum, dass das doch etwas typisch Katholisches und alleine darum schon abzulehnen sei. Zwischenzeitlich steht in St. Ingbert beides am Grabe. Dies allein ist freilich kein hinreichender Grund, als evangelischer Pfarrer etwas zu praktizieren, was bei „guten“ Protestanten gemeinhin Befremden auslöst. Aber es könnte Anlass sein, die bisherige Praxis und die damit verbundene und weithin nur dumpf empfundene Ablehnung zu hinterfragen.

Im Wasserritual am Grab bestärkt hat mich insbesondere eine Beobachtung, die ich vor Ort bei Trauerfeiern von Gemeindegliedern aus gemischt konfessionellen Familien gemacht habe: Die katholischen Teilnehmer der Trauerfeier, und zuweilen auch die evangelischen, treten vor Beginn des eigentlichen Gottesdienstes bereits in der Friedhofskapelle vor den Sarg bzw. die Urne und besprengen diese/n mit Wasser. Wenn dann der Pfarrer dazu kommt und die Trauerfeier eröffnet, ist der Sarg / die Urne oft ganz mit Wassertropfen bedeckt. Von diesem Abschiedsritual geht hintergründig atmosphärisch etwas ungemein Tröstliches aus. Es ist mehr als eine Stimmung, die sich der Anfälligkeit der Menschen für Sentimentalität in solchen Situationen verdankt. Es geht eine nonverbale Botschaft davon aus: Selbst im Tode bist Du vom Leben umfangen!

Nun dürfen subjektive Eindrücke und Erfahrungen aus der Arbeit in einer Diaspora-Gemeinde und die persönliche seelsorgerliche und theologische Reflexion derselben nicht ausschlaggebend sein für eine Änderung bzw. Erweiterung der bestehenden Praxis. Dennoch möchte ich die Sache zu bedenken geben.

Aus Sicht einer evangelischen Theologie, die die Relevanz der Symbolik in der Verkündigung wertschätzt und in diesem Kontext das Taufgedächtnis im Gemeindegottesdienst entdeckt hat, lohnt es sich, anlässlich der Revision einer Bestattungsagende über eine Zeichenhandlung zur Tauferinnerung beim Abschied von einem Menschen nachzudenken. 

Dass es sich beim Wasser der Tauferinnerung nicht um „Weihwasser“ im Sinne eines im katholischen Milieu verbreiteten magisch-dinglichen Denkens handelt, sollte für evangelische Theologie selbstverständlich sein. Das mögliche Missverständnis dieser Zeichenhandlung rechtfertigt nicht deren Ablehnung in der Sache. Recht verstanden steht das Wasserzeichen am Grab  in einem spannungsvollen inneren Zusammenhang mit dem  Zeichen des Erdwurfes und verkündigt auf eine sehr eigene Weise das Evangelium von der Auferweckung der zu Erde, Staub und Asche Gewordenen. Gott überlässt den erdverhafteten vergänglichen Menschen nicht dem Tode, sondern vollendet an ihm das, was er mit der Taufe begonnen hat. Er steht zu seiner in der Taufe (am Anfang eines Menschenlebens) gegebenen Zusage, dass um Christi willen nichts scheiden kann von seiner Liebe – auch nicht das Sterben.

Dass ich nicht missverstanden werde! Es geht nicht darum, eine solche Tauferinnerungs-Praxis am Grabe quasi flächendeckend einzuführen, sondern ausschließlich darum, die Option für diese Zeichenhandlung angesichts des Todes offen zu halten, dass sie dort, wo sie angebracht ist und „passt“ –  und möglicherweise entsteht und wächst –, in protestantischer Freiheit auch geübt werden darf. Theologisch fundiert ist sie allemal.

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