Theo Sundermeier: Mission – Geschenk der Freiheit

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Klaus-Peter Edinger
Von-der-Tann-Straße 17, 67063 Ludwigshafen

Bausteine für eine Theologie der Mission. Lembeck Verlag Frankfurt 2005, 18,- €.

Wer die überaus zahlreichen Veröffentlichungen des leider aus der aktiven Lehrtätigkeit ausgeschiedenen Heidelberger Missionstheologen und Religionswissenschaftlers Theo Sundermeier kennt, der kann eine deutliche Weiterentwicklung seines missionstheologischen Ansatzes nachvollziehen. Von seinem bekannten und damals viel beachteten Aufsatz „Konvivenz als Grundstruktur ökumenischer Existenz heute” (1986) über seine Hermeneutik des Fremden (1996), hin zu dem Beitrag „Mission und Dialog in der pluralistischen Gesellschaft” (1999) lässt sich eine klare Linie verfolgen hin zu seinem neusten Buch.

Stand in dem vor nunmehr beinahe 20 Jahren erschienenen Aufsatz die Frage im Vordergrund, wie überhaupt ein Zusammenleben mit dem Fremden, vornehmlich des kulturell Fremden möglich ist und Sundermeier das methodisch in 4 Schritten zu beschreiben versucht hat, wird dies 10 Jahre später um den Dialogauch mit der fremden Religion, vornehmlich des Islam, erweitert. In dem nun vorliegenden Buch geht es konsequent weitergeführt um eine theologische Grundlegung der Mission.

Der in dem Buch begründete und bereits in seinem Titel anklingende Leitsatz taucht gleich im Vorwort auf: „Mission gründet in der Freiheit der Kinder Gottes, einer Freiheit, zu der uns Christus berufen hat (Gal 5,13).” Neben in der Tat für ein Missionsverständnis grundlegenden Ausführungen in einem ersten Teil, in dem der Verfasser den Leser/die Leserin zu neuen und zT. überraschenden systematischen und religionsgeschichtlichen Einsichten führt und anhand des Missio-Dei-BegriffesEckpfeiler eines heutigen Missionsverständnisses entwickelt, behandelt er im 2. Teil  praktische und vor allem hermeneutische Fragen aus dem Bereich der Mission, um dann in einem 3. Teil Mission als Dialog auch mit anderen Religionen in den Mittelpunkt zu stellen.  Seine überaus profunden Kenntnisse anderer Religionen und Kulturen – er war selbst 12 Jahre Dozent im Südlichen Afrika -, seine Sensibilität für die Begegnung mit dem Fremden, seine grenzüberschreitenden Betrachtungen, vor allem sein ‚Ausflug’ in den Bereich der Bildenden Kunst auch fremder Kulturen, machen sein Buch zu einer geradezu spannenden Lektüre.

Sundermeier greift die Fragen und Anliegen der Leser und Leserinnen bewusst auf, so vor allem die Vorurteile, die mit dem Begriff Mission verbunden worden sind und noch werden. Behutsam und überzeugend zugleich entwickelt er demgegenüber ein neues Missionsverständnis – auch anhand des sog. Missionsbefehls, den er eher als eine Ermutigung für Menschen deutet, die unterwegs sind: „Wann immer ihr Grenzen zu Fremden überschreitet, wo immer ihr euch aufhaltet, seid Zeugen eures Herrn!” (17) so wie es der Gottessohn selbst getan hat. Ja, Mission orientiert sich ganz an ihm: „Gleichwie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch” (Joh 17,18; 20,21). Mission kann dann kein anderes Ziel haben, „als Gottesfreundschaft zu verbreiten und das heißt zugleich, zur Freiheit einzuladen” (36). Damit verliert jeder Herrschaftsanspruch in der Begegnung mit dem anderen, auch mit Angehörigen anderer Religionen, sein Recht. Vielmehr geht es um eine Kultur der gegenseitigen Anerkennung, um ein gleichberechtigtes Miteinander-Leben – ‚Konvivenz’ – als Bedingung der Möglichkeit eines fruchtbaren Dialogs.

Dabei ist es überaus entlastend und tröstend zu wissen, dass Mission ‚geschenkte Zukunft’ ist und das Reich Gottes in uns wächst wie die still wachsende Saatkraft des Heiligen Geistes, Mission also keineswegs unter einem Zeit- und Erfolgsdruck stehen darf.

Sundermeier beschreibt die Weise der Begegnung als ‚dialektisches Fremdheitsmodell‘, in dem der Spagat zu leisten ist, „einerseits den Fremden in seiner Andersheit stehen zu lassen, ihm aber andererseits so nahe zu kommen, dass eine Beziehung möglich wird, die weder vereinnahmend noch abweisend ist und Distanz und Nähe verbinden kann” (83). Für die kirchliche Mission schließt das notwendigerweise Adaption mit ein, „zumindest im sprachlichen Bereich Veränderung beider Seiten, der europäisch geprägten Kirche und ihrer Theologie sowie der einheimischen Kultur” (95). Dabei gewinnt in der Begegnung mit der anderen Kultur, der anderen sozialen Situation und der anderen Religion die eigene religiöse Identität an Profil, „gewinnt der Glaube an Pluriformität und wächst hinein in den ‚unausforschlichen Reichtum’ Christi, den es zu leben und zu verkündigen gilt (Eph3,8)” (99). Veränderungen bedeuten dabei keineswegs Entfremdungen vom Ursprung, wie ja auch die Hl.Schrift – im Unterschied etwa zum Koran – gemäß der Fleischwerdung Jesu in viele verschiedene Sprachen übersetzt werden konnte und soll, aber als Übersetzungen in andere Kulturen immer nur das bleiben, was sie sind und sein sollen, eben ‚Über-setzungen’. Sundermeier spricht deshalb lieber von ‚Hodogese, nämlich den anderen auf seinem Weg begleiten, als von Exegese. Damit wird jede Form von Fundamentalismus ausgeschlossen, weil der Heilige Geist nicht religiöse Unifizierung, sondern Pluralisierung fördert.

Gerade am Beispiel der christlichen bildenden Kunst versucht Sundermeier deutlich zu machen, dass keine der prophetischen Religionen das Recht hat, „harsch über die anderen zu urteilen” (169). Da liegt es nahe, den christlichen Glauben auch aus der Sicht anderer Religionen zu betrachten und das Gemeinsame zu betonen ohne die eigenen Identitäten zu verwischen und sich mit heute  international und überall zugänglichem Gedankengut aus anderen Religionen zu mischen, wie das in der Bewegung des New Age und insbesondere der Esoterik der Fall ist und wie es postmodernem Lebensgefühl entspricht.

Am Schluss verweist der Verfasser auf das Krisenverarbeitungs-Modell der Erziehungs-wissenschaftlerin Erika Schuchardt, die Krisenbewältigung in 8 notwendig zu gehenden Schritten – dazu gehört auch die Phase der Aggression – beschreibt. Ein Modell, das sich auch auf eine nachhaltige Begegnung mit dem Fremden in einer globalisierten Welt übertragen lässt, was der Rezensent jüngst in seiner Dissertation „Aufbruch zu ökumenischem Lernen” ausgeführt hat.

Dieses Buch gehört nicht nur in die Hand von spezifisch am Thema Mission Interessierten, sondern findet hoffentlich Anklang bei all denen, die die Begegnung mit Anderen, Fremden, fremden Kulturen und fremden Religionen – die findet ja heute auch vor Ort statt – bewusst wahrnehmen und gestalten wollen.

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